Unterstützte Arbeitslose 2300000.
Der Höhepunkt ziemlich erreicht.
Am 15. Jebruar 1929 betrug die Zahl der Hauptunterstützungsempfänger in der Arbeitslosenversicherung und der Sonderfürsorge bei berufsüblicher Arbeitslosigkeit nach den vorläufigen Berechnungen rund 2,3 millionen; davon entfielen etwa 1,55 milliouen auf die Arbeitslofenversicherung zur gleichen Zeit be30gen 155 000 Personen krisenunterstühung
Ende Januar gab es nach den endgültigen Zahlen in der Arbeitslosenversicherung und der Sonderfürsorge 2,255 millionen Unterstüßte. Ju diefen beiden Gruppen ist also in den zwel erften Februarwochen eine Steigerung um rund 50 000 Betfonen, in der Stijenunterstüßung um rund 10 000 Ber. fonen eingetreten. Gegenüber dem großen Anwachsen der Arbeits lofigfelt in den vorausgegangenen Monaten hielt sich demnach die Zunahme in verhältnismäßig engen Grenzen.
Kontrollausschuß für Reparationen. Erstes Ergebnis der Sachverständigenberatung.
Die Sachverständigenkonferenz hat am Montag eine Bollsigung abgehalten. Sie dauerte taum eine Stunde. Die Borsigenden der drei Unterausschüsse( für Mobilisierung der deutschen Schuld, Trans fer und Sachlieferungen) berichteten eingehend. Es zeigte sich, daß nicht nur große Fortschritte erzielt sind, fondern die Vorschläge auch miteinander in Eintlang gebracht werden können.
Lord Revelstoke, Borsitzender des Kommerzialisierungs. ausschusses, schilderte die verschiedenen Möglichkeiten für die Ausgabe deutscher Reparationsschuldverschreibungen. Man scheint den Gedanken, durch die Mobilisierung der deutschen Schuld verschreibungen die letzten Jahresraten der Alliierten bei den Vereinigten Staaten zurüdzutaufen, aufgegeben zu haben. Dagegen wird die Ausgabe deutscher Schuldverschreibungen entweder gegen frisches Geld oder im 11 mtausch gegen die inneren Staatsschulden der Gläubigerstaaten ins Auge gefaßt Bahr scheinlich dürften beide Möglichkeiten nebeneinander und sogar gleichzeitig versucht werden. Die Kommiffion soll sich schon über den Schlüffel für die Berteilung der für den Umtausch an alliierte Länder in Frage kommenden deutschen Schuldverschreibungen ge einigt haben.
Sir Josiah Stamp sprach im Namen der Transferfommission. Er äußerte fich besonders über die Methode, wie die Transfermög lichkeiten durch eine unabhängige Treuhändertommif fion geprüft und entschieden werden tönnen. Es sprach außerdem über die Prozedur für den Fall, daß Deutschland nach der Reform bes Dames- Planes etwa ein Moratorium für feine Zahlungen perlangen follte. Mis Dritter berichtete Bertins für die Sach fieferungstommiffion.
Alle drei Ausschüsse fordern übereinstimmend für den reibungsLosen Ablauf der fünftigen deutschen Zahlungen die Schaffung eines besonderen Rontrollorgans, das ein Recht zur ständigen Ueberwachung und gleichzeitig zur Schlichtung non Meinungsverschiedenheiten erhalten follte. Auf Borschlag des Ronferenzoorsitzenden Owen young wurde den Unterausschüffen aufgegeben, bis zur nächsten Bolsizung am nächsten Mittwoch zu prüfen, ob sie nicht miteinander verschmolzen werden fönnen. Wie man erfährt, bestehen hiergegen Teine Bebenten
Ms poraussichtliche Mitglieder für das Zentralprgan, bas den Charakter einer Treuhanbertommiffion erhalten foll, bürften die Bertreter der intereffierten Totenbanken, befonders qualifizierte Bertreter der freien Wirtschaft und ein Delegierter der Internatio nalen Handelstammer in Frage tommen. Demnach bürfte dieses Uebermadungsorgan pripatwirtschaftlichen Charakter erhalten. Der bisher dem Rontrollorgan des Dames- Plans anhaftende politische Beigeldmad wird verschwinden. Außerdem wird Deutschland paritätisch vertreten sein.
Kriegsminister gegen Pilsudsti. Die Abwehr der Beschuldigungen Pilsudskis.
