Oonneesiag I.März 1929
Unterhaltung unö ÄVissen
Beilage des Vorwärts
sr.wosfhi: Schwar&e
Das tonnte wem feine?fugen nennen, das waren zwei glühende Kohlen, die linier Johannas Augenwimpern brannten. Wenn man in sie hineinblukte, glaubte man sich in»in Märchenland versetzt. Unsere Großmutter pflegte das alte Märlein zu erzählen, wie dem gaien Prinzen drei Männer zn Hilfe kamen i der Lange, der Breite und der Scharfsichtig«. Doch die Kraft des Gesichts dieses ganz unscheinbaren Menschen war eine solche, daß vor ihm Berge wankten. Auch Johanna war«in ganz unansehnliches Perfänchen. Winzig �wm- Gestalt, unscheinbar, tfer Gesicht chcn war ganz hübsch, ein bisichsn. sonnverbrannt Aber nichts Besonderes daran. Nur die twei großen, glühenden Augen waren darinnen, die wie Kohlen brannten. Als Johanna siebzehn Jahre alt war, hatte sie schon längst ihre fitem verloren. Ähre Tante, die Schwester der Mutter, die selbst m den dürftigsten Verhältnissen lebt«, empfing sie aus den Armen der sterbenden Mutter und fand für sie eine Stelle als Verkäuferin in einem Selchwarengeschäft in der Hauptstadt.. Der Chef des Unternehmens war ein Mann, krästig wie ein Gebirge. Aber dieses Gebirge fing vor den Blicken Johannas zu beben an. Johanna konnte nichts dafür. Sic wußte nichts van der 2 rast ihrer Augen: es war wader Rafsinement noch Koketterie darinnen. >nü welchen sie ihre saubermacht angewendet hätte. Doch der Chef pilcgte häufiger in diese Augen zu blicken, und Johanna mußte sie rasch niederschlagen. Mit Staunen nahm sie wahr, daß ihr der Chef mehr Aufmertsamkeit als dem übrigen Ladenpersonal widmete und daß er am ganzen Leibe wke Espenlaub bebte, sobald er in ihre Nähe kam. Einmal rief der Chef Johanna zu sich ins Bureau, damit sie G.'ld auf die Post trage. Kaum war sie eingetreten, als er chr entgegentrat.„Sehen Sie nicht, was in mir vorgeht?" fragte er. „Ich kann den Anblick Ihrer Augen nicht vertragen. Alle Kraft i crläßt mich, sobald mein Blick dem Ihrigen begegnet." Und der Ehef bebt« dabei wie Espenlaub. Johanna blieb einen Augenblick betroffen über das Neu« diese» Zwischenfalles stehen Sie war fast noch ein Kind und wußte nicht, was sie darüber denken sollte. Doch der Ehef besann sich gleich wieder, ergriff mit seiner mächtigen Rechten ihre kleine Hand und lcgann sie zu küssen und zu herzen. Hör Johanna stand jetzt kein kühner Befehlshaber, sondern ein untertäniger, demütiger Kittender. Las Ganze versetzte Johanna in«tu« eigenartige, bisher'un< bekannt« Seelenverfassung. Aus einem bedeutungslosen Ladenmädchen wurde mit einem Schlage die Herrin der Gefühle eines so mächtigen, gefürchteten Mannes. Nur ganz leise begann sich ihr Inneres zu regen, als sie ihr Chef inständigst um ein Stelldichein bat. Sie müßte die Stellung wechseln, sie müßte sich anderweitig nach einer Beschäftigung umsehen. Doch brachte sie die Kraft dazu nicht auf. Sie war froh, daß um sie gesorgt war. Nach der ersten Zusammenkunst trat Johanna formell aus dem �Unternehmen aus. Es war nicht notwendig, daß- sie den ganzen Tag hinter dem Ladenpult stand. Der Herr Chef mietete ihr ein schönes, behagliches Zimmer und umgab sie mit allem Luxus, von dem sie einst nicht einmal geträumt hafte. Cr schaffte ihr feine Wäsche, schöne Kleider an. Und mich an Bargeld hatte Johanna niemals Mangel. Polle zwei Jahre verbrachte Johanna untätig in diesem Luxus- leben. Johanna wußte