Nr. 143.
Erscheint täglich außer Montags. Abonnements Preis für Berlin : Vierteljährlich 3,30 Mart, monat= lich 1,10 Mart, wöchentlich 28 Pfg.
frei in's Haus. Einzelne Nummer 5 Pfg. Sonntags- Nummer mit dem ,, Sonntags: Blatt" 10 Pfg. Post- Abonnement: 3,30 Mart pro Quartal. Unter Kreuzband : Für Deutschland u.Desterreich- Ungarn 2 Mart, für das übrige Ausland
3 Mark pro Monat. Eingetragen
tr der Post- Zeitungs- Preisliste
für 1891 unter Nr. 6469.
Vorwärts
8. Jahrg.
Insertions- Gebühr beträgt für die fünfgespaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Pfg., für Vereins- und Bersammlungs- Anzeigen 20 Pig. Inserate für die nächste Nummer müssen bis 4 Uhr Nachmittags in der Expedition abgegeben werden. Die Expedition ist an Wochentagen bis 1 Uhr Mittags und von 3 bis 7 Uhr Nachmittags, an Sonn- und Festtagen bis 9 Uhr Vormittags geöffnet.
Fernsprecher: Amt 6, Nr. 4106.
Redaktion: Beuth- Straße 2.
Herrenhäusliches.
=
Dienstag, den 23. Juni 1891.
Blattes nicht geschrieben hätte. Es ist erst kürzlich in diesen Blättern die Geschichte der preußischen Landgemeinde dargestellt worden, und klar trat zu Tage, daß die vielgerühmte Reform eitel Stückwert, ein flägliches Fiasto als Reform, ein Triumph der Großgrundbesitzer gewesen ist.
Wenn wir in jüngster Zeit mehrfach Anlaß gehabt haben, uns mit dem Herrenhause zu beschäftigen, so geschah dies deshalb, weil die Erörterungen dieser Körperschaft mit Wenn Graf Hohenthal sich nicht damit begnügte, den herzerfrischender Klarheit und Schärfe das widerspiegeln, was die Gemüther der„ Edelsten und Besten" in ihrem Don Quixote des Feudalismus zu spielen, sondern zugleich tiefften Innern bewegt. Die unverfälschte Reaktion, welche die unfeine Rolle des Denunzianten mit auf seinen Bart hier ihre rednerischen Turniere abhält, reitet mit offenem übernahm, so richtet dieses Verhalten sich selbst. Der griesVisir in die Schranken, und sie bricht ihre Lanzen für die grämige von Thadden- Trieglaff war für Preßfreiheit mit Interessen des Rückschritts, der Pfäfferei, des Junkerthums, dem Galgen daneben, Graf Hohenthal hält es nicht unter feiner Würde, als Strickreiter auf Delinquenten Jagd zu machen daß es eine wahre Lust ist. Die Haltung des Herrenhauses in der Einkommensteuer- und beim Aufknüpfen an das Dreibein seine erlauchten Dienste zu Frage wie in Sachen der Landgemeinde- Ordnung, der leisten. Daß er nicht nur nationalliberale und deutschfreisinnige Personentarife, ist von uns bereits gekennzeichnet worden. Beitungen verpette", die sich mit dem vornehmen Angeber Daß die Feudalen der Kreuz- Zeitungs"- Partei ihre allein abfinden mögen, sondern auch der sozialdemokratischen Stimme erheben, um ihrer Erbitterung über das gesetz- Presse eins auswischte, setzt uns nicht in Verwunderung. geberische Erzeugniß des Herrn Herrfurth Ausdruck zu Die Herren sind aus Rand und Band, seit der Feldzug geben, ist eines jener ergößlichen Zwischenspiele, die mit aufs Land ihnen ihr nicht wieder gut zu machendes Jena großer Regelmäßigkeit wiederkehren, sobald auch nur der in sichere Aussicht stellt. Nicht heute und morgen, aber in schwächlichste Versuch gemacht wird, die Zustände auf dem absehbarer Zeit. Bornglühend eiferte Hohenthal , daß mehr Lande nicht etwa den modernen Bedürfnissen auzupaffen, als 100 sozialistische Blätter beständen, und durch seine Rede sondern mit Palliativmittelchen an den Verhältnissen der zitterte eine tiefe Erregung, die heiße Sehnsucht nach dem Landgemeinden herumzukuriren. Obwohl