Warschau , 4. März.( Eigenbericht.) Der frühere Kriegsminister General Sepincti hat auf die Anklagen Bilfubftis im Senatsausschuh alle ehemaligen Kriegsminister in einem offenen Briefe aufgefordert, einen gemeinsamen Schritt zu unternehmen, um von Pilsudski die Namen derjenigen Offiziere zu erfahren, die sich derartige Mißbräuche haben zufchulden tommen lassen. Er wolle nicht so ertlärt Szepincti-, daß man nach seinem Tode behaupte, er habe auf Staatstosten Orgien mit Freudenmädchen veranstaltet.
Ein nationales Heine- Denkmal.
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Buch
der
Lieder
Heinrich
Heine
1799-1856
VAWIN
Farbe
INWA
Den Heine wollen unsere Rationalen nicht haben...,
Belgisch
Franzas. Pakt
Frank Heine
aber vielleicht errichten sie dem Urenfel" für feine Fälschungen ein Denkmal.
Justiz im Stahlhelm.
Genoffe Heilmann bespricht empörende Fehlurteile im Landtag.
Im Preußischen Landtag führte am Montag zur zweiten Lesung| Wir bedauern aufs tiefste, daß das Reichsgericht so wenig Sinn des Justizetats
aus: Die Fälle Oberleutnant Sulg und Schröder( Magbeburg) find dem Rechtsausschuß zu späterer Berichterstattung über mielen. Sie scheiben heute aus. Aber fonial muß aus dem Haupt ausschuß berichtet werden, daß die deutschnationale Frattion erflärt Ermordung des Buchhalters Helling polling unihuldig und hat, auch nach ihrer lleberzeugung fei der Fabritant a as an der unbeteiligt.( hört, hört! links.) Steht das endlich auch für die Deutschnationalen fest, dann find Landgerichtsdirettor Soffmann und Untersuchungsrichter Rolling gerichtet; denn dann haben sie einen Unschuldigen berfolgt und eingeferfert, einen Just iz morboorbereitet. Dann find Hörfing und Bus dorf , Bizepräsident Weiß und Polizeipräsident Menzel glänzend gerechtfertigt; benn fie haben den Justizmord verhindert. Dann steht die Frage nicht wie man die Unabhängigkeit der Richter. Ichüßt, fondern wie man unfähige oder böswillige Richter an Juffizmorden hindert,
auch wenn einmal die frischzupadende Energie eines Hörfing nicht zur Stelle ist.( Sehr wahr! bei den Soz.)
Die empörendsten Fehlurteile des lenten Jahres find bei ber Anwendung des Republiffchußgefeßes gefällt worden. Amts- und Landgericht Prenzlau haben die Aeußerung des Stahlhelmführers Düsterberg für straffrei erklärt, der heutige Staat fei aus Meuterei und Berrat geboren. Die Prenzlauer Richter haben ,, festgestellt", damit sei gar nicht gefagt, daß die Meuterei und Der Berrat auf unedlen Motiven beruht hatten; aber auch wenn die Aeußerung beschimpfend wäre, träfe sie nur die Entstehung des Staates und nicht seine Form. Der heutige Staat beruht nicht auf Berrat und Meuterei, sondern auf der Weimarer Berfassung, die die freigewählte Rnationalversammlung gegeben hat. Wer den Ursprung des Staates beschimpit, beschimpft auch den Staat. Oder ist es teine Bele' digung, wenn man jemanden Huren fohn oder Hundefohn nennt?( Sehr wahr! links.) Die Deutschnationalen haben das Prenzlauer Urteil begeistert verteidiot. Aber
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vor dem Krieg hat man den Redakteur Mardwald von der „ Königsb. V3.", unseren jetzigen Kollegen, wegen eines Artifels über die Königin Culfe als Majeftätsbeleidiner zu Fünfvierteljahren Gefängnis verurteilt,
für den Schuß und die Ehre der verfassungsmäßigen Flagge zeigt. Wer die Flagge des Staates beschimpft, ist in unseren Augen ein Mensch ohne nationales Chrgefühl, ein ehrlofer icht( Lebhafte Zustimmung links.)
Der Justizminister hat in seiner Sonnabenbrede alles gelobt, Richter und Richterverein, Bresse und Barlament. Das einzige mas fehlt, wollen wir gern nachholen: wir wollen feinen Eifer und eine Bemühungen um Befferung loben. Im übrigen aber vermögen Juftig nicht zu teilen. Der Justizminister hat den Breußischen mir seinen rosenroten. Optimismus in der Beurte.lung ber beutigen Richterverein gerühmt, weil er von dem Prenzlauer Urteil abgerudt fei. Tatsächlich hat eine Bersammlung des Richtervereins am 22. Bebruar im Oberverwaltungsgerichtsgebäude den Beweis erbracht, daß! die Mehrheit des Richtervereins unter Führung des Kammergerichts rats Dr. lee fogar die Prenzlauer Richter zu verteidigen entschloffen ist.( Lebhaftes hört, hört! finfs.) Die Personalpolitik der Justizverwaltung ist andauernd unbefriedigend. 3m legten Jahre ift ein einziger fozialdemokratischer Richter befördert worden, unb schon hat der Bust zminister die Bertreter von zwei bagegen pro testierenden Richtervereinen empfangen.( hört, hört! fints.) Selbst im Ministerium ist noch manches rückständig, besonders die Zivilrechtsabteilung: einer Berjerin Soleita Bahmann, die feit einem Jahrzehnt mit einem deutschen Weingutsbefizer in Köln zu sammenlebt und ihm zwei Kinder geboren hat, ist der nachgesuchte Ehetonsens verweigert worden, weil nach dem moham medanischen Cherecht des Korans die Che mit einem Christen verboten sei.( Gelächter.)
