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??r. 429» 46. Jahrgang �Ö�Ortödt�t� Sonntag März �929
Die letzken Ausführungen an dieser StelleWas der Flickschuster erzählt" in?U. 45 des..? o r w ä r t s" vom 27. Zanuar, regten einen Leser unseres Blattes, Meister de» lischlergewerbe». an, auch aus seinem Verusslebeu zu erzählen. Der Tischler von früher durste, wenn er bestehen wollt«, nicht allein Möbeltischler sein, er muhte auch Bauarbeiten oussühren, Fenster, Türen, Treppen und Fußböden fertigen können und sogar dem Sterblichen sein letztes Haus bauen. Er mußte für die Musiker die bei Erntesesten und sonstigen Tanzgelegenheiten zerschlagenen Holzinstrumente wie Bässe, ja selbst Geigen, Harmoni- las und dergleichen wieder zusammenleimen. In allem mußte er ein vielseitiger Mensch sein! Das Holz, das Rohmaterial, das zu verarbeiten war, wurde im Walde.che» der Holzversteig«- rung" aus dem Stamm gekaust, die Bäume wurden dann im Winter gefällt. Die Zeit für das Fällen der Bäume war imWade l', d. h. in den Monaten Dezember und Januar, weil man sich richtig sagt«, daß in dieser Zeit kein Saft in den Bäumen vorhanden und so der Holzwurm unschädlich gemacht ist. Die Bäume wurden auf Schlitten oder Schleifen zum Schneideplatz gebrocht. Aus dem Schneideplatz standen zwei Holzböcke von sieben bis acht Fuß Höhe, oder es war ein geräumiges Loch von derselben Ties« in die Erde gegraben. Aus verganaenen Tagen.
Nun begannen die Drettschneider ihr« Arbeit Ein«
..... F. lassen. Sie bezeichneten die Weg«, die von der Säg« von den Brett- schneidern in den Baumstamm gezogen werden mußten. Ein Mann stand aus dem Stamm, auf demStoß zur Säge", und«in Mann stand unten aus demZug zur Säge". Bei den Holz- böcken war es immer eine umständliche Angelegenheit, den schweren Baum auf die Böcke hinaufzuwinden, dagegen waren die Brett- schneider, die in dem ausgehÄenen CrAoch arbeiteten, im Vorteil. Diese so gesägten Bretter oder Planten waren denen, die heute verfertigt werden, naturgemäß wenig ähnlich, darum gehörte zum Handwerkszeug auch noch das Beil, das A u g m« s s e r und der Schrubbhobel. Das kennt der Tischler von heute nicht mehr. Dies« Bretter oder Planken wurden in der Werkstatt mit der K l o b- säge zu gebrauchsfertigen Brettern von 1 bis Wi Zoll Stärk« geschnitten. Aus diese Weise wurden selbst die Furniere geschnitten. Diese ganze Arbeit erforderte viel Kraft, und mancher Lehrling hat deshalb dies Handwerk wieder aufgegeben. Die Klobsäge verkörpert die jetzige Gattersäge mit dem Unterschied, daß sie nur aus einem Sägeblatt bestand. Nachdem die Bretter mit der O e r>« r- säge bekantet waren, wurden sie mit dem Schrudlchobel, Schlicht- Hobel und endlich mit der Rauhbank gerade und winklig ge- hobelt. Wenn dies geschehen war, wurde das zu fertigend« Möbel- stück zugerissen, geschlitzt, gestemmt, gebohrt, gezinkt und zusammen- gepaßt. Nun begann die Feinarbeit. Das zusaminengepoßte Möbelstück wurde auseinandergenommen und mit dem Putzhobel
und mit der Ziehkling« und dem selbstgemachten Glaspapier bear- bettet. Die einschiebbaren Füllungen und dergleichen wurden poliert. War dies alles aufs sauberste verrichtet, wurde das Möbelstück zu- sammengeleimt. Jetzt wurden die Außenflächen gesäubert und po- liert. Zum Schluß wurden die Türen und Schlösser angeschlagen. Dies machte In früherer Zeit alles ein einzelner Mensch. Der Tisch­ler mußte eben jedes Möbelstück anfertigen tonnen, sonst bekam er ol» Geselle keine Arbeit. Die Lehrzeit betrug bis 5 Jahre. Dies richtete sich danach, ob Lehrgeld gezahlt wurde und der Vater oder der Meister den Lehrling kleidete. Der Junggeselle erhielt eine» Wochenlohn von drei Mark: dieser steigerte sich noch Jahren bis auf sechs Mark bei voller Kost und Wohnung unter den Dachziegeln, neben den auf Vorrat gearbeiteten Särgen(wie es mir erging). Die Arbeitszeit war tm Winter von morgens 6 bis abends 8 Uhr. Mittags- und Kaffeepausen nach dem Esten gab es nicht. Der Lehrling hatte noch für dieFrau Meister" Wasser von der Pumpe zu holen, Holz und Feuerung und sonstige Gänge zu be- sorgen und in einigen Fällen auch noch aus die Kinder zu achten. Auf der Wanderschaft. Bei der Zunft wurden die Lehrlinge nach einer Probezeit eingeschrieben(Einschreibgebühr 3 Mark) und nach beendeter Lehr- zeit und Anfertigung des Gesellenstückes zünftig ausgefchrie- den sAusschreibaebühr 6 Mark). So erhielt jeder seinen Gesellen- brief. Ein Geselle, der nicht aus Wanderschost ging, galt nichts in seiner Zunft. Schlechthin hieß er Muttersöhnchen. In Süd- und Westdeutschland nennt man die Tischler Schreiner  . Hatte ein Geselle die Absicht, in dem Ort, wo er arbeitete, sich selbständig *u machen, so trug er sein Anliegen seinem Meister vor. Dieser setzt« den Ä l t m e i st e r in Kenntnis. Er berief die Innung. Hatte der hohe Rat sich entschlossen, dem Gesellen nichts in den Weg zu legen, so wurde dos M e i st e r st ü ck bestimmt. Die P r ü f u n g s- k o m mi s s i o n mußte während der Anserttgung des Meisterstückes dreirnal in Tätigkeit treten. Der Schlußabnahme wohnt« der Alt-
-«stb-
So wurden früher SireUer gesägt
meister bei. Von der versammelten Innung erhielt der Prüfling mit einer Ansprache des Altmeisters seinen Meisterbrief überreicht. Hieran schloß sich dann eine' Feier. Der Meisterbrief berechtigte auch dazu, in dem Ort das Bürgerrecht zu erwerben. Oer Derliner Tischler von heute. Wie ist es dagegen heute? Der Tischler ist Maschinenarbeiler geworden. Da sind zunächst die Möbelfabriken mit ihren verschiedenen Werkstätten. In jedem Betrieb wird nur eine be- stimmte Art Möbel angefertigt. Die Gesellen und Lehrlinge fertigen sehr häusig nur einen' bestimmten Teil für das Möbelstück, bleiben also vollständig einseitig. Sie sind lediglich aus große Städte mit Möbelfabriken angewiesen. Betrachtet man alle die Maschinen, die der Mensch für dieses Handwerk erfunden hat: Band-, Kreis- und Schweissäge, Hobel-, Bohr-, Fräs- und Poliermaschine», Furnier- Vorrichtungen, wo zwanzig und mehr Teile zu gleicher Zeit«tnge- spannt werden, so ist es kein Wunder, daß auch weiblich« Kräfte in der Tischlerei beschäftigt werden. Nicht allein kann man die Bretter in jeder Stärk« kaufen, sondern auch gleich gc- hobelt erhalten. Ebenso sind Furniere jeder Sorte käuflich zu habe». Sie werden in den meisten Fällen nicht mehr mit der Säge ae- schnitten, sondern mit besonderer Vorrichtung vom Stamm geschält. Die Sarg Magazine sind eine besondere Spezialität, ebenso die Stuhlmachereien. Das Baufach weist Türerisabriken, Fenster- fabriken und Treppenbaufabriken aus. Die Fenster- und Türen- beschläg« sowie das Anschlagen der Schlösser sind wieder besonders spezialisiert. Heute hat sich in den Arbeitsbedingungen vieles gebesscrt: die Arbeitszeit ist gesetzlich geregelt, auch für den Lehrling, er braucht auch nicht mehr für dieFrau Meistern" Dienstmädchen zu sein. Der Tariflohn muß gezahlt werden. Der Lehrling ist im allgemeinen von unrühmlichen Ausnahmen abgesehen nicht mehr der körperlichen Züchtigung durch den Meister ausgesetzt. Die Schlafstelle ist nicht unter dem Dache, wo der Sperling seine Jungen hat. Die ganze Behandlung ist menschenwürdiger. Hinge- wiesen sei noch darauf, daß früher die Bauhandwerker, wozu auch der Tischler zählt«, ihre Mahlzeiten in oder am Neubau unter freiem Himmel einnahmen. Heute muß jeder