die Macht des trockenen Fallbeil des Sozialistengesetzes, unter dessen Schneide Großgrundbesitzes, der thatsächlich das soziale und politische die Opfer still und schnell verbluteten. Der Merger der Regiment auf dem Lande in seinen Händen hat, Junkerschaft über den Aufschwung der Arbeiterbewegung auch nicht im Mindesten erschüttert worden ist, ist etwas Natürliches, und es ist selbstverständlich, daß sie obwohl die Form ein wenig geändert, der Inhalt alle Hebel in Bewegung setzt, um dem Siegeslauf der Sozialaber derselbe geblieben ist, revoltiren die einge- demokratie Einhalt zu thun. Die wohlerworbenen Rechte" fleischten Agrarier dennoch gegen die verruchte Neuerungs- find in Gefahr, und die brennende Gier nach dem Profit sucht. Daß sie zu Kreuze friechen, daß sie nicht offen sich empören, hindert nicht, daß sie im Herzen den muthigen Junkern zustimmen, die gerade heraus ihre Meinung sagen. Sei es in der Kreuz- Zeitung ", die durchgängig den Wuth Daß die Arbeiterpartei die Trennung der Kirche vom ihrer eigenen Meinung hat, was sie um Haupteslänge über die waschlappigen Beschwichtigungs Hofräthe des Konser Staat, die Entkirchlichung des Gemeinwesens als einen vativismus emporragen läßt, sei es durch den Mund eines kulturellen Fortschritt anstrebt, ist bekannt. Der Grundso verbissenen Uradligen, wie der Graf Hohenthal einer ist. sat, daß das religiöse Bedürfniß vom Einzelnen oder Daß der Hohenthal die Minister abkanzelte, hat sicher freus von Gemeinschaften Gläubiger befriedigt werden soll, ohne digen Widerhall in den edlen Herzen der Barone und Grafen daß der Staat sich einmischt, ohne daß die öffent gefunden, die sich löblich unterwarfen", wie einst die Aristo- liche Steuerkraft in den Dienst der Kirche gestellt wird, ist fraten unter Friedrich Wilhelm III. Wenn damals die oft genug von uns ausgesprochen und vertreten worden. Findenstein und v. d. Marwitz auf die Festung wanderten, Im Herrenhause wurde nun am 19 Juni beim Extraso blüht dieses Schicksal den Hammerstein und Hohenthal ordinarium des Kultusetats über die im Abgeordnetenhause allerdings nicht. Ob sie indeß ähnliche Erfahrungen machen, abgelehnte, den neuen Dombau in Berlin betreffende Forwie der charaktervolle alte Marwig, der mit bitterem Hohn derung berichtet. Dies gab den Anstoß zu rührenden Klagen es später beschrieben hat, wie die Streber und Höflinge fich über die Kirchennoth in Berlin . Graf Zieten- Schwerin von ihm, dem Geächteten, aus Furcht, nach oben Anstoß zu sagte u. a.: erregen, fernhielten, das sei dahingestellt. Spaßhaft ist es aber, daß im Anfange dieses Jahrhunderts so gut wie heute die Junker durch die Agrargesezgebung Preußens nur profitirt haben. Und es ist noch spaßhafter, wenn ein hiesiges einflußreiches Organ des Liberalismus von dem großen Reformiert" der Stein- Hardenberg'schen Periode spricht, als ob ein G. F. Knapp für die kundigen Thebaner dieses
V
Feuilleton.
Nachdruck verboten.]
( 91
Die Falkner von St. Vigil. Roman aus der Zeit der bayerischen Herrschaft in Tyrol von Robert Sa, weichel.
wanger.
" Ja, wenn Ihr Euch nicht dazu verstehen könnet, dann bleiben Euch nur noch die Wucherer," ſagte Hart " Um was streitet Ihr Euch denn?" fragte hier Jerg, der bei den letzten Worten in die Stube getreten war. Und was sollen die Wucherer?"
" 1
steht in schroffstem Gegensahe zu einer Richtung, welche die Plusmacherei der Bevorrechteten durch eine Gesellschaftsform beseitigen will, die der Gesammtheit, nicht einer Minderheit nützlich ist.