Die Strafrechtsreform wird nur nach einem Bort des Geheimrats Kahl zustande fommen, wenn die Todesstrafe fällt. Darum sollte sich der Minister an die Spike dieses Kampfes stellen. Wie können die Deutschhnationalen im Falle des Oberleutnants Schulz behaupten, daß ein unbegründetes Todesurteil ergangen fei, und gleichzeitig an der Todesstrafe festhalten?!
Die Todesstrafe muß fallen, weil die Republit sie nicht braucht. Jede Diktatur ruht auf der Todesstrafe; indem wir die Todesstrafe beseitigen, fichern wir die Republit, und wenn wir ihre AbSchaffung im Boltsbewußtsein verantert haben, machen wir für alle Zeit die Diktaturgelüfte unmöglich. Der Justizmin ster ist persönlich Gegner der Todesstrafe; er foll ihr jeßt auch politisch den Todesstoß geben. Mit dem Worte des großen französischen Juftigministers Georges Danton , der selbst im Rampf gegen das Morden des Staates das Leben verlor, rufen wir dem Minister zu: Nur Mut, Bürger Schmidt, nur Mut!( Lebhafter
Herzogs Mehrheit nur noch 4Stimmen. merben follte.( Hört, bört!) Nicht mehr weit vom unmittelbaren Beifall bei ben Goz.) Der umtämpfte deutsch - südafrikanische Handelsvertrag.
Das füdafrikanische Unterhaus beriet heute über einen Antrag, wonach die Entschließung zur Ratifizierung des deutsch südafrikanischen Handelsvertrages bem Senat zur Erwägung weitergegeben werden soll Bekanntlich hatte Brenier. minister General Herzog die Absicht befundet, den Bertrag dem Senat nicht zu unterbreiten.
meil in der Königin Luise angeblich ihr Urentel Wilhelm II. getroffen Rechtsbruch entfernt ist das Urteil des Gollnower Schöffengerichts gegen den Stahlhelmführer Stadler, der freigesprochen wurde, obwohl er die gesellschaftlichen Zustände Deutschlands mit einem Kuhfladen und den Staat mit der feftgebadenen ruste des Kuhfladens verglichen hat. Solche Urteile beweisen. daß den deutschen Richtern noch viel mehr als ihre Unabhängiteit nottut. die innere Unabhängigfeit pon parteipolitischem anatismus und Stahlhelm juftiz.( Sehr mahr! lints.) Die einzige Entschuldigung für diese Urte le ist die Tatsache, daß das Reichsgericht bie Richter auf diesen Weg brängt. In einem Urteil vom 15. Januar 1929 hat ber IV. Senat den Buruf schwarz rot- hühnereigelb für straffrei erklärt; es fei zwar fehr mohl mög Erlich. baß die betreffende nationalsozialistische Versammlung und der Redner gewußt hätten, daß mit hühnereigelb nur ein gemeiner Ausbrud für Menschentot gemeint fei. aber es feble der Nachweis bafür, baß dieses Bewustfein durch entspredenbe Betonung oder bestimmte Hanbbewegungen ausgebrüdt worben fei. Das Reichsgericht wird bemnächst wohl die Aufforderung aus dem$ 6 nur noch dann als beleidigend anfehen. wenn fie durch entsprechende Handbewegungen perdeutlicht würde!( Große Heiterfeit.) Nach einem anderen Reichseerichtsurteil vom 20. Dezember 1928 in Sachen Bestdeutscher Beobachter" verstoßen folgende Aeußerungen nicht gegen bas Republikid uggesen: Unter der fluch beladenen Amtszeit Friedrich Eberts wurde das after, der Lug und Trug eine hoffähige Einrichtung. Die größten Spikbuben und Lumpen fanden an dem ersten Beamten des neuen deutschen Bolfsstaates ihre wohlmeinenden Schüzer und Förderer."( Stürmische Entrüstunasrufe links.)
