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BERLIN . Montag 11. Februar 1929

Der Abend

Erfcheint taqlid aufer Sonntags Fugleich Abenbausgabe des Bormårts". Bezugspreis beide Ausgaben 85 f. pro Woche, 3,60 M. pro Monat. Redaktion und Expedition: Berlin SW 68, Lindenir.3

46. Jahrgang.

66 unjelgenpreis: Die einfaltige Nonpareillezetle

Spätausgabe des Vorwärts

neo Bf., Reklamejeile 5 M. Ermäßigungen nach Tarif. Boffchediouto: Vorwärts Verlag G. m. b.. Berlin Nr. 37536. Fernsprecher: Doubof 292 bis 297

Die Kältekatastrophe.

Die tiefsten Temperaturen seit Jahrzehnten seit Jahrzehnten- Todesopfer in Berlin

Der große Bälteeinbruch hat sich innerhalb der deut­ schen Grenzen geradezu tatastraphal ausgewirkt. Aus allen Gegenden des Reiches treffen Nachrichten ein über die verhängnisvollen Folgen des starken Frostes, der stellenweise has Thermometer bis auf 35 sogar auf 40 Grob unter Rull wird behauptet- sinken ließ. Wäh rend unch am Sonnabend mittag in Berlin sechs Grad uuter Null gemessen wurden, stand das Thermometer am Sonntag mittag in der Innenstadt beharrlich auf 20 bis 23 Grad unter Null, felbst auf der Sonnenseite der Straßen. Kurz nach Sonnenuntergang fonnte man in der Innenstadt 26 Grad, in der Umgebung Berlins 30 Grabälte feststellen. Für eine rasche Renderung der Wetterlage fehlen vorläufig noch alle Anzeichen.

Ein sibirischer Sonntag.

Ein eisiger Dftmind stiff am Sonntag dard) die Straßen und madyte die Rälte fait unerträglich Die Zahl der fountäglichen Spa. siergänger mar Denn aud auf ein Minimum herabgebrüdt, man fann faft fagen, daß nur Leute die Straße passierten, die irgend mohin mußten. Der Bahnhof 300, der fonntägliche Treffpunkt, der Kurfürstendamun, der beliebte Bummelgang, alles gähnend leer. Auch die wind und metterharten Wintersportler hatten nur ihre ganz unerschrodenen Bertreter entfandt und die Eis- und Rodel. bahnen vor den Loren Berlins maren, im Vergleich zu den vorher gehenden Sonntagen, nicht allzu dicht bevölkert. Der nachmittägliche Ausflugsverfehr mar überhaupt fehr schwach, in den Vormittags:

Mittags 20 Grad Kälte.

Heute miting um 1 1hr wurden in der Innenstadt minus 20 Grad gemessen. Nachts betrug die fiefffe Temperatur minus 25 bzw. minus 26 Grad Kälte. Um 8 Uhr früh herrschten minus

24 Grad.

ftunden, falange die Sonne noch schien, gab es noch allerlei Sport­luftige mit Holzern, Schlittschuhen, und Rodelschlitten behangen, die ins Freie fuhren. Am stärksten war die Wannseestrede frequen. fert, Grimemald, Zehlendorf und Wannsee ; die Havelgegend mar ziemlich feer und die große Rodelbahn bei Bichelsberge, die außer dem in einem allzu starf ausgefahrenen Zustande sein soll, foh fast gar feine Besucher. Bas trotzdem noch den Weg nach draußen fand, hatte sich mit allem greifbaren wärmenden Zeug versehen, piele glichen Nordpolfahrern, allerdings in etwas willfürlich- bunter Kostümierung. Ohrtlappen, dide Halstücher, verschiedene hatten so­gar ein Tuch unter der Müße, das den Hinterkopf und die an­fchließende Halspartie zu schüßen hatte. Auch der Sport scheint bei diefer Temperahr feine reine Freude gewesen zu sein.

Besonders ungemütlich ist es auch in den Berliner Berkehrs. mitteln, wie Straßenbahn und Autobus. Die menigen Seizkörper reichen nicht aus, um den Aufenthalt in den Wagen auch nur einigermaßen erträglich zu inachen. Die Spree und die durch Berlin führenden Ranäle bildeten während des Sonn ings infolge des großen Unterfchiedes zwischen der Luft und Basser. temperatur ein einziges mallenbes Rebelmeer. Kurz nachdem die Sonne untergegangen mor, fekte hier starte Eisbildung ein. In zahlreichen Berliner Häusern herrscht große Wassernot, da bie Wafferleitungen eingefroren find. Die Bewohner müssen fich das Wasser mühsam mit Eimern aus der Nachbarschaft her anholen.

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Bilferufe aus allen Stadtteilen.

