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Morgenausgabe

r. 133

46. Jahrgang

A 67

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Vorwärts

Berliner Boltsblatt

Mittwoch

20. März 1929 Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

Die etnipaltige RonpareiDezelle 80 Pfennig. Refiameteiie 5.- Reichs mart. Aleine Anzeigen das elige brudte Bort 25 Pfennig( zulässig zwet fettgedrucre Borte), jebes weitere Bort 12 Pfennig. Stellengesuche das erste Bort 15 Pfennig, jedes weitere Mort 10 Pfennig. Borte über 15 Buchstaben zählen für zwei Borte. Arbeitsmarkt Beile 60 Pfennig. Familienanzeigen für Abonnenten Zeile 40 Pfennig. Anzeigen annahme im Hauptgeschäft Linden ftraße 3, wochentägl. von 8 bis 17 Uhr.

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Vorwärts- Verlag G.m. b. H.

Graf Stolberg verhaftet.

Unter dem Verdacht des Batermordes!

Hirschberg, 19. März.

Der älteste Sohn des gestern auf Schloß Jannowit ermordeten Grafen Eberhard zu Stolberg- Wernigerode , Graf Christian Friedrich, ist unter dem Verdacht, seinen Bater ermordet zu haben, verhaftet worden. Er wurde in das Hirschberger Untersuchungsgefängnis gebracht.

Bor der Berhaftung des Grafen Chriftian Friedrich hatte die Landeskriminalpolizei Ciegnih u. a. folgende Einzelheiten über die Mordtat bekannt gegeben:

In dem Zimmer, in dem der Ermordete aufgefunden wurde, steht ein Gewehrschrank. Diesem Schrank ist ein 3a gdgewehr entnommen worden, aus dem der tödliche Schuß abgegeben wurde. Der Einschuß ist am Hinterkopf erfolgt, während der Ausschuß über dem rechten Auge liegt. Der Täter wird unter den Hausangehörigen vermutet. Der Sohn des Getöteten, Christian zu Stolberg- Wernigerode, ift angeblich mit dem Täter, als diefer aus dem Zimmer des Ermordeten flüchtete, auf dem Hausflur zufammengetroffen. Er. erklärte, bei diesem Zusammen. freffen heftige Schläge gegen die Brust und auf den Kopf bekommen zu haben, so daß er vollständig benommen gewesen sei und feinerlei Aussage über den Angreifer machen fönne. Er habe sich faum noch auf den Gutshof begeben fönnen, wo er nur noch um Hilfe habe rujen tönnen und dann erschöpft umgefallen fel. Die Ermittlungen werden fortgefeht.

Die fonderbaren Angaben des Grafen Christian Fried. rich mußten ber den die Untersuchung führenden Beamten sofort den Berdacht aufkommen lassen, daß ein Angehöriger der Familie oder zum mindesten ein Mitbewohner des Jannowizer. Herrenhauses als Later in Betracht tomme. Der Schuß war nach dem Befund aus allernächster Nähe abgegeben, es mar ein Geschoß mit abgeplatteter Bleispize. Die Morowaffe, eine Flinte, lag auf dem Fußboden des Zimmers, fie war aus dem Gewehrschrank entnommen, der in der Nähe des Sofas im Mordzimmer stand. Graf Christian Friedrich hehauptet, mit seinem Bater geplaudert zu haben. Er hätte austreten müssen und sei auf dem Flur pon zwei Männern überfallen, gemürgt und bemußilos gemacht worden. In seiner Angst sei er dann zu dem etma 150 Meter abliegenden Wirtschaftsgebäude gerannt. Der mit der Gerichtsfommission herbeigerufene Arzt konnte aber bei dem jungen Grafen weder Bürgemale feststellen, noch entdeckte er irgend­melche Spuren eines angewandten narkotisierenden Mittels. Alle 211e Berdachtsmomente wiefen auf den Sohn. Wohl ist das Motiv noch ungeklärt, doch darf man annehmen, daß es sich bei der Unterhaltung zwischen Vater und Sohn nicht um eine harmlose

Blauderei, sondern um eine sehr ernste Auseinandersehung gehandelt hat. Die Untersuchung wird sich ohne Zweifel ausgiebig mit dem Lebenswandel des verhafteten Grafen Christian Friedrich zu be­fassen haben. Con

