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BERLIN Sonnabend

30. März 1929

Der Abend

U

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Spätausgabe des Vorwärts

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10 Pt.

Nr. 150

B25 46. Jahrgang.

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Fürsprache für die Reichsbahner

Transportarbeiter Internationale an die Reparations- Konferenz

Paris , 30. März.

Wie der ,, Populaire" berichtet, wird der Internatio= nale Transportarbeiterverband an den in Paris tagen­den Reparationssachverständigenausschuß ein Schreiben richten, um auf die besonders ungünstige Lage hinzu­weisen, in die die deutschen Eisenbahner durch die Bestimmungen des Dawes- Planes über die Reichs= eisenbahn gekommen seien, und dem Wunsche Ausdruck geben, daß bei der endgültigen Reparationsrege:

fung eine einzelne Kategorie der deutschen Bevölkerung nicht durch Sonderlasten geschädigt werden dürfe. Gleich

zeitig werde der Exekutivausschuß darum ersuchen, von der Reparationskonferenz empfangen zu werden, um die Wünsche der Eisenbahner zu erläutern.

Das Memorandum der Alliierten.

Paris , 30. März.( Eigenbericht.) Jm, Echo de Paris" wird heute zugegeben, daß die allierten Eachverständigen der deutschen Delegation feinerlei Ultimatum und feinerlei bindende Zahlungsforderungen gestellt haben. Sie hätten lediglich ein Memorandum ausgearbeitet, worin sie ver­langen, daß, die deutschen Zahlungen fünftig in zwei Teilen, einem beweglichen für die Abdeckung der Alliiertenschulden und einem festen für die Rückerstattung der Wiederaufbaukosten geteilt werden. Dieses Memorandum stelle die Marimal forderung dar. Der Präsident und Schiedsrichter Owen Young habe einige 3iffern genannt, die sehr wesentlich unter den prinzipiellen Forderungen des alliierten Memorandums lägen und die man für die Minima I forderungen ansehen könnte. Die Vorschläge Owen Youngs würden, das sei unbedingt sicher, von den Deutschen als Diskussionsbasis an­genommen werden. Owen Young habe den deutschen Delegierten geraten, wesentliche Zugeständnisse über die von ihm selbst genannten Ziffern hinaus zu machen.

Poincarés Bertrauensrevolver.

Paris , 30. März.( Eigenbericht.) Die Kammer hat die Kongregationsgesetze angenommen und wird sich nunmehr mit der Rückgabe seinerzeit en teig neter Kirchengüter befassen. Als am Freitag die Radikalen den Beginn der Beratung zu verhindern versuchten, stellte Poincaré sofort die Vertrauensfrage. Er blieb mit 395 gegen 245 Stimmen Sieger.

In Erwiderung auf die sozialistischen Interpellationen über die Pretestkundgebung von Kriegsteilnehmern bei der Beisetzung Fochs ließ die Regierung belanglose Erklärungen abgeben. Eine Debatte verhinderte Poincaré durch Stellung der Vertrauensfrage.

Brotfarten nur für Arbeiter.

Die anderen verhungern!

Moskau , 30. März. Der Moskauer jüdischen kommunistischen Zeitung ,, Emes"( Die Wahrheit) gehen aus der Provinz ständig Briefe über die Schwere der Notlage der jüdischen Be­völkerung zu. Die Juden der russischen Kleinstädte er­suchen flehentlich, sie mit Brot zu versorgen, da sie am Verhungern seien. Nur sehr wenige kleinstädtische Juden gehören den Gewerkschaften an und haben somit als ,, nichtwerftätige Elemente" feinen An= spruch auf eine Brotkarte. Die freien Brot­preise seien aber viel zu hoch.

Moskauer Gemeindewahl".

Mostau, 30. März. Bis Ende März sind in den Moskauer Stadtsomjet 2142 Abgeordnete gewählt worden, darunter 548 Frauen. Fabril­arbeiter sind 837 Abgeordnete, dazu noch 425 Abgeordnete aus dem Arbeiterstande, die im Parteiapparat und in den Sowjet­behörden Posten bekleiden. Ferner sind 494 Angestellte, 120 Hausfrauen, 50 Studierende und 216,, Sonstige" gewählt worden. Von den 2142 Abgeordneten sind 1374 Kommunisten und 60 Mit glieder des kommunistischen Jugend verbandes, ferner 709 Partei­lose. Diese Tatsache ist insofern besonders interessant, als sie eine faft völlige Erneuerung des Stadtjowjets darstellt und auf die Ausscheidung, oppositioneller Elemente von rechts und links hindeutet. Die Wahlbeteiligung betrug 74,8 Proz.

Denkmalsschändung in Steglitz .

Eine nackte Bronzefigur schwer beschädigt.

