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Nr. 103 46. Jahrgang

1. Beilage des Vorwärts

Aufgaben des

Städtebauers.

Ein stiller Winkel.

Im Bund der technischen Angestellten und Be- großen Terrains sollen durch den bisherigen Eigentümer des Grund amten( Butab) sprach vor der Fachgruppe Gemeinde. ftücks, Heinrich Mendelsohn, bebaut werden, der dort ein welt­technifer der Magistratsoberbaurat Roppen über Städte städtisches Unternehmen schaffen will, das diesem Teil der Friebrich. bauliche Aufgaben der Stadt Berlin . Drei Haupt- ftadt ihr befonderes Gepräge geben will. Boraussichtlich wird dort Hauptstadt gesichtspunkte des Städtebaues unserer Zeit hob er hervor: eine moderne Gaststätte mit einem Hotel erbaut werden, wozu sich Drei Hauptgesichtspuntte des Städtebaus unserer Zeit hob er hervor: die Schönheit des Stadtbildes, Erleichterung des Berkehrs, Grundstücks bietet mit den drei Fronten in architektonischer das Grundstück besonders gut eignet. Die dreieckige Front des wesen und Gesundheitswesen von besonderer Bichtigkeit und sie Hinsicht besondere Vorteile und Reize. Der Preis, den die Verkehrs werden hier für die Bevölkerung zu Lebensfragen. Berlin hat in 2.- 8. für das von ihr benötigte Gelände zahlen muß, wird zurzeit Bindert Jahren, von 1825 bis heute, von 1400 hektar Gefamifläche noch geheim gehalten. Der Auswertungsprozeß wegen des Rest­mit 220 000 Einwohnern sich auf 87 000 hektar Gesamtfläche mit taufgeldes, der schon seit längere Zeit schwebte, ist gleichfalls durch über 4 Millionen Einwohnern ausgedehnt. Da ist die Rücksicht ein Kompromiß zwischen den beteiligten Kreisen zu einer Beilegung auf die Befriedigung des unaufhaltsam wachsenden Verkehrsgeführt worden. Mit dem Bau des Gaststättenpa'aftes, der übrigens bedürfnisses von ausschlaggebendem Einfluß auf die Gestaltung nicht in Form eines Turmhauses geplant ist, sondern die übliche des Bebauungsplanes. Nach den Außenbezirken müssen Ausfall. Höhe aufweisen wird, soll nach Möglichkeit noch im Herbst dieses Straßen führen, Ringstraßen müssen zwischen ihnen eine Berbindung Jahres begonnen werden. herstellen, die Straßenbreiten müssen den Berkehrsmitteln angepaßt werden. Aber auch die Rücksicht auf die in der Großstadt besonders nötige Förderung der Gesundheit macht sich immer stärker geltend. Sie fordert Grünflächen, Spielplähe, Sportplätze die sich in langem Zuge aneinander reihen müssen. Zurzeit ist das Stadt. planungsamt mit der Aufstellung des Gesamtbebauungsplanes be­schäftigt. Einzelne der städtebaulichen und verfehrlichen Aufgaben Berlins erörterte der Bortragende eingehender, die Schnellbahn projekte, die bis über die Havel hinausgreifen, die Projekte ent­lastender Umgebungsstraßen nördlich und südlich der Leipziger Straße und östlich und westlich des Halleschen Tores, die Projekte der verkehrlichen und baulichen Ausgestaltung stärkstbeanspruchter Blaze ( Alexanderplatz , Botsdamer Platz usw.), den Gedanken der Errich tung von Turmhäusern, die man natürlich nur an geeigneten Stellen zulassen könne. Er betonte die Notwendigkeit der Sicherung von Erholungsflächen, der Erhaltung von Wäldern, der Freimachung von Uferwegen in den Außenbezirken. Ueber Berlins Grenzen hinaus muß der Blick des Städtebauers und des Verkehrstechnikers reichen, menn fie die ihnen gestellten Aufgaben lösen wollen Berlin muß in die fernere Umgebung hinaus ein planvoll aus. gebautes Straßennez führen, das bem immer ftärfer zunehmenden Autoverkehr genügt. Auch die Notwendigkeit großer Siedlungen für Industriebetriebe und die in ihnen beschäftigte Arbeiterbevölte. rung wird nach Ansicht des Vortragenden immer dringender. Er schloß mit dem Wunsch, daß für die in Betracht kommenden Land­gebiete eine Berwaltungseinheit gefunden werden möchte, die neue Möglichkeit schafft, die Aufgaben nach großzügigem Plan zu Löfen.

Von

Dreieck am Bahnhof Friedrichstraße.

