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Beilage

Mittwoch, 13. März 1929

Der Abend

Spalausgabe des Vorwärts

Beim Bahnbau in Kemals Reich

Aus den Aufzeichnungen eines Tramps

Bor uns fiegen die Aufzeichnungen eines jungen Menschen Schreiner   feines Zeichens, der von Wanderlust getrieben, es sich in den Kopf gesetzt hatte, von Konstantinopel   nach Bagdad   zu Fuß zu pilgern. Er ist nur bis Kaisarie ge­four.men. Aber auch die Bewältigung dieser Strecke( Konstanti: nopel- Angora- Raifarie) ist eine sehr beachtliche Leistung, um fo beachtlicher, als die wochenlange Wanderung stets unier der glühen­den Sonne Meinasiens und, unter großen Entbehrungen erfolgte. Da der Autor Geldmittel nicht zur Verfügung hatte, lebte er als Gast der türkischen Bevölkerung. In Kaisarie suchte er Arbeit, um sich Geld für die Bahnfahrt nach Bagdad   zu sparen. Seine Er­fahrungen bei der Arbeitsuchende sind so interessant, daß wir sie der Deffentlichkeit unterbreiten.

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Um 8 Uhr abends erreichte ich Kaisarie. Ich fehrte in ein billiges Hotel ein und schlief schlecht; am anderen Tage hatte ich Fieber, das sich aber bald legte.

Biel   brauchte ich nun nicht überlegen, was ich tun würde. Man sagte mir, daß die Strecke nach Adana   und weiter nach Kellen und Aleppo   sehr schlecht sei, daß die Dörfer sehr weit voneinander ent­ferni lägen, und es mir sicher noch übler gehen würde, als auf der Tour Angora- Kaisarie.

An den Körper höhere Anforderungen zu stellen, als Kraft und Fähigkeiten es gestatten, erschien mir widersinnig. Einige Zeit schlecht essen oder hungern, ist bedeutungslos, solange die Kraft bleibt, in der heißen Sonne strenge Tagesmärsche zu machen, aber loszumarschieren in dem Bewußtsein, diese Kraft zu verausgaben, chne sie ersetzen zu fönnen, wäre Wahnsinn gewesen. Ich beschloß, mir Arbeit zu suchen, um das Fahrgeld nach. Bagdad   auf zubringen. Die Möglichkeit dazu schien günstig, denn ich hörte schon am Abend meiner Ankunft, daß hier eine deutsche Gesell= schaft eine große Flugzeugfabrit bane. Ich ging hin und fragte um Arbeit als Tischler oder Zimmermann. Die Auskunft mar sehr schlecht: ,, 150 deutsche Handwerker sind hier bis vor zwei Monaten beschäftigt gewesen, sitzen jetzt sämtlich in der Stadt und machen Schulden."

,, Wie kommt das?" fragte ich.

,, Der größte Teil unserer Handwerker sind mit Kontraft für zwei Jahre von Deutschland   gekommen," erzählte der Ingenieur, vor einem Jahr begann die Arbeit. Wir sind nur die Bauausführer, laut Vertrag hat die türkische   Regierung monatlich das zur Deckung der Materialkosten und Löhne er­forderliche Geld zu zahlen. Vor fünf Monaten blieb das Geld Wir arbeiteten und warteten auf das Geld drei Monate. Dann stellten unsere Handwerker die Arbeit ein. Bis heute ist noch tein Geld von Angora gekommen."

ra u s.

3ch laffe mich anwerben.

Jetzt war noch eine Arbeitsmöglichkeit: der Bahnbau Kai sarie- Sivas. Ich hörte, daß dort eine türkische Gesell schaft mit drei europäischen   Ingenieuren arbeitet: ein Belgier, ein Schweizer   und ein Franzose. Bier Tage wartete ich, bis einer der Herren in die Stadt kam, der Belgier. Er war sofort bereit, mir zu helfen:

,, Unsere Gesellschaft wird Sie einstellen mit Tageslohn von 3 Pfd Kommen Sie morgen früh um 6 Uhr zu mir, da jährt ein Gespann hinaus auf Kilometer 45. Werkzeuge haben wir."

