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Morgenausgabe Tit. 154

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-46. Iahrgang

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p- berliner vottsbla«

Mittwoch 3. April 1929 Groß-Äerlin 10 Pf. Auswärts 15 pf.

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Jentrawvgan der«Sozialdemokratische« Oartei Deutschlands

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LLP. und Wehrausgaben. Ein radikaler Mehrheiisbefchluß im Gegensatz zur Politik der Labour-Party.

London . 2. April. (Eigenbericht.) Der Parteitag der Unabhängige« Ar» beiterpartei(JLP.) nahm am Dienstag in seiner Schkwßsihuug mit IKft gegen 125 Stimme» eine Resolution an. durch die sämtliche der Unabhängige« Partei angchörigen Parlamentsmitglieder verpflichtet werden, gegen sämtliche Militärausgabe« im Parlament z» stimmen. In der Debatte betonte der Abg. S h i n w e l l. der im Kabinett Macdonold Bergbaumimster war, daß die Unabhängige Arbeiterpartei damit in vollem Gegensatz zu der Gesamkparlei steh«, die keineswegs unter allen Umständen jegliche Militär- ausgaben v e r w e r f«. Eine Durchführung der Instruktion des Parteitages der Unabhängigen Partei würde es einer zu tun f- tigen Arbeiterregierung uninöglich machen, irgend- einen Budgetpasten für die bewastnete Macht in den zukünftigen Staatshaushalt einzusetzen. Shinwell schloß seine Ausführungen mit der Feststellung, daß er sich an diese Resolution nicht g e- b u n d en fühle und die Wünsche seiner Wähler und nicht die des Parteitages der Unabhängigen befolgen werde. Die Resolution des Parteitages, gegen die selbst der radikale Parteivorstand der ILP. sich gewandt hotte, schafft«ine ernst« Verschärfung der zwischen der ILP. und Arbeiter- partei bestehende Spannung, indem sich der Parteitag in ausgesprochenem Gegensatz gegen dos Programm der Ge- samtpartei stellt. Obwohl von den 156 Unterhausabgeordncten der Arbeiterpartei 114 gleichzeitig auch Mitglieder der Ilnabhängigeir find, dürste jedoch die Bedeutung der Resolution praktisch gering sein, da sich die Mitglieder der ILP. seit Jahren daran gewöhnt haben, lediglich die Parolen der Gesamkpartei und nicht diejenigen der ihr angeschlossenen ILP. mit ihren 30 000 Mitgliedern zu befolgen. Bor der Annahme der Resolution wurde eine Debatte über Indien geführt, in deren Verlauf Fenner Brockway. der kürzlich Indien bereist hat, erklärte, daß in Indien eine Explosion von bisher nicht dagewefenem Umfange ersolgen werde, falls Indien bis zum Ende des gegenwärtigen Jahres nicht Dominionrang erhalte. Di« Konferenz nahm nach einer längeren Debatte eine Resolution an, die dieV e r st o r k u n g

