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Mittwoch IS.Marj i929
Unterhaltung unö AAissen
Beilage des Vorwärts
niax Dorm: Sang am
Wir fitzen im Saff-eJjaus. 2i« dustige Würze des schwarz­braunen Getränkes lähi unsere müden Herzen um einige Takt« schneller schlagen. Kaffee! Ein Zauberwort. Ein Erlösungswort. Ein Befreiungswort. Vom Gram des Alltags, von der Last der täglichen Fron befreit dich der würzige Duft deines Kaffees. Und nun fetzt noch gar die Musik ein kleine feine exotische Musik: Geige, Flügel, Flöte, Cello hörst du es rauschen? Das Rauschen äes Windes in den Kronen der Kasteebäume. Wind herab von den Kordilleren Südamerikas  . Land Kolumbien  , die weiten weiten Kaifeeplantagen, unendlichen Reichtum schenkend, Kaffeesäcke voll Gold zaubernd Kolumbien  : 400 Millionen Kafseebäume. Kaffee- Herren und Kaffeeproleten arme Plontagenknechte und golden- föhnige Luxuskapaune: Plantagenherzög«. Rausche, rausche, du Wind Bergwind durch die Plantogen: singesangc um Freiheit! Fühlst du den Duft der Blüten, die Kafsceplantagen blühen das duftet wie in den Sybillengärlcn Alt-Attikos. Silberne Blüten- fterne, Schwestern des Blütchcns Edelweiß und um die Kaffee- bluten her die bunten und buntesten Falter: blau, perlmuttern, opalcn, zinnobern, purpurn, smaragden und die zarten Döglein, die Kolibri?, nicht größer als eine Wallnuß auch sie umgaukeln die blühenden Kasteeboume. Kafseebäume drei, vier, sechs, acht Meter hoch, wie Zitrone ubaumc, wie nordische Pappetbäumc nur, daß das Blatt hart und schwarzgrün fft. In Bündeln geeint, sprossen aus den unteren Zwickeln der Blattstiele heraus die silbernen Kasteeblütea. Und dort läuit der Strom der Mogdalenenstrom nein: er hüplt. wirbelt und springt von Felsstufe zu Fclsstuf«: Kaskaden, Katarakte. Stromschnelle» und sausend« Wirbel: mitten hindurch schwimmt der boumstammortige bronzcnfarbene Kaiman, da» Krokodil des tropischen Südamerikas  . Kolumbien  . Kaffeeplantagen und Kaifceplo»tagen ganze Provinzen voller Kaffeebönme in einent einzigen Jahre exportiert Kslumbirn für über dreihundert Millionen Goldmark Rohkaffee. Wie sind die Preise? Fragt auf den Kaifeebureaus in der kolum- luschen stauprstadt Bogotä und fragt auf den Prositbureaus in de» Hafenstädten Koliundiens: in Porto Colombio. in Earlageno, in Sania Maria, m Rio Hacha und in San Antonio   alles weiß« Tropenslädte: an der bleischweren, hitzekochenden Karibischen   See. Was kostet heute vormittag der Rohkoste«? New Dork zahlt 1,05 W. Homburg 1.09 M, Antwerpen tfi7 M.. Le Havre   1,10 M.. Trieft 1,12 M., Amsterdam   1.08 M. pro Pfund. Gut: abschließen für tn« höchi Zahlenden Märkte. Heute vormittag wurden für rund 20 Millionen Mark Kasfce verkauft gut« Preise erzielt; Kauf- mann, Makler. Exporteur und Plantagenbcsiyer werden heute mittag Kraftbrühe aus Proletenschweiß speisen, mit goldenen Knodelchen drin. Senoroaes, wir gratulieren zum guten Geschäft wann er­höhen Sie Ihren Packern, Wägern, Sortierern und Plantagen kulis die Löhne? ilud denken Sie auch mal an Ihr« braunen schönen Plaistagenwädchen lasten Sie auch die an Ihrem Profile teil- nehmen, daß sie statt Glasperlen um den braunen Hals ledern« Schuh  « an den schlanken Füßen tragen mögen, zum Schutze gegen den Biß giftiger Schlangen. Aber lrilldiri und fillderj und zwitfche pfeife höhnt die Musik. Was Kuli» und Plantagenmädels: Wir sind die Herren Kolumbiens  : Plantagenher.zög« und Börsen- fürsten. Kaufmannsgrascn und Maklerbaronc. Zwitschezwatsch« di« Geigen! Hoi, es grollt, es donnert, es bebt blitzt und flammt auf den Kordilleren, di« Biilkane brechen durch, Volk aus der Tiefe flammt feine Lebens- und Menschheitsrecht« als Stichflammen hinauf zum Throne der Mutter Sonne  . Vulkane sthif. bis sechs­tausend Meier hoch die wilden Kordilleren, da« Rückgrat de« Landes Kolumbien  . Rotbrüftige Äönigsgeier kreisen schreiend in den kristallenen Lüsten. In den Klüften des Gebirges heult der Jaguar die weiße Bergziege zittert und die schlank« Antilope saust im fliehenden Sprung« wie ein brauner Pfeil hinweg über violett gähnende Ab- gründe. Urwälder rauschen. Wasserstürze brausen flinke Affen schwingen sich rudelweise durch das Gewirr der gelbgnmen Lianen­
arme rotbraun« Papageien beleben die im Winde tanzenden schlanken Palmbäum« und ganz im Westen rollt der Groß« unruhige Ozean weiße Wogenwolzen auf den hellglitzernden Quarz- sirand. Farbenprächtige Quellen zergehen in der Somu. Kolumbien  : fast dreimal so groß wie ganz Deutschland  . Ein- wohner mir soviel wie in Bayern  : 7 Millionen. Kolumbien   Tropenland Hitze, die himmelstürmenden Kordilleren im Westen und das rsichbewäiserte Tiestand im Osten die Llanos unendliche Grassteppen unterbrochen vom Urwald durchglitzert von breiten, gesunden Strömen. Der grasgrüne Kordillerensee: ringsher weiße Landhäuser der Plantagenfürsten und aus dem See heraus der silbern« Strom La Moddaleim. Länger als der Rhein   wilder als der Niagara ungezähmte Urtvast springt durch die Urwälder: der stürzende Strom, die wilde Colombina: La Maddalena  ! Der Magdalenen- ström. Kolumbiens   große Lebensschlagader. Der Strom von den Kordilleren her hin zur Karibischen See: der hitzigen Tochter des alten schaumbärtigen Boters Atlantik. Kolumbien   eine schön: üppige Tropent achter, im Süden küßt ihr der Jnkoprinz Peru   den goldenbeschuhten Fuß. Land Ecuador   verneigt sich im Südwesten vor der Jungfer Kolumbien  , im Südosten aber weift ihr der Riesenprotz Brasilien die nackte Schulter. Venezuela   im Nordosten, ein« Schwester der schönen Colombia  . Und im Nordwesten spielt Jüngling Panama dem Lande Kolumbien   eine lockende Gitarrensonate. Ganz im Hintergrunde des Nordens aber preist durch die goldenen Zähne der grimasien- schneidende Gulliver, der Bankeeparoenü: Schön« Eolombio, ich kriege dich doch, meine Sendling  « aus Wallstreet-Rew Park kriegen dich ichon noch klein nur dem Aanke« und keinem anderen wirst du zu Willen sein: anstandshalber binde ich mir die rotweiß gestreifte Schlachthausschürze der Demokratie vor. Und auf meinem Zigarren- etui steht: Monroe wer mag Opium rauchen? Europa  . Hamburg  . Der Hasen. Die Börse. Die Dillen an der Alster  . Die armen Borstädte der Proleten. Das Luftviertel von Sankt Pauli  . Dos Millionenviertel Uhlenhorst. Hamburg  . Die langen Reihen der Logerhäuser und Speicher am Hafen die vielen Aoffeedampfer joi: dort auf den Säcken steht es zu lesen: Colombia  , Kolumbien  , Cafä Excelsior! Und der Kaffee rinnt durch unsere Hände, der Rohkaffee Perlen vom Hals« der braunen Trapenjungser Colombia  . Und wir lausen hunderttausend Sock, für Volksrechnung, zur Erfrischung des Volkes Einkoufszentrale des Konsums. Die Lagerhäuser