überhaupt nicht, was sie mit der Zell be- ginnen sollte, sie haue ständig frei.'Sie spazierte durch die Straßen, sie kehrte in den Kaffeichäufern ein, am Abend besuchte sie die Kino ». Nur bestimmte Augenblicke dieser ihr unendlich lang erscheinenden Zeü waren ihrem Chef gewidmet. Die Quartiersrau war zu Johanna oiißerordentlich dienstfertig und bemüht« sich, ihr in allem zu ent- sprechen. Ilebrigens tum es ihrem Besucher auf eine Banknote gar nicht an. Johanna verlernt« vollkommen, regelmäßig zu arbeiten. Doch nach zwei Jahren trat das«in. was eintreten mußte. Di» Augen Johannas begannen für ihren Chef die Anziehungskraft zu verlieren. Seine Besuche wurden spärlichere, der Chef begann sie zu vernachläsiigen. Doch auch der Zufluß seiner Geldmittel ebbte ob. Johanna mußt« ihn sogar darum mahnen.
Diese Situation dauerte noch ein Jahr lang und ließ sich, so gul es ging, überbrücken. Dann aber kamen noch schlimmere Zeiten. Die Quartierfrau drohte mit der Kündigung, ihr untersetzter Leib sträubte sich vor Unzufriedenheit und Zorn auf. Johanna blieb nichts übrig, als all das Schöne zu verkaufen, was ihr ihr Chef angeschafft hatte. Aber schließlich und endlich klopfte doch noch Gevatterin Not an die Tür «. Da begann Johanna fiber die ganze Lag« nachzusinnen und kam zur Erkenntnis, daß ihr ehemaliger Chef doch eine gewisie Verantwortung ihr gegenüber habe und daß es möglich sein dürste, ihn zur Erfüllung seiner Verpflichtungen zu zwingen. Als er auf ihre Mahnungen zu antworten aufhörte, sandte sie ihm einen Brief, mit welchem sie ihm mitteilte, daß sie nicht vor der OefsenUichkeit ver- schweigen werde, was ihr in seinem Unternehmen widersahren sei, wenn er ihr nicht weiter genügend Geldmittel zur Verfügung stellen sollte. Der Chef wurde durch den Brief Johannas sehr beunruhigt. Er war sich einer gewisicn Deranftnortlichkeit bewußt: aber der Drohung nachgeben, das bedeutete für eine lange, ungewisse Zeit die Verantwortung übernehmen. Und so suchte er feinen Nechts- freund auf. um sich mit ihm zu beraten. Der Adnokat erklärte dem Unternehmer, daß Johanna kein Recht besitze, auf eine derartige Weis» Geld von ihm zu erpressen und daß man dem gerichtlich abhelfen könne. Doch machte er ihn gleich- zeitig aufmerksam, daß er sich dadurch selbst in Gefahr setze, wenn er seine Beziehungen zu Johanna bereits zu einer Zeit angefangen haben sollte, da sie in seinem Unternehmen beschäftigt gewesen war, und deshalb lehnte er es ab, persönlich in der Sache einzuschreiten. Johannas Chef empfand es mehr als dringend, daß die Episode mit dem Lehrmädchen schon zu lange dauerte und daß es notwendig fei. sie zu beenden. Er nahm sich daher den Mut und schritt bei Gericht selber ein. Das Glück war ihm hold, die Sache ging im ganzen und großen glatt ab. Es hatte den Anschein, als ob sich Johanna selber bemühte, seine Schuld zu entkräften,«Ks er selber zu versteheu gab. daß es sich ihm nicht um die Bestrafung Johannas handle, sondern darum. Ruh« zu haben, und als er erklärte, daß er bereit sei, etwas für Johanna zu unternehmen, um sie zu einer Beschäftigung zurückzuführen, die er ihr abgenommen hafte. Bald nach dem Gerichtsversahren reiste Johanna nach Berlin ab. Man hafte dort irgendwelche Bekannte für sie ausfindig gemacht. Der ehemalige Ehef stattete sie selber mit dem nötigen Gelde und den notwendigen Sachen aus. Und Johanna begann also zu arbellen..
