Einzelbild herunterladen
 

BERLIN  Montag

11. März 1929

Der Abend

Erfdeinttaglio außer Sonntags Sugleich Abendausgabe des Vorwärts". Bezugspreis beide Ausgaben 85 Pf. pro Woche, 3,60 M. pro Monat. Redaktion und Expedition; Berlin   SW 68, Lindenstr. 3

Spätausgabe des Vorwärts"

10 Pf.

Nr. 118

B 59 46. Jahrgang.

Anzeigenpreis: Die einspaltige Nonpareillezeile 80 Pf., Reklamezeile 5 M. Ermäßigungen nach Tarif. Postfcheckouts: Vorwärts- Verlag G. m. b. H., Berlin   Nr. 37536. Fernsprecher: Donhoff 292 bis 297

Stahlhelmüberfall auf Arbeiter

Verbrecherisches Vorgehen der Geldte Messerhelden

Nürnberg, 11. März.( Eigenbericht.)

In der Nacht zum Sonntag tam es in Leinburg  , einem kleinen Orf in der Nähe Nürnbergs  , zu schweren Ausschreitungen des Stahlhelms. In dem Orfe fand eine Werbeveranstaltung des Stahlhelms ftatt, zu der aus Nürnberg   ungefähr 70 Angehörige diefer Organisation mit Laftautos befördert waren. Die Versamm­Inug verlief ohne jede Störung, weil die Arbeiterschaft der Parole der Sozialdemokratie Folge geleistet hatte, der Beranstaltung fern­zubleiben. Daß alles ruhig und friedlich verlief, schien den Stahl­helmern aber nicht zu paffen. Nach Schluß der Versammlung suchten fie die anderen Lokale auf.

In der Gastwirtschaft 3um Ochfen" waren die Arbeiter. fänger versammelt. Hier fanden fich 12 Stahlhelmer ein, die Händel   suchten und auf einen kommandopfiff mit Stahlruten und Biergläfern über die Gäste herfielen. Auch der deutschnationale Wirt des Cotals erhielt einen Hieb auf den Kopf, als er den Führer der Bande bat, Ruhe zu stiften. Es gelang dann, die raufenden nationalen Horden aus dem Lokal zu entfernen. Nicht lange danach kehrten aber die Stahl­helmer mit Verstärkung zurück. Mit dem Befehl: Durch die Fenster!" wurde die Gastwirtschaft gestürmt, die Fenster mit Mauer­fleinen eingeworfen und die Tür aufgesprengt. Die Arbeiterjänger hatten sich bis auf zwei Mann durch die Hintertür in Sicherheit ge­bracht. Diese zwei Mann, der Pofthelfer des Orfes und der Diri­gent des Gesangvereins, wurden mit Bierflaschen beworfen und mit knüppeln geschlagen, bis es auch ihnen gelang, durch das Fenster die Straße zu gewinnen. Der Wirt mußte mit feinem franten Sohn in den eller flüchten, wäh­rend die Wirtin mit ihrer Tochter auf dem Boden Zuflucht nahm. Inzwischen hatten die Stahlhelmer einen kriegs­beschädigten Fleischermeister eingeholt, der wegen seines Beinleidens nicht schnell genug flüchten konnte. Der Mann wurde in eine Seitengaffe gedrängt und dort verprügelt und mit dem Messer bearbeitet. Er erhielt einen Stich in die linte Bauchseite und mußte noch in der Nacht in das Bezirkskrankenhaus gebracht werden. Da der Darm durchschnitten war, mußte er sofort operiert werden. Insgesamt wurden bis jetzt 12 Einwohner von Leinburg   festgestellt, die zum Teil sehr erhebliche Hiebwunden davon getragen haben.