Ich wartete bis mittags 2 Uhr, dann fuhren wir hinaus. Mein Geld hatte ich inzwischen bis auf 25 Piafter ausgegeben. Ein Otta ( 1,282 Kilogramm) Kirschen und ein Stück Brot nahm ich ais Pro­viant mit auf den Weg. Bis zur Dunkelheit kamen wir bis Kilo meter 35, schliefen die Nacht auf den Steinen und famen anderen Tags um 5% Uhr früh in Sulian- Han an. Die Arbeitsstelle mar Kilometer davon entfernt. Ich ging in den Han und trant ein Glas Tee. Als ich heraustrat, famen mir zwei Männer ent­gegen:

,, Du bist Deutscher  ?! Servus, Landsmann!" ,, Servus, Kollegen, was macht ihr hier?"

,, Wir arbeiten auf Rilometer 42-48 als Aufseher. Um 6 Uhr beginnt unsere Arbeit."

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Was verdient Ihr, Wie siehts hier überhaupt aus?" 3mei Pfund täglich. Die Arbeit begann vor Monaten. Wir arbeiten aber erst seit zwei Wochen hier und wissen deshalb noch nicht so recht, wie es aussieht. Im Vorjahr war es jedenfalls sehr übel. Da hatte eine belgische Gesellschaft die 192 Kilometer bis Sivas   übernommen, machte aber nach Fertigstellung der 42 Kilo­meter bis Fussissan mit 36 000 Pfund Schulden banfrott. Uns be­300 Pfd. zahlte man Monate Löhnung nicht aus. Auch die 600 Arbeiter wurden ungelöhnt aufs Pflaster geworfen." ,, Na, und ihr?" Wir ließen uns wochenlang hinhalten, saßen in Kaisarie ohne Arbeit und lebten von der Gutmütigkeit der Kreditgeber, Hoteliers und Gastwirte. Nach fünf Monaten wurden wir von unseren Gläu= bigern wegen Nichtzahlung von 350 Pfd. Schulden verklagt und 35 Tage ins Gefängnis gesperrt. Dann holte uns der belgische Ingenieur, ein Beteiligter an der verkrachten Gesellschaft, und ga rantierte für unsere Schulden, da er Angst vor der Gerichtsverhand lung hatte. Jetzt arbeiten wir hier, um Reisegeld zu sparen."

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Nette Geschichte! Und wie stehts mit der Arbeitszeit?" ,, 6-6 Uhr, mit 2 Stunden Mittagspause für unsereins; die Hamale( Kuli) arbeiten, folange es hell ist, so um 13 Stunden für 60 Piafter bis 1 Pfd. den Tag."

Lohntag, aber fein Lohn.

Am 18. Juni fing ich an zu arbeiten. Abends gingen wir drei nach Sultan- San, fochten uns Reis oder Tee, qualmten ein paar Zigaretten und legten uns auf unsere Decken, die, wie fast in allen Dörfern, von Flöhen wimmelten. Man macht in den Ländern des Islams im allgemeinen am Freitag Ruhetag. Hier aber auf dem Bahnbau hatte die Woche sieben Arbeitstage. Es war schwer, in der Hite intensiv zu arbeiten. Defters mußte ein Arbeiter, vom Fieber niedergeworfen, abtransportiert werden.

Die Behn durchschnitt ein hügeliges Felsgelände. Im Westen ragte in 40 Kilometer Entfernung ein Gebirgszug empor, von dem mon in dex uber Horen Supt   jete Sontur deutlich unterscheiden

fonnte. Da vor lag ein Salzsee, dessen weiße Oberfläche in der Arbeit ein und lagerten am Rißel- Jrmat, einem Flüßchen bei Kara­Sonne glitzerte wie Eis.

Am 1. Juli war Lohntag. Ich bekam eine Bescheinigung, daß ich 13 Tage gearbeitet hatte und 39 Pfund zu beanspruchen habe. In 12 Tagen wird das Geld gezahlt, fagte mir der Unternehmer.

Anderen Tages mußte ich nach Sariol- Han, zum Sta­tionsbau.