-
Expedition: Benth- Straße 3.
er
ver
leicht eine enorm hohe Summe erforderlich ist. Ich wäre dem Kultusminister sehr dankbar, wenn fügen wollte, daß das königliche Konsistorium sich einen Weg suchen würde, um zunächst den Nothstand vollständig flarzustellen und festzustellen, wieviel Mittel erforderlich sind. Die Berliner Stadtfynode hat jetzt das Anleiherecht erhalten. Der Staat soll auch nicht allein die Mittel zur Abhilfe des Nothstandes hergeben, wenn er auch zur Zeit die Schuld daran trägt und ihm ganz Recht ist, wenn er aus feinen Mitteln zuschüsse geben muß. Wir brauchen ordentliche Predigtkirchen, in welche nicht blos die vornehmen Leute auf refervirte Plätze, sondern auch die übrige Bevölkerung gehen soll. Ich hoffe zuversichtlich, daß der Minister sich der Sache warm annehmen wird. Auch in anderen großen Städten bestehen ähnliche Nothstände wie in Berlin ."
Aus der Antwort des neuen Kultusministers, Grafen Bedliß, sei folgendes mitgetheilt:
Was die Berliner Kirchennoth betrifft, so ist es nicht nur mein cifriges Bestreben, sondern meine ernste und strengste Dienstpflicht, diese hochwichtige Frage zu fördern. Es mag richtig sein, daß die Kirchennoth der großen Städte in einer Gleichgiltigkeit gegen die Bedeutung der Kirchenbauten ihren Grund hat, aber es so darzustellen, als ob speziell für Berlin die Regierung lediglich alle Versündigung auf ihre Schultern zu nehmen habe, ist nicht richtig. Die Regierung ist in dieser Hinficht stets nur das Organ dessen, was im Lande gefühlt und als nothwendig anerkannt wird, und weil dieses Gefühl im Lande nicht vorhanden war, haben wir diese Kirchennoth. Jetzt haben wir dieses Gefühl und werden den Nothständen abhelfen. Ist denn aber in den letzten Jahren nichts geschehen? Lediglich der Allerhöchsten Initiative verdanken seit dem Regierungsantritt des jetzigen Raisers 25 Kirchen ihre Vollendung oder ihren Bauanfang oder ihre schon recht weit vorgeschrittene Förderung. Selbst für Berlin sind 23 Kirchen schon ganz erheblich. Ein Plan für die Erfüllung der Bedürfnisse ist längst fertig. Mein Amtsvorgänger hat in eingehendster Weise mehrere Denkschriften über diese Fragen theils selbst verfaßt, theils sie unter feiner Direktive verfassen laffen. Ich bin im Besitz eines ganz eingehenden Plans, nach welchem Berlin in Zonen eingetheilt ist und die Stellen bezeichnet sind, an denen Kirchen gebaut werden sollen. Auch die Kostenfragen sind bereits erörtert. Das Anleiherecht ist den Synoden von Berlin in diesem Jahre gesetzlich eingeräumt, um Berlin die Möglichkeit zu geben, den dringenden Bedürfnissen Rechnung zu tragen. Ich bitte also, einerseits die Sache nicht so schwarz anzusehen, andererseits das freudig anzuerkennen, was von allen Seiten, besonders von Allerhöchster Stelle geschehen ist, und sich versichert zu halten, daß die Regierung mit allen Betheiligten Hand in Hand gehen wird, um die Mißstände zu beseitigen."
Wie dringend muß doch die Kirchennoth in Berlin sein, wie unzureichend die Zahl der bestehenden Kirchen! Hören wir darüber den unverfänglichsten Beugen, den erzfrommen protestantischen Professor und Doktor der Theologie in Dorpat, Alexander von Dettingen. Er sagt in der neuesten Auflage der Moralstatistik( S. 622):
" Ich hoffe, daß die Regierung den richtigen Weg finden und daß der Landtag die erforderlichen Mittel, etwa bis zu 10 Millionen Mark, bewilligen wird. Einen üblen Eindruck im Lande würde es aber machen, wenn wir einen Dom für 10 Millionen Mark bauten und daneben die sonstigen Kirchennothstände in Berlin bestehen ließen. Wir müssen vor Allem Eine in Berlin vorgenommene Zählung ergab das diesem trostlosen Zustand fest ins Auge sehen, den Weg zur klägliche Resultat, daß von 630 000 Protestanten etwa 11 900, Abhilfe suchen und uns nicht davor fürchten, wenn viel- also noch nicht ganz zwei Prozent Kirchenbefucher
"
„ Was stehst Du da und schwäßzest?" rief der Kloster- Lehnstuhl und stüßte den Kopf in die Hand, die Augen mit bauer und wandte sich zu ihm." Du hast hier nichts zu ihr verdeckend. schaffen, geh' an Deine Arbeit." Klar und ohne Umschweife setzte der Glaser die SachAnstatt ihm zu folgen, setzte Jerg sich mit einem Tage auseinander. Jerg ließ ihn ohne Unterbrechung reden Schenkel auf die Tischkante und sagte: und das einzige Zeichen seiner inneren Spannung war ein
Die Arbeit wird nicht kalt. Nu, Klosterbauer, Ihr kaum merkliches Zittern seiner Rechten, mit der er sich solltet mich doch zu Rathe ziehen; denn vergesset nicht, daß wir, dann und wann an das spitze Kinn faßte. Als Hartdas heißt meine Frau und ich, die Suppe mit ausessen wanger schwieg, lachte er wie ein Verrückter, dann wurde müssen, die Ihr etwa einbrockt. Blos um ihrer Schönheit er kreidebleich und begann zischend vor Wuth den Klosterbauer mit Vorwürfen zu überhäufen. Eine Falle hätte ihm willen hab' ich die Lifei nicht genommen." Mit einem spöttischen Lachen ergriff er das Päckchen, derselbe gestellt, um ihn seine Tochter aufzuhalsen. Der das auf dem Tische lag, schlug die Hülle auseinander und Klosterbauer wäre ein Schwindler, ein alter Gauner und begann die Papiere zu lesen, die es enthielt.
