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Morgenausgabe

Nr. 117

A 59

-46. Jahrgang

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Vorwärts

Berliner Bolksblatt

Sonntag

10. März 1929

Groß- Berlin 15 Pf. Auswärts 20 Pf.

Die einipattige Nonpareillezetle 80 Pfennig. Retlame elie 5.- Reichs. mart. Aleine Anzeigen dus ettge brudte Mort 25 Pfennig( zulaifig amet fettgebruare Morte), jedes meitere Wort 12 Pfennig. Stellengesuche das erste Wort 15 Bfennig, jedes weitere Wort 10 Pfennig. Borte über 15 Buchstaben zählen für zwei Borte. Arbeitsmartt Beile 60 Pfennig. Familienanzeigen für Abonnenten Zeile 40 Pfennig. Anzeigen annahme im Hauptgeschäft Linden ftraße 3, mochentagl, von 8 bis 17 Uhr.

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

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Vorwärts: Verlag G. m. b. H.

Calles' Gegenoffensive.

Ultimatum an die letzten Rebellen.

Megito City, 9. März.( Eigenbericht.) seinem Anhang vorläufig noch verschanzt hält.

Am Sonnabend hat Kriegsminister Calles persön­lich das Feldkommando im Irapuato Guanajuato Staat übernommen. Hier sind 6 Brigaden mit 22 Re­Die gimentern aller Waffengattungen tonzentriert. Truppen sind bereits gegen die rebellischen Truppen des Generals Urbalejo in Marsch gesetzt worden. Bon Monterey kommende regierungstreue Truppen des Generals Almazeh wurden in der Nähe von Torreon eingesetzt, wo sich der Rebellengeneral Escobar mit

Bostichedklonto: Berlin 87 536.- Banffonto: Bant der Arbeiter, Angestellten und Beamten Wallstr. 65. Distonto- Gefellschaft, Depofitentafle Lindenstr. S

Weniger Sozialpolitik?

Ein Sturmangriff der Unternehmer auf die Errungen schaften der Arbeiter.

Kann man sich vorstellen, daß ein verheirateter Arbeits­Der loser in Berlin für sich und seine Frau täglich sechs und= dreißig Pfennig Unterstüßung erhält? Und doch ist Mann ist Saisonarbeiter. 3wei erwachsene Söhne leben mit ihm in gemeinsamem Haushalt; sie verdienen beide zu­jammen etwas über 300 m. monatlich. Nach dem Berech nungsverfahren, das eine Geheimmissenschaft für sich dar­stellt, sind Vater und Mutter der beiden Großverdiener" für sechsurdreißig Reichspfennig täglich bedürftig". Hätten sich die Söhne rechtzeitig vom Hause abgemeldet. so hätte die Rechnung natürlich ganz anders ausfallen müssen.

ein solcher Fall vorgekommen. Lösung des Rätsels: der

Sauptfit der Aufständischen im Sonorastaat Nogales wird nach einer Ankündigung des Kommandeurs von Niederkalifornien am Montag durch neun Bomben flugzeuge angegriffen werden, wenn die aufständi schen Truppen sich bis dahin nicht ergeben haben sollten. Inzwischen hat man im Bundesstaat Megiko mit der Organisation eines freiwilligen Bauern torps in Stärke von 5000 Mann begonnen, das das Bundesheer verstärken soll.

Pariser Vierwochenbilanz.

Differenzen und Schwierigkeiten.

Paris , 9. März.( Eigenbericht.) Am Ende ihrer vierten Arbeitswoche hat die Sach. Am Ende ihrer vierten Arbeitswoche hat die Sach. verständigenkonferenz das Bedürfnis gefühlt, der großen Deffentlichkeit über den Stand der Arbeiten Rechen fchaft abzulegen. Sie hat die Veröffentlichung eines amtlichen Kommuniqués bejchlossen, das vor allem die Organisation und den Arbeitskreis der neuen Repara­tionsbank darlegen spll.

So sehr es zu begrüßen ist, daß die Sachverständigen das Wort 3n amtlichen Mitteilungen über ihre Arbeiten ergreifen, so scheint es boch, als ob fie mit diesen Mitteilungen ihren eigenen 3wed verfolgen. Es mußte fchon auffallen, daß die Generaldebatte über bie fünftige Reparationsbant, die auf so breiter Basis begonnen hatte, plötzlich abgebrochen worden war. Dazu tommt aber noch, daß in der Presse

zahlreiche Bedenten gegen das Riefenbankprojekt geäußert werden und schließlich hat ein Teil der Sachverständigen felbft vor den eigenen Plänen Angst bekommen. Die Veröffent­lichung dürfte also mohl in erster Linie dazu dienen, die öffentliche Meinung in den interessierten Ländern zu kritischen Aeuße rungen über das Bankprojeft herauszufordern.

