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Beilage

Mittwoch, 6. März 1929

Kein schönrer Tod...

Heldenlieder, gesungen für den Herrn Pfarrer Edert

Am sogenannten Bolfstrauertag fand ein gewisser Pfarrer Edert den schönen Mut, in der Deutschen Tages­zeitung" für den Heldentod eine Lanze zu brechen. Man fennt die Melodei. Sie war auch damals nicht ganz un­bekannt, als es den Muschfoten vergönnt war, ein pier­jähriges Stahlbad zu nehmen. Ihr wißt doch wohl auch noch, wie sich jene Ehrwürden, die die Posaune von Jericho ain lautesten ertönen ließen, verhielten, wenn es Zunder gab? 1915. Rußland. Wir lagen in einem Balddörschen vor Brest Litomit als Reserve. Kein Schwanz durfte sich außer: halb des Dorfes blicken lassen, denn der Russe beobachtete scharf und feine Festungsgeschüße flüsterten ihre heißen Segenswünsche herüber.

Wir waren deshalb nicht wenig erstaunt, als am Wochenende der Befehl tam, außerhalb des Dorfes zwei Plätze zum Abhalten von Gottesdiensten einen für die Gescheitelten und einen für

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die Geschorenen selbstmurmelnd auszusuchen. Aber Befehl ist Befehl, und so suchten wir nicht erst lange, denn es war ja doch alles vom Russen einzusehen.

Der Sonntag fam. Wir standen zum Gottesdienst. Nach einigem Barten famen die Prediger des Wortes Gottes, der fa­tholische und der Protestant, auf ihren Gäulen angeschuckelt. Selbst verständlich waren sie beritten. Und hier sollten sie es auch bald nötig haben. Kaum waren sie abgestiegen, als der Ruffe uns einen Segen zuteil werden ließ, den die Männer Gottes in ihrem Pro­grammi nicht vorgesehen hatten.

Schon nach dem ersten Schuß fausten die Kollegen des Herrn Pfarrers Eckert hopp hopp in die geliebte Etappe zurück, verfolgt vom Gelächter der Kompagnie und den Zurufen: Hier ist wohl die Luft zu eisenhaltig für Gottes Wort?"

Der Russe seifte uns noch anständig ein. Wir aber durften nicht zurück in die Etappe.

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Reservelager vor Verdun  . Baraden im Walde, Nicht weit davon unsere Artillerie. Kaum aus dem Dred da vorn heraus hieß es, die Sachen wienern zum Gottesdienst. Schimpfen und Fluchen.

Es war gerade die Zeit, in der die Glocken des Kupfers wegen eingezogen wurden. Und da hielt uns der Herr Pfarrer eine Bre: digt, die seinem Kollegen Edert wohl heute noch wie Rosenöl ein­gehen wird: Das deutsche   Bolf mollte Gottes Wort, das die Glocken so lieblich durch Deutschlands   Lande ertönen ließen, nicht mehr hören; deshalb müssen die Glocken Kanonen werden, und die brüllen mun Gottes Wort ins Land.

Bir armseligen, elenden Muschkoten haben damals den Herrn Pfarrer etwas näher an die Hölle von Verdun   herangewünscht. Aber das hat er sich wohi gespart.

Ruhige Stellung vor den Rheimfer Bergen. Außer dem Posten alles im Stollen. Plötzlich die Stimme des Stollenpostens: Der Pfarrer fommt!"

Schnell alles in die Flohtiste und Schlaf markiert.

,, Laßt nur die Kompagnie ruhig schlafen", entschied gnädigst der Pfarrer. Aber im Graben selbst gab es doch allerhand Neues: Da war die Latrine, die ihn mächtig interessierte, und vor allem der Granatwerfer, der zur nicht minder freundlichen Benutzung gleich nebenan stand, imponierte ihm sehr.