Bubenhände haben sich an dem Denkmal der kriegs­blinden, das auf dem Fichteberg in Steglitz in der Gegend der Blindenanstalt in einer besonderen Anlage vor etwa

um

1 Jahr errichtet worden ist, schwer vergangen. Es handelt sich ubi eben ihrer Nadtheit wegen schon öfter umstritten war. Der Blinde

eine Bronzefigur, die einen nackten Jüngling darstellt und die

streckt den rechten Arm tastend vor. Ein wuchtiger Schlag auf den Handrücken hat nun den rechten Oberarm gebrochen. Auch am Rüden zeigen sich Einschläge, die bis Zentimeter breit und ein Zentimeter tief sind. Andere Beschädigungen finden sich am Geschlechtsteil. Entdeckt wurde die Beschädigung von Gärtnern, die den Hain und die ganze Anlage zum Frühjahr herrichten. Die Stegliger Kriminalpolizei ist mit der Aufklärung be­schäftigt, und der erste Kriminalbezirk des Polizeiamts dort nimmt alle Mitteilungen entgegen, die auf die Spur des Täters führen fönnen.

Poftraub in Elbing .

Verwegener Ueberfall in der Stadt auf 2 Beamte.

Reimannsfelde in Elbing ein Ueberfall auf zwei Postbeamte Heute früh ist in der Nähe des Bahnhofs und der Postagentur verübt worden, die vom Frühzug einen Beutel mit wichtigen postsachen und 7000 Mart Bargeld nach der Postagentur brachten. Die Agentur liegt etwa sieben Minuten vom Bahnof ent­fernt an etwas abgelegener Stelle. Unterwegs hielt ein braunes Auto, dem, als die beiden Beamten vorbeikamen, drei mit Pistolen bewaffnete Männer entstiegen und die Herausgabe des Beutels erzwangen. Nachdem sie sich des Beutels bemäch­figt hatten, fuhren sie mit dem Auto davon. Borher halten die Räuber, die von der Postagentur und vom Bahnhof nach Elbing führenden Drahtleitungen durchschnitten.

Bier Verkehrsunfälle.

Zwei schwere an derselben Straßenfreuzung.

gegen 8 Uhr an der Ecke Kaiserallee und Badensche Straße zwischen einem Personenauto, einem Last traft wagen und einem Gerätewagen. Dabei wurde ein 19jähriger Telegraphenarbeiter erheblich verlegt. Er trug eine schwere Kopf­

munde pavon, die seine leberführung in das Krankenhaus in der Achenbachstraße erforderlich machte. Von den drei Wagen wurde

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Ein weiteres Autounglück

der Gerätewogen am meisten beschädigt. ereignete sich in der vergangenen Nacht gegen 12 Uhr an der Kreuzung der Brandenburgischen und Xantener Straße. Dabei wurde die Insassin des einen Kraftwagens, die Baronin Stephanie Tucher aus der Ulmenallee 35. verletzt. Sie mußte in das Hildegard Krankenhaus gebracht werden. Einer der Kraft­wagen wurde so schwer beschädigt, daß er abgeschleppt werden mußte.

Blutiger Krawall in der Mulackstraße. Ein Angreifer in der Notwehr erschossen.

In der Nacht zum Freitag kam es in der Mulackstraße zu einer schweren Schlägerei. Polizeibeamte, die auf einem Streifgang sammelt, die einer Prügelei zuschauten. Es gelang. die Strei­waren, jahen vor dem Hause Nr. 15 etwa 200 Menschen ver­hergestellt. Da hetzten einige Mädchen, die dabeistanden, die tenden zu trennen und den Auflauf zu zerstreuen. Die Ruhe schien Kampfhähne wiederum gegeneinander auf, so daß ein neuerlicher Zusammenstoß erfolgte. Die Beamten griffen abermals schlichtend ein und trennten die Männer. Jetzt wandte sich die Wut der Mädchen gegen die Beamten. Während der eine Beamte etwas zurückblieb, setzte der zweite seinen Weg nach der Schönhauser Straße zu fort. Plöglich wurde er von rückwärts angefallen. Zu nächst gelang es dem Beamten, den Angreifer abzuschütteln, er fam aber wieder, sprang dem Beamten auf den Rüden. würgte ihn mit der linken Hand am Halse und schlug mit der Rechten blind­lings auf ihn ein. In der Bedrängnis zog der Beamie seine Dienst­pistole und gab einen Schuß ab. Sein Gegner, ein 24 Jahre alter Kurt Reh aus der Muladstr. 10, wurde in die Brust getroffen und schwer verletzt. Ein vorüberkommender Motorradfahrer, der an seiner Maschine einen Beiwagen hatte, half, den Angeschossenen nach der Rettungsstelle bringen. Reh ver starb aber dort bald nach der Aufnahme. Von besonnenen Leute war inzwischen das Anjammlung zerstreute und die Ordnung wieder herstellte.