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Die Mordtat von Jannomik lenkt die Aufmerksamkeit auf das Geschlecht der Stolberge, die zu den ältesten deutschen Grafenhäusern zählen und um uns eines Ausdruces der Bornovemberzeit zu bedienen den regierenden Häusern standesgleich maren. Der ermordete Graf Eberhard entstammte einer Seitenlinie des meitverzweigten Geschlechts und wurde 1905 beim Tode seines Vaters Fideikommißherr auf Jannowitz. Der unter Mordverdacht verhaftete Graf Christian Friedrich, der 1901 auf Jannowig geboren wurde, ist der älteste Sohn des Ermordeten und somit nach der Primogenitur Erbe des aus­gedehnten schlesischen Grundbefizes. Er hat acht Geschwister. gedehnten schlesischen Grundbesizes. Er hat acht Geschwister. Der ermarbete Graf ist in der Deffentlichkeit menig hervorgetreten. Er mar nach den rein äußerlichen Ernennungen der Kaiserzeit Ritt­Er mar nach den rein äußerlichen Ernennungen der Kaiserzeit Ritt meister à la suite der Armee und widmete sich in der Hauptsache der Bewirtschaftung seines ertragreichen Grundbefizes.

Die Stolberge sind im übrigen in der Geschichte sehr häufig hervorgetreten. Im achtzehnten Jahrhundert machten fich zwei Grafen Stolberg als Dichter einen Ramen, doch sind sie heute der geffen. Dem Deutschen Reichstag haben in der Borfriegszeit nicht meniger als acht Stolberge angehört. Es maren alles fehr rechtsgerichtete erren. Die vier aus der Linie Stolberg­Stolberg, die katholisch ist, ftanden auf dem reaktionären Flügel des 3entrums. Die evangelischen Wernigerodes maren Angehörige der Konservativen oder der Reichspartei. 3mei von ihnen wurden in meiterer Deffentlichkeit bekannt: Otto, der frühere Etaatsminister und Oberpräsident, den Wilhelm II. 1890 fürstete, und ll do, gleich falls Oberpräsident, der Präsident des Deutschen Reichstages als Borgänger des Fortschrittlers Kämpf.

Die große Umwälzung vom November 1918 ließ die Angehörigen tes Hochadels zum größten Teil aus den deutschen Barlamenten ver­schwinden. In der Republik finden wir nur noch den Grafen 20 lbrecht zu Stolberg Wernigerode , Grundbesitzer in Ostpreußen , in den Preußischen Landtagen von 1921 und 1925. Er war Mitglied der Deutschen Volkspartei, während des Krieges von 1916 bis 1918 gehörte er dem Preußischen Herrenhaus , dem Junter parlament der Hohenzollernmonarchie, an. parlament der Hohenzollernmonarchie, an. In der Maimahl 1928 13entraimoorfommission des Preußischen Landtags aufgetreten. wurde er nicht wieder aufgestellt, vorher ist er nur als Mitglied der

Der Kampf um die Gesamtsumme.

Hexentanz von Sonderforderungen.

Paris , 19. März.( Eigenbericht.) Die Sachverständigenkonferens ist nunmehr end­gültig in ihre bedeutsamste Periode eingetreten. Die Distuffion über die Ziffern ist in vollem Gange, und zwar fo­wohl zwischen den Alliierten und Deutschland , als auch unter den alliierten Delegierten felbft.