Im Prinzip begegnete der Gedanke der Schaffung einer Reparations bant feinem Widerstand. Der Gedanke ist auch zu bestechend. Durch das Einschieben eines privaten Institutes zwischen Deutschland und feinen Reparationsgläubigern würde die Reparationsfrage ein für allemal entpolisiert werden. Außer­dem würden alle prattischen Zahlungsoperationen durch eine Spezialbant viel reibungsloser und viel angenehmer für Gläubiger und Schuldner durchgeführt werden fönnen. Der Hauptein wand, der immer wieder erhoben werden muß und der auch auf die Sachverständigen den meisten Eindrud zu machen scheint, ist der, daß

die Reparationsbank zu mächtig und daher zu gefährlich werden müßte. Erwägungen dieser Art scheinen gerade in der englischen Delegation in startem Maße vorzuherrschen. Die englischen Delegierten befürchten, daß die Reparationsbank, die not gedrungen unter dem vorherrschenden Einfluß des Weltgläubigers, der Bereinigten Staaten, stehen müßte, die Bedeutung des Londoner Kapitalmarttes zerstören und die Geltung der Bant Don England vermindern tönnte. Die französische Delegation greift das Projeft non anderer Seite an. Da Frankreich an den Reparationen einen Anspruch auf: 52 Broz. befit, will es möglichst auch an der Reparationsbank den gleichen Anteil haben. Dieser Anspruch werde darauf hinaus. Laufen, die Reparationsbant, die doch gerade die Entpolitiflerung bringen foll, mieder unter den Einfluß der Politit zu stellen.

Die Hauptaufgabe der geplanten Einrichtung liege in ihrer Stellung als Treuhänder, der die Jahreszahlungen von Deutschland in Empfang zu nehmen und an die Gläubigernationen zu verteilen haben würde. Sie würde als Bindeglied zwischen Gläubiger und Schuldnern

den Transfer erleichtern, die Sachlieferungen auf eine neue Bafis ftellen und unter Mitwirkung der Emiffionsbanken die Durchführung der Mobilisierung fördern. Eine Konkurrenz mit den bestehenden Handels- und Emissions­banken soll vermieden werden und die neue Bank sich jeden Einflusses auf bereits bestehende Organisationen enthalten. Die Bant soll unpolitisch, international und unabhängig sein. In dem Direktorium sollen lediglich Männer von Erfahrung und internationalem Ruf sizen. In Ergänzung des Diref. toriums find beratende Komitees vorgesehen, so zusammengefeßt, daß sie vernünftige Ratschläge über die zu behandelnden Probleme gewährleisten. Der Siß der Bant wird voraussichtlich in einem der fleineren Länder sein, wo geeignete Rechtsgrund lage und Steuerbefreiung gewährt werden wird.

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Mit der Errichtung einer solchen finanziellen Organisation würde sagt das Kommuniqué Deutschland finanziel! auf eigene Füße gestellt werden, die Verantwortlichkeit für die Aufrechterhaltung feines eigenen Krebites haben und auf einer geschäftlichen Grundlage mit einer internationalen Finanz­organisation zu verhandeln haben. Neben diesen Vorteilen würde die Bank

die Reichsbank und andere Spezialbanken bei der Aufrecht­erhaltung der Währung unterstützen

und dadurch ganz allgemein das Geschäftsleben auf eine sichere Grundlage stellen. Den Gläubigernationen würde sie dadurch wertvolle Dienste leisten, da sie einen ununter brochenen Strom von Zahlungen erleichtern und größere Möglichkeiten für die endgültige Kommerzialisierung der deutschen Schuld bieten würde.

Soweit das amtliche Kommuniqué, das den Gedanken der Repa rationsbant zur öffentlichen Diskussion stellt. Das Kommuniqué stellt deshalb ausdrücklich fest, daß es sich vorläufig nur um einen Berfuch handelt, was noch durch die ausdrüdliche Er­flärung unterstrichen wird, daß erst die Diskussion der nächst en Woche im Komitee die Möglichkeiten zur Entscheidung darüber bringen könne, ob der Plan weiterverfolgt oder seine Beratung zunächst vertagt werden soll.

Polens Kulturpolitik.

Ausrottung der deutschen Schulen.

Warschau . 9. März.( Eigenbericht.) Der deutsche Senator Spidermann stellte im Senat fest, daß in Kongreßpolen 1919 rund 550 deutsche Schulen bestanden. Davan gibt es heute nur noch 83.

Das amtliche Kommuniqué betont, daß das fett Mittwoch diskutierte Projett einer internatio­nalen Reparationsbant vorläufig rein provisorischen Cha Deutscher Gendarm in polnischer Haft. rafter habe und seine weitere Prüfung zu einer ganzen oder teil­Kattowik, 9. März.( Eigenbericht.) meifen Ablehnung führen fann. Bei der Aufstellung des Entwurfes Am Sonabend wurde hier der deutsche Gen. habe das Komitee sich von dem Gedanken leiten laffen, die Kriegs: darm Kuwalski verhaftet, der ohne Vas pol organisationen zur Empfangnahme der Reparationszahlungen durch Friedensorganisationen zu ersetzen und die Abwicklung von deutschen nisches Gebiet betreten hatte. Die Vorstellungen des Außeren Berpflichtungen aus dem Gebiete der politischen Dis deutschen Generalkonsuls auf Freilassung des Gend fussión auf das Gebiet der geschäftlichen Auseinandersetzung armen waren ergebnislos, da die polnischen Behörden glauben, es mit einem Spion zu tun zu haben.