Betrüger.
Dem Klosterbauer schwebte eine zornige Erwiderung auf den Lippen. Hartwanger winkte ihm jedoch stille zu Hartwanger schwieg und der Klosterbauer kehrte sein und sagte: Wenn Ihr nicht selbst mit dem Müller reden wollt, sich dem nächsten Fenster zu und begann auf den Scheiben zu trommeln. Jerg beobachtete Beide eine Sekunde lang, so mag es am Besten der Jerg thun. Erfahren muß er es ja der Schulter und riß ihn zurück und schüttelte ihn derb. doch ein Mal; ob heute oder morgen, das macht keinen
"
Dann sagte er: " Die Wucherer, das sind kluge Leute. Die haben heut- Unterschied." zutage den Schaumlöffel in der Hand und mit dem Schaum
Bei diesen Beschimpfungen wich auch dem Klosterbaner das Blut aus dem Gesicht. Langsam stand er auf; unheimlich drohend gligerten seine Augen, seine Rechte ballte sich zur Faust. Hartwanger trat zwischen Beide, packte Ferg an Jerg riß sich los.
Der Hochmuth des Klosterbauers sträubte sich jedoch er mich und sein Hof? Mag er zur Hölle fahren!" schrie „ Gelt, jetzt bin ich sein lieber Jerg? Was kümmert schöpfen sie zugleich das Fett von der Suppe. Wollet Ihr mächtig gegen diesen Vorschlag. Hartwanger fuhr fort ihm er und ging aus der Stube, deren Thür er hinter sich zuein Geschäft mit ihnen machen, Klosterbauer?" zuzureden. Jerg nahm ein Dokument nach dem andern zur 28as geht's Dich an?" murrte dieser, ohne sich Hand, dabei entging ihm aber kein Wort von dem, was schmetterte. jene Beiden sprachen.
umzusehen.
lichts geht es mich an," versetzte dieser gleichmüthig Scheint ja ein schönes Stimmchen in den Papieren und dennoch mit einem lauernden Blick." Ich hab's immer zu stecken," sagte er endlich, entschlossen, sich Licht gern einmal versuchen wollen, ob sie denn wirklich so pfiffig verschaffen. Und darauf soll Euch jetzt der Jud' oder mein sind, wie sie verschrien werden. Wenn Ihr also ein Ge Alter Geld borgen. It's nicht so?" schäft mit ihnen habt, so will ich's besorgen; ich nehm's Nein, so ist es nicht," erwiderte Hartwanger und der mit ihnen wohl auf. Den Jerg hat noch keiner über den Klosterbauer rief refignirt: Löffel balbirt."
" So redet in Gottes Namen!" warf sich in seinen
Der Klosterbauer stand noch immer mit krampfhaft geballter Faust da. Die Pelzmütze war ihm vom Kopfe gefallen und das mit Grau gemischte gelbe Haar hing ihm über die Stirn. Hätten seine Mundwinkel nicht gezittert und gezuckt, man hätte ihn für eine Statue halten können.
Er möge die Worte Jergs nicht auf die Wagschale legen, redete ihm der Glaser zu. Jerg würde zur Veriunft