Doch die Seele Johanna» war in den Jahren des Nichtstuns verdorrt und keinerlei Boden dafür vorhanden, daß der Fleiß in ihr Wurzel soffen konnte. Man erkannte dies sehr bald und entlieh sie. Johanna, ein junges Mädchen, befand sich jetzt ohne alle Stütze im Wirbel einer fremden Großstadt. Um den schweren Kampf ums Brot zu beginnen, dazu war sie nicht geeignet. Eine Zeillann reichte ihr noch das Geld ihres Chess, dann aber befand sie sich in Bedrängnis. Und sich wieder an ihn zu wenden, dazu besaß sie nicht den Mut. In dieser Notlage halfen Johanne ihre schönen, schwarzen Augen, die immer noch wie glühende Kohlen brannten. Johanna lernte es nun, ihre magische Krast auszunützen. Alles um sie herum sprach:„Du hast schöne Augen, aus diesen kann man Geld münzen, ohne arbeiten, zu müssen." Johanna schenkte dieser Stimme Gehör und versank in dem trüben Sumpfe der Großstadt. Man hört« nichts mehr von ihr, man bekam sie auch nicht zu Gesichte. Bis sie eines Tag«» wieder an der Oberfläche auftauchte. Da las man nämlich vor ihr. und zwar in der Zeitung, Rubrik„Ge- richtssaal". Johanna wurde das Schreckliche der Situation, in der sie sich befand, klar. Sie wurde von einem Rachegefühl angetrieben, sich an den Männern zu rächen, die sie so tief herabgestoßen hatten. Dem ersten, dem sie begegnete, nahm sie alles Geld bis auf einen kleinen Bettag ab. Und dann begann Johanna zu schwelgen. Sie mußte sich bettinken. Wenigstens auf einen Augenblick wollte sie an ihre Demütigung, an ihre vergoldete Not, an ihr ganzes Leben vergessen. Ihr nächster Weg führt« sie ins Gejängnis und von dort schob man sie in ihr« Heimat ab. Doch sie blieb schon bei dem gewählten Berufe. Je tiefet sie sank, desto schwerer konnte sie sich zu einer geregelten Arbeit entschließen. Leichten Herzens kam sie wiederum ins Gefängnis zurück. Es war für ihren gequälten Leib ein Augen- blick der Rast. Wenn sie Mangel litt, schonte sie nicht die Taschen ihrer Gäste. Die Erinnerung an die Zeiten des Wohlstandes kehrten wieder zurück. Und da begannen wiederum zwei schwarze Augenpaare wie glühend« Kohlen in der Kerkerzelle auszuleuchten. Augenpaare, die Johanna an diesen Ort gebracht hatten. Das Ge> fängnis wurde ein Zubehör für Johannas Beruf, genau so wie bd den anderen Mädchen, die auf die Anklagebank kamen. Sie glich ihnen vollständig mft ihrem Leben und durch ihre Rücksichtslosigkeit. Das Geheimnis ihrer dunklen Augen blieb wie mit einem dunklen Schleier verhüllt. Niewand fragte sie danach und sie mußte sich auch niemanden entdecken. Und niemand ahnte auch, daß diese schwarzen Augen einst, da sie noch ein junges Mädchen war, demütig und beschämt vor jedem zur Erde blickten, der in sie hineinzuschauen versuchen wollte. kSlnchtlate IMcrfctomg an« da» Tschechisch «» coa I. Stebauna.)