Mit dem Granatwerfer hatte es nämlich seine eigene Bewandt­nis. Nicht gerade daß er Wasserspülungserfaz in diefer an Ersatz so reichen Zeit gewesen wäre. Aber nach Benutzung der Latrine bekam der Franzmann regelmäßig eine Meine Liebesgabe in Ge­stalt einer Granate. Er danfte dann sehr höflich und prompt da­für mit einer Gegenbatterie seiner feinen Pferdsäpfelgranaten. Db er nicht auch mal eine rüberschicken dürfe, fragte Ehre würden. Aber selbstverständlich! Und schon war es geschehen. Und schon war es geschehen. Als dann allerdings die vier Liebesgaben vom Franzmann zurüd. tamen, rutschten Ehrwürden doch höchst unzeremoniell die zwanzig Stufen in unseren Stollen hinunter, zufrieden, einer großen Ge­jahr entronnen zu sein, und ließen den Posten allein.

Aber der arme Herr sollte auch jetzt sein Gleichgewicht nicht ganz wiederfinden. Der Posten mar boshaft genug, eine Hand­granate nach der anderen abzuziehen, die wir dem Herrn Pfarrer als Einschlag feindlicher Granaten erklärten. Und so hatten wir das Bergnügen, Ehrwürden bis zum Einbruch der Dumtetheit in unferer Mitte zu haben.

Er hat uns nie wieder besucht.

Abenddämmerung. Die Kompagnie geht vor zum Sturm. Jeder Nerv bis zum letzten gespannt. Da, an einer legten sicheren Stelle, hinter einem dicen Baum hervor die Stimme: Sind ka­tholische Kameraden dabei? Ich erteile ihnen Absolution." Katholit? Protestant? Schlachtvieh sind wir! Nehmen Sie eine Knarre auf den Buckel umd fommen Sie mit! Der Herr Pfarrer blieb unsichtbar.

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Ankunft im Lazarett. Die Freude war groß, nach über einem Jahre wieder in die Heimat zu fommen. Aber mitten im Walde hält der Zug. Truppenübungsplatz 3eithain in Sachsen  . Unfer Lazarett ein Biehstall. Bo früher ein Pferd stand, steht jezt ein Bett. Der Futtertrog, mit einem Brett zugedeckt, unfer Tisch. Die Fenster, wie es fich für einen richtigen Stall gehört, flein   und hoch oben. Und doch mie schön, wieder einmal in einem richtigen Bett zu liegen! Und schlafen wollten wir auch, nichts als schlafen. Da trippelt die Schwester herein: Die Herren Pfarrer find da, ber fatholische und der evangelische. Und der katholische ist ein Prinz, da müßt ihr straman im Bett liegen und die Arme auf der Bettdecke so weit wie möglich ausstrecken.

Das Frontdeutsch hagelte knüppeldid.

Der Abend

Spalausgabe des Vorwärts

Land der Gegensäge

Auf Stippvisite in Südslavien

Das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen steht unter der Diftatur seines eigenen Königs. Die Parteien sind aufgelöst und eine große Zahl von Zeitungen mußte ihr Erscheinen einstellen. Der junge, erst zehn Jahre alte Staat muß mit der Gewalt der Waffen zusammen­gehalten werden. Es müssen also auseinanderstrebende Kräfte am Werk gewesen sein, die der Dynastie der Karageorgewitsch gefährlich

wurden.

Betrachten mir die nationale Zusammensetzung der Bevölkerung, so scheint sie mit leichten Unter­schieden durchaus gleichartig zu sein; Südstawen sind sie alle, diese Serben, Kroaten   und Slowenen und verständigen können sie sich mit der serbischen Sprache, von der das Kroatische und Slowenische dialektisch abweichen.

nur

Aber: Mitteleuropäischen Cha rafter haben nur Kroatien   und Slowenien  . Diese beiden Länder waren seit Jahrhunderten mit der österreichisch ungarischen Monarchie verbunden, ihre beiden Hauptstädte Laibach  ( Djubljana) und Agram ( 3agreb) machen einen durchaus modernen Eindrud, namentlich das lebhafte Agram, das mit 130 000 Einwohnern nicht viel hinter der offiziellen Residenz Belgrad   nachsteht.