Es unterliegt feinem Zweifel, daß der Angriff auf die Lein­burger Arbeiterschaft vorbereitet war. Bierzehn Tage vorher war von dem Leinburger Forffwart klein, der als Ein­berufer der Versammlung zeichnete, in dem Nachbarort Brunn in einer Stahlhelmversammlung darauf hingewiesen worden, daß Leinburg   zu zwei Driffel rot ist. Schon in dieser Ber­jammlung haben die Stahlhelmer erklärt, daß es fracht, wenn fie einmal nach Leinburg   fämen! Trotzdem die Gen­darmerie fich noch in der Nacht mit den Ermittlungen befaßte, fonnten die Stahlhelmer ungehindert nach Nürnberg   fahren. Es wurde nur der Name des Führers festgestellt, der öfter heißen soll. Einem Mann wurde ein Gummifnüpel abgenommen.

Nicht nur unter den Arbeitern, sondern auch unter den Geschäfts­fcufen und Bauern des Ortes herrscht eine ungeheure Erregung über den organisierten Ueberfall des Nürnberger   Stahlhelms.

Ausschreitungen in Lindenhof".

Keine Revolte"-nur Aufhebung!

Berliner   Erziehungsheim Cindenhof" Lichtenberg   ist es am Sonntag in fpäter Abendsfunde zu Aus­schreitungen einiger 3öglinge gekommen. Eine Korre­spondenz und ein Mittagsblatt sprechen von Revolte", aber nach Lage der Sache fann davon keine Rede sein. Amtlich wird hier­zu aus dem Rathaus gemeldet:

Am Sonntag nach dem Schlafengehen hat eine Gruppe von fechzehn Jungen unter Führung von zwei bis drei start pinchopathisch veranlagten Jugendlichen in zwei Schlaffälen Fenster, Türen und das Mobiliar zerstört. Es mußie Bolizeiherbeigerufen werden, nach deren Erscheinen ohne Gewaltmaßnahmen völlige Ruhe eintrat. Fünf Rädelsführer mußten in Schußhaft genommen werden. Die von ( Fortlegung auf der 2. Seite.)

Hotelbrand in Hongkong  Massentod bei der Besaizung

Berichte 2. und 3. Seite

Unglückstage der Eisenbahn.

Leipziger Meffezug und Berliner   D: 3ug verunglückt.

die Lokomotive, der Padwagen und ein Wagen dritter Klasse. Es meldeten sich zehn Personen mit leichteren Verlegungen, die sämtlich dann die Fahrt nach Hamm   fortsetzen tonnten. Mehrere Wagen des Viehzuges wurden zertrümmert und das darin befindliche Vieh zum großen Teil getötet. Die Ursache ist noch nicht geklärt.

Am Sonnabend um 19.05 Uhr entgleiste der eingelegte Messe- 1 Schluß des Viehzuges 6404 auf. Bon dem D- Jug entgleiste 3ug D 131a auf der Strede Leipzig- Dresden in Dahlen  . Die Lokomotive fuhr in das Stellwert 2 hinein. Außer der Lokomotive entgleisten der Padwagen und ein weiterer Wagen. Bier Personen, darunter zwei Beamte des Stellwerks, wurden verletzt. Die beiden verletzten Reisenden sind ins Riefaer Krankenhaus gebracht worden. Die beiden Beamten wurden in ihre Wohnungen geschafft. Der eine Beamte, der am Kopfe verletzt wurde, hat schwere Berwundungen davongetragen. Die Strede mußte infolge eines vorher eingetretenen Daminrutsches an der Stelle eingleisig geführt werden. Beide Streden waren um 22.30 Uhr wieder frei. Die Reisenden des verunglückten Zuges wurden mit einem anderen Zuge weiterbefördert.