de» Konsumverbandes, Dolksverband zur Regulierung der Preis«, Schugdamm gegen kapitalistische Uebervorteilung. Die großen konsumgenöstischen Kasteeröstereien wie's blau dampft, wie's zwitschert, wie's knistert: Kaffee, Kaste«, Röstung, Röstung! Und sauber gekleidet« Männer und Frauen gehen zwischen den sich drehen- den Röstereimaschine» prüfend hindurch, das Herz der Maschinen beobachtend, regulierend undchewachend. Genosten und Genzstsnnen vom Verbände der Lebensmittelarbeiter. Und manchmal stt es den kaffeeröstenden Genossen als ob das Rauschen und Rasseln ihrer Maschinen dos Rauschen und Brausen des Wirides in den Baum­kronen der fernen Kasteeplantagen sei. Manchmal blühen au« dem blauen Rauche der Kaffeeröstereien groß« dunkle Augen auf, blitzende Augen, fragende Augen, leidende Augen aus denen die Seele der Plantagenorbeiter des Tropenlandes spricht. Wann werden wir Arbeiter der Erde uns vom internationalen Joch« der Ausbeutung international beircien? Horchet, sehet die Kordilleren stehen in Brand, Zorncsausbrüch« der Vulkan« Flammen, Donner, Getose. Geslöte, Gezwitscher, Gelock« und zur wilden Musik tan.zt die schön« Tropentochter ihr« Carmagnole, der Tanz hinweg über die geborstenen Trümmer des kapitalistischen   Zeitalters. Tanz«, tanze, du schöne wilde Coloinbine, unser Blut und unser Herz tanzt mit hier wird gebrannt! Kasse« und Zukunft. lind Mutter Sonne wirst uns von ihrem goldenen Himmelsthrone her duftende Kränze von roten und weihen Rosen ums Haupt, auf blauen Kranzbändern steht: Freiheit!
Spaziergang auf dem Weeresgrund
Die Wunder der Meerestiesen gewähren Sensationen, die nicht alltäglich und nur den wemgsten zugänglich sind: es gehört zu den Seltenheiten, wenn einmal abgesehen von den Benisstouchern, die ja zu anderen Zwecken In die Tiefe steigen ein Mensch di« abenteuerliche Fahrt in di« Unergründlichkeit wagt und von dem berichtet, was sich ihm ,da unten" bot, wo es nach des Dichters Wort sürchterliai»«n soll. Der bekannte amerikanisch« Forscher William Beeb« erzählt in seinem bei Brockhaus erschienenen BuchDas Arcturus-Abenteuer" von den Erlebnisten. die er aus dem Grund« des Pazifik hatte.Im Badeanzug," schreibt er,steige ich die Leiter am Heck so weit hinab, bis mir dos Wasser an den Hals geht; ich muß mich aber in acht nehmen, nicht den Kopf natzzmnachen. Nun hebt John den Helm; ich set>e mich noch einmal schnell noch allen Seiten um, hol« tief Atem und sehlüpsc hinein; sobald er fest aus den Schultern sißt, steig«' ich weiter abwärts. Solang« ich den /iops noch über Wasser habe, wuchtet der Helm mit ichier unerträglicher Schwere, aber so- bald ich untertauche, weicht dieses Gefühl; er übt mit all seinen Bleigewichten nur noch einen sanften Druck aus, der gerade genügt, mir vollkommene Standfestigkeit zu gewährleisten. Inzwischen hat man die Pumpe in Gang gesetzt. Undeutlich huschen das Heck und die Wasieroberfläche beim Eintauchen an mir vorüber, unter Wasier bildet sich jedoch sofort«in klares Bild. Ich steig« drei Sprossen tiefer, streck« den Arm nach oben aus, und man gibt mir ein« kurz« Harpune oder einen Dreizack in d'.e Hand. Auf der vierten oder fünften Sprosse drückt die Luft fühlbar an die Ohren, und ich schasse mir durch Schlucken Erleichterung. Im ersten Augenblick entsteht durch die aufsteigenden Luftblasen«in schwaches, gurgelndes Ge- räulch; sobald der Helm sich