Oiensiag �9. Mörz 1929
Unterhaltung unö ÄAissen
Beilage des Vorworts
Jimflug nach 3>renmlau
Es sind imm�r politische oonbcrfäüf, die die Aufmerksamkeit auf sonst tamn bekannte und so übseits aeleqene Städte lenken. Äüstrin war eine ftistorische Noti,. bis plötzlich der Putsch der Schwarzen Reichswehr den Namen ZU neuer„Berühmtheit" vsrholf. Und nun haben kürzlich die Richter zweier Initanzen Prenzlau zu einem„Fall" gemacht. Der Vorgang ist bekannt: Ein Stahlhelm- sührer hatte in öffentlicher Versammlung erklärt:„Aus Verrat und Meuterei ist der heutige Staat geboren," und der Amtsrichter und die Strafkammerrichter in Prenzlau fällte» im Namen des Volkes das Urteil, doh diese Aeuherung keine Beschimpung der Republik sei, weil mit ihr nicht der heutig« Staat, sondern nur seine Eni- stehung gemeint gewesen sei, womit wohl diese Entstehung als gerichtsnotorisch sestgestellt gelten soll. Prenzlau — Prenzlau ...? Im westlichere» Deutschland nahm man den AUos zur chaird und„entdeckte" die Stadt im Norden der Uckermark, wo man schon bald in Pomniern ist. Do oben also liegt es; und man fand das Urteil nun schon begreiflicher. Es fiel wie Scheinwerferlicht auf ein Stück unbekanntes, politisch beinahe noch nicht ganz«rsorschtes Deutschland, dos der Reisende auf der Fahrt Berlin -Stettin vom Schnell zugfenster aus nur flüchtig betrachtet. Wie steht so eine Stadt, die zum politischen„Fall" wird, aus? Uckermark — bei diesem Namen stellt man sich langweilige änn toffel- und Ritbenfelder vor, uckermärkischcn Tobak, Agrarland, Ver- walter in Schaftstieseln, schwere Gespanne in schwerer Erde. Das stimmt ungefähr für den Umkreis der Stadt Prenzlau . Die südlich« Uckermark um Lychen und Tcmplin, zwischen dem Stechlin- und dem Werbellinsce ober ist eine der schönsten Landschaften der Mark. Sie wirkt wie ein grün ousgeschlagener Spiegelsaal: See an See ist blank eingelassen in die grüne Pracht der Wälder, Kiefernwälder, in denen die Wacholderbüsche stehen wie feierliche Flammen, mit einer hellgrünen Lichtkontur um den dunkelgrünen, silberbereiftcn Kern, Laubwälder, locker und mächtig gebauscht um die wollenden Säuzne hellen Wassers. Tagelang kann man im Boot auf dein Wasser leben und durch schmal« Kanäle, in denen unzählbar die Schn, uckschalen der Seerosen schwimmen, aus einem See in den andern fahren. Jade Stadt hat ihre lockenden Seeufer, Templin , noch fest umschlossen von seiner Mittelalterlichen Stadtmauer, Lychon, das beinahe mitten im Waster liegt. Prenzlau am lichten Ufer des Uckersees. Die weißen schwingenden Segel gehören zum Bilde dieser Städte wie ihr« Backsteinkirchen, ihr« wehrhaften Tore und Türme, rot und kantig eingefügt in das Konglomerat der Stadtmauer, in der all« Gesteine vermauert wurden, die die Gletscher der Eiszeit aus dem Norden hierher auf den flachen Boden der Mark wälzten. Aus diesen Wäldern fährt man in die offene Agrarlandfchaft um Prenzlau . Landstraßen ziehen endlos« weißstaubige Bänder durch das Ackerland. Blühende Lupinenfelder leuchten im Herbst. Aus weiser Fern« schon erhabt als Wahrzeichen der Landschaft die Prenzlauer Marienkirche ihre beiden kantigen