der britischen Unterdrückungsmaßnahmen in Indien ' verdammt mck> die Parteimitglieder verpflichtet, für das Recht der Selbstbestimmung der indischen Bevölkerung zu kämpfen. -» Die Mehrheit der Konareßdelegierten der ILP. hat mit diesem Beschluß den Konservativen einen unfreiwilli- gen L i e b e s d i e n st geleistet. Er ist um so unver- ständlicher, als auch die ILP. den Sturz der Regierung Baldwin und ihre Ersetzung durch eine Arbeiter- regicrung als Wahlziel verkündet hat. Selbst wenn diese Arbeiterregierung aus lauter Mitgliedern des radikalen Flügels der ILP. bestehen würde, könnte sie auch nicht anders handeln, als die Kredite für die Landesverteidigung weiter in den Etat einzustellen und sich für ihre Bewilligung ein- zusetzen. Es gibt in England höckzstens eine kleine Minder- heit, die für die sofortige und restlose Abschaffung der Marine zu haben wären. Was die englische Arbeiterklasie fordert und von einer Arbeiterregierung erwartet, ist zunächst, daß keine Mehransgaben für Wettrüste» mehr be- willigt werden und daß darüber hinaus die Rüstung?- ausgaben allmählich abgebaut werden, im eigenen Lande und international durch eine kräftig? Inanqriff- nähme des Weliabrüftungsproblems. Das ist die Wahl- Parole der Arbeiterpartei gegen die Konservativen, die bis- her die internationale Abrüstung durchkreuzt haben. Das ist das erreichbar« Ziel, für das man die Massen der Wähler und Wählerinnen gewinnen kann. Der Mehrheitsb.eschluß der ILP. zeigt, daß die kommu- nistische Propaganda im Sinne des Genfer L i t w i n o w- Schwindels in diesem Teil der britischen Arbeiter- bewegung Wurzeln gefaßt hat. Das wußten bereits die Teilnehmer des Internationalen Kongresses zu BrüM, wo dl« JLP.-Delegierten sich hartnäckig, aber erfolglos für eine grundsätzliche Zustimmung zum Litwinowfchen Barschlag der sofortigen Totalabrüstung eingesetzt hatten. Es ist immerhin bemerkenswert, daß dieielben Genasien, die in Brüssel für diese Forderung kämpften, jetzt als Borftandsmitgsieder auf dem eigenen Parteitag einen solchen Beschluß zu ver- hindern versuchten. Sie wurden indessen überstimmt durch die Geister, die sie gerufen hatten und nicht mehr los werden konnten. Ein in der neuesten Geschichte der inter - nationalen Arbeiterbewegung zwar keineswegs einzig- dastehender, aber sehr lehrreicher Vorgang.

Regierungssiege in Mexiko . Rebellen auf der Flucht. Mexiko - Eity. 2. April. (Eigenbericht.) Die Vvndeslruppen haben«nn Dienstag die Ortschasl 5 i w e n e z, da» Hauptquartier der Rebellen, nach hartnäckigem Kamps beseht. Um die Eisenbahnstation und die an Zimenez grenzenden Land- straßeu werde noch heftig gekämpft. Calles hofft, bis gegen Abend die Ortschaft Zimenez vollständig im Besitz zu haben. Die Regierongsliuppea schlugen die Truppen de» Rebellen- geueral» Cruz nach stebenflündigew Kampf bei üuelite und Slmau nater schweren Verlusten in die Flucht. Die Rebellen hatte« loa Tote. 60 Gefangeue und verloren viel Alalerial. Die Regier« ngs- truppen büßten 20 Zote ein.

Reue Enienie in Vorderasien. England-Frankreich gegco(Zingeborenenbewegunq. Beirut , 2. April. (Eigenbericht.) Unter dem wachsenden Druck des arabischen Rationalismus verstärkt sich der Wunsch Englands und Irankrillchs nach einer Vereinheitlichung ihrer Politik in den Mandatsländern des mittleren Ostens. Die Oberkommisiare von Syrien und Palästina haben sich jetzt auf Zusammenkünstcn eingehend besprochen, bis jetzt noch ohne positiv« Ergebnisse, da die Anschauungen aus wirt- schastlichem Gebiet sehr stark auseinandergehen, hinsichtlich der Politik sind jedoch beide Parteien übereingekommen, der uatioua- listtschen Opposition im Zrak . Transjordanien wie in Syrien gegen­über die gleiche Taktik zv beobachten. Der syrische Ober- kommissar p o o j o l wird in der Acage der syrischen Versasiung nicht eher etwas unternehmen, bis«g dem englischen high Com- mislioner im Zrak , Str Gilbert E l a y l o u, gelungen ist. die dortige Krise zur Zufriedenheit Eng 'and, zu lösen. Außerordenttich groß sind jedoch die Differenzen über Detail- fragen auf ökonomischem Gebiet. Die Hauptschwierigkeit bildet immer wieder die Angelegenheit der Pipeline(Erdölleitung) Mossul- Heisa. Ein enalischcr Kompromißoorschlog, dir Rohr- leitung an der Gren.ze des Irak zu teilen und den einen Arm in Haisa. den anderen in Tripolis (Syrien ) enden zu lassen, ist von Frankreich aus finanziellen Gründen abgelehnt worden.