Bauherr ausreichende Baubuden aufstellen. So anerkennenswert der Fortschritt durch die Maschinen ist, so hat er auch seine Nachteil«. Der M> t t e l- stand, der kleine Handwerksmeister im Tischlergewerbe, verschwin- det mehr und mehr. Bis in die entfernten Ortschaften bürgern sich die Fabrikmöbel ein. Der kleine Handwerksmeister kann für die Fabrikpreise sein« soliden, mit der Hand gearbeiteten Möbel nicht hergeben. Wie jetzt von einem Flickschuster gesprochen wird, so wirb man auch später nur noch von einem F l i ck t i s ch l e r sprechen. Daß aber die im letzten Absatz geschilderten Uebelständ« end- güllig der Vergangenheit angehören so schließt der alt« Tischler   ist nicht am wenigsten das Berdienst der Sozialdemo­kratischen Partei, die sich angelegen sein ließ, auch hier vorwärtszukommen. Wollte man sich doch diese Tatsache merken! Karl Behrens  . Staaten als Stützpunkt des Lufifchiffvertehrs. lieber den Ankauf des Flugplatzes Staaken  , den der Magistrat(wie imVorwärts" gemeldet wurd«) beschlössest hät. wird jetzt die S t a d t v e r o r d n e t e n v e r s a in m l u n g zu ent- scheiden haben. Ein« Borlage, die der Magistrat ihr hat zugeben lassen, sagt zur Begründung:Durch die Amerikafahrt des Luft­schiffesGraf Zeppelin  " ist bewiesen worden, daß für Transozcan- fahrten und für die ganz großen Fernlinien über Land das Luft- schiff das geeignetste und aussichtsreichste Schnellverkehrsmittel ist. England beabsichtigt, aus dieser Erkenntnis heraus noch im Laufe dieses Jahres einen Lustschiffverkehr mit zwei Luftschiffen von Eng- land aus noch Aegypten  , Indien   und Australien   durchzuführen. In- folge der ungünstigen meteorologischen Lage in England, besonders im Winterhalbjahr, wird England Stützpunkte auf dem Kontinent benötigen. Es hatte diesen Cfkstchtspunkt bereits bei Abschluß des Friedensvertrages berücksichtigt und dafür gesorgt, daß drei sogenannte internationalisiert« Hallen in Deutschland   vor dem Abbruch bewahrt blieben. Eine dieser Hallen steht auf den der Lustschifs-Zeppelin G. m. b. H. in Friedrichshafen   gehörigen Flug- platzterroins in Staakem Die Gesellschaft hat der Stadt Bcrlln dies«
KomaM einer Kevoluliott. Don GetltArl MeccntAnn Mxislax Hampel beschäftigte sich eine Weile mit seinen Kanarien- vöglen.Deshalb." schloß er dann leise,geht es den Manschen noch heute schlecht. Weil die Falschen regieren." Er setzte sich wieder und sah Alexander ernst an.Und wer, meinst du, ist nun schuld daran? Der Fürst? Der Arme?" Der nun mal ganz bestimmt nicht! Der war doch der allerbeste!" sagte der Junge begeistert. Allso wer dann?" Der gründliche Alexander sann eine Weil«.Der Engel, der sie verwechselt hat, und der Kanzler." Richtig!" bestätigte Hampel.Der Engel war ja nun mal kurzsichtig. Der Kanzler aber nicht. Dem ging's jedoch weiter gut, auch als der Fürst tot war. Der Arme aber wurde immer noch ärmer, als er aus dem Ge- fängnis kam. Das ist nun mal so." Es bleibt aber nicht immer so!" glühte der Junge und nahm sich vieles vor. Sicher nicht." Hampel sah auf Gerda.Hast du denn nicht gemerkt, Gerda, daß die Geschichte eigentlich ein Rätsel war?" Gerda zählte an zitternden Fingern auf.Das Schloß ist Schloß Bernburq. der Fürst ist der Herzog, der neulich ge- starben ist und für den sie heute in der Kirche beten, der Arme ist mein Großvater, und die Erschossenen liegen in den vier- zehn Gräbern auf dem Friedhofe." Ein Wagen rasselte draußen auf der Straße heran und dröhnte in das Schweigen. Und der Kanzler?" fragte Alexander blaß vor Er- Der hat heute auch für den Fürsten   gebetet. Dort fährt er!" sagte Hampel und wies hinaus. Draußen fuhr Trojegt vorüber. Er kam von der Kirche.