Auf der Basis der llebernahme der interafliterten Schulden durch Deutschland in Form von 58 Jahreszah Iungen und der Leistung einer Entschädigung für die Bieber aufbautosten in Gestalt von 37 Jahreszahlungen ist eine grundfägliche Annäherung der beiderseitigen Standpunkte bereits erfolgt. Trogdem ist die Differenz der Auffassungen über die Höhe der deutschen Leistungen nach wie vor sehr groß. Die Verhandlungen darüber werden noch erschwert durch die Taftit der Alliierten, sich gegenseitig in der Aufstellung von Sonder. forderungen zu überbieten. So verlangt England über die Forderungen der Balfour- Note( Dedung der Schulden an Amerifa) hinaus nunmehr noch 3,8 Milliarden Mark für die Dominien und zur Dedung feiner früheren Zahlungen an Amerita, die durch die bisherigen deutschen Leistungen nicht gänzlich erfolgt ist. Die Belgier hielten den Augenblick zur Weiterverfolgung ihrer alten Ansprüche auf Entschädigung für die mährend des Krieges von Deutschen in Belgien ausgegebenen Noten für gekommen. Selbstverständlich hat das Italien Mussolinis bei jo so wichtigen Interessentämpfen nicht den Ehrgeiz, zurückzustehen, zumal aus Desterreich und Ungarn nicht viel an Reparationen herauszu holen ist. Auch Japan tommt plöblich mit einer Rechnung, und Rumänien und Jugoslamien haben die ihren bereits fertiggestellt.

Angesichts dieser Sachiage haben es die amerikanischen Schieds­richter schwer, die einzelnen Parteien zur Vernunft zu bringen. Ihre

Tätigkeit wird bereits von einem Teil der franzöfifchen Breffe ironis daratterisiert. Ihnen sei es so ist dort zu lesen- vor allem barum zu tun, ihre eigenen Forderungen ficherzustellen, wenn fie Deutschland gegen diese Sonder­forderungen verteidigen. Tatsächlich scheint der amerikanische Dele gierte Omen Young die Führer der einzelnen Delegationen er­fucht zu haben, ihre Ansprüche etwas mehr mit der deutschen Sahlungsfähigkeit in llebereinstimmung zu bringen. Er hat am Dienstag der Führer der französischen Delegation, den Präfi­denten der Bant von Frankreich , Moreau, empfangen. Diefer foll erklärt haben, Frankreich sei mit einer Forderung von 50 m 11. liarden Granten für die Wiederaufbautoften bis zur äußersten Grenze herabgegangen.

Kein Verhandeln mit Rebellen. Neues Gefecht in Merifo.

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Diftatur und Bauernschaft.

Erzwungene Konzessionen.

Von Peter Garwy.

Die Wirtschafts- und Ernährungsfrise dauert in Ruß­ land an. Die dumpfe Gärung in Stadt und Land nimmt zu. Die in die Enge gedrängte Dittatur verteilt blindlings Hiebe nach lints mie nach rechts.

So sehen wir jetzt, inmitten des verhängnisvollen Links­Purses, der sich anfchickt, das Dorf auf dem zwangswege zu fozialisieren", eine neue Rechtsschwenkung in der Bauern­politit. Das foeben erschienene Gesez ,, Ueber die Erleichte­rung der Steuerlast der Mittelbauern" enthält eine Reihe von Steuerbegünstigungen, die die Förderung der Entwicklung der individuellen Bauernwirtschaft bezmeden. Derselben individuellen Bauernwirtschaft, die vor furzem noch zum alten Eisen geworfen und durch die Zwangskollektiviſierung und Gründung von Staatsgütern abgelöst werden sollte...!

"

Was ist geschehen? Was hat die hartnäckige Diktatur Partei gewissermaßen abzuweichen? In dem Wortlaut des gezwungen, von der Generallinie" der herrschenden neuen Gefeßes selbst find die Motive seiner Veröffentlichung der Erfolge der Landwirtschaft für die Befriedigung der rasch machsenden Bedürfnisse in Stadt und Land", insbesondere ziemlich flar angegeben. Und zwar: die Mangelhaftigkeit aber das Zurückbleiben der Getreidemirtschaft", die Unter= brechungen in der Brotversorgung der Bevölkerung" und endlich die vollständige Einstellung der Getreideausfuhr".

Rytom, das Haupt der Sowjetregierung und gleich­geitig der geheime Führer der Rechtsopposition, hat offen die Notwendigkeit der neuen Konzeffionen an die Bauernschaft mit dem Hinweis darauf motiviert, daß in den nächsten Jahren nicht die Kollettinwirtschaften und die Staatsgüter, fondern die 25 Millionen individuellen Bauernwirt­schaften in der Brotversorgung des Landes die entschei dende Rolle spielen werden". Daher, führte Rykom aus, die Notwendigkeit, die Wirtschaftstätigkeit der einzelnen Bauern durch die Steuerbegünstigungen zu fördern, da der individuelle Produzent, ohne daran materiell interessiert zu sein, die Anbaufläche und die Ernteerträge nicht erweitern merde.

