Morgenausgabe
Rr. 105
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46. Jahrgang
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Sonntag 3. März 1929
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Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands
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Werdender Kapitalismus.
Die neuesten Wirtschaftslehren des Bolschewismus.
In der Konferenz der Moskauer Barteiorganisation über die Birtschaftspolitit der Sowjetregierung erregte die Rede des Chefredakteurs der wirtschaftsamtlichen„ Etonomitfcheftaja Shifn, Krumin, erhebliches Aufsehen Krumin erörterte die wirtschaftspolitischen Forderungen der Rechtsopposition. Aus seiner Rede ging hervor, daß die Rechtsopposition bereits im Herbst 1928 den Wirtschaftsplan der Somjetregierung für 1928/29 für unannehmbar erklärt und eine Beschneidung der Ausgaben für grundlegende Instandsegungsarbeiten und Neubauten in der Sowjet. industrie verlangt hatte. Im Zusammenhang mit den neuen Wirtfchaftsschwierigkeiten nehme die Kritif der Rechtsopposition an der
Wirtschaftspolitik der Sowjetregierung immer breitere Formen an. Die Rechtsoppofition behauptet, daß die Produktionspläne un meigerlich gefürzt werden müßten. Dabei erflärte fie, daß die Parteileitung die Arbeiterklaffe über die Wirtschaftsschwierige teiten im unflaren laffe.
Als besonders symptomatisch bob Krumin hervor, daß es schon soweit getom menset, daß ein jüngerer sowjetruffischer Bolts wirtschaftler Eichenwald in einem Lehrbuch der Wirtschaftspolitik schreibe, das Streben des bäuerlichen Eigentümers nach Gewinn sei die wichtigste Triebfraft des sozialistischen Aufbaues.
Die Utrechter Veröffentlichung.
Amtlich wird mitgeteilt; Der belgische Gesandte in Berlin hat im Auftrag feiner Regierung im Auswärtigen Amt die Echtheit det vom Utrechter Tageblatt deröffentlichten Dokumente vorbehaltlos und fategorij in brede gestellt und dabei erklärt, daß die angebliche Konferenz zwischen bem belgischen und franzöfifchen Generalftab vom 7. bis 12 September 1927 niemals stattgefunden hat. Der Gesandte hat bei dieser Gelegenheit die Erklärungen noch einmal ausdrüdlich beftätigt, die der belgliche Außenminister in der Abgeordnetenkammer am 26. Februar d. 3. in der Ungelegenheit abgegeben hat.
Der belgische Generalstabschef, General Galet, jagt in einer Erklärung na; daß die Utrechter Beröffentlichung von der ersten bis zur legten Belle eine Fälschung bildet. Ich bin in dem Dofument als Mann hingestellt, der im Dunkeln Piäne schmiedet, die dazu angetan sind, mein Land in wirtliche Abenteuer hineinzuziehen, ein benachbartes und befreundetes Land verräterisch anzugreifen und einen Frieden zu stören den alle Bötter wünschen Diese Art, mich zu charakterisieren, wird durch alle meine Handlungen während des Krieges und nach dem Striege widerlegt, so oft es möglich war, habe ich für ben Frieden gearbeitet. Bas Holland betrifft, fo fuchte ich mit den niederländischen Militärbehörden vertrauens polte und herzliche Beziehung zu unterhalten, wie es sich zwischen Bertretern zmeier Heinen Länder, die nichts von einander zu fürchten haben, geziemt. Ich habe nie. mals eine Bereinbarung verfaßt oder unterzeichnet, die für mein Land internationale Berpflichtungen mit fich bringt.
36 habe alemals andere militärische Maßnahmen ins Ange gefaßt als folde, die rein defenfiver Natur in bezug auf Deutschland waren,
fie sptelten sich ausschließlich auf unserem Gebiet ab und hatten den alleinigen Zwed, den Angriff zurüdzuweisen, den die Ereigniffe pon 1914, deren Opfer mein Land war, mich ns Auge zu faffen Derpflichteten. Ich protestiere gegen die Beschuldigungen des Utredter Tageblattes" und behalte mir vor, von denjenigen, die für diese verleumderischen Beröffentlichungen verantwortlich find, Genugtuung zu fordern."
Het Bolt"( Soz.) schreibt: Es habe Grund zu der Annahme, daß die pom Utrechter Tageblatt veröffentlichten Dokumente in dem Nachlaß eines verstorbenen belgilahen Generals aufgefunden und von feiner Familie einem belgischen Sourna liften zur Verfügung gestellt worden feien. Dieser fet damit nach Holland gekommen, um die Datumente hier veröffentlichen zu laffen, mobei es nicht unmöglich fei, daß er aus der Beröffentlichung finanzielle Borteile habe erlangen wollen.
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Sudetendeutscher Trauertag.
