Beilage Freitag, 15. März 1929
Abenteurer
Wandlungen von Byron bis Ludendorff
Bürgerlichkeit ist heute für die meisten Menschen die charakte= ristische Lebenshaltung. Ihr Denten wird durch das Bestreben charafterisiert, den Zufall aus dem Leben auszuschalten. Voraussicht, Regel und Berechnung sind die Merkmale. Von dieser Basis aus erscheint vieles als abenteuerlich, was früher anders beurteilt wurde. Barzival wäre heute ein Abenteurer, im Mittelalter war er es nicht, im Gegenteil, er galt als vorbildlicher Held, denn die höfisch- feudale Kultur des Mittelalters hielt eine abenteuerliche Lebensform für ihr Ideal.
Abenteuer bedeutet ein Erlebnis, das aus den Rahmen des Gewohnten und Alltäglichen herausfällt, ein Erlebnis, das nicht in Rechnung gestellt, über dessen Charakter man sich gar nicht im Maren ist. Wenn man aber bei einer Fahrt nach Amerika mit Piratenüberfällen rechnete, so bildeten diese teine Abenteuer mehr, sie gehörten zur Zeit der Flibustier und des Kaperrechtes zum eisernen Repertoire jeder längeren Seereise. Erst heute, in einer rückschauenden Betrachtung, wandeln sich diese Ereignisse zu Abenteuern. Entscheidend dafür bleiben die herrschende Gesellschaftsform, die augen blicklichen Moralansichten und die gesamte Zivilisation einer Zeit.
Wenn ein Mensch Europa verläßt, gezwungen durch politische, religiöse oder wirtschaftliche Gründe, ist er darum ein Abenteurer? Bauern, die in der Heimat allein die Bestellung des Bodens kannten, mußten plötzlich mit Indianern oder Buschnegern tämpfen und fahen ihre Existenz dem Zufall preisgegeben. Sie wurden zu Abenteurern gegen ihren Willen, bis sie sich wieder im gesicherten Leben der= anfern konnten. Abenteurertum bedeutete bei ihnen mur ein Durch gangsstadium.
Der Abenteurer stellt seine Existenz auf den Zufall. Wenn also ein Sven Hedin eine Tibeterpedition unternimmt, die ja niemals vorher in den Erlebnissen, in den Gefahren berechnet werden kann,
wenn dieser Mann auf längere Zeit das gesicherte Europa verläßt, seine geordnete Stellung aufgibt, ist er darum ein Abenteurer? Sicherlich stecken in den großen Forschern und Entdeckern wie Hedin , Nansen, Amundsen oder Filchner viele aben teuerliche Eigenschaften, diese Männer verfügen über dieselbe blühende Phantasie, über dieselbe romantische Sehnsucht, aber sie sind dabei doch soziale Menschen. Und dies entscheidet, denn der Abenteurer ist immer asozial eingestellt, er ist ein Retell gegen die Gesellschaft.
Cortez, Pizarro oder Lord Clive wie überhaupt die meisten Conquistadoren verließen Europa , weil ihnen die Heimat zu eng wurde, weil diese ihnen keine Entfaltungsmöglichkeiten bot und weil sie hofften, in anderen Erdteilen Wunder und Gold zu finden, aber sie waren immer Kommissare ihrer Regierung oder stellten, wenn sie Expeditionen auf eigene Fauft unternahmen, die Eroberungen in den Dienst ihres Landes und rangierten sich damit der Gesellschaft wieder ein. Sie waren vielleicht Dutsider, jedoch nur für eine kurze Frist.
Kein Typ kommt in der Wirklichkeit in Reinkultur vor, denn er ist eine gedankliche Konstruktion, ein Idealfall. Aber zwei Männer nähern sich ihm derart, daß sie schon als Typ des Abenteurers gelten können. Es find dies der englische Dichter Lord Byron aus dem Anfang des neunzehnten Jahrhunderts und der englische Oberst Lawrence, der die Araber während des Weltkrieges militärisch organisierte.
Lord Byron , berühmter Dichter und Pair der englischen Krone, betrieb vor seinem Eintritt in das Oberhaus Opposition um der Opposition willen, unterstützte später in Italien die nationale Freiheitsbewegung gegen Desterreich und nahm attiv teil an dem Freiheitskrieg der Griechen. Er starb am Fieber, ehe er König von Griechenland wurde. War es nur Freiheitsdrang bei Byron oder sprechen noch andere Momente mit? Warum fämpfte Byron gegen
Die Gefellichoft?