Aber die neuen Steuerbegünstigungen sind trotz ihres ge­wissermaßen positiven Charakters nicht imstande, die Grundaufgabe zu lösen, die die Sowjetmacht unter dem Druck der Wirtschaftstrife sich zu stellen gezwungen war, und zwar die Stabilität in die wirtschaftlichen Berech nungen und Pläne der Bauernschaft hineinzutragen". Auch den Machthabern ist es nach dem spontanen Getreide- und Anbauftreit der Bauernschaft flar geworden, daß ohne solche Stabilität der Verhältnisse auf dem flachen Lande die Aus­dehnung und die Intensivierung der bäuerlichen Landwirt­schaft unmöglich ist. Dessen ungeachtet sind die soeben erzwun­genen Begünstigungen nur auf 2 bis 3 Jahre berechnet. Eine so turze Frist ist aber unzureichend, um bei den Bauern die wirtschaftspsychologischen Vorausseßungen für die Entwic fung der ins Stoden geratenen Landwirtschaft zu schaffen. Dabei haben die Bauern nach den Erfahrungen des Links turfes feine unbedingte Sicherheit, daß auch nur die zwei­bis dreijährige Frist wirklich eingehalten wird...

Rytow hat vollkommen recht, wenn er behauptet, daß die Frage der wirtschaftlichen Attivierung der Bauernschaft d. h. die neue Wirtschaftspolitit im Ernst und auf die fich an der Politit stößt. Lenin hat befanntlich die NEP., gangsstufe zum Sozialismus fein würde. Als es Dauer in der Hoffnung verkündet, daß sie eine Ueber­fich aber umgekehrt herausgestellt hatte, daß die NEP. nur der Uebergang vom Kriegsfommunismus zum Kapitalis. Spige teils aus eigener Ueberzeugung, teils unter dem Drud mus war, änderten Lenins Nachfolger mit Stalin an der der Linksoppofition den ganzen strategischen Plan. Sie nahmen nun den Weg zur forcierten Industriealisierung in der Stadt und zur Zwangskollektivierung der Bauern fchaft auf dem Lande. Die Folge davon war die Stagnation der Landwirtschaft und der Bruch mit der Bauern­Ichaft.

Die neuen dürftigen Begünstigungen" für die Mittel­bauern werden ihr Ziel schon deshalb verfehlen, weil sie nur als Provisorium, als ein erzwungenes Anhalten der eingeschlagenen sozialistischen Offensive auf dem flachen Lande gedacht sind. Die Offenfine muß immer weiter gehen, denn der linksgerichtete ftrategische Plan" wird trotz allen Ronzessionen beibehalten.

die Mittelbauern hat Rytom por turzem erklärt, es jei ,, feines. Gerade anläßlich der neuen Steuerbegünstigungen für wegs zulässig, daß die sozialistische Stadt und die sozialiſtifde Industrie vom flachen Lande eingefreist würden, das sich auf der kapitalistischen Grundlage entwickle". Indessen bildet ge­rade dieses Zusammenleben beider Wirtschaftssysteme das Wesen der von Lenin erdachten NEP!

Megits City, 19. März.( Eigenbericht.) Die Rebellengeneräle arabes und Escobar boten der merikanischen Regierung durch Vermittlung des mexikanischen Konsuls.in der 113A.- Grenzstadt El Paso ihre Ergebung unter ehrenvollen Um ständen an. Präsident Portes Gil antwortete darauf telegraphisch, die Regierung lehne es ab, mit diesen Rebellen zu verhandeln. Sie hätten jegliche Loyali tät ignoriert und den bewaffneten Aufstand provo Plan" in Kraft bleibt, ist auch der gefährliche Bruch mit der Solange der eigentlich linkskommunistische ,, strategische iert. Dadurch hätten sie sich auferhalb des Ge- Bauernschaft, der zur politischen Krije der Diktatur führt, fetes und außerhalb aller Ehrengrundsäke gestellt. unvermeidbar. Umsonst versucht die Sowjetmacht diesen ver­