18. Verhängte Fenster. Die anhalt-bernburgifche Abordnung, die vom Herzog Friedrich Leopold zu einer vorbereitenden Audienz nach Dessau   geladen war. traf bereits am Vormittag ein. Sie be- stand nicht nur aus Trosegk als dem Vertreter der Herzogin und des Landes und dem Bürgermeister als Vertreter der Stadt auch die Kleinbürgerschaft, die sich in einer bewegten Versammlung für die Selbständigkeit Anhalt-Bernburgs und für die weibliche Erbfolge ausgesprochen hatte, wollte dabei sein, und Friedrich Leopold   hatte ihrem Wunsch sofort ent- sprachen. Ob das wirkliche Liberalität oder nur Klugheit war, stand dahin: der zynische Oberhofmarschall von Barby  erklärt« jedenfalls, es sei«her Klugheit, da Klugheit zwar unter Umständen liberal machen könne, hingegen Liberalität auf keinen Fall klug. Da die Audienz erst für den Nachmittag vorgesehen war. empfing der persönliche Adjutant des Herzogs, der junge Graf von Alvensleben, die Bernburger   bereits am Bahnhof und führte sie durch die regsame Stadt in den Gasthof zum Goldenen Beutel und dies« Aufmerksamkeit war wiederum klug oder liberal oder beides; selbst der Tischlermeister Iuckenack, der im Vorübergehen festgestellt hatte, daß im Theater Wagner-Opern unter Leitung des kunstsinnigen Kronprinzen Friedrich aufgeführt wurden, und der sich zu entsinnen glaubte, daß dieser Wagner doch auch mal so ein verdächtiges, aufrührerisches Subjekt gewesen war selbst dieser Skeptiker fühlte sich aufs angenehmste berührt, als er die geschmückte Tafel sah, die auf des Herzogs Kosten im Prunkzimmer des Goldenen Beutels aufgebaut war. Man nahm Platz, Trosegk am einen, der junge Alvens- leben am anderen Ende der Tafel, und die verschiedenen Grüppchen musterten sich mißtrauisch: nur von der klein- bürgerlichen Opposition wußte man zu sagen, mit welcher Marschroute sie erschienen war. Aber auch ihr Führer, zu welchem Posten man Iuckenack seiner Redseligkeit wegen er- koren hatte, ließ die Suppe unter anerkennendem Schweigen vorübergehen: und"als sein Nachbar, Bauer Holzvoigt aus Pobzig  , auf die Bestecke wies und ihm leise zuflüsterte:.Kucke ma die scheenen silwerncn Messer un Iawweln!" da gab er zu:Jojo, scheene Iawweln!" Dann jedoch gab's Wein, und der war nun so gut. daß Iuckenocken ein Verdacht in der niederen Stirn ausstieg. Er beugte sich zu Holzvoigt:«Du, uffpassn! Die wolln uns be- ftechnl"
I wo!" beruhigte der friedfertige und weinfrohe Pob- ziger.Die Hans doch derzu!" Iuckenack blieb bei seiner Idee:Machen mir awwer nichel" und es kam das Fleisch, indessen über die Tafel weg zwischen Alvensleben und Trosegk noch immer leere Höflichkeitsfloskeln getauscht wurden und der Bürgermeister grundsätzlich schwieg. Scheene Kabeln Fleesch," meinte wieder Holzvoigt, während der beängstigend vornehme Oberkellner den Braten auf einer silbernen Schüssel herumreichte er wählte das im Bernburgischen für recht große Stücke übliche, wohl von der Ackerflächenbezeichnung übernommene WortKabeln", und das war wirklich eine Anerkennung. Aber er sah miß trauisch auf die Schüssel, von der sich jeder selbst das Fleisch nehmen mußte, kunstvoll mit Gabel und Löffel solche feinen Umständlichkeiten waren in Pobzig unbekannt. Da war der Kellner auch bereits heran, schob die Schüssel zwischen ihn und Iuckenack:Bittä ssähr!" Der Mann sprach hochdeutsch, was Holzooigt noch mehr beunruhigte: im Bern- burgischen gab's gottlob noch keine hochdeutschen Kellner. Holzvoigt wünschte innerlich die Dessauer zum Teufel, wurAe rot, sah verwirrt um sich richtig, der Vertreter des Herzogs sah ihm lächelnd zu. Mit dem Mute der Verzweis- lung nahm er seine eigene Gabel und seinen eigenen Löffel vom Tisch und beförderte zitternd, aber glücklich ein Stück Fleisch auf seinen Teller. Er sah triumphierend um sich. Aber der Dessauer lächelte noch immer so fatal. Hatte er etwas vergessen? Hastig nahm er feine Gabel vom Teller und legte sie auf die Schüssel. Des Kellners Mundwinkel zuckten indigniert.Die Gabel noch, bittä ssähr!" schnarrte er. Holzvoigt war sofort versöhnt.Roch anne Kabel?" fragt« er.Nu, wenn Se meenen..." Er beförderte«in neues Stück auf seinen Teller, diesmal nur mit der Gabel. das ging wesentlich leichter, wenns auch ein bißchen tropfte und legte die Gabel sorgfältig zurück. Die Gabel, mein Herr!" sagte der Kellner wieder, schon recht ungeduldig. Der Dessauer lachte. Holzvoigt lachte mit.Ree, mehr brauch ich nu wurklich nichel" Aber der Kellner blieb stehen. Da endlich stieß ihn Iuckenack in die Seiten:Mensch, der meent doch anne 2 a w w« ll"(Fortsetzung folgt.)