Von Anfang an fühlte sich Byron als Dutsider wegen seines Klumpjußes, es entwidelten sich also bei ihm Minderwertigkeitsgefühle, die auch sein Dichterruhm nicht aus der Welt schaffen konnte, denn kein Ruhm war ihm groß genug. Lawrence war ein kleiner Offizier, ziemlich unbeachtet, ehe er zu den Arabern ging und sich einen berühmten Namen machte. Und von hieraus führt der Weg zum Abenteurer.
Die Gegenwart hat sich vedändert. Kriege und Eroberungen find Staatsmonopol geworden, und in einer Zeit, da sich alles Leben in das Schema des Staates einrangiert, hat auch der Schauplatz der abenteuerlichen Tätigkeit sein Gesicht geändert. Politik und Birt schaft sind ein Dorado für den Abenteurer geworden. Die Inflation in den zentraleuropäischen Ländern hatte nicht nur eine Hausse des Dollars, sondern auch des Abenteurertums zu verzeichnen.
Man denke etwa an jene fleinen wirtschaftlichen Eintagsfliegen, die in Berlin , Wien , Warschau oder der Hochburg der Inflation und Spekulation, Danzig , ohne Kapital und Kredit einfach auf die Hauffe des Dollars hin Banten und Kommanditgesellschaften gründeten. Man denke auch an jene Scharen von Pseudopolitifern, die zur selben Zeit, gleichgültig ob extrem links oder rechts eingestellt, die Politik zum Tummelplatz ihres Abenteurertums machten.
Aber auch Menschen, deren Name in der Wirtschaft Klang hat, Menschen, die für furze Zeit Europa Gefeße diftierten, wie ein Stinnes oder der Wiener Bantier Castiglione, sind im Grunde abenteuerliche Naturen, reüfsierte Wirtschaftsabenteurer. Der Erfolg gab ihnen recht. Daß diefer nicht von Dauer, daß er aljo unsicher fundiert war, zeigt der Verfall des Hauses Stinnes .
Es wird oft bei genialen Menschen die Beobadytung gemacht, daß die Söhne ins Pathologische abbiegen, d. h. daß sie nur die frankhaften Züge des Genies ererben. Hugo Stinnes hatte durchaus alle Charaktereigenschaften des großen Wirtschaftstonquistadors. Sein Sohn dagegen war schon reiner Abenteurer. Er sah wohl die Maschen des Gesetzes, durch die er sich hindurch winden fonnte, aber ihm fehlte der geniale scharfe Blid feines Baters, der die großen Zusammenhänge überfah.
Der Abenteurer ist ein soziales Problem. Er fühlt sich außerhalb der Gesellschaft, da diese sein übergroßes Streben nach Macht und Einfluß nicht anerkennt oder doch nicht in dem Maße, wie er es wünscht. Es ist beispielsweise für einen phantafiereichen und mutigen Menschen keine beglückende Aussicht, eine Stellung einzunehmen, die dem Bert, den er sich selbst gibt, in feiner Weise entspricht. D6 dieser eingebildete Wert von irgend einer Bedeutung ist, bleibt eine Frage, die der Erfolg beantwortet. Castiglione stieg aus sozial tiefgelegenen Schichten hervor und auch Stinnes gehörte vor dem Kriege nicht zu den Großen von Rang Gelegenheit macht nicht
Der Abend
Spalausgabe des Vorwärts
Nächtliche Versuche
Ein Reporter hört die Melodie der Welt
,, Der einsame Wanderer hatte den fahlen Bergesgipfel erreicht, das heitere 3witschern einer Frauenstimme, den fanatischen Beifall und starrte in das Schweigen der Sterne." Diesen Satz las der aus der Großen Oper, und dann kam neue Musik. Durch sie klirrie Reporter Karl Hammer in einem Roman und ließ das Buch sinken. das leise Klingen von Silber und Kristall. Und dann hörte er auch Die elektrische Lampe brannte hell und warf gleißendes Licht auf die nicht in den Weltraum gefunkte Musik: er hörte den harten eine Kohlezeichnung der Käthe Kollwitz . Das Bild begann zu leben Schlaghammertakt einer Arbeiterversammlung, der Reporter hörte und zu rebellieren, wie fast alle Bilder dieser großen Künstlerin. im Lautsprecher seiner Phantasie die menschliche Stimme in tausend Der Roman, den der Reporter las, war nicht viel wert. Er entfernte Tönungen und Formulierungen, das unterdrückte Weinen, den. sich, wie sein Held, von der festen Erde und schwärmte nach den Schrei des Aufstands und das herzübervolle Gelächter. einsamen Sternen, als ob da oben Erfüllung und Frieden sein Paris stürzte zusammen. fönnten.