Türme hoch über die Fläche. Um die Kirche wäre ein« lebhafte ansehnliche Stadt zu denken, aber ,nan kommt nur tn«ine abseitige, in sich selbst beharrend« Provinz- stadt mit knapp 22 Ott) Einwohnern. Di« Geschichte der Stadt ist eine Variante der Geschichte der meisten ostelbischen Kolonialstädta. Die Pommern bauen im 12. Jahr- hundert eilte Burg am Ztordende des großen Uckersees, die den Uebergang über Uecker und damit die Pforte nach Pommern be- wacht. Um die vielumtämpfte Burg entsteht aus den flachen Anhöhen über dein See Prenzlau aus typische Kolonialgründung, der im 13. Jahrhundert das Stadtrecht verliehen wird. Die gttterroftartige Anlag« der Straßen mit dem Markt in der Mitte ist bis heute un- »«rändert geblieben, und auch die Stadtmauer, die Wchrtürme und Weichhäuser haben sich erhallen: man kann jetzt noch längs der Mauer den alten engen Umkreis der Stadt abschreiten, die schon früh vorstädtische Ausläufer seewärts ins Ueckerbruch ausstreckte. In,
13. Jahrhundert wird Prenzlau brandenburgisch, ober mecklenbur- gische, brandenburgischc und dänische Oberhoheit wechseln noch mehr- mols miteinander ab. Es gibt Kämpfe mit den Pommern , und als im 13. Jahrhundert zwei Bürgermeister, Beltz und Grieben, die Stadt an die Pommer» verraten, werden sie auf dem Marktplatz hingerichtet, nachdem man jedem die rechte Hand abgehauen hat. Die Ställe der Hinrichtung Ist im Marktplatzpfloster kenntlich gemacht und dl« abgehauenen Hände werden im Museum aufbewahrt. Pest - jähre, Äriegsnöte und Stadtbrände dezimieren die Stadt immer von neuem: zntept verwüsten 180S napoleanifche Truppen die Stadt. Alle Fährnisse überdauert, wenn auch mit einigen Schrammen, die Marienkirche, eine der schönsten Bocksteinkirchen der Mark, hoch über die Dächer der bescheidenen Häuser aussteigend. Den be- rühmten Prachtgiebel überspinnt dos raffinierte Cchmuckwerk der vier durchbrochenen Wimperge mit einem bewunderswerten steinernen Spitzengewebe. Auch der Innenroum wirkt gewallig: nicht so der Küster, der uns erst gewahrte, als wir schon wieder durch das offen- stehende Portal ins Frei« traten, und der nun eilig aus dem fernsten Winkel der Kirche herbeikam und von jedem dreißig Pfennige für die Besichtigung der Kirche einkassierte, ohne sich weiter bemüht zu hoben. Man sinnt darüber nach: in welch großartigen Maßen dachten die Erbauer einer solchen Kirche, die wie eine Burg Gottes die Landschast beherrscht, welche Zukunft einer Stadt erwarteten sie um ihr Werk, und welche in der Vergangenheit sitzengebliebene Klein- stadt nistet Nun um diesen mächtigen Bau. Viele Baudenkmäler stehen noch da, aber es ist nichts nachgewachsen. Prenzlau liegt anderthalb Schnellzugstunden von Berlin entfernt, aber der Reisende im Schnellzug sieht nur flüchtig auf: Prenzlau ?