Im Zusammenhang damit ist der Keginn des Haifaer Hafenbaues wiederum bis auf den November verschoben worden, mn Zeit für neue Dorschläge zu gewinnen. Die Notwendigkeit de» englisch -französischen Zusammengehens in Asien , das sich neben Politik und Wirtschaft auch auf vermal- tungstechnifche Fragen ausdehnen soll,«rweist sich für beide Teile als so groß, daß ihre endgültige Erledigung nickst durch die Be- auftragten an Ort und Stell«, sonderen durch die Vertreter der Zentrolregierungen in Konferenzen zu London und Poris erfolgen wird.

Trotzki wariei. Und hofft einstweilen auf Oevtfchland. Stambul . 2. April. (Eigenbericht.) Leo Trotzki hat das Hotel verloifen und in einem Borort ein Einfamilienhaus gemietet; er rechnet jetzt mit einem längeren Aufenthalt In der Türkei . Dar einigen Tagen erklärt« Trotzki dem Dertreter desSoz. Presiedicnstes", er habe seinerzeit, als er sich an Lobe wandt«, angenommen, daß ihm die Einreiseerlaubnis sür Deutschland Inner. halb 48 Stunden erteilt werden würde. Durch die Verzögerung gerat« er in«me immer schwierigere Lage. Es bestehe die Gefahr, daß er die Kursaison verpasse und sich sein Leiden dadurch verschlimmere: zwar hätten seine Freunde in anderen Staaten Anträge auf Einreifebewilligung gestellt, er müsse diese Anträge jedoch desavouieren, da er gezwungen sei, auf die Erteilung des Visum» noch Deutschland zu warten.

Gchnapsverbot in Rumänien . Bier und Wein bleiben erlaubt. Aus Gründen der Volksgesundhell hat die Regierung die Trockenlegung Rumäniens beschlossen. Di« Erzeugung von Spiritus und Branntwein soll eingestellt, der Verkauf von Spirituosen, besonders von Slibowitz(Pklaumenbranntwein) verboten wer- den. Den Fabriken soll«ine Utbergangezeit zur Um- stelluug ihrer Betrieb« gewährt werben. Dies Verbot soll sich nicht auf Vier und Wein erstrecken. j