Hammer ließ das Buch liegen, es war in der zwölften Stunde. Er stellte seinen Radioapparat ein, und nun war das Munder des singenden Raums da, das Wunder des tönenden Wethers. Durch das kleine Kristall stiegen aus dem stummen Nichts große Gefühle und Musiken, die Schattenbilder ferner Schicksale geisterten vor über, durch den Sterbegesang der alten Welt flangen schon die Hymnen der neuen Erde, chaotisch noch, aber doch schon verständig. Das Abendprogramm war zu Ende.
Der übliche Humbug war gefilmt worden, der seichte Aufkläricht und geschmäßige Geifer, die fatale Sendung mittelmäßiger Musik mit den harten Trommelschlägen patriotischer Verklärung: das alles war nun vorbei, nichts blieb im Herzen als das truntene Staunen über das Wunder der Technik. Aber das größere Wunder kam noch: der Aether wurde nach fremden Wellen abgesucht. Nach dem Ozean der Töne, die so schnell und fein schwingen, daß sie mit unseren Ohren nicht zu hören sind, wurden die Empfänger eingestellt. Die erste Station meldete sich: England.
Stationen, die ihre Signale über die Meere und Länder funken. Bor England aber hörte man das schnelle Herzklopfen vieler Durch die Morsezeichen, durch das unpathetische Kurz- Lang- Kurz schwemmte dann eine schwärmerische Welle schöner Musik. Diese Musit schwemunte aus England herüber, eine singende Woge, die als weißen Schaum das füße Alt einer Frauenstimme trug.
Die singende Welle füllte das ganze Zimmer aus. Die Welt mar da.
Und als die singende Woge in sich zerfiel, stürzte der dunkle Baß des Ansagers durch den tönenden Sturz und meldete: ,, Ladies and Gentlemen, Mister Harrington speak of..."
Und der Mister Harrington aus Daventry , England, beginnt zu reden, und ganz leise hörte der Reporter durch diese Rede die Funt fignale der Schiffe, die den Kanal kreuzten, Passagierschiffe, Fracht dampfer , Schlepper, Fährboote, und dann kam das hastige Ticken einer unbekannten Station.
Dann ist Berlin da, aber nur zwei Minuten, bald strahlen die Lichter von Paris . Paris ! Durch den schimmernden Sopran einer Sängerin hörte Hanuner den Herzschlag dieser Stadt, ihren verzückten Puls und den ekstatischen Tumult der Straßen. Er hörte
nur Diebe, sondern auch Abenteurer, Gelegenheit und eine Um schichtung der Gesellschaft oder auch eine Umgruppierung der Verhältnisse. Hierfür ein Beispiel.
Man kann in der Geschichte immer wieder beobachten, daß Persönlichkeiten, deren Name Klang und Wert hatte, in dem Augenblick ins Abenteuerliche oder auch ins Verbrecherische gleiten, in denen ein wirtschaftlicher oder politischer Umschmung ihre Moral begriffe einer schweren Belastungsprobe unterwirft. Militärische Kritifer behaupten, daß Ludendorff schon im Kriege ein Hajardeur war. Damals erschien er der Deffentlichkeit als der große geniale Mann, weil der Nimbus, den ihm seine Stellung verlieh, blendete. Die Nachkriegszeit änderte die Situation und Ludendorff verfiel der Rolle des politischen Abenteurers, der, da er den alten Glanz militärischen Gepränges schwinden sieht, sich mit dem Scheinglanz pseudomilitärischen Firlefanzes umgibt. Und hier offenbart sich die Tragit des Abenteurers, der Macht und Geltung braucht, der Ueberwertigteitsgefühle fultiviert, die eigentlich nur die Flucht vor den Minderwertigteitstomplegen verbergen. Diese Minderwertigkeitsfomplete treten bei den anderen, die aus der Tiefe der Gesellschaft aufsteigen, flarer hervor. Der Fall Ludendorff zeigt noch eins: nämlich, daß das Abenteurertum eines Menschen durchaus labil ist, daß die Verhältnisse darüber entscheiden, wohin die Entwicklung führt, und ob aus einem Mitglied der Gesellschaft ein asozialer Mensch wird.
