1929
Der Abend
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B 40 46. Jahrgang.
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Leberarbeit im Kohlenbergbau.
Forderung des Handelsministers im Hinblick auf die Kohlennot.
Der preußische Handelsminister hat dem Oberbergamt in Dortmund nachstehende Drahtung übermittelt: ,, Empfehle bei der lang andauernden ungewöhnlich strengen Kälteperiode zur Sicherstellung der Kohlenversorgung der Bevölkerung und der Wirtschaft Ieberarbeit und namentlich für die Verladung am 17. Februar Sonntagsarbeit zu genehmigen, die Revierbeamten entsprechend zu benach richtigen sowie mit Arbeitnehmer- und Arbeitgeberver. tretungen in Verbindung zu treten. Unterschrift: Handelsminister.
Das Oberbergamt hat sich dieserhalb sogleich mit den Organisationen der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite in Verbindung gesezt sowie durch seine Bergreviere sämtliche Revierzechen entsprechend benachrichtigt.
Wie wir hierzu vom Bergbauindustriearbeiterverband erfahren, hat der Vorstand den Bezirksleitungen nahegelegt, zunächst für den morgigen Sonntag dort keinen Widerstand gegen die Sonntags: arbeit zu leisten, wo die Verladung in Anbetracht der allgemeinen Notlage dringend erscheint. Ueber die weiteren Wünsche des Handlesministers wird am Montag in einer Konferenz mit den Bertretern der Bergbehörden verhandelt werden.
Infame Hetze gegen die Erwerbslosen.
Wo ist das Riesenheer der Erwerbslosen?" fragte die Deutsche Bergwerfs- Zeitung" am Donnerstag in der Ueberschrift einer Notiz, um in der Unterzeile die Behauptung aufzustellen: ,, Reine Arbeiter für Stapelverladungen im Brauntohlenbergbau."
In dieser Notiz wurde ausgeführt, daß zwar gewisse Behinderungen in der Kohlengewinnung, in der Förderung und auch in der Brikettfabrik unverkennbar seien. Störungen in der Hausbrandlieferung würden sich jedoch voraussichtlich vermeiden lassen ,,, lagen doch im mitteldeutschen Syndikatsbezirk Ende Dezember nicht weniger als 300 000 Briketts auf Stapel". Nun kommt der Trumpf.
,, Leider werden von den Werken mit Stapelvorräten übereinstimmend Klagen darüber erhoben, daß es unmöglich ist, Arbeiter zum Berladen der Stapel zu bekommen. Es ist demnach der be=
Nur noch 6 Grad Kälte.
Rund 10 000 forgen heute in Berlin für Schneeabfuhr.
In Berlin wurden um Mitternacht von gestern auf heute 7,5 Grad gemessen. Gegen Morgen hat die Temperatur weiter nachgelassen. Um 6 Uhr wurden 6 Gradim Zentrum und 8 Grad in den Außenbezirken gemeffen. Damit ist die Gefahr, daß der Frost innerhalb der hochbebauten Stadtteile 1,40 Meter Tiefe erreichen und damit in die Nähe der von den Straßenröhren in den Häusern hineinführenden Hausleitungen kommen würde, behoben.
flagenswerte Zustand festzustellen, daß es bei einem Riefenheer von Arbeitslosen nicht möglich ist, Arbeiter zu bekommen für die unter den heutigen Frostverhältnissen so eminent wichtige Tätigkeit des Berladens von Brifetts vom Stapel in die Eisenbahnwagen. Diese Erfahrung befeuchtet mit aller Deutlichkeit die häufig gerügten Mißstände auf dem Gebiet der Arbeitslosenfürsorge."
Aus dem Senftenberger Braunkohlenrevier wird uns zu dieser durch und durch verlogenen Darstellung mitgeteilt, daß bisher weder beim Arbeitsamt in Senftenberg noch in Torgau Arbeitslose zur Stapelverladung angefordert worden sind. Dabei sind infolge der Stillegung der Abraumbetriebe von den Werken Tausende von Arbeitern entlassen worden. Senftenberg allein sind etwa 3000 Erwerbslose, zur Stapelverladung also genügend Arbeiter bereit.
In
In der Verläumbung der Arbeitslosen scheint System zu liegen, wobei dahingestellt sein mag, ob es sich nur um die Heze gegen die Sozialversicherung, speziell gegen die Arbeitslojenversicherung dreht.
Auslaffungen eines Industrieführers.
