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BERLIN  Mittwoch

13. Februar 1929

Der Abend

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Nr. 74

B 37 46. Jahrgang

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Sonnenburg vor dem Landtag.

Für den modernen Strafvollzug.

Der Hauptausschuß des Preußischen Landtages sehte feine!

Beratungen zum Jufishaushalt mit einer Musprae Das Unglück des Schlafwagenzuges

über den modernen Strafvollzug fort.

Justizminister Dr. Schmidt ergriff sogleich das Wort, um zu den Sonnenburger Vorkommnissen Stellung zu nehmen. Der Minifter führte aus, die Vorkommnisse in Sonnenburg feien zmar außerordentlich bedauerlich, aber mit den modernen Strafvollzug els solchen haben sie nicht das mindeste zu tun. Das Ministerium wird sich auch durch allerhand falsche Darstellungen und Verzerrun­gen des Sachverhaltes in der Deffentlichkeit nicht davon abschrecken lassen, weiter den Strafvollzug im Sinne des Erziehungs- und Besserungsgedankens auszugestalten. Besonderen Wert legt der Minister auf die Ausgestaltung des Gesundheitswesens in den Strafanstalten. Schon der diesjährige Etat sieht eine Bermehrung der Arztstellen vor, in den nächsten Jahren sollen hauptamtliche Aerzte in alle großen Strajanstalten als Beamte die gesundheitliche Leitung übernehmen. Der Minister badauert den Widerstand des Finanzministeriums gegen die Errichhmg einer Schule für Strafanstaltsbeamte, in der diese auf die besonderen Aufgaben des neuzeitlichen Strafvollzuges vorbereitet werden sollen. Als Notbehelf sind einstweilen vierwöchige Ausbildungskurse eingerichtet worden.

T

Abg. Gehrmann Harburg( E03.) stimmte den Ausführun­gen des Ministers über den Sonnenburger Prozeß zu. Die Zu­stände in Sonnenburg seien nur möglich geworden, weil der da­malige Direktor den modernen Strafvollzug mit einer Lotterwirt­schaft verwechselt hat. Daß Strafgefangene, wie im Prozeß berichtet wurde, beim Rundgang in der einen Hand die brennende Tabats­pfeife, in der anderen das Messer haben, hat mit dem modernen Strafvollzug nichts zu tun. Leider hat das Justizministerium zu lange mit feinem Eingreifen gemartet. Es hätte durch die eingehenden Berichte schon im April oder Mai vorigen Jahres gewarnt sein müssen. Der Redner fordert, daß die Herstellung von Sachen für Beamte in den Strafanstalten überhaupt verboten werde, da hieraus immer eine Quelle für Versuchungen und Schiebungen entsteht. Nach Möglichkeit sollten die Anstalten in eigener Regie arbeiten. Es ist auch unfinnig, daß die einen Anstalten aus ihren landwirtschaft­lichen Betrieben überflüssige Lebensmittel auf dem Markt verkaufen, während andere Anstalten auf dem Markt Lebensmittel teuer ein­faufen. Hier ist ein innerer Ausgleich möglich und notwendig. In Sonnenburg muß, soweit das erforderlich ist, mit Bersetzungen durch gegriffen merden, aber im übrigen ist der Gedante des erzieherischen Strafvollzuges aufrechtzuerhalten.

Abg. Deerberg( Dnat.) führte den Immertreu"-Prozeß als Beweis dafür an, daß auf gemisse Verbrecher fategorien der Straf­vollzug ohne Einfluß bleibe.\

Die Kreuz- Zeitung" baut ab.

Mit Gott für König" im Schrumpfen. Das Blatt der Altkonfervativen, die treuz- 3eitung" mit Gott für König und Baterland", hat eine lange, wenn auch wenig rühm­liche Geschichte. Sie stammt bereits aus dem Jahre 1848. Damals wurde fie gegründet, um dem preußischen Junkertum einen publi­zistischen Sprecher gegen Liberale und gar revolutionäre Tendenzen zu schaffen.

Heute muß das Blatt des Grafen Weftarp und des Deutsch fonservativen Bereins mitteilen, daß es genötigt ist, sein bisheriges täglich zweimaliges Erscheinen in einmaliges umzuwandeln, angeblich auf Wunsch seiner Leser auf dem Lande. Auf Leser in der Stadt hat es schon lange nicht mehr gerechnet. Die Königstreuen sind auf dem Aussterbeetat. Der Abbau der Kreuz- Zeitung  " ist nur ein Zeichen mehr dafür. In dem Kampf gegen Oberflächlichkeit, auch auf dem Gebiet des Zeitungs Die, Streuz- Zeitung" stirbt mit einem Fluch gegen Hugen

berg auf den Lippen.

1000 Opier in Bombay. Mutterbriefe über Wilhelm.

Berichte 2. Seite

Unser Bild zeigt den völlig zerstörten Postwagen des Schlafwagenzuges Berlin  - München  . In diesem Wagen fand der Zugführer seinen Tod, als der nächtliche Schnellzug bei Burgkemnitz  auf einen haltenden D- Zug mit rasender Geschwindigkeit auffuhr.

