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�Seltsame Leute, diese Germans? Erfinden ständig neue Methoden, sich bei uns zu blamieren.' Wo kann gespart werden? Anmerkungen zum Reichshaushalt.
Die Beratungen im Haushaltausschuß des Reichstags über den Reichsetat 1929 sollen erst am 9. April beginnen. Man hofft, daß sich bis dahin die politische Situation geklärt hat und daß Mlndestens in groben Umrissen ein« Derstimdigung zwschen den die Regierung stützenden Parteien über den Inhalt des neuen Etats gefunden fft. Um diese Verständigung zu erzielen, haben in der letzten Woche verschiedentlich Besprechungen stattgefunden. Bisher fft in ihnen aber kein Ergebnis erzielt worden, das den Gang der Ereignisse wesentlich beeinflußt. Nach wie vor gilt es, erstens die Schwierigkeit zu überwinden, die durch das Ausscheiden des Zentrums aus der Reichsregierung hervorgsmfen wurde und zweitens, die Deutsche Volkspartei von ihrem Ultimatum abzubringen, das verlangt, daß der Etat mir durch Abstrich« und ahn« neu« Steuern verabschiedet wird. Die bis jetzt geführten unverbindlichen Besprechungen zeigen nämlich die U n du r ch f ü h rb a r k« i t dieser Forderung der Deutschen Volkspartei . An Abstriche in Höhe von 389 Millionen fft nicht zu denken. Auch der ernsteste Wille zur Sparsamkeit findet dort eine Grenze, wo gesetzliche oder sachliche Schranken sich als unübersteigtw erweisen. Zwar weist der Reichsetat Gesamt- 'ausgab« n in Höhe von rund 19 Milliarden Mark auf. Aber man vergißt zu leicht, daß der größte Dell dieser Ausgaben Zwangs. läufig ist und für Ersparnisse kein« Möglichkeit bietet. Um das zu begreifen, muß man sich immer wieder vergegenwärtigen, daß von den zolin Milliarden nicht nur 3'A Milliarden an Länder und Gemeinden fließen, sondern auch weitere 3A Milliarden an inneren und äußeren Sriegslasten aufzubringen sind. Und zwar erfordern die ReparationSlasten(ohne die 960 Millionen aus der Reichsbahn und der Jndustriebelastung) 1ö49 Millionen, die Versorgung der Kriegsteilnehmer 1672 Millionen und die anderen inneren Kriegslasten 271 Millionen. Außer diesen 7 Milliarden Mark aber sind auch noch die Ausgaben für die V e r- z i n su n g und Tilgung der Reichsschuld mit 43S Millionen und die Kosten für die Finonzverwaltung mit 515 Millionen zwangsläufig und unabänderlich. Diese Ausgaben allein erfordern alfo rund 8 Milliarden Mark, so daß für alle übrigen Ausgaben des Reiches nur knapp zwei Milliarden zur Verfügung stehen. Heer und Marin« allein erfordern rund 759 Millionen, die Sozial- ausgaben rund 799, für wirtschaftliche Zwecke werden 249 Millionen ausgegeben, so daß für all« übrigen Bsr> waltungszweck« des Reiches nur noch ein Rest von rund 399 Millionen übrig bleibt. Gewiß kann an diesen Ausgaben erheblich gespart wenden. Das «filt m erster Linie von den militärischen Ausgaden, bei
denen selbst dann einige Dutzend Millionen sich ersparen liehen, wenn die Größe der Reichswehr von 199 999 Mann und der Marine von 15 999 Mann unverändert bleibt. Auch bei dem Etat des Reichsverkehrsminffteriums sind Ersparnisse möglich und zweck- mäßig. Der Luftverkehr, der bisher etwa 59 Millionen Mark Reichsgelder verwirtschaftete, hat sicherlich in diesem Ausmaß keine Berechtigung. Auch bei den Wasserstraßen lassen sich Erspar- nisse erzielen. Ein« weitere Möglichkeit, die Ausgaben zu verringern, ist die Herabsetzung der Beträge, die den Rcichsministern als F o nd s zur Verfügung stehen und Suboentivnen an Organisationen oder Einzelpersonen enthalten. Auch an einzelnen sachlichen Zwecken braucht durch Ersparnisse keine Verletzung der Allgemeininleressen einzutreten. Aber bei allen diesen Erfpornisien muß man sich immer wieder fragen. ob der finanzpolikische vorkeil größer ist als der volkswirtschaftliche Nachlei l. Wenn man z.B. die MittÄ für einen angefangenen Bau streicht. der dann im nächsten Jahr weitergebaut werden muß, so hat rnaiT kein« wirklich« Ersparnis erzielt. In