Je weiter wir nach Süden wandern, desto mehr offenbart sich die Welt des Orients. Während die Küste( Dalmatien  ) italienischem Einfluß, hauptsächlich von Benedig her, offenblieb, herrschte der Halbmond in den bosnischen Ländern bis 1878, ja in Südferbien bis 1912! Kultur haben die Türken so gut wie feine hinterlassen, aber zum Islam bekennen sich noch heute 31 Prozent der Bewohner der bosnischen Länder und wandelt man durch die Straßen Sarajewos oder Mostars, so überrascht die große Zahl idyllisch gelegener Moscheen; vermummte Frauen eilen scheu an dem Fremden vorbei und auf dem Basar sitzt der Kaufmann mit echt orientalischer Gelassenheit beim türkischen Kaffee und raucht seine Zigarette oder die geliebte Pfeife. Kommt der Abend, so hört man den Muezzin von den Minaretts die Gläubigen zum Gebete rufen. Hier konnte Kemal Pascha nicht das Tragen des roten Fezes ver­bieten und so trifft man den Türfen, wie man sich ihn vorzustellen pflegt, viel eher in Bosnien   als in Angora.

Diesen Mohammedanern in ihren weiten Hosen und gestrickten, ärmellosen Westen begegnet man immer wieder, während man von den Frauen nicht viel mehr zu sehen bekommt als die mit zierlichen Pantoffelchen bekleideten Füße. Hohe Mauern umschließen das Haus des Mohammedaners. Manchmal spielen Kinder vor der Tür, die Fingernägel rot mit Hennah bemalt, in den Gesichtern einen seltsamen Liebreiz, der bei der verheirateten Frau ziemlich bald zu verschwinden pflegt.

Bon wunderbarem Zauber umsponnen sind die verwahrlosten mohammedanischen Friedhöfe mit den schlanken, meist schiefstehenden oder schon gestürzten Grabsteinen. Daß die Türfen auch Meister im Brüdenbauen waren, beweist die Römerbrüde" in Mostar  , die in einem einzigen hochgespannten Bogen die tiefgrüne Rarenta überspannt. Während in Bosnien   prächtige Wälder grüßen, liegen die Karstberge der Herzegowina und Dalmatiens  im grellen Sonnenlicht nadt da; Fluch vergangener Jahrhunderte, als die Venezianer hier die Wälder abholzten, um ihre Schiffe zu bauen und die stürmische Bora den schutzlosen Humusboden vom

Hommer

nehmen uns die Kraft, wenn wir die nicht hätten, fönnten mir schon längst wieder an der Front sein und dem Baterlande dienen!

Ja, ja, es ist so eine Sache, mit diesen Vertretern der Lehre von der christlichen Nächstenliebe, die das Schwert im Munde führen.

Jm Dschungel der Gesetze

Es gibt heute in Deutschland   zirka 11000 Reichsgesetze. Das Reichsgefeßblatt, in dem nur diese Reichsgesetze veröffentlicht werben, Am Sonntag fam er wieder, der Priesterprinz. Unsere Frauen zählte Anfang 1928 schon 65 000 Seiten. 9000 Reichsgefeße find maren auch da und nahmen am Gottesdienst teil.

Und der Prinz, der Mann Gottes? Ihr glaubt es nicht vorgehalten hat er uns, daß mir die Frauen kommen lassen, die

durch unzählige Gerichtsentscheidungen und Gesetzgebungsafte ab­geändert, ergänzt, erweitert oder rechtsungültig geworden. 3ahl­reiche sind veraltet oder in ihrer Rechtsgültigkeit zweifelhaft.