— Wann sind wir in Stettin ? „Das märkische Rothenburg" nennt sich Prenzlau . wenn es sich In Empfehlung bringen will. Man ist hier oben frei- gebig mit solchen Beinamen. Auch Neubrandenburg , die einstige märkische Vorderstadt im Mecklenburgischen vergleicht sich mll Rothen- bürg, und Lychen nennt sich gar„das märkische Interlaken". Da- gegen: Rothenburg hat bis heute darauf verzichtet, sich das süd- deutsche Prenzlau zu nennen. Mll der Stadt ist man bald fertig. Vom Milleltor, einem merk- würdigen Wehrturm, der einen quadratischen Unterbau, einen acht- eckigen Wehrgang, einen runden Oberbau mll Zinnenkranz und einen spitzen Steinhelm keck und wuchtig übereinanderbaut, steigt man wieder hinauf zum Markt, auf dem vorm Rathaus Friedrich der Große , Wilhelm I. , Bismarck , Moltke und Luther in Bronze das rechte oder das linke Bein vorstellen: ein Apotheker hat sie ge- stiftet. Man rastet im einzigen Cafe der Stadt, in dem es zwischen grellen Farben und üppigem Dekorationskitsch ziemlich mussig riecht, und bewundert den reichen Aushang völkischer Zeitungen— man weiß, wo Man ist. Dann schlendert man hinunter zmn weit«ntspanillen Ueckersee. In den Anlagen am See steht ein Ehrenmal für die Opfer des Weltkrieges. Ein Genius schwingt sich aus Allarslammen auswärts, aber auch dieser symbolische Jüngling zückt schon wieder das Schwert. Die Inschriften nennen lakonisch furchtbare Zahlen:„Reserve- Insanterie-Regiment 207 seinen gefallenen 2410 Soldaten. — Den 3800 gefallenen Kriegern das Brondenburgische Infanterie-Rcgi- mcnt 64— Herr, mach uns frei." Darum wohl das Schwert in der Hand des Genius. In der Nähe dieses Ehrenmols steht eine Bank, und auf dieser Bank wird an kommenden schönen Frühlingstagen manchmal«in deutscher Richter sitzen und in seiner Brust die Ueberzeugung, daß die mit dem Blute auch� dieser 2410 und 3800 Opfer getaufte Republik aus Berrat und Meuterei entstanden ist. Edgar Hahnewald.
ffiäisel der Schwerkraft
Wir wissen nicht, was die Schwere ist. Eine Weile glaubte man, es zu wisien, da kamen neue Forschungsergebnisse und die Theorie wurde Makulatur. Aus den neuen Ergebnisten aber konstruierte man ein« neue Lehre, nämlich die. daß es sich um Aethcrwellen handle. Der Genfer Mathematiker Lesage(1724— 1803) war wohl der erste Verfechter dieser Ansicht. Wie aber jetzt»och der Theorie, daß das Licht eine Wellenbewegung sei, die Quantentheorie von Planck gegenübersteht, so gibt es auch eine Ansicht(T a h u l k a in Wien verfocht sie), daß die Schwerkraft nicht durch eine Strahlung, sondern durch den äußeren Druck der„Atome" des Lichtäthers hervorgerufen werde. Im allgeineine» pflegt man jedoch mehr zu den Sirahlungs- theoretikern zu stehen. Und aus Amerika kommt jetzt«ine Nachricht über Schweroersuche, die, wenn sie mit den bestehenden Theorien überhaupt erklärt werden kann, die Strahlimgelehre sehr stark zu stützen scheint. Genaue Bestätigung dieser Versuche muß natürlich noch abgewartet werden: sie sind aber so interessant und(wenn sie stimmen) von solcher Bedeutung, daß man sich schon jetzt ruhig einmal damit befassen kann. Es ist bekannt, daß alle Körper in Wirklichkeit gleich schnell fallen, nämlich mll einem Geschwindigkeitezuwache von 0,8 Metern in der Sekunde. Di« scheinbaren Unterschiede in der Fallgeschwindigkeit werden lediglich durch den Lustwiderstand hervorgerufen, der ver- schieden« Körper verschieden stark hemmt. Der Versuch in luftleer gepumpten Röhren überzeugt aber leicht, daß diese Unterschiede wirklich nur dem Luftwiderstand ihre Eristenz verdanken. Alle Körper sollen also gleich schnell, mit der genannten Be- schleunigung.