3riedr. Syrefiler:„(jS Nicht da, wo es Max und Mo Pitz juckt, sondern da. wo mein tastendes Ich aus die Außenwelt stößt. Und nicht die Haut selbst juckt mich, sondern in der Haut juckt es mich. Was Jucken ist, weiß ich genau, denn ich habe einen Sinn dafür, erlebe es, bin nicht wie der Blind- und Taubgeborene, dem man von Farben und Tönen vergebens redet, lieber diese»„Es" jedoch, das mich juckt. die eigentliche Ursach« des Juckens, will ich ein wenig nachdenken. Was ist Sinn? Bon sümen habe ich schon als Kind gehört, fetzt zählt man ein Dutzend. Sinn ist Modus der WahrnelMung, Art und Weife der Vermittlung zwischen Außenwelt und Seele. Auch der Hautsinn, um den sich das Jucken dreht, vermittelt zwischen Außenwelt und Seele. Ich will mir die Entslehung des Juckens vergegenwärtigen. Es ist offenbar eine Empfindung, eine abnorme zwar, ein« Paraesthesie, doch immerhin Empfmdurig. Wenn ich den Entstehung so kt zerlege, treffe ich auf gewisse Voraussetzungen, näni- lich aus den Reiz, der physikaüs ch- chemis ch ist und«ine Nerven- «rregung auslöst, dann auf die Fortleitung deifelben zum Gehirn, die ins Gebiet der Physiologie gehört. Diese Vorgänge kann ich mir zur Not erklären, well ich sie mir als Bewegungen von Teil-
BerZJiaffeeverbrauch derWelt
Normalerweise kommt wohl niemand auf den Gsdanken. daß di« Dänen und Schweden es sind, die«eitaus den meisten Kaffee trinken. Sie verbrauchen pro Kopf der Bevölkerung im Jahre mehr als 7 Kilo, während man in England, das den geringsten Kasfeeverbrauch aufweist, beispielsweise nur H Kilo pro Kopf der Bevölkerung braucht. Deutschland gehört zu den verhältnismäßig wenig Kaffee verbrauchenden Ländern. Es steht nach England, Spanien und Italien mft etwa 2 Kilogramm pro Kopf der Devöl» kerung als Jahresverbrovch an vierter Stelle. Sehr viel mehr Kaffee trinkt man bereits in der Schweiz , wo S'i Kilogramm, und in Frankreich , wo 4 Kilogromm auf den Kopf der Bevölkerung cntjallen. Dann folgen die Niederlande und Belgien mit etwa 5 Kilogramm, die Bereinigten Staaten und Norwegen mit etwa h Äilogramm und schließlich Dänemark und Schweden mft mehr nl »? Kilogramm. Der Weltverbrauch an Kaffee, der seit dem Kriegeende bedeutend gestiegen ist, erreichte im Jahr« 1923/24 mft 1,32 Millionen Tonnen einen Höchststand. Gegenüber einem Verbrauch von IM MMonen Tonnen im Jahresdurchschnitt 1999—1912 ist somit«ine Zunahme um rund ein Viertel erfolgt. Der Rückgang des Weltoerbrauchs im Jahr« 1924/2S war eine Folge des starken Anziehen» der Kaffee- preise am Ende de» Jahre» 1924. Der Verbrauch der beiden Jahre 1920/26 und 1926/77 überstieg wieder ILtz Millionen Tonnen Die Zunahme des Weltverbrauchs an Kaffee ist interessanter' weft« fast ausschließlich auf die starke Steigerung de, Kaff— oerbrauch« in den Vereimgttn