ganz unter Wasser besindet. hört es auf. Ich klettere langsam welter hinunter, wobei ich ab und zu schlucke, bis ich die letzte Sprosse erreicht habe; mit einem Ann halt« ich nun die Leiter fest und laste mich gemächlich sinken, bis ich mit den Füßen leicht den Boden berühre. Sollte mir ernste Gefahr drohen oder die Pumpe in Unordnung geraten, so brauch« ich nur den Helm zu lüften, darunter hervorzutauchen und an die Oberiläch« zu schwimmen. Da» Wasser dringt nicht wester als bis zum Hals, nur wenn ich mich vorwärtsbeuge, steigt es mir allmählich bis zum Mund. Das Wasser spritzt nicht, und ich fühle keinerlei Druck,
Nun stand ich also mit den Füßen aus dem Grund. Ich blickte voll Eiser aus die Felsen und Fische ringsumher, ober ich füh!« ein« leicht« Enttäuschung. Ich atmete so leicht, da» Wasser um mich her berührte mich körperlich nicht anders als wahlgeheizte Luft, ich blicke durch eine Glasscheibe aus umherschwimmende Fische alles, wie ich es hundertmal in unserem New>Borkcr Aquarium getan und gesehen habe. Ich hatte nur das Gefühl, daß ich mich in einem sehr kleinen, etwas ungewöhnlichen, aber vollständig bequemen Raum besändc, wo ich mir ein wundervolles Gesäß voll lebender Fische mit einem ausgezeichnet gemalten Hintergrund anschaute. Der Ein- tritt in dies« langersehnte iieuc Welt war von leiner so gewaltigen Erschütterung begleitet gewesen, wie ich es mir vorgestellt hatte trotzdem ich mich nicht erinnern kann, daß ich etwa sofortige An- griffe von Riesenhaien   oder schleimige Berührung durch schlangen- haste Arme eines herannahenden großen Kraken erwartet hätte. Di« Tatsache des körperlichen Wohlbesindens und die lebhaft« Er­innerung an die Aquarien in aller Welt hotten das Gefühl für die Überwältigeltie Seltsamkeit des ganzen getötet. Ich suchte mir einen bequemen Felsblock, fetzte mich, schloß die Augen und sagt« getreu der empfangenen Lehre folgende» Sprüchlein auf:3«h bin nicht zu Haus, bin in keiner Stadt und bei keinem Doike; ich bin weit draußen im Stillen Ozean  , bei einer wüsten Insel und sitz« aus dem Meeresgrund: stch befinde mich tief unter Wasser, an einer Stelle, wo noch niemals ein Mensch gewesen ist; es ist einer der bedeutend- ften Augenblicke meines ganzen Leben»; Tausend« von Menschen würden viel dafür zahlen, würden größte Opfer bringen, um nur fünf Minuten das gleich« erleben zu können." Das genügte. Ich öffnete die Augen und sah. kaum 8 Zentimter von meinem Gesicht entfernt, auf einem Felsvorsprung.hsn roten Stier von Kim". Es war wirklich der seltsamste kleine Schlennfisch der Welt; er maß 12 Zentimeter, bestand houpifächlich aus Kopf, während der Schwanz gerade genügt«, um ihn auf feinen Felienplatz in der Ruhelag« zu erhasten, und' der breite, flache Kopf, der von zwei gebogenen Hörnern überragt wurde, machten ihn in lächerlicher Weif« einem Preisstier ähnlich. Er war dunkelscharlachrot mit goldbraunen Flecken an den Seiten, was noch zu dem Bergleuh passen mochte. aber kein Stier ist über und über mit blauen und gelben Fetzen und Fransen bedeckt(es sei denn, daß wir die grausamen Banderillas