Der Abenteurer ist ein asozialer Mensch. Aber er ist, obgleich er sein Sonderleben entgegengesetzt den Ansichten der Gesellschaft führt, doch nicht der Mann der Maske. Er spielt feine Rolle, von der er nicht innerlich überzeugt ist, mur die übersteigerte Borstellung von seinem eigenen Wert von der Größe seiner Persönlichkeit will er den Mitmenschen suggerieren. Der Abenteurer ist tein bewußter Betrüger, sondern ein betrogener Betrüger. Er bleibt unfruchtbar,
sofern es ihm nicht doch noch gelingt, sich in Reih, und Glied ein
aurangieren.
Sing- Sing
Felix Scheret.
Ein Zeitdokument gegen die Todesstrafe
Im Jahre 1920 trat Lewis E. Lawes den Posten als Direftor( Warden) des New Yorker Gefängnisses Sing- Sing an. Er mar damals ein überzeugter Anhänger der Todesstrafe. Heute läßt er ein Buch( Life and death in Sing- Sing, New Yort, Dobleday) erscheinen, das über fein Glaubensbetenntnis als entschiedener Gegner der Todesstrafe Zeugnis ablegt. Ueberall, wo um die Todesstrafe gekämpft wird, wird man aufhorchen müssen. Denn hier spricht ein Mann zur Welt, nicht zu seinem Lande, der ber weltliche Beichtvater von 266 zum elektrischen Stuhl Berurteilten war!
Sein Haupteinwand gegen die Todesstrafe: fie perroht die Menschen. Je mehr hingerichtet wird, um so höher steigt die Ziffer der Tötungsdelikte( im Lande der humansten" Todesstrafe). Lebenslängliche Einschließung wirkt weit abschreckender als der elet trische Stuhl. Andere Gründe: die Todesstrafe richtet sich fast ausschließlich gegen die unteren Klassen, die sich nicht an fähige
Das jüße Schluchzen der fernen Sängerin zersplitterte wie Glas. Nun funkte Charfom seine Telegramme, und das hämmernde Kurz- Lang- Kurz war wie das heftige Schlagen eines ruhelosen Herzens. Viele, viele Wellen kreuzten dann den Aether und erloschen in einer neuen singenden Woge, die das kleine Zimmer brausend erfüllte. Milano war da, und man hörte den großen Alarm donnernden Beifalls.
Noch einmal kam dann England, das heitere England, das fröhliche England mit Jazzband und Sarophonen und den burlesten Späßen eines Komiters. Aber, wie bei Paris , fonnte der Reporter mit den feinen Ohren auch noch andere Tömingen hören, er hörte die Minenschüsse in den Bergwerfen, das harte Klappern der Textilfabriken, den brutalen Lärm eines Walzwertes...
Nein, jetzt war das einsame Zimmer schon lange nicht mehr einsam. Neue Stationen funften neue Signale, man hörte die Funtsprüche der Telegraphenämter, der schwimmenden Schiffe, da zwischen heulten die Schreie mißhandelter Wellen.
Und Hammer fühlte und hörte einen Lobgesang vom AufMut flammt empor, schneller schlagen die Herzen, jetzt ist die fröhschwung des Menschen, der die Arbeit des Tages abgestreift hat. liche und ernste Sammlung zum zweiten Dasein da. Das zweite Dasein: über den großen, grauen Städten und arbeitsamen Ländern wölbt sich eine Woge von Musik, die kein anderes Vaterland hat als das menschliche Herz. Das Blut beginnt zu musizieren, in Berlin , in Charfow, in Paris , in London . Ueberall ist dieselbe Freude, überall ist derselbe Schmerz.
