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BERLIN Mittwoch 6. März

1929

Der Abend

Erfcheint täglich außer Sonntags. Bugleich Abenbausgabe des Vorwärts". Bezugspreis beide Ausgaben 85 Vf. pro Woche, 3,60 M. pro Monat. Redaktion und Expedition; Berlin SW 68, Lindenstr. 3

Spätausgabe des Vorwärts

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Nr. 110

B 55 46. Jahrgang.

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Der Fall Malfus.

Der Todgeweihte zeugt gegen die Todesstrafe.

Wir bringen hier eine ausführliche Darstellung des am 5. März im Preußischen Landtag vom Abg. Kuffner vor­getragenen Falles Malfus. Der Fall erbringt von neuem den Beweis, daß Fehlurteile in Kapitalfachen nicht nur mög­lich find, sondern in Wirklichkeit viel leichter vorkommen, als geglaubt wird.

Der Mann mit der grünen Gegeltuchtasche.

Als am 16. August 1919 um 12% Uhr der Bureaubeamte Ernst Röttgen, zu Gelsenkirchen wohnhaft, wie ge­wöhnlich zum Mittagessen seine in der Hermannstraße 3 gelegene Wohnung aufsuchte, bot sich ihm beim Betreten der Küche ein schrecklicher Anblick: seine Ehefrau lag tot mit durch schnittener Rehle in einer Blutlache. Würgemerkmale am Halz und Kopfverlegungen deuteten darauf hin, daß dem Morde ein heftiger Kampf vorangegangen war. Ein weiterer Blick in die Wohnung zeigte, daß Raubmord vorlag: der Täter hatte alle Be­hältnisse durchwühlt und die Wohnung in größter Unordnung zurüdgelassen. Daß er es eilig gehabt hatte, bewies der Umstand, daß ein offenstehendes Schmucketui von ihm übersehen worden war. Zum Wegschaffen der geraubten Sachen hatte sich der Täter offensichtlich einer dem Röttgen gehörigen Handtasche mit grünem Segeltuchbezug bebient.

Die sofort alarmierte Kriminalpolizei fonnte zunächst nichts weiter feststellen, als daß die Tat knapp eine Viertelstunde vor Heimkehr des Ehemanns Röttgen, also um 12% 11hr geschehen war. Zu dieser Zeit hatten verschiedene Nachbarn in ihren Woh­nungen lautes Geschrei und Hilferufe gehört. Sie hatten wohl auch aus den Fenstern gesehen, aber nichts wahrgenommen. Von dem Täter fonnte daher niemand eine Beschreibung geben.

T

Neue Kämpfe in Merifo.

Erfolge gegen die Aufständischen.

Megito, 6. März.( Eigenbericht.)

Die Regierung erzielte am Dienstag nachmittag gegen die Rebellen den ersten großen Erfolg. Ihre Truppen ſtellten in Oricaba( Veracruz ) 500 start bewaffnete VEREINIGTE STAATEN

Ware Cree

Golf von Mexiko

Ozean

Zur Revolution in meriko

UATEMALE

Bc. Banduras

RONDURAS

Dreißig Goldaten erfroren. Südfranzosen in der Besatzungsarmee.

20932

Erst nach mehreren Tagen gelang es der Kriminalpolizei, zwei Zeugen zu ermitteln, namens Rloß und Maluhnit, die den mutmaßlichen Täter gesehen hatten. Beiden war in der Nähe des Tatorts ein Mann aufgefallen, der eine grüne Segeltuch= tasche trug. Diese Tasche war so voll gepackt, daß sie offen stand, ihr Inhalt war mit Zeitungspapier umwidelt. Ihr Träger, der noch außerdem einen Pappfarton unter dem Arm hatte, war den Zeugen durch sein scheues Befen aufgefallen. Die Be- listischer Seite über die 30 Todesfälle in der Bejagungs. schreibung lautete: grauer Anzug, Halbgurt hinten am Jadett, weicher Filzhut mit dunklem Rand.