„Ausnahmen gibt es nicht!" Sagten sowohl die Theorie als auch die praktischen experimentellen Erfahrungen. Einem amerikanischen Physiker, Professor Charles F. Vrush, ist e» nun aber doch gelungen, eine Ausnahm« zu finden— einen KSrper. der auch in luftleeren Räumen langsamer fällt, als olle anderen. Es handelt sich um destimmte chemische Verbindungen, sogenannte Silikate, welche aber, darüber schweigt Brush sich noch au?. Jedenfalls experimentiert« er mit solchen SUiloten und mochte dabei zu- nächst die erstaunlich« Eyrdeckung, daß sie stets Wärme abgaben, also stots warmer waren al» die sie umgebende Lust. Hätte es sich tun radioaktwe Stoffe geharidelt, so wäre die Quelle dieser Warme-
Produktion leicht erklärlich gewesen. Die Wärme hätte ihren Ur- sprung im Atomzerfall gehabt. Nun waren die Silikate aber nicht radioaktiv, und so konnte Brush denn keine ander« Erklärung finden als die, daß sie Schwercwellen verschluckten und dadurch warm wurden. War diese Vermutung richtig, so mutzten entsprechende Versuche irgendwelche absonderlichen Erscheinungen zeigen. So sing er denn an. Falloersuche anzustellen, mit hohlen Fall- gewichten von gleichcr Form, das eine mit den Silikaten, das andere mit Bleipulver gefüllt. Der Erfolg war überraschend. Trotz pein- lichster Sorgfalt und rassiniertestcr Kontrolle(Vertauschnng der Fall- hülsen, Untersuchung im lusrleeren Raum und Im Vakuum, Zeit- lupenaufnahnien, und allen anderen Methoden zur Sicherung vor Fehlern) gab c» stets das unglaubliche Ergebnis: die Fallhülse mit den Silikaten fiel etwas langsamer als die mit dem Blei. Nicht viel, aber recht gut meßbar, wen» man mit Striche» versehene Glas- platten dahinterstellle und das ganze filmte. Als Durchschnittsresultat ergab sich eine Abweichung von 0,60 Metern von allen anderen bekannten Materialien, d. h. die Silikate zeigten nur eine Schwere- beschleimigung von 0,2 m/sek. gegen die gewohnten 9,8 m/sck. Welche theoretischen und auch praktischen Folgen die Entdeckung haben wird, kann man nicht voraussagen: vorläufig weiß man nur. daß da» Rätsel der Schwere durch Bushs Versuche noch unentwtrr- barer geworden ist. Oder kurz vor der endgültigen Lösung steht. Willy Lcy.
Rotiert unser wellall? Aus mancherlei Anzeichen glaubte man schon früher schließen zu können, daß unser ganze» Weltall , die Milchstraße» sich in langsamer Drehung befind«. Di« Feststellung dieser Tatsache ist um so schwieriger, als die Crde selbst die Loge ihrer Achse in Schwingungen von 26000 Jahren Dauer verändert und somit keinen Fixpuntt abgibt. Nun ist es Lindbtad in Schweden und Oort in Holland gelungen, mit Hilst schmieriger Berechnungen die Drehungen des Weltalls in einer Zeit van 200 pts 400 Millionen Jahre» wahrscheinlich zu machen. Würde die Milchstroß« sich rascher drehen, so würden die ihr ongehörigen Sterne durch die Zentrifugal- traft weit auseinander fliegen. Auch für den Spiralnebel V 33 im Triangulum, der der Milchstraße ähnelt, wird eine langsame Drehung angenommen.