als Schmuck ansehen wollen). Mein Schleimfisch hatte silberne Augen, in denen purpurne Hieroglyphen glänzten, und als ich ihn ansah, blies er verächtlich ein Maulvoll Wasser gegen mein Fenster und verschwand. Am schwierigsten war es, innezuwerden, daß ich wirklich naß war. Es war die alte Geschichte der Relativität. Da ich ganz und gar naß war und nicht in die trockene Luft hinauflangen konnte, so fühlte ich di« Nässe nicht. Ein Blick auf meine Finger, an denen sich echte Woschirausasten bildeten, genügte jedoch, um mich zu über. zeugen! Ich streckte den Arm aus und griff auf dem Felsen vor mir einen Seestern: als er langsam über meine Hand kroch, kam es mir voll zum Bewußtsein, daß ich es mit einem frei lebenden Seestern zu tun hatte und nicht mit einem eigen» für mich bereit- gestellten Schaustück. Ein Mangel, der sich bei jeder Taucherunter­nehmung fühlbar machte, war die Unmöglichkeit, Notizen nieder- zuschreiben, es sei denn aus eine unzulängliche Schiesertasel. Die Riesensülle von Ereignissen und interessanten Lebewesen zersplitterte meine Aufmerksamkeit, so daß es sehr schwierig war, sich hiitterher alles Gesehene und Erlebt« in klarer Folg« zu vergegenwärtigen. Ich hoff«, daß in Zukunft Abhilfe geschaffen wird, denn in dem Helm, den ich nach meinen Angaben onseriigen lasten werde, soll an der linken Innenseite, wo ja die Luft trocken bleibt, eine Art Backentasch« angebracht werden, um eine Rolle Schreibpapier und «inen Stift aufznnehmen." Ä Jlmtenische Wänste Au« brr soeben erschienenen Nr. 1 der Moskauer HQl?»monstübchr!st Jln/tre ErrungcnschQften", als deveu Hauplschriftleiter Maxim Gorki  zeichnet und die eine Schilderung seiner Studienreise durch die Sowzet« union   enthält, sei dieses K.aukasuserlebnis des Dichters mitgeteilt. 'Abends im Stadtpark führte die Jugend von Eriwan   die Tänze der Sasiun-Armenier vor. Es war ein ganz außergewöhnlich ichüner und eigenartiger Anblick. Ich bin kein Kenner der Tanzkunst, dem Ballett steh« ich gleichgültig gegenüber, aus Tharaktertänze schaue ich wie aus eine Art leichter heiterer Akrobatik, auf Foxtrott» nicht ohne Widerwillen; dennoch finde ich, daß eigentlich jede Kleidung bei diesen armenischen Volkstänzen überflüssig ist, sie de- hindert wahrscheinlich die Bewegungsfreiheit der Tänzer, die man meinetwegen schamlos nennen konnte, obwohl es in der Naturwelt weit schamlosere Geschöpfe gibt, wie zum Beispiel: Fliegen, Hahne und.Hühner, Böcke, Hunde. Di« Tänze der Sassun-Armenier verblüffen nicht etwa durch Er- findung und Mannigfalt der Figuren und streben auch gor nicht danach. Sie entholten etwas anderes, Bedeutsameres und Tieferes. Das Podium betreten zwei Musikanten in flanänenh bunter Nationaltracht mit einer großen Trommel und einer durchdringend gellenden Pfeife. Gleich darauf fchwebt ein strählender bunt farbiger Korper hervor zwanzig Männer. Schulter au Schuster geschmiegt, halten sie hinter dem Rücken einander bei den Händen, sie bilden «inen einzigen Körper, bewegt von einer einzigen erstaunlich rhytt,- misch wirkenden Kraft. Dieser Körper biegt sich zu einem Kreis ziismiunen, einer Spirale, streckt sich zu einer Geraden, gliedert sich in verschiedenartige Kurven: die ideale Rhythmik, die fließende Leich­tigkeit der Konstruktionen verstärkt noch di« bezaubernde Illusion der Einheit, der Verschmolzenheit. Die einzelnen Tänzer zu unterscheiden ist schwer, man sieht eine Reihe hübscher Gesichter vor sich schweben, sieht ihr Lächeln, das Blitzen ihrer Augen, jetzt scheint es, als habe ihre Zahl sich per mehrt, im nächsten Augenblick als habe sie sich verringert; die individuellen