verstärktem Umfang gilt dos von dem Vorschlag«, die Mittel für die produktiv« Erwerbslosen- fürsorge zu streichen. Da mit diesen Mitteln Werte hergestellt werden, so ist dieser Borschlag, der aus antisozialer Gesinnung her- vorgeht, zugleich unsinnig. Dasselbe gilt von den Vorschlägen, an den übrigen sozialen Ausgaben zu sparen. Dadurch werden letzten Endes keine Ersparnisse erzielt, sondern nur Not und Elend ver- größert. Vergegenwärtigt man sich diese sachlichen Schwierigkeiten bei der Kürzung der Ausgaben des Reiches, so kann man sich nicht darüber wundern, daß selbst bei der strengsten Anwendung von Sparsamkeit sich kaum größer« Ersparnisse erzielen lassen äls 199 bis 129 Millionen Mark. Aber auch dieser Betrag wird nur erreicht werden, wenn der größte Teil davon eingespart wird bei den Zlusgaben für militärische Zwecke und für den Luft- o e r k e h r. Die Sozialdemokratie ist zu solchen Streichungen, bei denen die finanziellen Vorteile ganz offensichtlich sind und die keinerlei oder nur gering« Nachteile volkswirtschastlicher Art noch sich ziehen, durchaus bereit. Sie wird deshalb auch in den Be- sprechungen, wenn sie nach Ostern ihr« Forffetzung finden, alles aui das ernsthafteste prüfen, was zur Erleichterung der Verabschiedung des Etats beitragen kann. Sie kennt für ihr Entgegenkommen bei Erfparnisien nur ein« Grenze: das Wohl der Massen de» Volkes, dos ein« Einschränkung der sozialen Aufwendungen der öffentlichen Körperschaften nicht verträgt. Paul Hertz .
Die Hugenbergiade. Allgemeine Ablehnung.~ Oentschnationale Verlegenheit. Während die ganze deutsche Presse, soweit sie nicht deutsch ,.national" ist, den propagandistischen Ausflug Hugen- bergs nach Amerika aufz schärfste mißbilligt— sogar Zentrum und Bolkspartei find da wieder einmal ganz einer Mei- nung—. zeigt die deutschnationale Prefle durchaus keine Neigung, sich mit dieser Angelegenheit weiter zu befassen. Auch die„Deutsche Tageszeitung, die im ersten Schreck eine .ernsthafte" Kritik angekündigt hatte, bleibt stumm. Sie begnügt sich damit, eine amerikanische Pressestimme zu zitieren, die allerdings mit besonderer Sorgfalt ausgewählt ist, nämlich die der„New Dork Times", wo über die Deutsch- nationale Partei gesagt wird: Di« Partei leidet an extremen Tendenzen ihrer Führer. Zahlreiche Deutsch « sympathisieren mst ihren Zielen, mißbilligen aber ihre Methoden. Die Deuffchnationale Partei hat kein Monopol zur Beschützung von Teuffchlarrds Interessen. Es wäre nicht menschlich seitens der wirklichen deutschen Führer, irgendeine Gelegenheit zu übersehen, einen Druck zwecks Herabsetzung der Schulden Deutschlands auszuüben, aber diejenigen. die am lautesten dies« Politik befürworten, zeigen sich häufig höchst unklug bei dem Versuch, sie auszuführen. Der„New Pork Times" hat ein Gott gegeben auszu- sprechen, was die„Deutsche Tageszeitung" leidet. » Auch abgesehen von dem Artikel der„New Park Times" ist das Auslandsecho überaus unfreundlich. Wenn„Herald and Tribun«" ihrer Kritik die Ueberschrift geben„Taktlose Propaganda". io Ist damit schon alles gesagt. Dieses New-Dorker Blatt begnügt sich aber nicht damit, sondern spricht auch von„Torheit" und„Un- verschämtheü". Sachlich stellt es fest, daß die Aktion Hugenbergs den politischen und finanziellen Kredit Deutschlands zu Amerika ernstlich schädigen müßte— wenn sie ernst genommen würde. Di« Deutschnationalen werden also schon bitten müsien, man möge ihren Führer lieber nicht ernst nehmen! Auch der Pariser„Temps", der«in vortreffliches Gefühl für alles hat, was Deuffchland schadet, beschäftigt sich mit dem Hugen- berg-Lrief auf das ausführlichste. Er kommt zu der Schlußfolge- rung, daß es der deutschen Demokratie offenbar noch nicht gelungen sei, die reaktionär« Gefahr zu beschwören. So zeigt die Haltung auch der Auslandspresse, daß Herr Hugen- berg als Meister in der Kunst, auswärtiges Porzellan zu zerschlagen, die Erbschaft Wilhelms II. angetreten hat.