Am 17 Juli fuhr ich nach Sultan- Han und forderte 3ah­lung des Lohnes. Ende des Monats hieß es. Meine beiden Kollegen waren vor drei Tagen nach Kara Ussün als Affordanten gegangen. An diesem Tage schrieb mir der Ober­ingenieur von Kilometer 65-87:

,, Kommen Sie bitte sofort nach Kara- llssün, es gibt hier Arbeit im Tunnel-, Stations- und Brückenbau. Zahle Ihnen unter Garantie alle 15 Tage Lohn. Täglich 3 Bfd." Ich forderte sofort von dem Affordanten in Sariol- Han eine Bescheinigung über 17 Tage Arbeit= 51 Pfd. Er beschwor mich bei Allah   und der Ehrbarkeit seiner Vergangenheit, daß der Lohn am 1. August gezahlt werde, Schreiben von Bescheini­gungen aber ginge ihn nichts an.

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So ging ich ohne einen Biafter nach Rara- Uffün, baute eine Wohnbaracke in 12stündiger Arbeitszeit und befam dafür am 1. Auguſt 2 Pfd. pro Tag ausbezahlt.

Ich gebe die Arbeit auf...

Usfün, um ein paar Tage zu ruhen und zu baden. Leider entstand schon am zweiten Tage ein Streit unter meinen Kollegen, und am anderen Morgen war der eine spurlos verschwunden. So zerbrach eine Arbeitsgemeinschaft, die 1% Jahre gedauert hatte.

Am 7. Auguft gingen mir nach Sultan Han. Hier sagte man mir, daß mir mein Lohn in Kaisarie ausgezahlt werde. Am 10. Auguft tamen wir dort an. Mein Kollege hatte feinen Piafter mehr; ich hatte noch 12 Pfd. Beim Unternehmer forderte ich meine 70 Pfd., der Unternehmer erklärte, er habe von der Regierung noch kein Geld bekommen; ich solle am 1. September wiederkommen

und stehe wieder ohne einen Pfennig auf der Landstraße.

Mir blieb nichts übrig, als mich an die Polizei zu wenden. Die verwies mich an den Bürgermeister und der ans Gericht. Darüber maren wieder 5 Tage verstrichen. Auf dem Gericht hieß es: Reichen Sie die Anklageschrift in türkischer Sprache ein, zahlen und wenn der Herr seine Schulden dann nicht bezahlt, wird er Sie 2% Pfund Schreibgebühren, warten Sie alsdann 15 Tage 91 Tage ins Gefängnis gesteckt." In meiner Not ging ich zum deutschen   Konsulat: Ein Achselzucken. Das ist eine Privatsache, mein Herr, die das Konsulat nichts angeht!"

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Noch einmal schaute ich mir die alte Römerstadt mit den großen Festungsmauern an, die Straßen, durch die täglich Ramela farawanen ziehen, den Bazar, wo handgewebte Teppiche feilgeboten teine Gleise und Wagonettes. Ein 90 Meter langes Rainblé( Auf- bedeckte Spize des Erdshijas, an dessen Fuß die 1092 Meter Meinen Kollegen gings noch schlechter. Die Gesellschaft lieferte merden und tausend anderes. In der Ferne leuchtete die schnee­wurf) aus Staubsand mußte mit Schubkarren aufgeworfen werden, hoch gelegene Stadt sich breitet. Vorüber. Mit meinem letzten was die Gesellschaft zu Beanstandungen veranlaßte. Gelde bezahlte ich das Hotel und stand wieder als Wanderer auf der Da wir erkannten, daß wir betrogen wurden, stellten wir die staubigen Landstraße.

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Ein Werkstudent beim Tunnelbau

Die Mittel zum Studium reichten nicht mehr aus. Irgend etwas mußte geschehen, oder meine Zukunftspläne scheiterten. Zu nächst versuchte ich es mit Schriftstellern. Aber die Einnahmen maren zu spärlich. Hier konnte nur planmäßige Werkarbeit helfen. So ließ ich mich nach Semesterschluß als Tunnelarbeiter anstellen.

In der Nähe meiner Universitätsstadt wurde für eine neue Bahnlinie ein großer Tummel gebaut. Der Oberhauer, an den ich mich mandte, war anfangs gar nicht gewillt, mich einzustellen. Ich mar blaß und körperlich nicht sehr kräftig und deshalb anscheinend der anstrengenden Untertagarbeit nicht gewachsen. Erst nach langem Bitten war der Oberhauer zu bewegen, einen Versuch mit mir zu machen. Um acht Uhr abends konnte ich zur Nachtschicht antreten. Erste Einfahrt.