Der Reporter erlebte in jener Stunde die Verzauberung in die Zukunft hinein, wo der schöne Lärm der vielen Länder durch ein Kristall empfangen und geordnet weitergegeben wird, in alle Herzen einbricht und seine Gestalt und Wirklichkeit findet im geeinten, harmonischen Europa , im Europa der dunklen Fuge, in der brausenden Sinfonie der ganzen Welt.
Die letzten Morsezeichen tatten durch den Raum.
Hammer nahm noch einmal sein Buch vor und lächelte, als er den Satz von dem einsamen Wanderer las, der in das Schweigen der Sterne starrte. Er schrieb schnell und gelentig die neue Fassung an den weißen Rand:
,, Ein fröhlicher Wanderer lauschte in die Musik der Sterne Max Barthel . hinein."
| Verteidiger wenden können. Der Wohlhabende hat ganz andere Möglichkeiten, sich zu verteidigen und eine geistige Erfrantung nach zuweisen. Durch eine Fülle von Beispielen werden diese Behauptumgen bewiesen. Von Just i zmorden wird berichtet, die Sinnlofigfeit einer Strafe nachgewiesen, deren Ziel nicht die Besserung des Täters ist, und schließlich: die Angehörigen der Ver. urteilten werden durch die Hinrichtung schwerer getroffen als der Mörder selbst.
Daneben finden sich Betrachtungen über Strafe und Berbrecher überhaupt. Einmal spricht ein zu zwanzig Jahren Sing- Sing verurteilter Italiener: Im Krieg mußte ich einmal einen Deutschen töten, der mir nichts getan hatte. Dafür bekam ich eine Auszeichnung. Dann kam ich nach Hause und tötete diesen Kerl, der meine Schwester ins Unglück gestürzt hat. Diesmal sagt der Richter, ich muß zwanzig Jahre sitzen. Im Krieg habe ich vielleicht gemordet,
aber sicher nicht, als ich diese Schlange umbrachte."
Wie steht es um den„ geborenen" Verbrecher? Man zeige mir einen Amerifaner," schreibt Lawes, der genau aussieht wie Uncle Sam , oder einen Engländer, der John Bull ist. Dann will ich gern zugeben, daß man eines Tages den typischen geborenen" Verbrecher finden wird."
Lawes wendet sich auch gegen die kriminalistischen Vorurteile gegenüber gewissen Rassen. Wenn in Sing- Sing die Angehörigen bestimmter Nationalitäten besonders start vertreten sind, so liegt dies an der Auswanderungsbewegung. So überwog im Gefängnis anfangs das irische Element, als die Iren die stärkste Einwanderungsquote aufwiesen, später waren die Deutschen in der Mehrzahl, die dann von den Italienern abgelöst wurden, denen jetzt die Neger folgen.
Wer sich für die Geschichte des Gefängniswesens interessiert, wird bei Lawes eine kurze Chronik dieses in der Welt am meisten genannten Gefängnisses finden: von den Anfängen, als die Prügelstrafe und die Ausbeutung der Gefangenen zugunsten einer befonderen Unternehmerschicht noch an der Tagesordnung waren, bis zur modernen Entwicklung. Auch die Mißstände, die Uebergriffe und Durchstechereien der Beamten werden erörtert. Parallelen zur Tageschronit drängen sich auf. Dazwischen finden sich Schilderungen vom Sterben der Zweihundertsechsundzwanzig, die Warden Lawes auf den elektrischen Stuhl schicken mußte.
Es bleibt zu münschen, daß die Aufzeichnungen des Direktors von Sing- Sing bald auch der deutschen Deffentlichkeit und vor allem denen, die für die Reform unseres Strafrechts und Strafvollzugs in Frage fommen, zugänglich gemacht werden könnten.
stf.
Bayerische Staatsbibliothek in Schwierigkeiten Die Staatsbibliothet in München sieht sich veranlaßt, den Bezug der Zeitschriften sowie sämtlicher Neuerscheinungen bis 1. April einzustellen; auch nach diesem Termin wird sie Neuerwerbungen nur in bedeutend verringertem Maße vornehmen fönnen. Die Schwierig feiten, die in solchem Umfange zum ersten Male seit der Inflation bei einer der großen deutschen Bibliotheken auftreten, sind auf Kürzungen zurückzuführen, die an den betreffenden Positionen des Etats des bayerischen Kultusministeriums vorgenommen wurden.