Ein echier Hohenzoller! Die feinere Familie. Die demokratische„Ulmsr Abendpost" berichtet über eine Stahl- Helmseier m Ulm. bei der der vierte Sohn des Cxkoffers, August Wilhelm , genannt Auwi ,«ine Rede hielt. In dieser Rede, die von etwa 299 Personen gehört wurde, hat der Prinz noch derselben Quelle u. a. ausgeführt. sein Haus fei 599 Zahr« all, da» fei doch etwas an- der es. als beispielsweise die Persönlichkeits Eberl», von dem man nicht wisse, vb feine Großeltern iw Zu cht hau fr «lesesfea hällea. Die„Ulmer Abendpost" bemerkt dazu, Cbert Hab« im Kriege -we: Söhne verloren, während das Haus Hohenzollern sich immer sorgfältig zu schonen und zu erhalten gewußt hätte. Wenn August Wilhelm die ihm zur Last gelegte Aeußerung wirtlich getan hat, so kann man nur sagen, daß er sich damit als ein echter Hphenzoller erwiesen hat. Er beherrscht die Me- »Hobe, mit der sein Papa und sein ältester Bruder dem deutschen Volke die Ueberzeugung beibrachten, daß aus dieser Familie ein vernünftiges und taktvolles Staatsoberhoupt nicht mehr zu erwarten sei.' Herr v. Hindenburg erfährt aber noch einmal, wie die Erklärungen zu bewerten sind, mit denen ihn die Stahlhelm- z ü h r e r davon abhielten, seine Ehrenmitgliedschast in dieser Or- ganisation aufzugeben.
Giahlhelm-Gorgen. Er möchte gern, aber das Geld fehlt. Der Stahlhelm erteilt bereits Anweisungen an seine Ortsgruppenführer zu jenem Volksbegehren, über das man nun Ichon so viel gehört hat, nur nicht einen Termin, an dem die 'Attacke gegen der Weimarer Verfassung beginnen soll. In den„An- Melsungen" wird das Volksbegehren als eine günstige Gelegenheit bezeichnet,„die wahren Freunde von den falschen zu unter- scheiden". Die Durchführung des Volksbegehrens kostet— nach eigenen Kalkulationen des Stahlhelms sieben Millionen Mark. Ob die Herren Seldt« und Düsterberg so viel„wahre F r e u n de' entdecken werden, um diesen Betrog aufzubringen? Wir sind recht gespannt, da erfahrungsgemäß der Haß gegen Marxismus und Republik selbst vor dem„nationalen" Geldbeutel aufzuhören pflegt.
Kommunisiengerede um Schulz. Ein Gnadengesuch an den preußischen Landtag. In sensationeller Aufmachung bringt ein kommunistisches Boulsoardblatt die Meldung, daß der Femeoberleutnant Schulz demnächst„durch eine Aktion des preußischen Rechtsaus- schusses endgültig aus der Hast entlassen werde". Wie wir hierzu von unterrichteter Seite erfahren, handelt es sich um phantasicoolles Gerede zu der seit langem bekannten Tat- fache, daß Schulz durch seinen Rechtsbeistand, Professor Grimm, ein Gnadengesuch an den Preußischen Landtag gerichtet hat, das vom Rechtsausschuß am 9. und 19. April berätsn werden wird. Es ist dies ein Gnadengesuch, wie deren jährlich Hundertc dem Landtag vorliegen: nur hat der Borsitzendc des Rcchtsausschusses, der volksparteilicho Abgeordnete E i ch h o f s, in Anbetracht der politi- jchen Bedeutung des Falles und der zu erwartenden ausgiebigen Debatte für dieses Gesuch, eine längere Berat ungszcit m Aussicht genommen, als sie sonst üblich ist. Zum Berichterstatter wurde der vollsparteiliche Abgeordnete Dr. Kriege bestellt. Auch hier ist der ständigen Uebung entsprochen worden, die Berichterstattung einer dem Gesuchssteller wohlwollenden Persönlichkeit zu übertrogen. Wenn das kommunistische Boulevardblatt über diele Tatsachen lünaus behauptet, daß ein Erfolg des Gesuches im Rechtsausschuß und danach im Plenum im Sinne einer sofortigen Begnadigung de« Schulz bereits gesichert sei, so sind das Hirngespinste. Aus den Debatten zum Iustizhaushast weiß man allerdings, daß die Rechtsparteien ziemlich geschlossen für eine Begnadigung des
