Rr. 121 46. Jahrgang
2. Beilage des Vorwärts
Grundfähliche Ueberlegungen.- Praktische Konsequenzen.
Die Herrschaft über die Firma Opel , die im vorigen Herbst eine Aktiengesellschaft mit einem Kapital von 60 Millionen Mart unter dem Namen Adam Opel A.-G. Rüsselsheim geworden ist, wird an die Amerikaner übergehen, und zwar an die General Motors . An dieser Tatsache ist heute fainn ein Zweifel möglich; bas meinen auch die nächstbeteiligten deutschen Großbanken. Die Tatsache bedeutet, daß die Aktien der Adam Opel A.- 8. aus deutfchen in amerikanischen Besitz wechseln, daß die großen Produktionsanlagen in Rüsselsheim bestehen bleiben, aber nicht mehr von einem deutschen , sondern von amerikanischen Unternehmern geleitet werden, daß weiterhin deutsche Arbeiter, nur jetzt mit amerikanischem Ka pital und unter amerikanischer Leitung, auf deutschem Boden Autos und Fahrräder produzieren werden, daß für den Kaufpreis der Familie Opel , die Empfängerin des Kaufpreises, ihr Geld nicht folgen, für die europäische Autoindustrie hat. mehr in eine Autofabrit, sondern mo anders angelegt haben wird. Freilich,
haben. Daß die Methoden der beiden Gesellschaften verschie den sind, daß Ford eigene Fabriken unter dem Namen" Ford" in den europäischen Hauptstädten errichtet, während General Motors vorhandene führende Fabriken in den europäischen Hauptländern tauft, bedeutet nur eine Variante in der großen Tate fache dieser Eroberung des europäischen Kontinents. Diese Tatsache ist es, die den Fall Opel bedeutsam macht und die auch vom volks. wirtschaftlichen Standpunkt aus dazu zwingt, die Bedeutung und die Konsequenzen des Falles Opel zu überlegen. Es entsteht mit anderen Worten die Frage, ob zur Verhinderung des Vertaufs von Opel an General Motors aus volkswirtschaftlichen Gründen etwas hätte geschehen sollen, und es entsteht die andere Frage, welche Folgen der eventuell nicht zu verhindernde Verkauf für die
Mittwoch, 13. März 1929
steht vor ganz neuen Umstellungsproblemen und ein großer Teil des in der Autoindustrie investierten Kapitals wird so oder so als verloren betrachtet werden müssen. Das ist aber bei den heutigen Börsenkursen der Autofirmen schon weitgehend Tatsache, das sind Dinge, mit denen die deutsche Autoindustrie nicht erst seit gestern und heute, nicht erst mit dem Fall Opel zu rechnen hatte. Das ist eine Entwicklung, die schon seit Jahren vorgezeichnet war und von der man nur sagen kann, daß ihr mit viel zu wenig Entschlußkraft und Tatsachenfinn entgegengesehen worden ist.
Diese Entwicklung ist gewiß nicht zu begrüßen und auch die Arbeiterschaft hat keinen Anlaß, sich über diese Entwicklung zu freuen. Aber sie ist zweifellos sehr weitgehend ein natürliches Ergebnis der Lage, die mit der Ausblutung Deutschlands und Europas durch den Weltkrieg, dessen Kosten immer noch nicht bezahlt find, und durch die viel glücklichere Partnerschaft Ameritas am Weltfrieg gekennzeichnet ist. Wir glauben, daß man in einer solchen Lage alle Kräfte darauf konzentrieren muß, das beste aus ihr zu machen und dazu sollte der Fall Opel eine tiefwirkende Anregung werden.
Attien amerikanisches Kapitál nach Deutſchland kommt und daß die deutſche Autoinduſtrie, und wenn ähnliche Fälle in anderen Ländern Preußische Staatsbank als Kaufmann.
die Adam Opel L- G. ist nicht ein beliebiges deutsches
Unternehmen.
Gehr viel und sehr genaues wußte man von Opel nie. Als Familienunternehmen war sie in der Vergangenheit der Deffentlichfeit teine Rechnung schuldig, und als Aktiengesellschaft hat sie erst ein halbes Jahr existiert. Es steht aber fest, daß Opel der größte deutsche Auto- und Fahrraderzeuger ist, nach seiner Leistungsfähig feit wahrscheinlich auch der größte europäische Auto- und Fahrrad produzent. Die Leistungsfähigkeit für die Autoproduktion wird für 1928 auf jährlich 150 000 Wagen angegeben, tatsächlich sollen 60 000 Wagen produziert worden sein, was gegenüber Ford und General Motors mit je 8000 bis 9000 Stück pro Tag gewiß nicht ciel ist, innerhalb der deutschen Autoindustrie aber 50 bis 60 Broz Der Gesamtproduktion ausmacht. Die Kapazität für Fahrräder schägt man auf 1,2 Millionen bis 1,5 Millionen Stück im Jahr, die tatsächliche Erzeugung dürfte aber sehr erheblich darunter liegen.