1919 4. März- 1929.
Als das Habsburgerreich zerfiel, bildeten alle beutschen mit glieder der Boltsvertretung die vorläufige Nationalversammlung der Republik Deutschösterreich. Mit den Alpenländern traten die judeten deutschen Gebiete zusammen und fühlten sich als Staatsgemeinschaft, nicht nur die Franken des Egerlandes, die Bajumaren des Böhmer maldes und Südmährens, sondern auch die den Sachsen nahe stehenden Bewohner Nordwestböhmens und die Schlesier der oftböhmisch- nordmährisch- meftschlesischen Randgebirge
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Nationale Minderheiten.
Was ist zu fordern und was fann jetzt erreicht werden?
Es ist immer vom Uebel, wenn ein Staatsmann außen politische Verhandlungen führen muß, dessen Autorität durch hat. Und es ist doppelt bedauerlich, daß im vorliegenden, innerpolitische Ereignisse foeben eine Berringerung, erfahren Falle Dr. Stresemann, der wieder einmal in Genf im Namen des Deutschen Reiches sprechen wird, in den Augen der Welt als der Mann mit dem frisch ramponierten Prestige erscheinen wird, der, von der eigenen Partei im Stich gelaffen, ebenso als Parteiführer wie als Minister gewissermaßen in der Luft hängt. Denn die bevorstehende Genfer Boche wird im Gegensatz zu früheren Ratstagungen, die sich mehr oder minder mit laufenden Verwaltungsangelegenheiten oder mit tagespolitischen Ereignissen von vorübergehender Bichtigkeit zu befassen hatten, eine grundsät liche internationale Bedeutung haben. Sie wird fast auss schließlich dem Problem der nationalen Minderheiten gewidmet sein, einer Frage, die zu den wichtigsten der internationalen Politit gehört, und von der vieles für das gute Einvernehmen zwischen den Völkern, wenn nicht gar für den Frieden der Welt abhängt. Eine Frage, die gewiß nicht in den kommenden Tagen mit einem Schlage gelöst werden fann, die vielmehr wahrscheinlich noch Jahre und sogar Jahrzehnte die Gemüter beschäftigen wird. Aber von dieser ersten großen Auseinandersetzung unter Teilnahme. Deutschlands im Schoße des Bölferbundes hängt viel für die fünftige Behandlung und Entwicklung dieses Problems ab.
Sumindest feit den großen Völkerwanderungen des späten Altertums hat es immer nationale Minderheiten ge geben, aber erst mit dem Anbruch des imperialistischen Zeite alters, mit der Vertiefung des nationalen und fulturellen Bewußtseins der Völker ist das Bestehen dieser Minderheiten zu einer Frage gemorden, die für den Völkerfrieden mindestens die gleiche Bedeutung besigt, wie einst die dynasti schen Rivalitäten und neuerdings die fapitalistische Wirt ichaftskonkurrenz. lub to faloud to
Die Friedensverträge von 1919 und 1920 haben manchen Minderheiten die Befreiung von der Fremd herrschaft gebracht und auch die Unterlegenen müssen objet tibermeise zugeben, daß darin ein Sieg des Fortschritts und des Rechts lag. Aber dieselben Friedensverträge haben neue Minderheiten geschaffen. Ueber Nacht waren für Millionen die Rollen vertauscht: die herrschende Mehrheit von gestern wurde zur beherrschten Minderheit von heute. In vielen Fällen man dente z. B. an Nordböhmen , an die Proving Posen oder an Siebenbürgen war eine solche Rollen pertauschung unvermeidliches Schicksal. In anderen Fällen ist ebenso offenfundiges wie vermeidbares Un recht gefchaffen worden, man dente nur an Südtirol . das ausschließlich auf Grund strategischer Erwägungen von Italien anneftlert wurde, oder an Eupen , dessen Forsten Belgien als eine Art Kriegsentschädigung beanspruchte, oder an das Memelland , das man vom Reiche trennte, ohne fogar zunächst zu wissen, wem man es eigentlich zuschanzen
Diefer Staat war freilich durch den breiten Gürtel des tschechi fchen Siedlungsgebiets in mehrere Teile zerrissen und es wurde dem tschechischen Staat, der in den Berband der Siegermächte auf genommen wurde, nicht schmer, sich die deutschen Randländer einzu gliedern, zumal dem tschechischen Militär Widerstand nicht geleistet wurde. Als aber am 4. März 1919 die gewählte Nationalversamm lung in Bien zusammentrat, demonstrierten überall im neuen Tschechenstaat die deutschen Städtebürger ohne Unterschiedder| würde. Partei für das ihnen verweigerte Recht der nationalen Selbst- g bestimmung.
schaftlich unentbehrlichen Randgebiete fah die tschechische Regierung 3m Uebermut des Sieges" und in der Angst um diese wirt. die friedliche Demonstration als 2 ufft and an und überall ließ fie die waffenlose Menge beschießen.