Züge des einzelnen Gesichtes sind kaum wahrnehmbor, die ganze Zeit über redet und lächelt uns nur ein Antlitz an das Antlitz eines phantastischen Geschöpses, dessen Innenleben un- sagbar reich ist. Erregend flötet die Pfeif«, doch chren hohen schrillen Ton empfindet man jegt nicht mehr so schneidend; wuchtig, aber weich schlägt die Trommel den Takt, und durch diese Musik hindurch erklingt eine andere die Musik der überraschend schönen Be- megungen des geschmeidigen Menschenleibes, sein freies Spiel m der buntgrellen Woge der Gewänder. Zuweilen, wenn der ungestüme Schwung der Bewegungen dieses vielköpfigen Körpers anschwellend sich zu einem goldenen regenbogenglitzernden Wirbelsturin steigerte, wartete ich auf den Augenblick, wo die Kette der Tänzer in ihre einzelnen Glieder zerspringen müßte und dadurch den Eindruck ihrer mächtigen Einheit bestärken würde. Niemol  » sah ich und konnte ich mir ein Bild solch vollendeter Verbundenheit vieler zu einer gemeinsamen Handlung vorstellen. Zweisello» steckt in diclem gewiß sehr alten Tanz etwas Symbolisches ich konnte es nicht erfahren ein religiöser Priesterrcigen oder ein Kriegertan,;. Mir scheint, daß er manches Gemeinsame mit dem kriegerischen Tanz der Gorier in Georgien   hat ich entsinne mich nicht, wie er heißtPerchuli" oderChoruii". Doch dieser armenische Tanz enthält nichts, was auch nur im entserntesten an die ekstatischen Rosereien der Geißler-Sekte gemahnt, die ich in Nischni-Nowgorod gesehen Izabe, oder etwa an die hysterischen Krampsbewegungen der sich drehenden Derwische, von deren Wahn- wig, wie man erzählt, auch die kaukasische Sekte der Springer an- gesteckt ist. Wahrscheinlich ist der Tanz der Sassttn-Armeniek- ein Siegestonz von Kriegern. Ebenso eigenartig und anmutig tanzten die Frauen, die gleich- falls in di« bunt leuchtenden Gewänder des Orients gekleidet waren. Im Tang zeigten sie, wie die Frau ihr Haar strähnt, ihr Gesicht schminkt, das Geflügel iüttert und Wolle spinnt und wiederum war man hingerissen von dem wundervollen Ebenmaß dieser B«- wegungen, von der Schönheit der Gebärden. Die Frauen tanzten getrennt voneinander, das Gebärdenspiel jeder einzelnen war indivi­duell, um so schwieriger mußte es sein, den gemeinsamen Rhyttymus, die Einheit in der Zeit, zu wahren, was dennoch bis zur Vollkommen- heit erreicht wurde. Alsdann führten die Frauen einen komischen Tanz der Lahmen vor sie tanzten so, als ob bei jeder die Hüfte verrenkt sei und. obwohl ihre possierlichen Bewegungen die Grenze des Mißgestalteten streiften, war man immer wieder über wältigt von ihrer Harmonie und Grazie. putsch ven Sust-w vv-q»
Die gefährlichen Ikegertrommeln. Di: kubanische Regierung hat ein Verbot erlassen, die asritanische Negertromwel m den Tanz- kapellen zu verwenden. Als Grund iür dieses Verbot wird ange- führt, daß durch die monotonen Tone dieser Instrumente die Tänzer in«ine wahre Raserei oersetzt werden, die ost genug mit«pilep- tischen Anfällen endet. was der Londoner   Nebel kostet. Die Gesellschaft zur Be- kämpfung der Londoner   Rauchplage hat ein« Unkostenberechnung aufgestellt für die Mehrausgaben für Beleuchtung, die während eines Londoner   Nebeltages entstehen. Rechnet man die Reini- gungstosten noch hinzu, so ergibt sich ein Mehrauswand pro Nebel- tag in Höhe von 800 000 Pfund Sterling, das sind über 18 Mi! lionen Mark,