Nachdem die Polizei eine Anzahl Berhaftungen vorgenommen hatte, von denen teine aufrecht erhalten werben fonnte, fenfte fich hatte, von denen feine aufrecht erhalten werden konnte, lenfte sich endlich der Berdacht auf einen Schmelzer namens Heinrich Malfus. Die Zeugen Kloß und Maluchnit hatten nämlich bei Durchsicht des Berbrecheralbums auf die Photographie eines ge­missen Beterſen hingewiesen, dem der von ihnen beschriebene Mann mit Segeltuchtasche ähnlich sehen sollte. Petersen selbst fam allerdings nicht als Täter in Frage. Aber die Polizei fand, daß zwischen Petersen und Maltus Aehnlichkeit be­stche und verhaftete diesen.

Der Vorbestrafte.

Bie aber fam es zu dem Verdacht gerade gegen Malfus? Malfus war wegen Eigentumsvergehens, hauptsächlich wegen Dieb­stahls, bereits neunmal vorbestraft. Zurzeit der Tat war er aus der Strafanstalt, in der er seine letzte Strafe verbüßte, entwichen und hielt sich unangemeldet in verschiedenen Woh nungen in Buer und Gelsenkirchen auf. Er war also ein Mann, dem nach dem juristischen Sprachgebrauch ,, die Tat wohl zuzutrauen

war".

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Nun fam aber noch etwas Besonderes hinzu. Gleich beim ersten Berhör nach seiner Verhaftung, die etwa sechs Wochen nach der Tat erfolgte, gab Malfus über seinen Aufenthalt am 16. August be fragt unummunden zu, daß er sich um diese Zeit in Gelsenkirchen , und zwar ganz in der Nähe des Tatortes befunden habe. Er habe bei seiner Ehefrau in Buer übernachtet, sei aber am Bor­mittag des 16. Auguft mit der Straßenbahn nach Gelsenkirchen gefahren, um sich von einer ihm bekannten Frau Kopetsch einen Rudjad zum Kartoffelhamstern zu holen. Diese Frau Kopetsch wohnte bei dem Schwager des Malfus namens Borostowski in der Grillostraße, nur wenige Minuten von dem Hause Hermann­straße 3 entfernt, in dem der Mord geschah. Indes sei er, Malfus, nicht gleich zu Borostowsti gegangen, sondern habe erst seinen Freund Rogalla in Gelsenkirchen besucht, sei mit diesem zu Borostomsti geschlendert, habe Frau Ropetsch nicht angetroffen, dagegen sich mit Borostowsti längere Zeit, bis etwa 12 Uhr, unterhalten, habe dann den auf der Straße wartenden Rogalla wieder aufgesucht und sei mit ( Fortjehung auf der. 2. Seite.)

Paris , 6. März.( Eigenbericht.) In der Kammer wurde der Kriegsminister von sozia Todesfälle der meist aus Südfrankreich stammenden armee interpelliert. Der Kriegsminister führte die Soldaten auf die starke Kälte zurüd, gab aber gleich­zeitig zahlreiche Mikstände bei der Behandlung der fran­fen Soldaten zu. Er beabsichtigt eine Untersuchungs­tommission einzusehen.

Giftgas" verboten!

Biel Ehre für ein so schlechtes Stück!

Der Polizeipräsident teilt mit:

Da die öffentliche Aufführung des Theaterstücs Giftgas über Berlin " von Lampel die öffentliche Ordnung und Sicherheit ge­fährden würde, hat der Polizeipräsident von Berlin die Beran­ftaltung öffentlicher Aufführungen dieses Stüdes verboten."

Die Theatertritit der heutigen Morgenpresse ist mit feltener Ein­mütigkeit der Meinung, daß Giftgas über Berlin " ein sehr schlechtes Theaterstück ist; sie ist aber ebenso einmütig davon entfernt, ein Berbot zu wünschen. Das geschieht selbst in der rechtsradikalen Presse nirgends, während die Theaterkritiker der Linkspresse dem Bolizeipräsidenten eindringlich raten, von einem Berbot Abstand zu nehmen.

Anhänger der aufständischen Generale und nahmen sie gefangen. Außerdem wurde zahlreiches Kriegs. material erbeutet. Es ist bisher jedoch unbekannt, ob und in welcher Form diesem Erfolg ein Kampf voraus­gegangen ist. Inzwischen hat die Regierung auch Trup­ben gegen die anderen meuternden Generale in Marsch gefekt.