Der Aufstieg der Firma Opel mar enorm. Biederum ist tein Bergleich mit den amerikanischen Riesen möglich, aber da bie Opelsche Auto und Fahrradproduktion spätestens seit 1924 gana syfte matisch auf die Bandfabritation umgestellt wurde, da Opel mit jeinen Gedanten der Massenherstellung des billigen Wagens für Den, kleinen Mann im ganzen wohl recht behalten hat, ist Opel zum mindesten für Deutschland als der wichtigste Faktor der Autound Fahrradindustrie anzusehen. Es tommt hinzu, daß die Firma Opet in Rüsselsheim jeit 1924, während die übrige deutsche Autoindustrie von einer Finanzkrisis in die andere schlidderte, immer gut
verbient hat.
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Das richtige Augenmaß für den Fall Opel. Nun ist gewiß der Größe des Objettes nach- es handelt sich höchstens um 130 Millionen neue amerikanische Kapitaleinfuhr, und deutsche Aktien sind sicher schon in viel höheren Beträgen in aus Tändische Hände übergegangen die Opel - General Motors Trans aktion an sich nicht zu überschätzen. Auto und Fahrrad sind durch ihre Beziehungen zum Sport zur Mode und auch als Mittel, Zeit für Wege zu sparen oder mehr Zeit für die Muße zu finden, eine populäre Angelegenheit, und das ganze Volt kümmert sich darum. In Deutschland kommt hinzu, daß die mannigfaltigen Krifen in der Autoindustrie, die Kämpfe der Großbanten um ihre Beherrschung bzw. um die Abwälzung von Verlusten aus dem Besitz von Aktien pafeten, der Charakter der Autoindustrie als hochwertige Fertig und Exportindustrie, der Kampf um die Erziehungszölle, die große Autoreklame und die Propagierung des Kaufes deutscher Autos dem Schicksal der Autoindustrie in der Deffentlichkeit ein besonderes Intereffe gesichert haben. Ueber diesen Dingen soll man aber nicht irbersehen, daß es sich bei dem Verkauf von Opel an General Motors doch grundsäglich zunächst um eine tapitalistische Transattion wie jede andere handelt.
Dennoch aber ist es berechtigt, von einem Fall Opel zu sprechen, der allgemeine und voltswirtschaftliche Bedeutung hat. Das liegt noch weniger an der an sich nicht bedeutungslosen Tatsache, daß ein großes deutsches Unternehmen auf einmal als Gesamt. unternehmen in ausländische Hände kommt, obwohl es gewiß für das öffentliche Bewußtsein in Deutschland alarmierend wirken wird, daß dies jetzt geschieht und daß es gerade das führende und das allein wirklich rentable Unternehmen der deutschen Autoindustrie ist, an der außerdem gewisse nationale Gefühlswerte hängen. Man mird die Bedeutung des Falles Opel mehr darin zu erblicken haben, daß durch den llebergang von Opel an General Motors dem öffentlichen Bewußtsein mit elementarer Kraft lar wird, daß das amerikanische Autofapital jetzt von Deutschland , vom deutschen Abjagmarkt für Autos und darüber hinaus weitgehend vom ganzen europäischen Kontinent fichtbar Befit ergreift. Die lleberlegenheit der amerikanischen Technik und Kapitalstärke, erwachsen aus einer glüdlicheren Partnerschaft am Weltkrieg und auf der ungeheuerlichen Aufnahmekraft des inneramerikanischen Marktes, erobern auf dem populärsten Gebiet der industriellen Betätigung den europäischen
Kontinent.
Ein Ausschnitt aus der amerikanischen Eroberung Europas . Der Uebergang der Firma Opel an die General Motors ist ein Stüd des großen Prozesses, mit dem seit einigen Jahren die FordCompagnie und General Motors Europa zu erobern begonnen
Weitgehende Zwangsläufigkeit der Dinge.