Hätte ich gemußt, welch harte Wochen mir bevorstanden, so wäre ich am Abend mohl kaum in froher Stimmung, vielleicht auch überhaupt nicht zur Arbeit erschienen. Aber jetzt war keine Zeit mehr zu langem Ueberlegen; ich wurde mit Bickel, Schaufel und einer Grubenlampe ausgerüstet und betrat mit etwa 40 anderen Arbeitern den Förderstollen, der damals 200 Meter weit horizontal in schnurgerader Richtung in den Berg hineinführte. Der Stollen bot mur eben Raum für die Geleise der Förderbahn und einen schmalen, seitlichen Laufgang. Decke und Wände waren mit starkem Grubenholz gegen den Gebirgsdruck abgestützt; zwischendurch trat das Gestein hervor, Sandsteine aller Schattierungen, von einzelnen Tonbändern durchsetzt. Immer weiter tasteten wir uns beim Schein der Grubenlampen nach vorne. In gewissen Abständen zeigten sich in der Decke große Löcher, aus denen von unsichtbaren Händen Gesteinsmaterial in die darunterstehenden Förderwagen geschaufelt wurde. Hier hieß es aufpassen, daß man beim Vorbeigehen nicht von herabstürzenden Brocken getroffen wurde.

Je näher wir dem Ende des Stollens kamen, desto stärker wurde ein eigentümliches Brausen. Es war das Geräusch der Preß luftbohrer, die ganz hinten im Stollen von einigen Arbeitern bedient wurden, um die Bohrlöcher für die nächsten Sprengungen her­zustellen; wir waren hier am innersten Punkt des Tunnels an= gelangt, wo die Auszimmerung noch fehlte und Sand und kleine Steine herabriefelten. Eine Verständigung war bei dem Höllenlärm der Breßluftbohrer ganz unmöglich.

Bir kehrten um und begaben uns ins erste Drittel des Stollens zurück, wo eine schmale Leiter in die zweite Etage, den First stollen hinaufführte. Ein mächtiges Gewölbe tat sich auf, allent­halben gestützt von riesigen, übermannsstarken Baumstämmen. mineure waren an der Arbeit und paßten Rüsthölzer ein, wo die lette Sprengung neuen Raum geschaffen hatte. Wir standen un­mittelbar unter der Decke des späteren Tunnels; allmählich sollte die Sohle des Firststollens tiefergelegt werden, bis sie schließlich mit der des genau darunter verlaufenden Förderstollens zusammenfiel und der Tunnel feine endgültigen Ausmaße erreicht hatte. Wohl ein Dußend Arbeiter waren an den Bohrern tätig, andere standen an den Löchern und schütteten Berge von Schutt in die Förder. magen, die wir unten passiert hatten. Die Luft mar erstickend heiß und roch nach dem Azetylen der Grubenlampen und dem noch nicht völlig abgezogenen Bulverdampf der letzten Sprengungen.

Berde ich durchhalten?

Das war also die Welt, in der ich nun auf lange Wochen hinaus Tag für Tag acht Stunden tätig sein sollte. Bürde ich mich in sie einleben, würde ich den mir ganz ungewohnten Strapazen gewachsen sein? Eine neue Welt hatte sich mir aufgetan, so ganz verschieden von allem, was mir von meiner industrie- und bergbauqrmen Heimat vertraut war.

Jetzt galt es, sich in den neuen Rhythmus einzufügen und Hand anzulegen an das Werk, das im Entstehen war. Da ich über teinerlei handwerkliche Fertigkeiten verfügte, konnte ich nur als ungelernter Arbeiter Verwendung finden. So beftand meine Tätig feit im Beladen der Förderwagen, indem ich einfach den Schott durch eines der Löcher in die Bagen hinobichaupette, Dos

war eine einförmige und besonders im Anfang ermüdende Arbeit, die ich viele Wochen lang mit noch einem Arbeitskameraden aus. führte. Der mochte einst auch bessere Tage gesehen haben, denn ihn strengte die Arbeit eigentlich noch mehr an als mich, obwohl er schon länger hier unten tätig war. Wie wir der Oberhauer später erklärte, war es ein Ingenieur. Irgendeine unglückselige Tat hatte ihn aus seiner Bahn geworfen und nach langer Arbeitslosigkeit hatte er schließlich die Stellung als Erdarbeiter gefunden.