Während des Sonntages und der Racht zum Montag hatte ins­besondere die Berliner Feuerwehr wieder viel zu tun. Unaufhörlich Tiefen auf der Hauptmache in der Lindenstraße Hilferufe aus allen Stadtteilen ein. Mein in etwa 150 fallen mußten bie ehren bei lleberfchmemmungen eingreifen, bie durch afferrohrbriche verurfacht morden waren. Besonders die älteren Häufer mit Dfenheizung haben unier ber ganz ungemöhn­lichen Frosteinnirtung zu leiden; der Schaden in dem Wasser­Teitungsnez biefer Wohnhäuser ist in vielen Fällen sehr erheblich. Berade in den Außenbezirfen gibt es ganze Straßenzüge, mo die Baffer und teilmeise auch die Gasleitungen eingefroren find. Die Vereifung der Leitungen ist in manchen Häusern soweit vor­geschritten, daß auch die Auftauarbeiten ohne Erfolg bleiben.- Bor dem House Leipziger Str. 15, in dem sich das Reichs Bortfegung auf der 2. Seite.)

Die Sachverständigen beginnen.

Diskretion zugesichert.- Bildung zweier Ausschüsse.

Paris , 11. Februar.( Eigenbericht.)

Die inoffizielle Besprechung, in der am Sonnabend die Sachverständigen zum erstenmal Fühlung miteinander genommen haben, hat in allen Delegationskreisen den denkbar besten Eindruck hinterlassen. Die Atmosphäre war freundlich und der Wille zu vertrauensvöller Zusammenarbeit offenfundig. Es wurde vereinbart, auf alle theoretischen Erörterungen sowie auf den Vortrag

hon Denkschriften und Exposés zu verzichten und so rasch wie möglich in die praktische Diskussion der zu lösenden Fragen einzutreten,

delegierten an allen Sigungen teilnehuten sollen. Man hat ferner darüber. diskutiert, ob die Ersak Die Entscheidung darüber wird am Montag fallen. Die Frage wird voraussichtlich in der Weise gelöst werden, daß entweder die Ersatzdelegierten auf die verschiedenen Kommissionen verteilt werden, denen das Studium der Einzelfragen vorbehalten bleibt, oder die Konferenz sich in zwei Komitees teilt, von denen das eine die Höhe der deutschen Gesamtverpflichtungen und die Zahlungs modalitäten festzusehen, das andere die Frage der Mobili fierung und Kommerzialisierung zu beraten haben würde.

Auch die Frage des Vorsitzenden wird erst am Montag ihre endgültige Entscheidung finden. Man hofft, das Owen Young sich durch das Drängen seiner Roi. Legen zur Aufgabe seines bisherigen Widerstandes be stimmen lassen und den Vorsit annehmen wird. Zu Bizepräsidenten werden in diesem Falle Morrow und Schacht, die Präsidenten der Bank von Frankreich und der Reichsbant, ernannt werden.

Sämtliche Konferenzmitglieder haben sich gegenseitig zu striktester Diskretion verpflichtet. Immerhin wird die Konferenz als solche dauernde Verbindung mit der Presse aufrechterhalten und die öffentliche Meinung durch amtliche Mitteilungen regelmäßig über den Stand der Dinge auf dem laufenden halten.

Ein sozialistischer Rückblick.

Sachverständigeufommiffion, um den ganzen Irrfinn jener. Morime

Léon Blum bemußt die Gelegenheit des Zusammentritts ber

der ersten Nachfriegszeit Deutschland perde alles bezahlen" nach­zumeisen. Er erinnert dabei zunächst an die schweren Angriffe den Kongressen in Amsterdam und Frankfurt die sofortige Liqui auf die fozialistische Internationale, die schon auf dierung der Kriegsschulden und die Räumung des Rheinlandes ver­langt haben. In der Zwischenzeit habe Frankreich das Ruhrgebiet land auch in wenigen Wochen aufgeben müssen, und dabei besetzt und wieder räumen müssen. Heute werde es das Rhein­Die Annullierung aller Kriegsschulden, die vor der Ruhrbejezung werde es von der Bertagung dieser Räumung feinen Rußen haben. noch möglich gewesen sei, sei zu Wasser geworden. Die deutschen Zahlungen, die ursprünglich dem Wiederaufbau dienen sollten, würden heute durch ungeheuerliche Nebent often vermindert. Niemand mage zu hoffen, daß die Sachverständigenkommission zu einem Resultat fommen werde, daß Frankreich neben seinen Schulden auch noch den vollen Ersaz für seine Wiederaufbautoften bringen werde.

Hinrichtung des Obregon- Mörders Präsidentenattentat in Mexiko .

Berichte 2. Seite

Das Haus unseres Schicksals.

Oren Young.

der Vorsitzende.

Im Hotel Astoria in Paris ist das Standquartier der Sachverständigen, die über die endgültige Regelung der deutschen Reparationsverpflichtungen beralen sollen. Der amerikanische Bankier Oren Young ist zum Vorsitzenden der Reparationskonferenz gewählt worden.