überzuleiten.

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Nocht genug damit! Nach den geltenden Bestimmungen wird die Zeit diefer Unterstützung, deren Höhe gerade so viel ausmacht, das Fahrgeld für die Arbeitslosentontrolle zu decken, zur Hälfte auf die höchstdauer der ver= ficherungsmäßigen Unterstügung angerech net. Der berufsüblich Arbeitslose hat nach Ablauf der Sonderfürsorge voraussichtlich Ende März, der Zeitpunkt fteht aber noch nicht endgültig fest einen Rechtsanspruch auf versicherungsmäßige Unterstüßung, wenn er dann noch arbeitslos ist und die höchstdauer der versicherungsmäßigen Unterstügung von 26 Wochen noch nicht erschöpft hat. Hier würde also eine Sonderfürsorge in Höhe von 4,32 M. für zwei Wochen gleichgelegt werden mit einer Unterſtügung von 25,20 m. für eine Woche versicherungsmäßige Arbeitslofen­unterstügung.

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Der Fall ist nicht vereinzelt. Es gibt noch schlimmere Fälle, deren Tragit beinahe schon wieder an Komit grenzt. So wurde eirem Arbeitslofen, der einen Antrag auf Ge­währung von Krisenunterstügung gestellt hatte, der Bescheid, daß er Anspruch auf eine wöchentliche Krisenunter­übung von zwölf Pfennigen habe. Macht zwei Pfennig pro Werktag! Für den Sonntag genügt offenbar das freie Licht und die frische Luft.

Ueber solche Fälle von Amtsschimmelei fönnte man faft lachen. Dem Betroffenen freilich wird alles andere näher gewesen sein. Müffen sie nicht derartige Bescheide als eine Verhöhnung empfinden?

In den angeführten Fällen handelt es sich um Auswir­fungen des neuen Gefeßes über eine Sonderfürsorge bei be­rufsüblicher Arbeitslosigkeit. Dieses Gefeß war an sich not­wendig, um eine allgemeine Schädigung der berufsüblich Ar­beitslofen zu verhindern. Aber die Art, wie die Bedürftig­feitsprüfung" gehandhabt wird, ist unhaltbar. Sie muß ge­ändert werden.

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Warum wir diese Fälle hier erzählen? Nicht um gegen die deutsche Sozialpolitik zu hegen"! Wir wissen. daß die jahr: zehntelangen Kämpfe der Sozialdemokratischen Partei und der Gewerkschaften um den Schuß der Arbeitskraft, besonders auch um eine geregelte Arbeitslosenversicherung nicht ohne Erfolg geblieben. find. Deutschland braucht in dieser Beziehung einen Vergleich mit anderen Ländern, auch mit der Somietunion, die auf diesem Gebiet noch weit zurüc ist. nicht zu scheuen. Und doch, wie unendlich viel ist noch zu tun!

Wir haben über diefe Fälle hier berichtet, weil zurzeit in der bürgerlichen Preffe, bis in die demokratische hinein, ganz andere Geschichten erzählt werden. Geschichten. durch die bewiesen werden soll. daß die Sozialpolitik, die Arbeits­lo'enversicherung hierzulande schon übersnannt" ist. Da lieft man von Arbeitslosen, die zu einer Flußregulierung ge­schickt werden und die sich darauf faprizieren. in eine un­bewohnbare Barade zu fommen, damit sie mit Hin weis auf die unzureichende Wohngelegenheit die Arbeit riederlegen und wieder Arbeitslofenunterftüguna bekommen fönnen. In einem anderen Fall sollen die Arbeiter einer Fabrik. die wegen Kohlenmangels vorübergehend geschlossen mar. den Direktor aefragt haben, ob sie nicht entlassen werden fönnten. Diese Genußmenschen waren darauf ver picht, sich in den Genuß der Arbeitsloserunterſtükung zu setzen, um so ohne Arbeit herrlich und in Freuden leben zu tönnen.

Scherz beiseite! Jeder Arbeiter fragt sich, mie die Ar­beitsverhältnisse und Löhne beschaffen sein müssen. wenn es Leute gibt, die das graue Elend der Ars beitslosigkeit folchen Bedingungen noch vorziehen!

Die bürgerliche Breffe treibt da ein gefährliches Spiel Hier werden Klüfte der Klaffengegenfäße aufge riffen wird Haß gezüchtet. Eben lieft man im Deutschen ", dem Organ der Chriften, ein erbauliches Kapitel über Di­rektorengehälter und Arbeiterlöhne. Da wird auf den Pfennia genau berechnet. daß die Arbeiter einer Zuder fabrit in Oschersleben 350 m. im Jahre mehr verdienen könnten, wenn sich die beiden Direktoren mit der Hälfte ihres Gehalts begnügen würden. Diese beiden Herren beziehen