General Smuts hielt eine Rede, in der er erflärte, has Borgehen der Regierung verstoße gegen die Berfassung verwies auf das Beispiel Deutschlands , wo der Bertrag ebenfalls beiden Häusern des Barlaments zur Ratifizierung vorgelegt worden sei. Nachdem General Herzog feine Auffaffung nach brüdlich verteidigt hatte, wurde ber Antrag auf llebermeisung des Bertrages an den Senat mit 53 gegen 49 Stimmen abge. lehnt. Da die Mehrheit der Regierung auf vter Stimmen gefunten war, forderte die Opposition bas Kabinett durch stür mische zurufe zum Rüdtritt auf.
Cangjährige Zuchthausstrafen verhängte ein Militärgericht der litauischen Bulschregierung über den früheren Abg. Kedys und eine Anzahl Bauern, weil fie einen Butsch zur Bieberherstellung der Verfassung versucht hatten. Dabei wußte die Polizei durch einen Spizel alles genau norber!
Englische Firms will der Somjetunion U- Boot- minen lefern Dies hat auf Anfrage Senworthys( 503.) der Staatsjefretär im Unterhaus bestätigt und hinzugefügt, er wille nicht, wo biele einen Derwendet werden sollen, werde jebody but bie normegisme Regierung feststellen laffen, ob biefe Minen in Gewässern gelegt werden würden, die von britischen Schleppneßfishern belucht werden,
Ebenso wurde für straffrei erklärt der Sag:„ Es gibt im neuen Syftem fein Bafter und teine Lumperei mehr, der man fich allgemein famt. In Neudeutschland ist das alles beherrschende Wort hre gestrichen."( Fort. hört, fints.) Das Reichsgericht ver mikt da ben schlüssigen Nachweis. daß der neue Staat als solcher beleidigt werden solle. In allen diesen Fällen wird
eine ungeheure Menge juristischen Scharffinns aufgewandt, um wie einmal Radbruch gesagt hat das Strafgesetzbuch so auszulegen, wie der Teufel die Bibel.
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Abg. Dr. Deerberg( Dnat.): Troß aller Not der Zeit haben die Richter die Justiz auf großer Höhe gehalten. Der dunfelste Bunft ist das Todesurteil gegen den Oberleutnant Schulz, deffen vollständige Begnadigung wir dringlich fordern.( Bravo ! rechts.)
Abg. Rhlel- Fulda( 3.) Im Film und im Theater wird jest die Juftig vielfach herabgewürdigt. Bir vertrauen aber darauf, daß ber Justizminister im Geifte feines Borgängers Am Behnhoff die Juftiz der neuen Zeit anpaffen wird. Wir hoffen, daß er dabei die Unterstügung aller Justizbeamten und Richter findet.
Abg. Obuch( Komm.): Ob die Klassenjuftig ein monarchistisches oder republikanisches Mäntelchen trägt, ist gleich; denn sie ist doch mur Dienerin des Trustkapitals. Das neue Strafgesetzbuch wird die Knebelung des arbeitenden Bolles nur vollenden.
Abg. Eichhoff( D. Bp.): Die Stahlhelmführer haben sich por Gericht fehr menigtapfer benommen, und wir müffen uns fehr wundern, daß gerade diejenigen, die ftramm für die Staats quiorität eintreten, bem jezigen Staat das Recht verweigern mollen, feine Autorität zu schüßen.
Abg. Dr. Grzimet( Dem.): Es wird zuviel gestraft und aupiel geschworen. Unabhängigkeit der Richter und freie Der Breußische Brefletritit ftehen und fallen miteinander. Richterperein tann unberechtigte Angriffe nur zurüdwesen, wenn er bei berechtigten Angriffen auch die Schuldigen preisgibt.
Aba. Heffermann( Wp.): Von Mißariffen wie dem Kuhflatent Urteil rüden auch wir deutlich ab. Der Breußische Richterverein steht burchaus auf dem Boden der Berfeffung; er will und muß unter feinen Mitgliedern Selbstzucht üben.
Dienstag, 11 Uhr, Weiterberatung: darauf dritte Lesung des preußischen Flaggengefeßès, namentliche Abstimmung über das Mißtrauenspotum gegen ben Innenminister.
Zeltungssturm in Stambul . Die Redaktion der griechischen Beitung Chronica" murde von 200 tüzifen Stubenten überfallen, die Druckerei zertrümmert. Die Chronica" hatte mehrere Artikel veröffentlicht, in denen die Bertreibung der Griechen aus Anatolien sowie die Wiederinbefignahme von Smyrna durch die Türken als Rückfall in die Barbarei bezeichnet wurde.