Rach langen Berhandlungen ist jetzt eine Klärung über den Er. merb und die Bebauung des Geländebreieds por dem Bahn­hof Friedrichstraße zustande gekommen, auf dem bekanntlich bie Turmhaus-.- G. ein Hochhaus errichten wollte, das aber nie zur Ausführung fam. Das Grundstüd hatte ein sehr großes Interesse bei der Reichsbahngesellschaft und der Berkehrs- A.- G. gefunden. Die Berkaufsverhandlungen sind nunmehr zu einem Abschluß ge= langt und die Städtische Bertohrs A.-G. wird bas Grundstüd erwerben. Das Gelände wind zu einem Teil dazu verwandt werden, um die Friedrichstraße vom Bahnhof bis zur Weidendammer Brüde um 10 Meter zu verbreitern und die Eingänge zur Nord- Südbahn, die bisher sehr unbe­quem in der Mitte der aufs äußerste vom Verkehr in Anspruch ge nommenen Friedrichstraße liegen, auf den Bürgersteig zu ver Iegen. Ferner sollen noch mehr unterirdische Verbindungen zwischen der Nord- Südbahn und dem Bahnhof Friedrichstraße ge­schaffen werden, wie sie bereits an anderen Stellen vorhanden sind. Der Zipfel des Grundstids an der Ede Weidendammer Brüde, der bisher in einen 7 Meter breiten Winkel ausläuft, foll eben falls abgeschnitten werden, so daß hier eine 16 Meter breite Front entsteht. 3500 Quadratmeter des insgesamt 5300 Quadratmeter

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Der Aufruhr der Schiefen Calm

Roman einer Revolution. Von Gerhart Herrmann Mostar

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Als er um die Ede in die Schloßstraße einbog, rief ihn vom Ausspann her, darin seine Frau während seines Weges hinunter in quälenden Wehen gefchricen hatte, jemand an Dazu gehörte Mut, ihn jetzt anzurufen. ihn, als einen von denen, die dabei gewesen waren... Aber Kniephace blidte nicht auf. Er ging am Gefängnis vorüber, wo noch das Dach repariert wurde; er hörte das Hämmern. Durch das Schloßtor, wo die Schritte dumpf hallten, als nagelten sie einen Sarg zu. Geradeswegs zum Kastellan. den er anredete, immer mit gefenftem Kopf. Er müsse unbedingt den Herrn Minister von Trosegt sprechen.

Der Kastellan lachte ihn aus. Kniephade wurde rot. Aber er blickte nicht auf und ließ nicht loder. Der Kastellan wies ihn schließlich an den Schreiber. Der Schreiber empfahl ihm. ein schriftliches Gesuch um eine Audienz einzureichen. Der Böttcher blieb fest. Es sei eine Sache, die unbedingt so­fort erledigt werden müsse. Der Schreiber zuckte die Achseln und ging, fam wieder: das Bunder geschah, Kniephade wurde vorgelaffen.

Er dachte erst in Trosegts Amtszimmer daran, den Hut abzunehmen, er hielt ihn mit beiden Händen vor der Brust und starrte darauf. Es hätte auch jemand anders bas furze: Nun? Was ist los?" sprechen fönnen als Trosegt, der von feinen Bapieren aufblidte. Der Böttcher hätte es nicht ge­

merit.

Ein Rucken lief von seinen Knien bis zur Stirn, teilte fich den Lippen mit, machte sie stottern: Iche ich wollte man heeflichst bitten. daß Seine Durchlaucht ob nich Seine Durchlaucht de Taufpatenschaft bei mein Sohn immer nähmen täte."

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Trofegt war guter Laune. Der Herzog war noch immer

Berlin hat in der alten Innenstadt noch manchen stillen Winkel, ber wenig befannt ist, aber Beachtung verdient. In der Nachbar. schaft der im 13. Jahrhundert entstandenen Klosterkirche, die als fünstlerisch wertvolles Baudenkmal jetzt wiederhergestellt, wird, liegt die Watsenstraße. Von der Stralauer Straße her zieht fie sich, lang und schmal, parallel der Neuen Friedrichstraße hinter der Barochialkirche vorbei, und sie endet dann an der Mauer des ehe­maligen Klosterkirchhofes als Sadgasse. Diesen Teil der Waisen straße, den im Hintergrunde die Klosterkirche überragt, stellt unser Bild bar. Links sieht man die Rückseite des Verwaltungsgebäudes für das Bezirksamt Mitte , ein über 200 Jahre altes, mehrfach um

Wol

All- Benin, Balenwinkel

Wammy Wolff

perreift, würde es noch lange bleiben, querulierte nicht mehr und hemmte nicht mehr, man fonnte endlich scharf durch greifen und die unliebsamen Borgänge non neulic liqui bieren. Das wievielte ist es denn? Das fünfte?" ,, Es is men erstes Kind."