Wir halten die erste Frage, ob etwas gegen den Berkauf von Opel an das Ausland hätte geschehen tönnen, für müßig. Ein Eingreifen des Staates wäre nach Auffassung der Unternehmer im tapitalistischen System infonsequent, es fonnte und es fann nicht in Frage kommen. Was von der Privatindustrie aus und von den beteiligten deutschen Großbanken geschehen konnte, dürfte wahrscheinlich geschehen sein. Jedenfalls ist bekannt geworden, daß von der in der Daimler- Gruppe führenden Deutschen Bant ents sprechende Verhandlungen mit der Firma Opel geführt worden sind, und auch von der Darmstädter und Nationalbant, die bekanntlich den Ablerwerken nahesteht, wird behauptet, daß vergebliche Berhandlungen geführt worden seien. So wird man den Uebergang von Opel an General Motors so zu verstehen haben, daß einmal die finanziellen Möglichkeiten, den Verkauf zu verhindern, nicht gegeben waren, und daß zum anderen die Firma Opel selbst aus zunächst mur ihr bekannten Gründen den Verkauf für das richtige
hält und entsprechend vorgeht.
Bir glauben auch nicht, daß die Bemühungen um die Schaffung des deutschen Autotrusts, an dem sich mit aller Sicherheit Opel nicht beteiligt haben würde, ohne Opel eine erfolgreiche Chance für die deutsche Autoindustrie gewesen wären, wenn einmal die beiden Ameritariesen Ford und General Motors ohnehin die Absicht haben, den europäischen Kontinent zu erobern. Die Bermutung ist nicht ungerechtfertigt, daß ein Autotrust als Torso der deutschen Autoproduktion dem Ansturm von General Motors und Ford sicher nicht gewachsen gewesen wäre und daß ein Trust die heute zu erwartenden Schwierigkeiten für die deutsche Autoindustrie nicht verringert haben würde. Man würde Bogel - Strauß- Politif treiben, wenn man angesichts einer von Ford in London , Berlin , Antwerpen , Kopen hagen , Paris , Barcelona , Triest , Stodholm, Helsingfors , Rotterdam bereits eingeleiteten Riefenproduktion von mehreren 100 000 Autos, einem heute schon bestehenden 400- millionen- Umsatz von General Motors in Europa und dem wahrscheinlich nach Opel zu erwartenden Uebergang der italienischen, französischen und ungarischen Führerfirmen an General Motors die Chancen eines deutschen Autotrusts besonders hoch eingeschätzt hätte.
Mit Tatsachen rechnen.
So bleibt nichts anderes übrig als mit Tatsachen rechnen, und wenn Opel an General Motors endgültig übergeht, die Tatsache endgültig in Rechnung zu stellen, daß zwischen den amerikanischen Riesen und der europäischen Autoindustrie ein außerordentlich schar Riesen und der europäischen Autoindustrie ein außerordentlich schar fer und harter Kampf einsetzen wird, der aber unt so verlustreicher für Deutschland und Europa sein wird, je später man mit dem Ernst der Tatsachen rechnet.
Wir glauben, daß die deutsche Autoindustrie verhältnismäßig noch viel erhalten und selbst gewinnen fann. Wenn General Motors in Rüffelsheim produziert, so wird er mit großer Wahrscheinlich feit sich auf billige Typen einstellen, deren Massenfabrikation einen großen tapitalistischen Aufwand am ehesten lohnt. Es merben teurere Bagen, Luruswagen, Spezialwagen, Lastautos und Motor räder eine Produktion sein, die auch von großen und leistungsfähigen deutschen Unternehmungen aufrechterhalten werden kann. wenn es aber der amerikanischen Produktion in Deutschland und Europa gelingen wird, die Produktionskosten und die Preise für billige Bagen erheblich zu senken, und das muß das Ziel für Amerikaner in Europa sein, oder auch sie machen pleite, dann fann in volts. mirtschaftlicher Betrachtung der Verlust kaum groß sein. Es fann daraus im Gegenteil eher noch ein Gewinn erwachsen.
Gelingt im großen Umfang die Absazsteigerung, so wird die Zahl der in der Autoindustrie verwendeten Arbeitskräfte nicht finten, sondern steigen; und die Belebung der Lieferantenindustrien in Deutschland und in Europa wird deshalb nicht tleiner sein, meil es amerikanisches Kapital und amerikanische Methoden sind, mit denen produziert wird.
Allerdings ist dafür eine wichtige Voraussetzung zu erfüllen: es müffen die Zubehörindustrien, es müffen die Lieferanten aller zur Autoproduktion benötigten Stoffe und waren so leistungsfähig sein, daß sich für die amerikanischen Produzenten die Fracht und die Bölle nicht lohnen, die mit dem Import von amerikanischen Maschinen, Rohstoffen und sonstigem Zubehör verknüpft sind.
Privatdienstvertrag für Beamte.