Un der Ede Leipziger und Friedrichstraße er­eignete sich in der vergangenen Nacht ein schwerer Zusammen­stoß zwischen einem Autobus der Linie 4 und einem Straßenbahnwagen der Linie 176. Ein weiblleberfallkommando alarmiert worden, das alsbald erschien, die licher Fahrgast wurde dabei erheblich verletzt. An derselben Stelle tam es heute früh um 7 Uhr abermals zu einem Zusammenstoß zwischen einem Autobus derselben Linie und einem Straßenbahnwagen der Linie 91. In diesem Falle tamen fünf Personen zu Schaden, die auf der nächsten Rettungsstelle erste Hilfe erhielten. Beide Unfälle sind auf den schlüpftigen Asphalt zurückzuführen.

Der erste Unfall ereignete sich in der Nacht zum Sonnabend um 42 Uhr. Der Autobus fuhr mit solcher Gewalt gegen den Straßenbahnwagen, daß der Triebwagen aus den Schienen geworfen wurde. Das linte Trittbrett der Straßen­bahn wurde völlig abgeriffen. Auch der Autobus wies schwere Beschädigungen auf und mußte abgeschleppt werden. Trotz der Heftigkeit des Zusammenpralls wurde glücklicherweise nur eine Frau verletzt, die nach Anlegung eines Noiverbandes ihre Wohnung auf suchen konnte. Die Eingleisungsarbeiten, die durch einen Geräte­zug der Straßenbahn vorgenommen wurden, dauerten längere Zeit. Der zweite 3 usammenstoß hatte weit schwerere Folgen. Der Autobus der Linie 4 fuhr auf den Anhängewagen der Linie 91 auf der Kreuzung so heftig auf, daß beide Fahrzeuge schwer beschädigt wurden und sämtliche Scheiben in Trümmer gingen. Fünf Fahrgäste er­litten Kopf verlegungen; jämtliche Verletzten wurden durch Polizeibeamten der nächsten Rettungsstelle zugeführt. Nach über­einstimmenden Zeugenaussagen ist die Ursache des Zusammenstoßes, ebenso wie der erste Unfall, auf das schlüpfrige Bilaster zurück zuführen. Trotz scharfen Bremsens-die Bremsspur zeigte eine Länge von etwa 20 Metern war es dem Führer des Autobusses nicht gelungen, seinen Wagen rechtzeitig zum Halten zu bringen. Sowohl der Straßenbahnwagen wie auch der Autobus mußten aus dem Verkehr gezogen werden. Der Vorfall führte zu einer Ver­tehrsstörung von zwanzig Minuten.

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Ein dritter 3usammenstoß ereignete fich heute morgen

Eine Reihe von Augenzeugen, die sich freiwillig zur Ver­fügung stellten, gaben auf der Revierwache eine Schilderung der Vorgänge und bestätigten, daß der Beamte in der Notwehr zur Waffe gegriffen habe. Die Leiche des erschossenen Reh wurde beschlagnahmt und nach dem Schauhause gebracht.

Die Laube als Grabfammer.

Die vermißte Frau Laster tot aufgefunden.

Eine 50 Jahre alte Ehefrau Elisabeth Lasker, geb. Lasker, die aus Breslau stammt und mit ihrem Manne in Buenos­Aires lebte, lift an einer schweren Nervenkrankheit. Ihr Gatte brachte sie deshalb Anfang Januar d. 3. nach Berlin und hoffte, daß sie hier Heilung finden werde. Ein Arzt, dessen Rat er in Anspruch nahm, empfahl ihm, die Kranke im Sanatorium Hubertus in Zehlendorf unterzubringen. Das geschah, und der Ehemann fuhr nach Buenos- Aires zurüd. Am 11. Januar verließ die Frau nachmittags um 4% Uhr das Sanatorium mit dem Bemerken, daß fie Bekannte im Hanjaviertel besuchen wolle. Dort kam sie jedoch nicht an und ließ seitdem nichts mehr von sich hören. Die Befürchtung, daß sie sich ein Leid angetan haben werde, hat sich jetzt bestätigt. In Zehlendorf liegt abseits vom Verkehr eine Eisenbahnerkolonie, die in der Winterzeit felten beireten wird. Am Freitag nachmittag famen nun mehrere Koloniffen nad) dem Gelände, um mit den Frühjahrsarbeiten zu beginnen. Einer von ihnen fand in einem Nebenraumseiner Caube eine Frau tot dasigen. Neben der Leiche sfand eine Flasche, die noch einen Rest von Salzsäure enthielt. Der Koloniſt benachrichtigte die Polizei und man erkannte in der Toten die ver. mißte Frau Casfer. Sie hat sich mit Salzsäure vergiftet.