Nanu!" Trosegt lehnte fich beluftigt in feinen Seffel zurüd. Es war noch nicht vorgekommen, daß man den Herzog als Taufpaten eines beliebigen ersten Rindes beanspruchte. Haben Sie befonbere Berbienfte um Seine Durchlaucht?

Liegt irgend ein Versprechen der hohen Herrschaften vor?" Nee- iche- Sniephade verstummie und began den Hut in den Händen zu drehen.

Unter diesen Umständen ist eine Uebernahme der Taufpaten­,, Er ist verrückt!" dachte Trofegt und schüttelte den Kopf. schaft vollkommen unmöglich." Er näherte die Augen wieder feinen Uften... leberhaupt sehe ich nicht ein, was an der Sache dringlich ift."

leicht doche

Iche ich wollte man fcheenftens bitten, ob nicht vil­,, Aber Mann! Denten Sie sich mal aus, was Seine Durchlaucht zu tun hätte, wenn er bei jedem ersten Kind Taufpate spielen sollte. Ich habe wirklich feine Zeit." Ich dachte bloß wäjen die besondern Umstänne... Ja, was zum Donnerwetter sind denn das für Um Das das fann ich nicht so fa'n."

stände?"

-Q

Trofegt hatte sich wieder zurückgelehnt. Ihm war plöz­lich etwas eingefallen. Ein langes, Sooo" verdedte die Beit­fomisch und merkwürdig er war, fam in dieser Zeit nicht panne feines Nachdenkens. Der Wunsch des Mannes, fo ungelegen.

Sonnabend. 2. März 1929

gebautes und noch immer stattlich wirkendes Haus, dessen Border­seite an der Klosterstraße liegt. Die altersschwachen Häuschen zur Rechten find in den letzten Jahren von der Stadt angekauft worden und haben durch frischen Anstrich in bunten Farben ein freundliches Aussehen erhalten. Die heutige Wallenstraße war früher nur ein schmaler Gang, der nahe der Stadtmauer an Hinterhäusern und 3äunen vorbeiführte und Bullen winkel" genannt wurde. Erst im Jahre 1837 erhielt sie den Namen An der Stralauer Mauer", der dann 1861 auf Drängen der hier ansässigen Haus­Waisenhaus) umgewandelt wurde. Die Nordseite der Waisenstraße befizer in Waifenstraße"( nach dem damals an der Ede der Stralauer Straße und der Neuen Friedrichstraße liegenden ( rechts auf dem Bilde) lehnte sich an die aus dem Mittelalter erhalten gebliebene Stadtmauer an, von der Reste noch heute in den Grundmauern und Rückwänden der Häuschen zu finden sind.

"

Krach bei den Hausbesitzern. Häuptling Ladendorff legt den Vorsitz nieder.

Der

Im Bund der Berliner Hause und Grunde bestgervereine hat es Krach gegeben. Der Vorsigende Ladendorff, Landtagsabgeordneter der Wirtschaftspartei, ist der Ansicht, daß er nicht mehr das Bertrauen seiner Leute hat. In der Generalversammlung wurde verlangt, den nur perlesenen Rassenbericht schriftlich vorzulegen. Kassierer, cin deutschnationaler Stadtrat Müller Göpfert. Tehnte ab- und der Borsitzende Ladendorff stimmte ihm bei. Nachdem ein Antrag auf Borlegung schriftlicher Abrechnung angenommen worden war, legte der Kaffie­rer sein Amt nieder. Herr Ladendorff folgte feinem Beispiel, legte fein Amt des Borsigenden nieder, und die Generalversammlung wurde unter großer Erregung abgebrochen. Eine neue Generalversammlung wird wohl das Berlangen schrifte licher Berichterstattung über die Rassenangelegenheiten wiederholen. Barum verweigern das Badendorff und Göpfert?

Der Bürgermeister war im Recht. Abfertigung einer deutschnationalen Dreiftigkeit.

