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BERLIN  Mittwoch 20. März 1929

Der Abend

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Nr. 134

B 67 46. Jahrgang.

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Der Vatermord von Jannowitz

Verdacht gegen weitere Familienmitglieder

Clegnig, 20. März.( Eigenbericht.) Auch im Laufe des heutigen Vormittags ist es noch nicht gelungen, Licht in das Dunkel zu bringen, das den Mord an dem Grafen Eberhard zu Stolberg- Wernigerode auf Schloß Jannowit umgibt. Die widersprechenden Umstände beim Jannowitzer Schloßmord und die Sachlage der örtlichen Berhältniffe ließen von vornherein darauf schließen, daß der Mörder mit größter Wahrscheinlichkeit im Schlosse selbst zu suchen war. Den Angaben des ältesten Sohnes Chriftian Friedrich stand man von Anfang an sehr steptisch gegenüber und es war nur folgerichtig, daß seine Berhaftung erfolgte. Es erscheint übrigens nicht aus­geschlossen, daß weitere Mitglieder der gräf­lichen Familie an der Tat beteiligt find, und zwar mittelbar oder unmittelbar.

Die Untersuchung,

die am heutigen Vormittag fortgeführt wurde, ergab, baß nicht das geringste geraubt worden ist. Es fönnen also nicht Einbrecher in dem Zimmer des Grafen Eberhard gewesen sein, wie der später verhaftete 28jährige Sohn Christian Friedrich behauptet hat. Es ist auch bemerkenswert, daß niemand von den im Hause weilenden Familienmitgliedern etwas von einem Streit zwischen Vater und Sohn gehört haben will. Aus der Lage der Leiche ergibt sich deutlich, daß der Graf während der Lektüre in cinem Roman von hinten erschossen worden ist. Nichts deutet darauf hin, daß der tödliche Schuß während oder nach einer Auseinander­fegung gefallen ist.

Schloß Jannowiß,

der Schauplatz der furchtbaren Tat in der Nacht zum Dienstag, liegt im Riefengebirge, unweit von Hirschberg. Der er mordete Graf Eberhard wohnte übrigens mit seiner Familie nicht im Schloß selbst, sondern in dem etwa zwanzig Meter davon ent­fernten ehemaligen Rentmeisteramt im Bart des Herren­hauses. Im Schlosse selbst hatte der älteste Sohn und voraussicht­fiche Majoratserbe, der unverheiratete 27jährige Graf Chriftian Friedrich, der gestern verhaftet wurde, und der Verwaltungs­direktor sein Zimmer. Weiterhin waren dort die Räume der Guts­verwaltungen.

Graf Eberhard mar Besizer der Rittergüter Janno­mit, Rupferberg und Rohrlach. Wie sich jetzt heraus­stellt, war die Wirtschaftslage nicht so gut, wie man bisher an­genommen hatte, die Güter maren sogar start verschuldet. Im Besitz der Familie befinden sie sich seit 1846. Der Ermordete lebte für die Verhältnisse eines Großgrundbefizers durchaus be= scheiden. Er war ein anspruchsloser Mann, der in der Gegend deshalb eine gewisse Beliebtheit genoß, weil ihm der Dünkel so vieler feiner Standesgenossen fremd war. Bom Chef des Hauses Stolberg, dem Fürsten Christian Ernst in Wernigerode  , bezog die Jannowitzer Linie einen jährlichen Zuschuß. Bon seinen fünf Söhnen hielten sich am Mordtage zwei in Berlin   auf, von denen der eine, Konrad, Musik studiert, während sein Bruder Theodor die Kolonialschule besucht und demnächst im Auslande eine Stellung beziehen wollte. Als erste entdeckte, von dem verhafteten Grafen Christian abgesehen, die 21jährige Gräfin Antonie das Verbrechen. Sie sprang, auf den Schuß hin aus dem Bett, eilte ans Fenster und schrie laut um Hilfe.

Die Angaben des Grafen Friedrich Christian   waren so ver­worren und widerspruchsvoll, daß fie von der Kriminalpolizei leicht widerlegt werden konnten.

Nirgends fand sich eine Spur, die auf fremde Eindringlinge deuten fonnte. Nichts war erbrochen, alle Schlösser waren in Ordnung und die Fenstergitter waren unversehrt. Ein Hausbewohner mußte

ber Täter fein.

Nach den neuen Bestimmungen über die Fideikommisje würde bas Fideikommiß mit dem Ableben des gegenwärtigen Befigers, cben des ermordeten Grafen Eberhard, zu bestehen aufhören. Der neue Besizer würde das Recht haben, Teile der Besizungen oder den Besitz als Ganzes zu veräußern.

Die Tat wäre also als Bersuch einer vorzeitigen Auflösung des Fideitommiffes zu erklären.

Wenn man aber derartig weitgehende Ueberlegungen dem Grafen Christian Friedrich unterstellt, so ist, die Ungeschicklichkeit, git der das Verbrechen ausgeführt wurde, um fo unerflärlicher. Wortegung auf der 2. Seite.)

FUTTER KRIPPE

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Er muß es wiffen!

Haifisch- Konzern.

Der Riesenstandal um die Handelskammer von Hannover  . Hannover  , 20. März.( Eigenbericht.)