Das größliche Ergebnis dieser Berblendung einer Regierung, die selbst der demokratischen Selbstbestimmung ihre Macht verdantte, waren 51 Todesopfer, davon 25 in Raaben an der Eger, 15 in Sternberg , Nordmähren , 6 in Rarlsbad, je 2 in Arnau, Eger und Mies, 1 in Auffig, 112 Schwer verwundete, von denen noch eine Anzahl starben und viele Leichtverwundete....
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Die Prager Regierung, in der deutsche Bürger mit ihren Das Kriegsministerium veröffentlicht eine Erklärung, in der es tschechischen Klaffengenoffen zusammenfißen, würde der Berföhnung heißt: Der von der holländischen Zeitung wiedergegebene Text ist der beiden Bölker einen Dienst leisten, wenn sie nach zehn eine pumpe Fälschung, zusammengefeßt aus ebenso ge Jahren öffentlich die Opfer der Berblendung von damals be häftigen wie lächerlichen Unwahrheiten, die das Kriegslagte und zur Einigung an ihren Gräbern aufforderte. ministerium in allen feinen Teilen fategorisch dementiert. General Debenen ist in seinem Leben nur einmal in Belgien gewesen und zwar turze Zeit nach dem Kriege, dis er noch nicht Chef des Generalstabs war, also oor Januar 1925. Die Reise wurde unternommen, um einen Vortrag zu halten.
Die Biener Arbeiter- Jagd und Schüßenpereine haben nach der Auflösung eines dieser Bereine durch die Regierung zur Bertretung ihrer Intereffen einen Bandesverband der Biener Arbeiter Jagd- und Schüßenvereine gegründet. Die Statuten dieses
Landesverbandes murden Dom Miener
Die Brüffeler Staatsanwaltschaft hat eine Unter fuchung über den Ursprung der falschen Utrechter Dokumente ein geleitet. Der Fälscher soll, wie behauptet wird, ein gewisser Albert Frant eine fein. Dieser Heine, der fich für einen Entel des Dichters Heinrich Heine ausgibt, ist ein Belgier holländisch deutscher Serkunft. Er gilt schon seit langem als Revolverjournalist und soll eine Anzahl übler Affären sowie verschiedene strafrechtliche Berurteilungen auf dem Kerbholz haben. Arbeiterschützenvereine pariert
Magistrat als
Landesregierung genehmigt. Der Berband wird seine Tätig teit in den nächsten Tagen beginnen.
Damit ist der Streich der Regierung Seipel gegen die
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Mit der Schaffung des Bölferbundes wurde ge Aufgaben, berufen sein sollte, über jene Gleichberechtigung rade jene Institution gegründet, die, neben anderen wichtigen der Minderheiten zu wachen, die man nach dem vielgepriesenen Sieg des Rechts" für eine Selbstverständlichkeit halten müßte. Anfäße zu einem solchen Minderheitenschuh sind in den Friedensverträgen sowie in Sonderabkommen der Nachkriegszeit zweifellos vorhanden. Leide haben die Sieger damals ihre Gerechtigkeitsgaben sehr ungleichmäßig und so gar ganz will türlich verteilt. Besiegte Staaten, mie Defterreich und Ungarn , neu entstandene Staaten wie Bolen und die Tschechoslowatei, sowie später bei ihrem Bölkerbundseintritt die Baltischen Länder, start per größerte Staaten wie Rumänien , Serbien und Griechen land mußten bestimmte, vertraglich festgelegte, der Völkerbundskontrolle unterstellte Verpflichtungen zum Schuße ihrer Minderheiten eingehen. Andere Staaten wiederum nicht. Das waren insbesondere die sogenannten hauptsäch lichen alliierten Länder. Diese waren zu fein", um sich selbst die gleichen Verpflichtungen aufzuerlegen, die sie für ihre Bundesgenossen zweiten Ranges als unerläßlich empfanden. In ihrem Hochmut stellten sie die Fittion auf, daß sie für die Gegenwart und für alle Zukunft über jeden Berdacht der Ungerechtigkeit und des undemokratischen Berhaltens erhaben feien. Aber es vergingen feine drei Jahre, da Stallen die Demokratie über den Haufen gerannt und mußte der faschistischen Dittatur Blaz machen, die nunmehr mit allen ,, Grundsäßen der Freiheit und der Gerechtig finnige Schauspiel, daß der entfesselte italienische Nationalis feit" Schindluder trieb. So erlebte die Welt das wider mus, durch feinerlei internationale Bindung gehemmt, Deutsche und Slovenen als nationale und fulturelle Minderheiten mit Stumpf und Stiel auszurotten ver
war
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