Schuh; eintreten werden. Dagegen ergibt die bloße Tatsache, daß das Gesuch des Oberleutnants Schulz den Landtag beschäftigt, schon, daß es— gemäß dem Geschäftsgebrauch— zuvor vom Justizministerium abschlägig beschieden worden ist. Im Justizministerium steht man auf dem Standpunkt, daß das Schwur- gerichtsurteil gegen Schulz durchaus nicht so brüchig und so schwach fundiert ist, wie es die Verteidiger des Schulz in zahllosen gedruckten Schriftsätzen und Reden behaupten. Da sicher anzunehmen ist, daß das Justizministerium für seinen Standpunkt stichhaltige Gründe hat, so besteht die große Wahrscheinlichkeit, daß diese Gründe sich bei der Mehrheik, namentlich bei der Regierungskoalition durchsetzen werden. Richtig ist allerdings, daß die rechtspolitischen Freunde des Schul; eine ungeheure Agitation für seine Freilassung entfalten. Es wurde schon im Landtag darauf hingewiesen, daß die Fürsprecher des Schulz auch Persönlichkeiten gegnerischer Parteien besuchen und um- zustimmen suchen, daß z. 58. der Major Buchrucker zweimal persönlich ein sozialdemokratisches Mitglied des Rechts- ausschusses aufgesucht hat. Als positiver Erfölg dieser Bemühungen ist jedoch bisher nur der Oefsentlichkeit bekannt geworden, daß der kommunistische Rechtsanwalt Appel, der Verteidiger des Max H ö l z, öffentlich für Schulz eingetreten ist.
Theaierskandal in Kassel . Bei der Erstaufführung des„N a ch i o l g e Christi- Spieles" von Meli, dessen Apostelspiele bereits über zahlreiche Bühnen gingen, kam es im Kasseler Staatstheater zu einem Skandal. In dem Spiel wird ein Schloßherr von einer Räuberbande überfallen und ans Kreuz geschlagen. Bei Beginn dieser Kreuzigungxszen- verließ ein großer Teil des Publikums unter aiihallenden Protestrufen das Theatsr. Man verlangte stürmisch das Heruntergehen des Vorhangs. Erst nach begütigendem Einspruch des anderen Testes des Publikums und der Darsteller konnte das Spiel beendet werden.
Gegen Landtagsobstruktion. Grundvermögens« und Hauszinssieuer genehmigt. Der Ständig« Ausschuß des Preußischen Landtags nahm am Dienstag die von der Regierung vorgelegten Rotoerord- nungen zur Verlängerung der Grundvermögens st euer und der H a u» z i n s st e u« r mit 15 gegen 14 Stimmen an. Die Notverordnungen haben für ein Jahr Geltung. Di« Deutschnationalen bemühten sich ohne Erfolg, die Geltungsdauer auf ein Vierteljahr zu beschränken. Im Verlans der Debatte wurdest die von der Opposition im Landtag kürzlich geübten O b st r» i- tionsmethoden durch den Fibanzminister Dr. Höpker- 21 f ch o f f und den Abg. H e i l m a n n(Soz.) scharf perurteilt. Dieser hob hervor, die Kommunisten seien bestrebt, die Rechtsparteien zu Herren des Landtags zu machen. Di« Obstruktionen würden sehr viel seltener, wenn im Landtag wie in anderen Parlamenten das Fehlen bei namentlichen 'Abstimmungen mit Diätenentzug bestraft würde. Die Vertreter der Deutschen Volkspartei suchten ihre Teilnahme an den Obstruk- tionsmanöoern mit dem Hinweis zu entschuldigen, daß das Zentrum früher in einer anderen Frage ebenfalls obstniiert habe. Der Ständige Ausschuß genehmigte in der gleichen Sitzung die neue.Notverordnung über die Staatsoorbehalte an Kohlen» und Erdölvorkommen in der Lausitz , der Provinz Brandenburg und den benachbarten Gebieten.
Ertrankung des Kanzler». Reichskanzler Müller ist an sin« leichten Gallenofsektion erkrankt. Es ist jedoch zu erwarten, daß er in den nächsten Tagen bereits wieder ganz hergestellt fein wird. Reichskaafereuz der Arbeiterwohlfahrt. Am 27. und 28. März tagt in Frankfurt am Main die Reichskonferenz der Ar- beiterwohlfahrt. Bereits im Laiffe des Dienstag, sind die Delegierten aus allen Testen Deuffchlands dort eingetroffen.