Das preußische Staatsministerium hat einen Gesezentwurf aus gearbeitet, der die Umwandlung der Preußischen Staatsbank, der alten Seehandlung, in einen modernen fauf. männischen Betrieb vorsicht. Wie bei den großen preußischen Wirtschaftsbetrieben und der Preußenkasse soll das Geschäft der Staatsbant in Zukunft unter Berücksichtigung des Staatswohls und der Grundsäßen geleitet werden. Bon der Ueberführung in eine allgemeinen wirtschaftlichen Erfordernisse nach taufmännischen Aktiengesellschaft hat man im Intereffe eines möglichst engen Zufammenarbeitens zwischen Staat und Staatsbant abgesehen, dagegen soll die Führung der Bücher und die Aufstellung des Jahresabschlusses ( Bilanz und Gewinn- und Berlustrechnung) nach den Vorschriften des Handelsgesetzbuches über die Aktiengesellschaft vorgenommen werden. Auch tritt an Stelle der fameralistischen Kontrolle der Oberrech= nungstammer, die ihrer Aufgabe seit langem nicht mehr ge wachsen ist, die Prüfung durch eine nach Anhörung der Oberrech nungsfammer und der Staatsbant zu bestimmende Revisions. gesellschaft( Treuhand). Im übrigen soll sich in der Stellung
der Staatsbant nichts ändern. Sie bleibt eine Anstalt des öffent
lichen Rechts, die ihre Sagungen vom Staatsministerium erhält. Der Staat haftet auch, nach wie vor, für alle Berbindlichkeiten der Bant unumschränkt.
Staatsminſteriums auch eine enderung ber BerfonalverDie geplanten Veränderungen bedingen nach Auffassung des hältnisse. So sollen die zum Geschäftsbetrieb der Staatsbant er. forderlichen Personen in Zukunft auf Bripathienstpertrag eingestellt werden. Der Präsident und die übrigen Mitglieder der Generaldirettion werden vom Finanzminister auf die Dauer von pier Jahren ernannt. Den bisherigen Beamten fleht es frei, in ein Privatdienstverhältnis fiberzutreten. Die zur Zeit des Aus scheidens aus dem Beamtenverhältnis erworbenen Ansprüche auf Ruhegehalt und Hinterbliebennfürsorge bleiben gewahrt. Eine Anftellung im Beamtenverhältnis findet jedoch nicht mehr statt. Soweit dies für vorhandene nicht planmäßige Beamte zu unbilligen Härten führt, find Ausnahmen mit Zustimmung des Finanzministers zulässig.
Geht es der Textilindustrie schlecht?
Die Dividenden geben die Antwort. Seit Monaten bemüht sich die Textilindustrie, die Deffentlichkeit von ihrer schwierigen Lage zu überzeugen. Die Kla gen über den ständig rückgängigen Absatz im letzten Jahre und die auf der anderen Seite erhöhten Lasten wechseln ab mit Bolemiten gegen die Zollpolitik der Regierung, die angeblich die Interessen der Textilindustrie außer achi lassen. Ganz besondere Energien aber entwidelten die einzelnen Verbände der Textilunternehmer, wenn es galt, Lohnforderungen der durchweg schlecht bezahlten Belegschaften, ganz gleich, ob es sich um westdeutsche, sächsische oder schlesische Bezirke handelt, zu sabotieren.
Daß die Hochkonjunktur der Textilindustrie Don 1926/27 int letzten Jahre abgeflaut ist, wird niemand bestreiten, ebensowenig fann aber die Textilindustrie behaupten, daß es ihr 1928 allge mein schlecht ergangen sei. Wie außer den bisher schon
bekannt gewordenen Bilanzen, weisen auch die in den letzten Tagen veröffentlichten Jahresabschlüsse durchweg hohe Gewinne und Dividenden auf. So zahlen:
Duncan Leinen AG( Sachsen ) Seidenweberei Viersen Leipziger Baumwollspinnerei Spinnerei und Weberei Pfersee . Geraer Stridgarn AG.. Bremer Wollfämmerei Faltensteiner Gardinen. Baumwollenspinnerei Kolbermoor
1928
1927
Dividenden
10 Proz 0 Proz.
15
15
14
16
12
14.
12
12
12
12
12
672262
Bon den angeführten Unternehmen hat also der größte Teil seine Dividenden gegenüber dem sehr guten letzten Betriebsjahr nicht gekürzt. Wenn eine Gesellschaft wie die Leipziger Baum wollspinnerei nach einer Ausschüttung von 16 Proz. eine Rürzung auf 14 Proz. vornimmt, so will das um so weniger be Für die deutsche Autoindustrie freilich wird es mit Sicherheit fagen, als diese Gesellschaft in der Lage war, in den letzten drei schwierige Uebergangszeiten geben. Die Autoindustrie Jahren ihre gesamten Neuanlagen und Maschinenfäufe, die sie etwa
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IVC
Asbach- Uralt