Das Präsidialmitglied des Reichsverbandes der Deutschen Industrie, Direktor Hans Kraemer , hat in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des RuslandAusschusses der deutschen Wirtschaft bei der letzten, der Verschmelzung mit dem Rußland- Ausschuß ge= widmeten Tagung des Deutsch - Russischen Vereins programmatische Ausführungen gemacht, die von der als Organ des Rußland- Ausschusses erscheinenden Zeitschrift Die Ostwirtschaft" veröffentlicht werden. In den Mittel punkt seines Vortrages stellte Kraemer den Gedanken. daß wir unsere wirtschaftliche Wiedergesundung nicht von dem Westen, sondern von dem gesamten Osten im weite sten Sinne erwarten und daß der Osten zur Domäne der deutschen Wirtschaftsausbreitung werden solle und fönne. Deutschland allein könne allerdings das russische Problem nicht lösen. Im Gegenteil werde das stärkere Eindringen nichtdeutschen Auslands: kapitals in Rußland für Deutschland kein Nachteil, sondern ein Vorteil sein, schon deswegen, weil solche For: derungen hinter unsere Forderungen treten und sie nicht schlechter, sondern besser machen würden.
Es sei unrichtig, daß die Gründung des Rußland- Ausschusses dem 3wed gelte, das Außenhandelsmonopol zu bekämpfen, denn dieses mache es unter den gegenwärtigen Verhältnissen er st möglich, mit Rußland Geschäfte zu tätigen. Es sei allerdings der Glaube berechtigt, daß die wirtschaftliche Vernunft siegen werde über die Form der starren Staatswirtschaft und der rein staatlichen Regelung der Güterverteilung, wie sie heute in Rußland betrieben wird. Auf die Genossenschaften dürfe man wahrscheinlich die Hoffnungen für die zukünftige Neugestaltung der agrarisch en Produktion in Rußland feßen. Deutschland sei der gebende Teil gewesen in einer Zeit, in der Rußland von allen verlassen war, und es sei begreiflich, an eine Gegenleistung dafür zu denken. Die positive Aufgabe des Rußland- Ausschusses bestehe darin, die Gesamtheit der deutschen Wirtschaft in Sinne praktischer Arbeit mit einer
25 000 Unfallfote jährlich
einheitlichen Auffassung von der Bedeutung des Geschäftsverkehrs zwischen Deutschland und Rußland zu erfüllen. Der Rußland - Aus
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Diese Ausführungen des Vorsitzenden des Rußland- Ausschusses der deutschen Industrie sind gerade in diesem Augenblick auch politisch interessant. Sie wenden sich indirett, aber deswegen doch scharf gegen einige Auslassungen in der ,, Bergarbeiterzeitung" und ,, Börsenzeitung ", die, durch die ständige Lektüre der Roten Fahne" nervös und wild gemacht, eine politische Verständigung gegen die Sowjetunion vorschlugen, um den innerdeutschen Kommunismus niederzuschlagen. Die Auslaffung Kraemers hingegen geht von einer richtigen Einschätzung der deutschen , sich fortgesetzt selbst zersetzenden Kommunistischen Partei cus und wertet die von ihr drohenden politischen Gefahren mit Recht sehr gering. Gegenüber den wohl von ehemaligen Militärs in den genannten Zeitungen herrührenden militärischen Ansichten geht aus Kraemers Ausführungen hervor, daß es der Industrie selbstverständlich auf das kapitalistische Verdienen in der Sowjetunion ankommt. Weißgardistisch robust wird die Bourgeoisie dann, wenn es ihr ans Leben geht. Hat sie einmal die antibolschewistische Angst überwunden, dann findet sie sich mit jedem Bolschewismus ab, nur vorausgesetzt, daß er sie am Verdienen nicht allzu sehr stört: Daß es der
„ Wirtschaft" in erster Linie immer auf den Profit ankommt, das können nur die Dickschädel der ehemaligen Offiziere im KarlLiebknecht- Haus in Berlin und im Stahlhof in Essen nicht begreifen. Amerifa baut Elektrowerke in der Sowjetunion .
Die
Der staatliche Trust ,,, Energo stroj" führt gegenwärtig Verhandlungen mit den Vertretern der General Elektric Co. in Moskau , Direktor Pragtst und Ingenieur Trone, sowie mit dem Direktor Galjuscha von der amerikanischen Baufirma Dwight Robinson u. Co. über technische Hilfeleistung für den russischen Kraftwerkbau. amerikanischen Firmen wollen in der Sowjetunion ein Großfraftwerk bauen, das mit modernen amerikanischen Anlagen ausgerüstet werden soll. Dieses Kraftwerk soll den russischen Ingenieuren die Vorzüge der Baumethoden zeigen, die in Amerika beim Kraftwerkbau angewendet werden. Die technische Hilfe beim Bau dieses Kraftwerks soll darin bestehen, daß die Skizzen und technischen
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tanischer Ingenieure ausgearbeitet werden, die Montagezeich= nungen in Amerika unter Mitwirkung russischer technischer Kräfte.
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In der Nacht vom Donnerstag zum Freitag brach im Hafen von Buenos Aires in der Nähe der Oeldepots der Regierung ein Riesenfeuer aus. Das Feuer griff auf die Lagerhäuser über und brannte sie restlos nieder. Der Schaden wird auf mehrere Millionen Dollar geschätzt.
Unser Bild zeigt einen Blick auf den Hafen von Buenos Aires ,