Das Parlament dürfte voraussichtlich schon in den nächsten Tagen einberufen werden, um der Regierung außerordentliche Vollmachten zu erteilen. Unter anderem ist auch an die Aufhebung der Immunität der in den Aufstand verwickelten und in den bisher von den Rebellen beherrschten Gebieten, wohnhaften Abgeordne ten gedacht.

Washington erwartet Sieg.

Washington, 6. März.( Eigenbericht.) In hiesigen Regierungsfreisen herrscht die Ansicht vor, daß es der merikanischen Regierung gelingen wird, die aufständischen Generale auf der ganzen Front zu schlagen. Diese Annahme stützt fich vor allem darauf, daß Expräsident Calles persönlich die Führung der Gegenaktion übernommen hat.

Unterbrüdung verfallen, wenn die Polizei besorgt, daß es bei ihrer Aufführung zu Prügeleien im Publikum tommen könnte.

Wäre das Stüd nicht verboten worden, so hätte es in ein paar Tagen abgesetzt werden müssen, weil niemand mehr Lust gehabt hätte, fich den Schmarren anzusehen. Jetzt wird es in ,, nichtöffentlichen" Aufführungen gespielt werden, und eine gewisse Zugkraft ausüben, weil durch das Berbot die Neugier gespannt worden ist. Alles in allem: nie ist für eine schlechtere Sache überflüffigere Reklame gemacht

Die Dänenfähre im Packeis. Berproviantierung durch Flugzgeuge.

Die Dänenfähre Schwerin" liegt nördlich von Warne münde im pa deis eingeschlossen. Passagiere find nicht an Bord. Der Zug besteht nur aus Güterwagen. Zwei Flug­zeuge versorgen die Besatzung mit Proviant, da die Einschließung schon beinahe zwei Tage dauert. Man hofft, die Fähre heute nach­mittag durch Eisbrecher floft zu machen.

Der große russische Eisbrecher Jermat" ist heute vor­mittag mit dem Geleitdampfer Bolten" por Kiel einge­troffen. Der Eisbrecher wurde gegen 11 Uhr von Friedrichsort aus auf der Höhe von Gabelsflach gesichtet, wie er vom Dampfer Bolten" Kohlen übernahm. Der Eisbrecher Truper", der bis­ber mit dem Jermat" zusammengearbeitet hat, ist dem deutschen Dampfer" Sann" in der Mecklenburger Bucht zu Hilfe geeilt.

Ratsreden oder Kommissionsarbeit. Die Minderheitenfrage in Genf .

Der Grund für das. Berbot liegt nicht in der Tendenz des Stüdes sondern in der Sorge vor Tumulten, zu denen es bet öffentlichen Aufführungen kommen fönnte. Träfen im Zu­schauerraum, so sagt man, Hakenkreuzler und Rotfrontler zusammen, fo fönnte es Mord und Totschlag geben. So sehr nun zugegebenheitenproblems spigen sich zurzeit dahin zu, ob die Frage nach einer werden muß, daß dieses schlechte Stück auch nicht einen blauen Fled und nicht einen Messerstich wert ist, den seinetwegen ein Un schuldiger erhalten fönnte, so halten wir das Berbot troßdem nach wie vor für äußerst bedentlich. Denn nach diefer neuen Braris hängt der Grad der Theaterfreiheit von dem Grade der Rauflust des Publikums ab. Auch wertvolle Werke fönnen der

Erfolge der Preußenregierung. Mißbrauch der Arbeitsnachweise.

Berichte 2. Seite

Genf , 6. März.( Eigenbericht.) Die Auseinandersetzungen über die Behandlung des Minder­ausführlichen Diskussion im Rat in einer besonderen Kom= mission gründlich getlärt, oder ob mit der Behandlung durch den Rat die Debatte als erledigt betrachtet werden soll. Deutsch­ land wünscht eine gründliche Erörterung der Frage in einer Kom­mission, England ist damit prinzipiell einverstanden, während Bolen, Italien und Spanien dagegen sind und die Frage in der gegenwärtigen Tagung abschließend behandelt wissen wollen. Die anderen Mächte, darunter Frankreich , verhalten sich abwartend.

Der Völkerbundrat hat den Bericht des Juristenausschusses über die Hinzuziehung der Tschechoslowakei , Litauen und Jugoslawien entgegengenommen. Der Rat lehnt im gegenwärtigen Stande der