Staaten von Amerika zurückzuführen, dürste also eine direkt« Folge des Alkoholverbotes sein. Di« Ver. einigten Staaten nehmen heute mehr als die Hälft« der Welternte auf, während si« im Jahresdurchschnitt 1999— 1913 doch 392009 Tonnen Kaffee verbrauchten, betrug ihr Verbrauch im Jahr« 1926 bereits 964 909 Tonnen. Der verbrauchten Kaffeemeng, nach folgen an zweiter und dritter Stelle Frankreich und Deutlchiand als Haupt« Verbraucher von Kaffee. Erst in weitem Abstand folgen Italien , Schweden . Belgien und die übrigen Länder. Der Kaffeeverbrauch der Bereinigten Staat«, der sich infolg«
der Trockenlegung Amerikas fast verdoppelt hat, wird im wefeut- lichen, nämlich zu 90 Proz., durch die Einfuhr von Brasilien und Kolumbien gedeckt. Die mittelameritanifchen Sorten, die früher eine bedeutende Rolle im nordameritanifchen Kaffeeverbrauch spielten, sind In den letzten Jahren mehr und mehr zurückgegangen. Auch die europäischen Länder, mit Ausnahme von Deutsch land und den Niederlanden , haben einen Mehrverbrauch gegenüber der Vorkriegszelt auszuweisen, was allerding» zum Tell auch auf die Gebietsvergroßerungen zurückzuführen fein dürste. Der seit Kriegsende größte Kaffeeverbraucher Europas , Frankreich , hatte seinen Verbrauch im Jahre 1922 mft 172999 Tonnen um 54 Proz. gegenüber der Vorkrieg szeft erhöht. Wenn der Verbrauch in den folgenden Jahren auch wieder etwas zurückgegangen ist, so war er dach 1927 noch um 44 Proz. größer als 1913. Durchschnittlich wur- den 69 Proz. des verbrauchten Kaffee» aus Brasilien bezogen, wäh- rend der Anteil der französischen Kolonie an der Versorgung de» Mullerlandes noch unbedeutend fft. Deutschlaich rückte nach dem Kriege infolge seiner verringerten Kauftraft von der zweften auf die dritte Stelle der Kaffee» verbrauchsländer. Mft 86890 Tonnen im Jahre 1922 war der Kaffoeverdrauch auf ein Fünftel de» Vorkriggs Verbrauchs gesunken. denn im Jahresdurchschnitt 1999—1913 haben wir nicht weniger als 131999 Tonn« Kaffee verbraucht. Erst fett 1924 ist der Kaffee» verbrauch wieder stark gestiegen und erreicht» im Jahre 1927 mft 124900 Tom»» wieder etwa 75 Proz de» Verbrauch» von 1913. Der Einfuhrwert des in den beiden letzten Jahren verbrauchten Kaffees war durchschnittlich um etwa 25 Proz höher als im Jahre 1912. Diese Zunahm« fft übrig«ns nicht nur auf die allgemeine Steigerung der Saffeepreffe zurückzuführen, sondern auch auf die Bevorzugung besserer Qualitäten. Der Vtrbrauch von brassliani- schem Kaffee ist gegenüber der Bortriegszeft auch verhältnismäßig zurückgegangen. Der Verbrauch von sonstigem amerikanischen, in». besondere mittelamerikanischen Kaff«« dagegen stark gestiegen. Die deutsche Berdroucherschaft wandte sich zwar den teureren, aber ergiebiger« milden nftttelmnertkanischen Kaffeesort« zn.