In einer Kleinen Anfrage deutschnationaler Landtagsabgeord neter wurde ausgeführt, der Bürgermeister Mielig vom Bezirksamt Friedrichshain habe in einer öffentlichen Bersammlung ausgeführt, er verstehe es nicht, daß es heute noch Beamte gäbe, die dem Stahlhelm angehören. Er laffe zurzeit prü jen, ob sich dies mit den Bilichten eines Beamten vereinbaren läßt. Die Anfragenden berufen sich auf die Antwort des preußischen Ministers des Innern auf eine Kleine Anfrage vom 14. Auguft v. 3, morin es hieß, dem Minister feien Benachteiligungen in dem er wähnten Sinne nicht befannt geworden und sie baten das Staats minifterium, den Borgang zu untersuchen und die erforderlichen Schritte gegen den Bürgermeister Mielig im Dienstaufsichtswege zu veranlassen". Wie der Amtliche Preußische Pressedienst mitteilt, be­antwortete der preußische Minister des Innern die Anfrage folgen­dermaßen:

"

Nach dem ganzen Berhalten des Stahlhelm" und seiner Führer in letter Zeit ist es durchaus verständlich und pflichtgemäß, daß der Bürgermeister Mielig in Erwägung gezogen hat, die ihm unterstellten Beamten zum Austritt aus dem Stahlhelm" aufzufordern. Weiter hat er nach dem vorliegenden Bericht auch nichts getan. Maßnahmen gegen den Bürger­meister im Dienstauffichtsmege tommen nicht in Betracht. Ich ver­meise im übrigen auf die Ausführungen des Herrn Minister­präsidenten in der Sigung des Hauptausschusses des Preußi­schen Bandtages am 16. Februar 1929 und meine Darlegungen in Der 41. Sigung des Preußischen Landtages am 5. Februar 1929."

Jeugen, die gesehen haben, wie am 28. Dezember, früh 7% Uhr, ein alter Herr Rottbuser Brüde, Ede Mariannenstraße von einem Milchfuhrwert überfahren murde, werden gebeten, sich bei Heymann, Grünauer Straße 19, zu melden.

niephace, zu dienen. Gustav Aniephade, Böttcher­meister hierfelbft.

Der Minister strich sich über die Stirn. Kniephade? Wo war ihm der Name doch schon vorgekommen? Doch wohl in irgendeinem Attenstück. Doch wohl heute erst?

Haben Sie schon einmal eine diesbezügliche Eingabe gemacht?"

Nein!"

Trosegt schüttelte verwundert den Kopf über diese an­scheinende Gedächtnistäuschung. Dann müssen Sie das noch tun Gie miffen ja, daß Seine Durchlaucht in gerechter Empörung über die Renolte unsauberer Elemente nach turzem fucht hat. Dort befindet sich auch die Herzogliche Kammer. Aufenthalt in Quedlinburg sein Schloß Ballenstedt aufge Sch

Es flopfte. Einer der neuen, vor acht Tagen eingestellten Bolizeibeamten trat ein. Die alten Gendarmen sowie vom Militär der Maior Schumann und zwei Offiziere waren sofort nach dem 19. März wegen Unzuverlässigkeit und Feigheit entlassen worden. Schumann faß fogar hinter Schloß und Riegel

Nun?"

Die Berhaftsbefehle des Herrn Ministers sind ausge­führt bis auf einen. Gloß, Calm, Ziegler, Müller, Schaum haben wir." Kniephace tastete vergeblich nach einem Halt. ,, Wo ist der lette?"

sein."

Er war nicht zu Hause. Er soll ins Schloß gegangen Ins Schloß? Hierher? Wie heißt er?" Der Gendarm 30g einen Haftbefehl hervor und buch­ftabierte: niephade, Gustav."

,, Nanu!" rief Trosegt in höchstem Erstaunen. Er musterte den blaffen, wanfenden Kniehade. So eine Frechheit ist mir noch nicht vorgekommen!" Er stand auf, trat ans Fenster, angetrommelte mit den Fingern, pfiff halb wütend, halb beluftigt

,, Sie wollen Seiner Durchlaucht durch diese Bitte ein besonderes öffentliches Zeichen Ihrer Ergebenheit Ihrer unverbrüchlichen Treue geben, im Namen des gesamten ftaatstreuen Teils der Bürgerschaft gewissermaßen sichts der letzten bedauerlichen Vorgänge?"

Kniephacke schüttelte es. Er preßte die Zähne aufein ander. daß sie schmerzten. Dann sagte er etwas zu laut: ,, Jo." ,, Aha. Sehr schön gedacht von Ihnen." Trosegt war ent schloffen, die Bitte zu erfüllen. Das gab so etwas Landes päterliches, Behagliches es würde auf alle Klatschmeiber sehr nett mirten. Wie heißen Sie?" og de Sau sim

durch die Zähne.

Jche ich bin bloß so mitjeloofen... Sagen Sie das dem Richter!"

Bor Kniephaces Auge tat sich eine Zelle auf, von fern hörte er ein Wimmern wie das seines Kindes, er zitterte am ganzen Leib.

( Fortfegung folgt.)