den amtlichen Bericht: Der Vorzug von Schnellzug 131 von Leipzig  Die Reichsbahndirektion Dresden gibt dazu folgen nach Dresden   ist auf Bahnhof Dahlen  ( Sachsen  ) bei der Ausfahrt nach Oschatz   in ein Stumpfgleis gefahren und hat die nach Dichat in ein Stumpfgleis gefahren und hat die dahinterstehende Stellerei zerstört. Es entgleifte die Lokomotive, der Backmeisterwagen und der erste Personenwagen. Verletzt wurden zwei Reisende und zwei Eisenbahnbedienstete. Die Namen der ver­lekten Reisenden sind Kaufmann Franz Haertel aus Brüg und erschütterung. Die beiden Reisenden sind im Krankenhaus Riesa  Arno Hugo Gebhardt aus Riesa  , beide leichte Gehirn untergebracht. Der Verkehr war etwa 1% Stunden unterbrochen. Die Weiterbeförderung der nicht verletzten Reisenden erfolgte mit bem nachfolgenden Hauptzuge und mit Autobussen. Das Ergebnis der Untersuchung muß noch abgewartet werden.

Der D- Zug Berlin  - Köln  

stieß am Sonntagabend in Heessen vor der Einfahrt in den Borbahnhof Hamm   infolge dichten Nebels auf einen Biehzug auf. Die letzten Wagen des Viehzuges wurden völlig zerfrümmert, wobei 60 Tiere umtamen. Von den Reisenden des D- Juges wurden vier verletzt. Der Hilfszug von Hamm   war nach 20 Minuten zur Stelle. Kurz darauf stellten sich Feuerwehr und Sanitätsfolonnen ein. Trümmerhaufen. Die Schienen sind verbogen. Die Strecke ist vor­Die Unglüdsstelle bildet einen großen läufig gesperrt.

Die Reichsbahndirektion Essen teilt dazu mit: Am 10. März 21.37 Uhr fuhr in Vorbahnhof Hamm der D- 3ug 40 von Berlin   nach Essen- Hauptbahnhof in dichtem Nebel auf den

Am Tode vorbei.

In große Gefahr geriet am Sonntag abend der von Diesdorf Diesdorf. Zwischen den Stationen Ellenberg   und Wallstawe  ( Altmark  ) kommende Personenzug auf der Strede Salzwedel­hatte das Hochwasser der Dumme den Bahndamm unterspült, so daß die Schienen sich bereits auf der einen Seite des Dammes von den Schwellen gelöst hatten. Als der Zug in der Dunkelheit den Bahndamm passierte, wurden die Reisenden durch­einander geworfen und zum Teil verlegt. Vom Zugführer wurde fofort die Notbremse gezogen, der Zug hatte aber die unterspülte Stelle bereits paffiert und konnte seine Fahrt ohne weiteren Schaden nach Salzwedel   fortsetzen. Der Bahndamm wurde sofort gesperrt.

Brandunglück in Weißensee.

Ein Kind durch Rauchgase vergiftet.

Ein schweres Brandunglüd, bei dem ein kind geföfef wurde und zwei Personen gefährliche Berlehungen er­liffen, ereignete fich Sonntag nacht im Hause Berliner  21lee 13, unmittelbar am Antonplatz in Weißensee  .

Im Hauser Berliner Allee 113 zu Weißenfee befindet sich im Erdgeschoß das Buzgeschäft von Käthe Immer, im ersten Stock darüber wohnt die Geschäftsinhaberin zusammen mit ihrem Bruder, dem 27 Jahre alten Gustav Immer und ihren Eltern. Am Sonnabend fam Gustav Immer gegen 12% Uhr nach Hause und legte sich mit einer brennenden Zigarette im Munde zu Bett. Eine halbe Stunde später sah ein junger Mann aus dem Hause Flammenschein in der Wohnung und alarmierte die Feuer­wehr. Gustav Immer war inzwischen munter geworden und rettete sich durch einen Sprung aus dem Fenster des niedrigen, ziemlich alten Häuschen. Er hat aber erhebliche Brandwunden an dep Armen und auf Brust und Rücken davongetragen. Ueber der Immerschen Wohnung befindet sich eine

Die

Brandstätte

Unser Bild zeigt die aus­gebrannte Wohnküche des Immer, die durch Leichtsinn in Brand ge­setzt war. Der Brand hatte katastrophale Fol­gen für die über dem brennenden Raum wohnende Familie.