mich.../
chcn vorstell«. Aber wie sich Atomschwingungen und Aetherwelleu in die mir als Erlebnis so wohlbekannte Iuckempfindung umsetzen, wie ein von der Außenwelt und meinem Körper bedingtes, von der Nervenerregung so ganz verschiedenes, Unwst enthaltendes Et- was mir zum Bewußtsein kommt, so daß ich es.chabe", darüber kann ich mir nicht die geringste Rechenschaft geben. Eines indessen wird mtt durch mein Nachdenken klar: Das Jucken fft, wie jede Empfindung, ein rein seelisches Erlebnis. Daher kommt es wohl auch, daß es mich bei Slblenkung der Aufmerksam- keit weniger juckt, daß«in« dem Jucken ähnliche Empfindung, das Kitzeln, bei manchem Individuum sehr leicht, bei anderen sehr schwer und oft. wie es scheint, ohne jeden äußeren Reiz, einzig und allein durch seelische Einflüsse auftritt. Wenn ich an Ungeziefer denke, kann es mich durch die bloß« Vorstellung am gangen Körper jucken. Tritt nun in solchen Fällen das seelische Erlebnis, die Juck- «npfindung, wirklich ganz unabhängig von einem körperlichen Reiz ohne alle Vorbedingungen auf? Der Empirisnms und Eensualis- mus eines John Locke und David Hume leugnet das. Und die „Kritik der reinen Vernunft " von Kant hebt mit„Erfahrung" an als„erstem Produkt der Verarbeitung des sinnlichen Rohstoffes". In allen Fällen von Jucken bei primären und sekundären Haut- trankheften, wo ich Hautveränderungen seh« und taste, bin ich ge- neigt, mir vieles Nachdenken über die Herkunst des Juckens zu er- sparen. Dem Bedürfnis, nach seiner Ursache zu fragen, fft gewöhn- lich genügt durch das Vorhandensein von Knötchen, Bläschen. Pusteln, Schwellung, Rät«. Ist und bleibt die Haut tadellos rein und es juckt mich trotzdem, so denke ich an jene durch gewisse Stoffe im Körper erzeugte und von deuffchen, amerikanischen und holländischen Aerzten erst jüngst als eigene Krankheit(Allergien) bezeuch. nete Ueberompfindlichkeit(„Süchi�keit". wie es von ottersher hieß) der Gewebe, die das Jucken als Ernpsindung selbst minimalster Reize erklärt. Muh ich aber auch diesen Urfochenkomplex noch aus- schließen und e» juckt mich dennoch— dann fallen mir alle unter- irdisch« Mächte ein. Und dann glaub« ich an die Entdeckungen der neuzeitlichen Psychologie, besonders an die Resultat« der von Sig- imind Freud und seiner Schul« ausgebildet« P s y ch o a n a- l y s e. die in das Dunkel der Wechselbezichung von Leib und Seele ein noch weiter streifendes Licht gebracht hat. Mit Genugtuung und Befriedigung meines Mssenstriebes erinnere ich mich, daß Empfindungen, also auch Juckempfindungen vom Wachbewußffein oft übersäen werden, keineswegs aber in Nichts vergehen, sondern im Unterbewußtsein schweben und wachsen, um gelegentlich aufzu- steigen und gleichsam materialisiert in der Haut ihren Spuk zu treiben. Seit Sigmund Freud bin ich nicht einmal erstaunt, wenn es mich nach seelisch« Konflikt«, mit denen ich innerlich nicht fertig werden konnte und die ich als ein U n l uflt v o l l e s im Lethe des Unterbewußtsein» zu ersticken suchte, mit einem Mal« ganz mörderisch in der Haut juckt, weiß ich doch, daß meine vom Konflikt gepeinigte Seele in höchster Not und Verwirrung sich des„Ich" bedient, den Affekt in onde« Sphären zu verschieben. Wctt rätselhafter erscheint mir. daß jemand in ohnmächtig« Wut Geschirr« zertrümmert oder weg« Geldverlegenheit sein« Hund haut, als daß meine Seele durch da» Ich zu den im Reich des Unbewußt« oogabundierrnden Jucksensatian« greift, auf daß der Leib ihr helfe, durch Kratz«, Kratz«, Kratz« an der Haut die inner« Unlust in Lust zu ver wandeln. „Weh spricht: Vergeh! Doch alle Lust will Ewigteft... So bei Nietzsche und ähnlich bei Freud „Es" spricht zum„3 ch" aus tiefster Tief«.---- Dach wo bin ich? Ich wollt« über das Jucken plaudern. Und nim bln ich beinahe in Mystik und Metaphysik geraten. Man möchte es nickst glaub«-