Eine Unterhaltung mit ihm zu führen, war nicht möglich, so­lange die Bohrer arbeiteten. Ueberhaupt diese Preßluft­bohrer! Sie haben mir die Arbeit im Stollen anfangs fauer gemacht. Nach der ersten Schicht glaubte ich verrückt zu werden. Ich war todmüde, aber an Schlaf war nicht zu denken. Unablässig arbeiteten die Bohrer in meinem Gehirn, kreischten und heulten, als wollten sie mir den Schädel zermalmen. Erst allmählich gewöhnte ich mich an die ständigen Erschütterungen des Trommelfells und achtete schließlich kaum mehr darauf.

Interessant und willkommen waren immer die Sprenguma gen, die für uns gleichbedeutend mit Schichtschluß waren. Wenn die Bohrlöcher die erforderliche Tiefe von etwa 1,5 Meter erreicht hatten, erschien der Schießmeister mit den Patronen, von denen jeweils 4 bis 5 in ein Loch eingebracht wurden; dann wurden die Zündschnüre angebrannt und wir verließen rasch den Tummel. Gewöhnlich ging schon nach vier Minuten das erste dumpfe Erzittern durch den Berg, dann folgten sich die Detonationen Schlag auf Schlag, von uns sorgfältig gezählt, um etwaige Blindgänger" feſt­zustellen. Braune Rauchschwaden strömten bald aus der Tunnel­öffnung hervor, die bis zum Antreten der nächsten Schicht von der Tag und Nacht arbeitenden Ventilation abgesogen wurden.

Bei den Mineuren.

Die Sprengungen lieferten das Material, das jeweils von der folgenden Schicht aufzuarbeiten war. Gegenseitig suchten wir uns in der Förderleistung zu überbieten und eine möglichst große Zahl vollbeladener Förderwagen zu erreichen. Später war ich allerdings an diesem Wettbewerb nicht mehr beteiligt; ich wurde den Mineuren als Helfer bei der Auszimmerung zugeteilt und hatte mun eine wesentlich vielseitigere Arbeit zu verrichten.

Diese Mineure waren eigenartige Gestalten. Niemals hätte ich erwartet, so interessante Menschen unter Tag zu finden. Dank ihrer hervorragenden Fachkenntnisse hatten sie bei berühmten Tunnel­bauten des Kontinents mitgewirkt und waren so durch ganz Europa  gekommen. Die meisten beherrschten mehrere Sprachen und ver­fügten in anderen wenigstens über ein paar Flüche. Das unſtete

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Wanderleben ist diesen Menschen Schicksal; sie haben keine Heimat. Längstens einige Jahre finden sie bei großen Tunnelbauten Be­schäftigung, dann heißt es weiterziehen, wo sich gerade Arbeit bietet. Das große Gefahrenmoment Einstürze, Fehltritte im Firststollen, umfippende Förderwagen usw.-, mit dem alle berufsmäßigen Tunnelarbeiter Zeit ihres Lebens zu rechnen haben, hat bei vielen eine gewisse Resignation auftommen laffen; fie leben für die Gegen­mart, ohne viel Sorgen um die Zukunft. Manch einer verspielte am Sonntag feinen ganzen Wochenverdienst beim Siebzehn- und- vier. aber trotz mancherlei Schwächen habe ich diese Menschen lieb­gewonnen und nach anfänglicher Zurückhaltung haben mir auch alle in hohem Maße ihr Bertrauen geschenkt.

Längst habe ich Bickel und Schaufel wieder mit der Feder ver­tauscht und meine Studienarbeiten fortgesetzt. Drei Monate hatte ich unter Tage gearbeitet, meine Hände waren breit und schwielig geworden und meine Muskeln haben sich gestrafft. Und ich bin stolz auf meine Arbeit in diesem Berg. Sie hat mir Ein­drücke vermittelt, dir mir die Universität nie hätte bieten können und mich in einen Kreis von Menschen geführt, dem das Leben in ganz besonderem Maße ein ununterbrochener, harter Kampf iſt.

Nie werde ich den Augenblick vergessen, wo sie nach einem letzten Händedruck schicksalgebunden, Irrlichtern gleich mit ihren Gruben­lämpchen in dem finsteren Loch in der Bergmand verschwanden, während ich mich der Welt zuwandte, die ihnen nur eine Hoff E, R ang bleibt,