Die erste Milliarde. Zum Jahresbericht der Angestellteaverstchervug. Der jetzt vorliegende Bericht des Direktoriums der Reichsoersicherungsanstalt für Angestellte über das Geschäfts- jähr 1928 gibt nicht nur Aufschluß über den Stand der An- gestelltenversicherung, er beweist gleichzeitig, daß ein weiterer Ausbau der Leistungen sehr wohl möglich ist. Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion hatte in ihrem Antrag Nr. 105 eingehende Vorschlüge für den Ausbau der Leistungen gemacht. Durch das Gesetz vom 7. März sind zwei bedeutsame Verbesserungen mit Wirkung vom 1. März in Kraft getreten. Die Wartezeit für die Inanspruchnahme der Leistungen. der AngestelltLnoersicherung ist wesentlich ver- stürzt worden, sie beträgt jetzt nur noch 60 Beitragsmonate: wenn jedoch weniger als 30 Beitragsmonate auf Grund der Bersicherungs Pflicht nachgewiesen sind, so beträgt die Wartezeit 90 Beitragsmonate. Diese Aenderung hat auch Bedeutung für alle früheren Antragsteller, denen auf Grund der alten Vorschriften die Rente abgelehnt worden ist. Wenn sie jetzt auf Grund der neuen Vorschriften anspruchsberechtigt sind, so muß ihnen auf Grund ihres Antrages mit Wirkung vom 1. März die Rente gewährt werden. Der Antrag auf Nachprüfung kann jedoch nur bis zum Schluß des Jahres 1930 gestellt werden. Eine weitere bedeutsame Aenderung ist eingetreten durch die Vorschrift, daß als berufsunfähig alle Angestellten gelten, die das 60. Lebensjahr vollendet haben und seit mindestens einem Jahre ununterbrochen arbeitslos sind. Der Anspruch auf Ruhegeld besteht, wenn die Wartezeit erfüllt ist, für die weitere Dauer der Arbeitslosigkeit. Solange jedoch ein An- pruch auf Arbeitslosenunterstützung, also entweder auf ver- icherungsmäßige Arbeitslofcnumerstützung. Krisenunter- tützung oder Sonderunterstützung bei bcrufsüblicher Arbeits­losigkeit besteht, wird das Ruhegeld erst mit dem Wegfall dieses Anspruches gezahlt. Sobald der Empfänger des Ruhe- geldes in«ine invaliden- oder angestelltcnversicherungs- Pflichtige Beschäftigung eintritt, fällt mit dem Ablauf des Monats das Ruhegeld weg. Diese Leistung für die älteren arbeitslosen Angestellten ist zunächst befristet bis zum Schlüsse des Jahres 1933. So bedeutsam diese Aenderungen sind, sie werden im Gesamtergebnis keine entscheidende Belastung für die AngestelltenversichSrung bedeuten. Das beweist die Gewinn- und Vcrlustrechnung und die Bilanz des vorliegen- den Jahresberichts. Die Beitragseinnahmen haben 317 Mil- lionen Mark erreicht, der Voranschlag für das Kalenderjahr 1929 sieht eine weitere Steigerung um 31 Millionen Mark vor. Auch die Einnahmen an Zinsen sind erheblich gestiegen: sie betrugen 1927 rund 48 Millionen Mark und stiegen 1928 auf rund 67 Millionen Mark. Stellt man diesen wichtigsten Einnahmeposten den entscheidenden Ausgabeposten, nämlich die Rentenleistungen, gegenüber, so ergibt sicy, daß diese zu 80 Proz. allein aus den Zinseinnahmen ge- deckt werden konnten. Die Gewinn- und Berlustrechnung gibt zwar die Ausgaben für Rentenleistungen auf 101 Mil- lionen Mark an: diesen Ausgaben stehen jedoch Einnahmen auf Grund von Rückerstattungen anderer Versicherungsträger in Höhe von über 17 Millionen Mark gegenüber, so daß die tatsächliche Ausgabe nur 84 Millionen Mark beträgt. Die durchschnittliche Rentenhöhe betrug am 1. Dezember 1928 unter Einrechnung der Steigerungsbeträgc der Invalidenversicherung beim Ruhegeld ohne Kinderzufchüsie monatlich 82,60 M., bei der Witwenrente monatlich 45.15 M., bei der Waisenrente monatlich 37,50 M. Die«in- §«treten« Erhöhung ist nicht zuletzt auf die Erhöhung der »teigerungsbeträge und Kinderzuschüsse durch das Gesetz vom 29. März 1928 zurückzuführen: sie bleibt im Gesamt- ergebnis immer noch unzulänglich. Ein unbefriedigendes Kapitel Ist immer noch die Durch führung des Heilverfahrens. Von den Anträgen auf ständige Heilverfahren wurden 26 606 Antröge, das sind 40,7 Proz., abgelehnt. Die öffentliche Kritik hatte dazu ge­führt, daß das Direktorium Anfang 1927 einen Ausschuß zur Prüfung abgelehnter Heilverfahrensanträge einsetzte. Wie wenig den Versicherten, denen ein Antrag auf Gewährung eines Heilverfahrens abgelehnt worden ist, das Vorhanden- fein dieses Beschwerdcausschusscs bekannt ist, zeigt der Um- fang der eingegangenen Beschwerden. Im Jahre 1928 hatte sich dieser Beschwerdeausschuß nur mit 1804 abgelehnten An- trägen von insgesamt 26 606 zu beschäftigen. Bei einem solchen Mißverhältnis sind Rückschlüsse auf die Tätigkeit dieses Ausschusses nicht möglich, ganz abgesehen davon, daß di« Angaben über die Ergebnisse dieses Beschmerdeausschusses unzureichend sind. Die Gesamtausgabe für Gesundheitsfür- sorge belief sich auf 19 Millionen Mark. Solange eine gesetz- liche Aenderung bei der Durchführung des Heilverfahrens nicht vorgenommen ist, sollten die Versicherten� denen An- träge auf Gewährung eines Heilverfahrens abgelehnt wur- den, von ihrem Beschwerderecht in allen Fällen Gebrauch machen. Die Gewinn- und Verlustrechnuiig weist für das Jahr 1928«ine» Ueberjchuß von über 268 Millionen Marl aus: