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Morgenausgabe

Nr. 77

A 39

46. Jahrgang

Bächentlich 85 Bf., monatlich 3,60 2. im voraus zahlbar, Bostbezug 4,32 R. einschließlich 60 Bfg. Boftzeitungs- und 72 Bfg Boftbestellgebühren. Auslands abonnement 6, M. pro Monat. *

Der Borwärts" erscheint mochentag lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendausgaben für Berlin  und im Handel mit dem Titel Der Abend", Illuftrierte Beilagen Bolt und Zeit und Rinderfreund". Ferner Unterhaltung und Bissen", Frauen­ftimme", Tecnif", Blid in die Bücherwelt" und Jugend- Borwärts"

Vorwärts

Berliner   Boltsblatt

Freitag

15. Februar 1929

Groß Berlin   10 Pf. Auswärts 15 Pf.

Die einfpaftige Nonpareillezeile 80 Pfennig. Reflame eile 5- Reichs mart. Sleine Anzeigen das ettge brudte Bort 25 Pfennig( zulässig zwei fettgebrudte Borte), jedes weitere Bort 12 Bfennig. Stellengesuche das erste Wort 15 Pfennig, jebes weitere Bort 10 Pfennig. Borte über 15 Buchstaben Arbeitsmarkt zählen für zwei Borte.

Beile 60 Pfennig. Familienanzeigen für Abonnenten Zeile 40 Pfennig. Anzeigen­annahme im Hauptgeschäft Linden ftraße 3, wochentägl, von 81%, bis 17 Uhr.

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Bartei Deutschlands  

Redaktion und Berlag: Berlin   SW 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoft 292-297 Telegramm- Adr.: Sozialdemokrat Berlin  

Vorwärts: Berlag G. m. b. H.

Appell an die Solidarität.

Internationale Hilfe den politisch Berfolgten!

Der vom Erefutivkomitee der sozialistischen   Arbeiter. Internationale an die ihm angeschlossenen Parteien gerichtete Appell an die Solidarität hat folgenden

Wortlaut:

Der Vormarsch des sozialistischen   Proletariats vollzieht sich nicht in einer geraden Linie. In England ist es bis zur Schmelle der Machtergreifung vorgestoßen, in anderen Ländern wie in Belgien  , Dänemart, Deutschland  , Deutsch- Desterreich, Finnland  , Frankreich  , Norwegen  , Schweden   hat es starten Ein fluß auf Staat und Gesellschaft. In wieder anderen Ländern, wie Polen  , Litauen  , Jugoslawien  , Spanien  , hemmen diktatorische Kräfte die sozialistische Bewegung. Endlich haben wir Länder, wo die Arbeiter entrechtet sind. In Italien  vernichtet blinde But der Reaktion und des Kapitals sozialistische Menschen geistig und törperlich. Leider werden

auch in Sowjetrußland Proletarier terrorifiert

in dem trügerischen Glauben, daß durch Entrechtung und gewalt­same Bevormundung breiter Maffen, die sozialistischen   Ideen verwirklicht werden könnten!

Die Proletarier in den demokratischen Ländern, in denen die Arbeiter politische Bewegungsfreiheit befizen, haben in erhöhtem Maße doppelte Pflichten. Vor allem Erhaltung und Ausbau der Demokratien als fefte Bollwerke gegen die Reaktion! Die Bernichtung von Demofratien und die Ausschaltung Jeder öffentlichen Kontrolle in den diktatorisch regierten Ländern bedeutet auch eine ungeheure Gefahr für den Weltfrieden. Bichtiger denn je ist aber auch die Bekundung der inter­nationalen Solidarität, um die Sozialisten in den Ländern ohne Demokratie widerstandsfähig zu erhalten.

Unsere Genoffen in den Ländern ohne Demokratie geben aller Welt ein Beispiel von Ueberzeugungstreue.

Berfolgt und gehegt, eingefertert und verbannt, frierend und hungernd, halten sie an ihrer sozialistischen Gesinnung feft, obgleich die Verleugnung ihrer Gesinnung genügen würde, sie von allem Terror zu befreien. Wir wissen, daß Diktatur und Systeme von Terror nur Episoden in der Geschichte des Kampfes zwischen Arbeit und Kapital sind, daß der Sozialismus auch über diese Gewalten hinweg zum Sieg schreiten wird. Wir helfen den Sieg beschleunigen, wenn wir unseren ver­folgten Genoffen helfen.

Labour fiegt!

Der vierte Wahlerfolg in 2 Wochen.

London  , 14. Februar.( Eigenbericht.) Die Arbeiterpartei hat im Wahlkreis Wansbeck den vierten Nachwahlsieg innerhalb zwei Wochen errungen; ihr Kandidat Shield erhielt 20 398, der konservative Bend 9612 und der liberale Briggs 5183 Stimmen. Die Arbeiterpartei hat bei den jüngsten vier Nachwahlen 54 901 Stimmen, die Konservativen 31 147

und die Liberalen 18 896 erhalten.

Ramsay Macdonald   betont, daß das Ergebnis von Wansbeck die optimistischsten Voraussagungen in den Schatten stelle.

Seipel fördert die Heimwehr.

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Wir zählen die verfolgten Genossen mit Stolz zu uns. Ihr Opfer mut, ihr heldenhaftes Ausharren, dürfen nicht vergeblich sein. In vielen Fällen müssen die Genossen zuerst genügend Brot und Kleider haben, um sich vor dem Hungertod und vor dem Erfrieren zu retten, bevor sie politisch kämpfen können.

Die Lage der Deportierten   und von den Ausnahmegerichten Verurteilten auf den liparischen Inseln Italiens   und in den Gefängnissen Litauens   erfordert die Bekundung unserer Soli­darität. In Polen   befinden sich Tausende von Männern und darität. In Polen   befinden sich Tausende von Männern und Frauen wegen politischer Bergehen im Gefängnis, darunter viele. weil sie kulturelle Freiheiten für ihre Nation gefordert haben. In Ungarn   und den Balkanländern werden zahlreiche Personen in die Gefängnisse geworfen, weil sie Aufaffungen ver­treten, die im Gegensatz zu denen ihrer Regierungen stehen. In den tolonialen Gebieten, die teine Selbstregierung befizen, wird die Agitation für nationale Freiheit oft mit Kerker bestraft.

Aber auch in der Sowjetunion   werden Sozialisten und, wie es die Ereignisse um Irohti von neuem der ganzen Welt vor Augen führen, selbst kommunisten, die nicht völlig regierungstreu find, ohne jegliche Untersuchung und ohne recht­liche Garantien als Konterrevolutionäre erflärt, zu Hunderten und Taufenden gefangen gefeht und nach Sibirien   oder Zentral­afien verbannt.

Diese Opfer des Terrors müssen von einer Unterstügung von 13 Mart monatlich vegetieren. Dazu werden sie aus den Gewerkschaften und aus den Genossenschaften ausgeschlossen. so daß ihnen jede Erwerbsmöglichkeit genommen wird und daß sie in der Versorgung mit Lebensmitteln außer halb der Geseze stehen.

Bir können und wollen nicht dulden, daß unsere Genossen in den Ländern ohne Demokratie ihrem Schicksal überlassen bleiben. Wer sonst sollte sich zu den terrorisierten Genossen bekennen, wer ihnen Beistand leisten, wenn nicht wir?

Zur Unterstügung der Genossen in den Ländern ohne Demo­fratie hat die Sozialistische Arbeiterinternationale den Matteotti­Fonds gegründet. Er wird aus freiwilligen Beiträgen erhalten.

Laßt uns den Matteotti- Fonds durch jene umfaffende Samm­lungsaffion stärken!

Bostichedlonto: Berlin   37 536

Banktonto: Banf der Arbetter, Angestellten und Beamten Wallstr. 65 Diskonto- Gesellschaft. Depofitentafle Lindenstr. 3

Die Blutlachen von Bombay.

Der Unterdrückungsfrieg gegen 3ndien. Von Franz Josef Furtwängler  .

Reine Tragödie der Menchheitsgeschichte ist so entseglich. daß sie nicht neben Grauen und Elend auch ihr Gutes im Gefolge hätte. Die eurpäische Selbstzerfleischung, die wir in- meist unbewußter- Ueberheblichkeit ,, Weltkrieg" zu nennen pflegen, trieb die unterdrückten Völker Asiens   empor und vorwärts in todmutigen Freiheitskampf. Das jüngste Ge mezzel in der indischen Millionenstadt zerriß jäh und gründ­lich die seit Kindheitstagen gläubig hingenommene Bropa­gandafabel von den Kämpfen der indischen Religionsbekennt­nisse untereinander, die ihre Menschenopfer heischen. Auch der Harmloseste fragt, wieso gerade jezt, nach eben bewiesener Einmütigkeit im Ringen gegen die Fremdherrschaft, der Zu­fammenprall eifersüchtiger Glaubensgemeinden sich von der Kirmes- Schlägerei zur offenen Schlacht auswachſen konnte.

Lord Winterton, der, als Staatssekretär für großen Tributkolonie kontrolliert, hat uns die Antwort vor­Indien" in London   sigend, die Kabelnachrichten aus der weggenommen, als er gestern im Unterhaus gestand, daß, es sich hier um die letzten Konsequenzen eines sozialen Kampfes handle. Der Mordkampf ist tatsächlich nur im Zu­sammenhang mit den industriellen Kämpfen der letzten zehn Monate zu verstehen. Und wiederum fönnen diese sozialen Kämpfe nicht gewürdigt werden, ohne einen Seitenblick auf den neu entbrannten politischen Freiheitskampf.

Im legten November endigte der acht monatige Streit der Baumwoll pinnereien, der in seinem Berlaufe die sämtlichen hundertfünfzigtausend Spinner, Weber und sonstigen Tertilarbeiter der Stadt Bombay erfaßte. Die eng lische Regierung, voll Willfährigkeit gegen die Unternehmer, versorgte diese mit Streifbrechern aus dem Stamme der Pathans", von denen jezt in den Berichten über die an­geblichen Religionstämpfe so häufig die Rede ist. Pathans"

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eigentlich Selbstbezeichnung der Afghanen heißen in Indien   die Bewohner der nordwestlichen Grenzstriche. Ohne Eigenkultur, dem Islam afghanischer Färbung innerlich so fremd wie der Gedankenwelt Indiens  . leben fie in Unwissen­heit ein rohes Dasein, in dem fein Glaube und fein höher gerichtetes Wollen die niedersten Gewinntriebe hemmt. Solche Existenzen sind gegen Lohn und Sold für jeden Dienst zu dingen, und diese Tugenden"( wie der Lord Winterton im Unterhaus solche Eigenschaften nannte) murden denn auch feineswegs erit anläßlich des Streits in Bombay entdeckt.

Wer in Bombay, Madras, Ahmedabad  , Caunpur, Kalkutta  , die Tertilfabriken besucht, erblickt dort den Markt­buden ähnliche Holz- und Wellblechhütten, in denen rauchende, meist hochgewachsene braune Gefellen in bunter, nicht indischer Tracht, die Ellenbogen auf ein dickes Buch gestüht,

Jeder kann helfen, auch durch den bescheidensten Beitrag! einen Warenstapel bewachen Mit Wuchergewinnen be

Magistrat als Gewerbebehörde die Befugnis erteilt worden, Scheibenschießmaterial in den Handel zu bringen.

Das Parteihaus am Wienfluß beherbergt die Parteidruderei Borwärts", die Redaktion der Arbeiter- Zeitung   und des Kleinen Blattes", den Parteivorstand, die Zentralen für Arbeiterbildung und Arbeiterreisen sowie des Republikanischen Schutzbundes u. a m.

Der Streich der Regierung ist ein neues Stüd ihres Kampfes gegen die Abwehr der fashistischen Heimwehren durch die bedrohte Arbeiterschaft. Am heutigen Freitag dürfte im Parlament darüber geredet werden. Für den Sonntag planen die Heimwehrler etwas in Wien  !

Indien   hilft Amanullah  .

Der Rationaltongreß warnt England vor Einmischung. Peshawar  , 14. Februar.( Eigenbericht.)

Auflösung des Arbeiterschützenvereins- Hausfuchung im allahs drückt sich in verschiedenen Aktionen aus, an denen Moham­

Parte haus.