ItaHer Qc.lmar: tili 1*11 dl Koipack, der gewerbsmäßige Einbrecher, Fassadenkletterer, Tresorössner hotte Im Arbeitszimmer Direkior Tarletans gerad« den Geldschrank geöffnet, beleuchtete soeben de» InHast und erblickte neben Haupt- und Geschäftsbüchern. Verträgen und Abschlüssen eine wohlgeordnete Anzahl von Geldscheine»/ Gerade wagte er im Hirn den mutmaßlichen Wert dieser Scheine ab, da faßte ihn lemand unsanft beim Rockkragen, schleuderte ihn herum, setzt« ihm eine Pistole sehr dicht auf die Brust und zischte:„Hast! Freundchen!" Kolpack war kreidebleich geworden, zitterte, wollte etwas stam- mein und konnte nicht einmal sich zur Wehr setzen. In seinem Hirn schwirrten in diesem Augenblick tausend andere Gedanken. Er sah sich vor dem Gerichtspräsidenten stehen, hörte die kästen, schneiden- den Worte„wegen versuchten Einbruchs 6 Monate Zuchthaus". In der rechte» Hand hatte der fremde Herr immer nach den Revolver, in der linken hatte er jetzt eine Besuchskarte, die er Kolpack dicht unter die Nase hielt. Kolpack las:„Direktor Torletan'. Da verlegte er sich aufs Bitten. Er fei kein gewohnheits- mäßiger Einbrecher. Aus Not, aus Verzweiflung Hobe er es gewagt, weil er keinen anderen Weg mehr gesunden habe. Geld zu verdienen und weil«r nichts zu essen gehabt hgbe, bereits feit drei Tagen nicht. Der fremde Herr lächelte höhnisch, kniff ein Auge zu. trotzdem war sein Blick nicht ganz verständnislos. Koipack versuchte eine neue Bist-Attocke, führte noch schärfere Waffen ins Gefecht, er wolle arbeiten in der Fabrik und dem Direktor sogar die zerschnittene Fensterscheibe zurückzahlen, nur solle er ihn nicht der Polizei ausliefern. Der fremde Herr schien noch etwas mehr Verständnis in seinen Bück zu legen. Er lächeste schon nicht mehr. Plötzlich ließ er Kolpack los und sagte:„Ich glaube es mit einem Meitschen zu tun zu haben, der aus Not zum Verbrecher wurde. Dem sein erster mißglückter Versuch eine blutig« Warnung sein wird. Ich werde Nachsicht haben und verlange, daß Sie noch heute nacht die Stadt verlassen und nie mehr zurückkehren." Koipack versprach und wollte sich bereits durch das Fenster schnell- stens oerziehen, als der Herr ihn nochmals zurückrief: .„Zum Zeichen, daß Sie sehen, ich mein« es wirklich gut, nehmen Sie sich einen Schein aus dein Tresor mit." Koipack zögerte, besah den wohlgeordneten, großen Berg Geldscheine, wußte nicht, was tun und überlegte. Wenn er es angeboten bekomme, einen Schein mit- zunehmm, dann könne das wohl kein Diebstahl sein. Halb wollte er schon zugreisen, da flüsterte der Herr wieder:„Vorwärts!" Kolpack griss den obersten Schein, steckte ihn schnell ein, be- dankt» sich und verschwand durch das Fenster lautlos in den Garten, stieg über den Gartenzaun und lief die Straßen entlang, quer durch die ganze Stadt zum Bahnhof, stieg in einen Zug und fuhr und suhr. Er wagte nicht rechts und nicht links zu schauen. Am spaten Nachmittag war er in einer kleinen Stadt an der polnischen Grenze� Desselben Tages aber Hatten die Motgenzcstungen eine Hin- sationsimchricht:„72000 Mark aus dem Arbeitszimmer des Dirck- tors Tarletan gestohlen." Am Abend las es Kdlpack in der Zeitung der kleinen Stadt an der polnischen Grenze und wunderte sich, denn er trug nur einen Tausendmarkschein bei sich.