Die Enthüllungen über den Haifisch- konzern" haben in Hannover   ungeheures Aufsehen erregt. Die städtischen Kollegien befaßten sich am Dienstag mit dieser Angelegenheit, allerdings in geheimer Sihung, weil die bürgerliche Mehrheit die unter schwerer Anklage stehenden fogenannten Wirtschaftsführer in der Deffentlichkeit nicht bloßstellen will und den Skandal nach Möglichkeit zu vertuschen sucht.

Wie wir aber aus zuverlässiger Quelle erfahren, waren die Kollegien einer Meinung in der Berurteilung des Stan. dals. Selbst der Ordnungsblod ließ die Männer des Haifisch­Konzerns" fallen. Nur ein ganz alleinstehender deutschnatio­naler Wirtschaftsvertreter, Herr Dr. Liebernidel, ebenfalls Syndikus der Industrie. und Handelskammer, wie der schwer fompromiffierte Dr. Fintenwirt, fand den Mut, die Hand­lungsweise des Haifisch- Konzerns" zu verteidigen.

Die Kollegien beschlossen schließlich gegen wenige Stimmen, den Oberbürgermeister in dem von den Mitgliedern des Haifisch­Konzerns" gegen ihn angestrengten Prozeß zu decken.

Die sogenannten Wirtschaftskreise um die Handelskammer, die fich mitgetroffen fühlen, weil sie das Berhalten der Mitglieder des Haififch- Konzerns" als durchaus einwandfrei" bezeichneten, befihen jetzt die Frechheit, durch die Hugenbergsche Telegraphen­

Der heutige Staat ist ein Gauhaufen- sagt Stahlhelm Union   die festgestellten Tatsachen des Finanzffandals als, un­

führer Geldte!

bewiesene Behauptungen" abzuleugnen.

Rebellen als Geldschrankknacker!

Unerhörte Ausschweifungen der Escobar- Truppen.

Megito- City, 20. März.( Eigenbericht.)

mirfung der verbündeten Streitkräfte in Aguas Calientes und San Luis Potosi eine Offensive gegen die Armee Calles zu unter­nehmen. Nach hier vorliegenden Berichten haben die Aufstän­bifchen, ermutigt durch die Berichte des Generals Iturbe, in den Staaten Sinaloa   und Nayarit   zwei Siege über die Bundes­

Keine Friedensvorschläge der Aufständischen.

Die aus Torreon vorliegenden Berichte zeigen, daß der Re­bellengeneral Escobar und seine Horden alle während der Auf­standsperiode üblichen Ausschreitungen weit in den Schatten gestellt haben. Die Geldschränke der Banken und der Privat­bureaus wurden unter der Führung der Generale restlos aus- truppen errungen. geraubt Außerdem find alle transportablen Wertgegenstände in Eisenbahnzüge verladen und nordwärts abtransportiert worden. Der bisher zu verzeichnende Schaden ist zahlenmäßig überhaupt nicht feststellbar. Allein die Kosten des zerstörten Eisenbahnmaterials und der Schienen werden auf 12 Millionen Mart beziffert. Escobar tut zuversichtlich.- Nur strategischer Rückzug ins Gebirge?

New Yort, 20. März. General Escobar, der Führer der Rebellentruppen, die Torreon geräumt haben, erklärt in einem an die Associated Breß" gerichteten Telegramm, daß die Kämpfe um die Borherrschaft in Merito außerhalb der Städte ausgetragen werden sofften, damit das Leben der Zivilbevölkerung nicht gefährdet werde. Er lege Wert darauf, eine strategische Stellung im Ge­birge zu beziehen, und habe daher Torreon vorübergehend ge­räumt, um zu verhindern, daß die Stadt und die Frauen und Kinder dem Tod, einer Feuersbrunst oder anderen Schrecken des Krieges ausgesetzt würden. Inzwischen gebe fich Calles der Selbst täuschung hin, daß er Terreon erobert habe.

General Escobar, der nach der Räumung Torreons sein Haupt. quartier hier aufgeschlagen hat, erklärte, er meffe dem Umstand, daß er Torreon den Bundestruppen tampflos überlassen habe, teine Bedeutung bet und beabsichtige, in absehbarer Zeit unter Mit­

Geht Bruno Walter  ? Flugzeugabsturz bei Calais  .

Berichte 3. Seite

New York  , 20. März.

Der Rebellengeneral und Gouverneur des Staates Chihuahua  , Caraveo, dementiert mit allem Nachorud die Berichte, daß die Aufständischen der Bundesregierung Friedensvorschläge gemacht hätten. Caraveo erflärte, er sei bisher nicht in Verhandlungen mit der Calles- Regierung getreten und beabsichtige auch nicht, dies zu tun.

Fünf Bergleute verschüttet.

Drei getötet.

Myslowih, 20. März. Gestern mittag ereignete sich auf der hiesigen Grube ein ich weres Unglüd. Durch Pfeilereinsturz wurden fünf Bergleute verschüttet. Obwohl die Bergungsarbeiten sofort aufgenommen wurden, fonnten von den fünf Berschütteten drei nur noch als Leichen geborgen werden, während die beiden übrigen fchwere Verlegungen davontrugen,

Explosion in einer Gasolinfabrik.

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Sechs Deltants in Flammen.  - Ein Arbeiter getötet. Marcus Hook( Pensylvania  )), 20. März. Heute früh ereignete sich in einer Gasolinfabrit eine Explosion, durch die sechs Deltants in Flammen ge­rieten. Ein Arbeiter wurde getötet, vier andere schwer ver­legt. Mehrere Arbeiter werden vermißt.