Gefährdete Lebensmittelversorgung

Gemüse und Kartoffeln erfrieren.

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Der anhaltende starte Frost schafft für die Lebensmittel-| in den Boden gegangen, hat also die Kartoffelvorräte der versorgung eine Situation, die zwar im Augenblid noch Mieten längst erfaßt und verdorben. Im Handel befürchtet man nicht als gefahrdrohend bezeichnet werden kann, die vorläufig eine gewisse Kartoffelfnappheit erst für den Fall, daß der aber bei längerem Anhalten dieser abnormen Witterungs- Frost in gleicher Stärke noch acht bis zehn Tage anhalten würde. verhältnisse beängstigend zu werden droht. Mit höheren Preisen, besonders später im Frühjahr, wird man schon jetzt rechnen müssen. Ganz ungeheuerliche Schäden hat das Frostwetter im D6 stund Gemüsehandel angerichtet. Obst und Gemüse erftieren, soweit sie nicht schon auf dem Transport verdorben sind, in den Lagerräumen und Geschäften. Apfelsinen sind, was man bisher noch nie beobachtet hatte, infolge der Kälte zerplagt. Aepfel werden infolge 3erjeßung des Frucht­fleisches hohl. Das Gemüse, insbesondere der Blumenkohl, verdirbt durch Süßwerden. In Kleinhandelsgeschäften zerplazen die Eier, zerspringen Selter- und Bierflaschen. Auch das Eintreten von Tauwetter fann dem Obst- und Gemüsehandel im Augenblick nicht helfen, denn wenn es warm wird, verdirbt das jetzt gefrorene Obst und Gemüse erst recht.

Die Schwierigkeiten liegen weniger in der durch das Stilliegen der Schiffahrt entstandenen Berringerung der Transportmöglich feiten als in dem Berderben der Vorräte durch den Frost. Was das Hauptnahrungsmittel, die Kartoffel, betrifft, so find zurzeit sowohl im Groß wie im Kleinhandel noch ausreichende Borräte vorhanden, die aber größtenteils nicht mehr als einwandfreie Ware bezeichnet werden können, weil die Kartoffel, soweit dies nicht schon auf dem Transport der Fall ist, auch in den Keller- und Lager­räumen der Handelsbetriebe und schließlich

felbst in den Kleinhandelsgeschäften froh aller Borsichts­maßnahmen erfrieren.

Wenn in einzelnen Stadtteilen bei verschiedenen Händlern ein ge= miffer Kartoffelmangel in Erscheinung getreten ist, fo liegt das daran, daß die Kleinhändler aus Angst vor dem Erfrieren der Kartoffeln auf dem Transport durch die Straßen vielfach ihre Bestellungen beim Großhandel wieder rückgängig gemacht haben. Auf der anderen Seite zögern die Großhändler mit dem Abruf der auf dem nicht dem Frost auszusetzen. Die Reichsbahn hat insofern außer Lande getätigten Bestellungen, um die Kartoffeltransporte ebenfalls ordentliches Entgegenkommen gezeigt, als sie in vielen Fällen die mit Kartoffeln beladenen Waggons nicht an Güterzüge, sondern an Bersonenzüge angehängt hat, um sie schneller nach Berlin   zu bringen und so möglichst vor dem Erfrieren zu bewahren. Alle Vorsichts­maßnahmen des Handels werden aber in Kürze auch nichts mehr nügen, denn wenn die jetzt in den Städten lagernden Borräte auf gefüllt merden müssen, dann werden vom Lande fast mir noch er­frorene Kartoffeln hereinkommen. Denn der Frost ist nach den bis herigen Feststellungen stellenweise fast bis zu zwei Meter tief

Billigeres Wintergefrierfleisch.

Die Berliner   Gefrierfleisch G. m. b. H., die unter Aufsicht der Stadt Berlin   etwa 590 Kleinverkaufsstellen mit zell­freiem Gefrierfleisch beliefert, ist infolge günstiger Einkäufe in der Lage, ihre Großhandelspreise zu senken, trotzdem der eine steigende Tendenz aufweist. Die Deputation für das Markt­Beltmarktpreis für Wintergefrierfleisch seit Anfang Dezemer 1928 hallen und Marktwesen hat daher mit Wirkung vom 18. Februar 1929 für einzelne Fleischsorten den Kleinhandelspreis wie folgt er­mäßigt: Schmorfleisch ohne Knochen 0,95, bisher 1 M.; Gulasch 0,80, bisher 0,85 m.; Fehlrippe 0,70, bisher 0,75 M.; Querrippe 0,60, bis­her 0,65 M.; Knochen 0,10, bisher 0,20 m. Diese Preisherabsetzung ist um so mehr zu begrüßen, als gerade in der Zeit der großen Ar­beitslosigkeit der minderbemittelten Berliner   Bevölkerung die Mög­lidyfeit zum Einkauf billigen und guten argentinischen Rindergefrier­fleisches gegeben werden kann.