Die wachsende Sympathie Indiens   für die Sache man­medaner wie Hindus tätigen Anteil nehmen. Neben der& alifat­Liga, die Versammlungen und Biltgottesdienste für den Sieg Wien  , 14. Februar.( Eigenbericht.) Amanullahs veranstaltet, hat der Ausschuß des indischen National­Die Regierung hat den Arbeiter- Jagd- und Schüßen­Die Regierung hat den Arbeiter- Jagd- und Schühen- fongreffes eine Warnung an die anglo- indifche Regie. verein wegen angeblicher Ueberschreitung feiner Statuten auf- ung gerichtet, sich jeder Einmischung in die afghanischen   Ange­verein wegen angeblicher Ueberschreitung seiner Statuten auflegenheiten zu enthalten. Der indische Rote Halbmond geloft und zugleich eine Haussuchung in feinen Räumen im rüstet eine aus Aerzten und Krankenpflegern bestehende Hilfs. Parteihaus mit der Begründung vornehmen lassen, daß es sich um expedition aus, zu deren koffen auch die nichtmohammedanischen eine 3nventuraufnahme zur Feststellung des Vermögens Inder freiwillig beitragen. handele. Bor allem wurden die Räume der Waffenabgabe­ftelle durchsucht, aber nur erlaubte Jagdwaffen und Aus­rüftungsgegenstände gefunden. Schließlich wurden auch die Keller­räume des Hauses einer Kontrolle unterzogen. Man fand hier eine Anzahl Gewehre, die zum Schuße des Hauses bestimmt waren. Der Verein hat gegen die Auflösung, die ganz ungefeßlich ist, Be­schwerde erhoben.

Dem Arbeiterschützenverein war vor einiger Zeit vom

Die im afghanisch- indischen Grenzgebiet lebenden unabhängigen und friegerischen Stämme der Afridi, Mohmahd und Orat. fai haben beschloffen, fidh attiv an der Niederwe fung der afgha­ nischen   Rebellen zu befei'igen. Sie sind im Begriff, unter Berzicht auf ihre inneren Streitigkeiten aus den besten Männern ihrer Stämme ein Hilfstorps zusammenzustellen, das sich unter den Befehl Amanullahs stellen soll.

treiben sie das doppelte Geschäft des Warenverkaufens und des Geldverleihens. Als einzige nicht Entwaffnete im pein­lichst entwaffneten Indien   treiben sie unter den wohlwollenden Blicken von Unternehmern und Regierungsbeamten gewalt­sam Zins und Leihkapital von ihren Opfern ein und ge­nießen zum Ueberfluß die Hilfe der Polizeitruppen, sobald die Waffenlosen sich gegen die ärgsten Bedrückungen der Nußnießer ihrer erwerbstätigen Bettelarmut aufbäumen. Die Pathans verdienen den Schutz der Regierung, denn sie befriedigen als Geldverleiher ein soziales B- dürfnis" sagt der Regierungsbeamte seiner britischen Majestät den aufbe­gehrenden indischen Arbeiterdelegationen. Wir brauchen die Kerle, sie wissen die Vorteile zu schäßen, die wir ihnen bieten und sind immer noch die beste Sicherung gegen den revolutionären eingeborenen Fabrikmob" flüstert er über die Schulter zu dem Befucher aus Europa  ( dem er ohne weiteres genügend Imperialistensolidarität zutraut, um feinen unlieb­famen Gebrauch von dem verratenen Geheimnis zu be­fürchten).

Der Riesenstreit von Bombaŋ brachte für die Pathans eine neue Gelegenheit, sich ihren Gönnern nüßlich zu er weifen. In Massen wurden sie aus dem Norden des Landes, wo sie am zahlreichsten wohnen, unter militärischem Schutze als Arbeitsmillige an die Streifstelle transportiert, waren aber selbstverständlich nicht in der Lage, den giganti­fchen Textilbetrieb von Bombay in Gang zu setzen. Erst die darauffolgende Arbeitseinstellung bei dem weniger mächtigen Unternehmen der englischen Bombay Dil Company", die im vergangenen Dezember begann. ließ sie wirksamer in Tätigkeit treten und gab damit den Anstoß zu den Mezzeleien, die zurzeit noch im vollen Gange sind. Die Wilden aus dem Niemandsland der indischen Nordwestgrenze und die Söldner des englischen Militärs stechen und schießen vereint gegen die um ihre Lebensbedingungen ringenden Industriearbeiter der indischen Tertilmetropole: das ist der flare Tatbestand, an dem fein Geschwäß von religiösen Gegenfäßen etwas ändert, auch nicht die Tatsache, daß die Pathans der äußeren Zere­monie nach Mohammedaner find. Die Weber der Textil­betriebe sind überwieg nd echte, geistige und gläubige Be tenner der Mohammedreligion und fämpfen in Eintracht