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Kro

Gestein blies. Nur in ben Tälern drängt sich üppiger Pflanzenmuchs. Die Perle der dalmatinischen Städte Ragusa  ( Dubrovnik  ) einst freie Republit, übertrifft manche gepriesene italienische Küsten­stadt an fühnem Schwung der Anlage, an wundervollen alten. Bauten, die zwischen Balmen von verflungenen Zeiten träumen. Bon den Bergen schauen zahlreiche Kapellen hier ist man wieder fromm katholisch während im nahen Montenegro der griechisch- orthodore Pope herrscht. Gewaltige Bergrücken, die dem Land der schwarzen Berge" seinen Namen gaben, zauberten durch ihre Unzugänglichkeit einen romantischen Zauber um ihre Bewohner, deren König 1916 jeige nach Italien   entwich und sein Ländchen seinem Schicksal überließ.

L.

Neben den Kroaten, die sich nur ungern einer serbischen Hegemonie beugen, sind die find die" Montenegriner oder Omagorcen als ein an die Freiheit der Berge gewöhntes Bolt sehr schwierig zu behandeln. Die fümmerlichen

Kre

Anfänge einer Industrie( eine Bierbrauerei und eine Seifen­fabrik!) werden kaum in der Lage sein, die traurigen mirt­schaftlichen Berhältnisse zu bessern. Glüdlich, wer Besizer einer traditionellen Hammel­herde ist oder in einer wald­reichen Gegend etwas vom Holzhandel profitieren kann. Während die Frauen meistens schwarz gehen und nur am Sonntag ihren Schmuc anlegen, trifft man die Männer häufiger nach halbtürkischer Tracht gefleidet.

In der südserbischen Landschaft liegt der durch sein mildes Klima und feinen Fischreichtum berühmte Ochridajee. Zahl­reiche Klöster find Zeugen uralter byzantinischer Kultur. Kaum eine Stadt ohne alte Befestigungen. Von hier aus eroberte das alte Großserbien die Vormachtstellung auf dem Balkan  , jahrhunderte lange Kämpfe mit den Türken spielten sich auf diesem unruhigen Boden ab, auf dem schon die Römer ihre Wasserleitungen und Brücken bauten.

Bedeutend nüchterner wirkt Nordserbien. Nur eine einzige arm­felige Moschee erzählt von der vergangenen Türkenherrschaft, als viele hundert Minaretts die Stadt Belgrad   beherrschten und der arme serbische Bauer für den reichen Pascha frohnen mußte. Modernes Leben durchpulst heute die aufstrebende Stadt, deren Lage an der Donau   eine zufunftsvolle Entwicklung gewährleistet, wenn sich keine politischen Konflikte, wie sie auf dem Balkan   so rasch ausa brechen, dagegenstemmen. Von der alten Festung ,, Kalimegdan" hat man einen weiten Ausblick auf die Ebene Syr miens, der ,, Korn­fammer" Südflawiens, die mit ihren riesigen Dörfern, den unüber­sehbaren Mais- und Weizenfeldern als Symbol der Fruchtbarkeit erscheint. Man versteht, daß sich gerade hier, in Syrmien  , im Banat  , in der Batschka   die Kolonisten aus allen möglichen Gegenden getroffen haben: Schwaben  , Magyaren, Slowaken aus der Tatra, Ruthenen aus Galizien  , Nachkommen der alten ,, Grenzer", die einst dieses Land zu bebauen und gleichzeitig gegen die Türken zu verteidigen hatten. Krommer.

Zählt man mun noch die Landes und Ortsgeseze hinzu, so ent steht ein undurchdringliches Dschungel von Gesetzen, durch das hin durchzufinden, zuviel von dem gewöhnlichen Sterblichen verlangt ift. Aber das ist noch nicht alles. Hinzu kommt ein zweiter Urs wald von Polizeiverordnungen, Verkehrsregelungen und ja, wenn man anfängt darüber nachzudenken, wird man schwindlig und wundert sich, mit heiler Haut davonzukommen.

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Und dann, das Unheimlichste: im Getriebe des alltäglichen Lebens tommt es einem noch nicht einmal zum Bewußtsein, in was für einen undurchdringlichen und heimtückischen Urwald man lebt. Ist es nicht so, daß der moderne Mensch der allmächtigen Zivilisation meniger vertraut ist mit den Gefahren seines Urwalds wie der Wilde?