___ Entstehung des gioclienrochs Die Damenwest bevorzugt heute wieder im'Abendkleid die ge- schwungcne Linie der Toilette, die sich am deutlichsten in der Form des Glockenrocks darstellt. Di« Form dieses Kleidungsstücks, die den Linien der weiblichen Gestalt folgt und sie noch stärker betont, ist urast, sehr viel aller als das in geraden Linien hcrabwallende Ge- wand der klassischen Griechin. Durch einen glückliche» Zufall haben die großartigen Ausgrabungen von Evans auf der Insel Kreta uns nähere Angaben über die Toilette gebracht, die die altkretischen. Damen vor 3000 Jahren trugen, und wir finden hier bereits eine sehr raffinierte Forin der Mode, nämlich Kleider mit kurzärmeligen vorn weit ausgeschnittenen Jacken, mit einem Gürtel, der die Taille eng zusammenschnürt und einem lang«» Rock von glockenförmigen» Schnitt, der die Wölbung des unteren Teils der Gestalt stark unter- streicht. Diese Tracht ist übrigens auch auf das griechische Festland gedrungen, und man l)at auf Wandbildern in Theben ähnliche Toiletten gefunden, an denen die Röcke aus Streifen zusammen- gesetzt sind und auf den ersten Blick den Eindruck einer unten weiten Hose hervorrufen. Doch trug man damals keine„Hosenröcke", sondern die aus Elsenbcin und Gold gefertigte Statuette einer„Schlangen- priesterin' aus 5trcta läßt erkennen, daß die wagerechten Streifen des Glockenrocks senkrecht nach unten gezogen waren. Diese sonderbar« Rockform ist nun aber nicht aus Kreta entstanden, sondern der Glockenrock hat seine Heimat' im Orient. Das zeigt ein Fund der neuesten Zeit, auf den Dr. L. Franz in der Monatsschrift„Der Erdball" aufmerksam macht, lind zwar trugen nicht nur die Frauen, sondern auch die Männer solche Röcke. Das läßt sich an den zahlreichen Männerplastiken erkennen, die eine deutsche Expedition unter W. Andrä im Tempel der Liebesgöttin zu Assur ausgegraben hat. Diese Männer tragen alle einen langen Rock, der sich von dem kretischen Glockenrock nur dadurch unier- scheidet, daß die wagercchten Streifen nicht aus Stoff bestehen, sondern aus aneinandergebundenen kurzen Schurzen von Baum- blättern. Hier haben wir also offenbar die U r s o r m des Glocken- rocks. Im Lauf« der Zeit ersetzte man die Blattbündel durch Stöfs- stücke, und aus Kreta wurde der Rock dann ein ausschließlich weib- liches Kleidungsstück, dos aber noch deutlich die Abstammung von dem Männerrock von Assur erkennen läßt.
Di« größte Lokomotive der Well. Kürzlich wurde von einer amerikanischen Lokomtiofabrik in Schenectady an die Northern Pacific-Eisenbahn eine Lokomotive geliefert, dl« 37 Meter lang ist. somit dreimal so lang wie«in normaler Frochtwagen. Sie besitzt 22 Räder, der Tender zwölf, ihre Hohe betragt fast fünf Meier. Sie wiegt, mit Kohlen und Wasser beladen, 1 116000 Pfund, der Tender lachst faßt 22000 Gallonen Wasser und 2? Tonnen Kohl«. Sie hat eine Gasamtzugkrast von 133 400 Pfund und ist für die Heizung mit einer haÜbbttumInLsen Kohle von geringer Heizkrail eingerichtet, von der stündlich 22K Tonnen verbrannt werden können. Eine besondere Vorrichtung zermalmt die Kohle und verteilt sie in der Feuerbüchse, die über acht Meter lang ist. Sie wird nun für den Verkehr auf einer Strecke mit vielen Steigungen benutzt werden, auf der man bisher die von den benachbarten ebenen Strecken eintreffenden Züge in zwei Teile zerleg!» mußte: sie wird also die Arbeit von zwei der bisherigen Lokomotiven leisten,