Nr. 46S» 46. Jahrgang Donnerstag. 4. April il92S
Was der Farmer
Die Höllmmafchine sollte nur schrecken/Oin völkischer Neöaktenr sollte ensehen
Den ganzen ersten Verhandlungstag im Langkopp-Prozeß nahm die Vernehmung der beiden Angeklagten in Anspruch. Langkopp hat während und nach der Tat— das muß man ihm zugestehen— die Nerven zusammenbehalten und hat auch bei allen Vernehmungen ein und dieselbe Darstellung seiner Handlungsweise gegeben. Er zeigt eine klare und ossene Verteidigung und behauptet, daß alles, was er getan, nur den Zweck ersüllen sollte, die Beamten zu zwingen, ihn anzuhören. Er hatte die Befürchtung, daß ihn die Beamten die Tür weisen würden, und um das zu verhindern, darum ollein will er den Koffer voll Schwarzpulver mitgenommen haben. Auch bei den wiederholten Kreuzfragen des Staatsanwalts und des Vorsitzenden gibt Langkopp die gleiche Darstellung, die er auch in den Voruntersuchungen gegeben hat. Den Vorfall selbst, das stundenlange Gefongenhalten des Geheimrats Bach, erklärt er folgendermaßen: Nach der ersten Viertelstunde feiner Unterhaltung mit Geheimrot Vach habe er eingesehen, daß er auf gewohntem Wege«zu seinem Recht" nicht kommen würde. Darauf habe er den Entschluß gefaßt, so wie er es mehrmals in Briefen geschildert habe, Schluß zu machen. Er wollte aber vorher noch einmal die Summe vor sich liegen sehen, die er angeblich zu bekommen hatte. Er bestreitet ausdrücklich, daß er die 10000 Mark Dargeld, die Ge- heimrat Bach von der Kasse hatte holen lassen, auch nur angefaßt Hab«. In dem Geld wollte er nur noch einmal sein Hab und Gut vor Augen haben, dann sollte ein völkischer Redakteur kommen: in desien Beisein wollt« er noch einmal feine Leidens- gefchichte erzählen und dann Schluß machen. Er behauptet, daß die Höllenmaschine, so wie er sie zurecht gemacht habe, nie hätte explo- dieren können. Er will gewußt haben, daß man Schwarzpulver nur mit Zündschnur und Sprengkapsel zur Explosion bringen könne. Er bestreitet auch, daß er. als er die Höllenmaschine wegwarf, vorher die Schnur zum Revolver abgezogen hätte. Er behauptet weiter, daß, als er mit dem Revolver in der Hand dem Geheimrat Bach nachlief, er nicht auf ihn schießen wollte. Er erzählt aus seiner afrikanischen Zeit, daß er ein so guter Schütze gewesen sei, daß er vom Pferde fliehend« Zebras mit der Parabellmnpiswle abschoß. Er hätte ihn. wenn er wollte, totsicher getroffen. Als er von den Beamten über- wältigt wurde, hat er drei Schüsse abgegeben. Er behauptet, er wollte sich das Leben nehmen, wolU« versuchen, den Kops hochzu- richten, um sich in den Kopf zu schießen, und als das nicht gelang. versuchte er sich ins Herz zu schießen. Für all« Vorhaltungen des Dorsitzenden, warum er auch ein anderes Sprengpulver einkaufen wollte, weiß Langkopp»ine Erklärung. Angeblich hat er auch das Schwarzpulver von Laos nur gekauft, um Stubben ausroden zu können. Er will auch Loof nie etwas davon gesagt haben, daß er auf dem Reichsentschädigungsamt mit einer Höllenmaschine er? scheinen werde.'--......... Recht durch Schießpulver. Auf dem Gerichtstisch steht in einer Leiirwandhüll« der söge- nannte S p r e n g k o f s e r. Es ist das ein flacher viereckiger Blech- tasten, der in den Tropen zur Aufbewahrung von Akten diente und den Langkopp mit heimgebracht hatte. Langkopp gab nun zu der Vorgeschichte der Tot an:«Noch einmal wollte ich den letzten
Versuch machen, das zu erhalten, was ich nach meinem deutschen Rechtsempfinden zu beanspruchen hatte. Vorher hatte ich noch einen bitterernsten Brief an den Reichstagsousfchuß geschickt. Ich bekam darauf keine Antwort, obwohl ich geschrieben hotte, daß, rvenn ich bis Ostern keine Nachricht erhalte, etwas geschehen müsse, denn ich könnte es nicht ertragen, immer nur Brocken zu bekommen und von Haus und Hof vertrieben zu werden. Ich hatte das Gefühl, daß vollkommene Willkür herrschte. Dem einen gab man alles, dem anderen Brocken. Run hatte ich damals mir Brennholz schaffen wollen und wollte zu diesem Zwecke Stubben ausroden. Dazu hatte ich Schießpulver beforat. Ich bekam aber nicht die Erlaubnis zum Ausroden. Nun wollte ich noch einmal zum Reichsentschädigungsamt gehen und fordern, daß mir endlich mein Geld gegeben werde. Das Puloer nahm ich nur mit, damit ich nicht hinausgeworfen werden würde." Vors.: Was hatten Sie denn da für Vorstellungen, als Sie das Pulver mitnahmen? Angekl.: Wenn ich wieder angeschnauzt würde, sollte dieser Koffer verhindern, daß ich hinausgeschmissen werde. Ich wollte endlich mein Recht, damit ich mit dem Gelde nach Afrika gehen und etwas anfangen könnte. Vors.: Vorher hatten Sie doch die Absicht gehabt, stch«inen anderen Sprengstoff zu beschaffen? Angekl.: Ich hatte davon gelesen und wollte es ausprobieren. weil man auch in Afrika mit derartigen Sprengmitteln den Boden auflockert. Es sollten das nur Versuche sein. Ich erfuhr dann aber, daß diese Kapseln einen Sprengstoff enthielten, für den«in Schein notwendig sei. Das erschien mir nicht der Mühe wert. Da habe ich mir durch Loof das Schwarzpulver besorgen lassen, das kann jeder im freien Handel kaufen. Bevor ich nach Berlin reiste, habe ich mir gesagt:„Nun gut, man stellt solch einen Koffer zusammen. Es muß einmal eine Aenderung kommen. Das Reichsentfchädigungs- amt muß sagen, was es will: Entweder oder, du bekommst dein Recht oder gehst vor die Klinge. Ich ertrug das nicht länger und war auch erbittert, daß ich auf meinen ersten Brief vom Reichstagsaus- fchuß keine Antwort bekam. Ich bin so veranlagt, daß, wenn ich etwas ernst schreibe, ich es auch durchführe.— Vors.: Mit dem Koffer fuhren Sie nun von Lauenstein nach Hameln zu Loof, haben Sie Ihm etwas davon gesagt?— A n ge k l.: So etwas sagt man doch nicht. Wir sind zusammen nach Berlin gefahren und in der Pension Stöcker in der Königgrätzer Straße abgestieoen. Den Koffer hatte ich im Schrank eingeschlossen.— Vors.: War der Koffer schon vorbereitet?— Angekl.: Ja, das Puloer und die Schnüre waren drin. Es waren IS Paket« Pulver. Den Revolver mit der präparierten Patrone und einen zweiten Revolver, beide ge« laden, hatte ich auf dem Weg« in der Rocktasche.— Auf die Frage des Vorsitzenden, weshalb er das alles vorbereite! hatte, wenn es doch nicht ernstlich gemeint war. erwiderte der Angeklagte, daß er doch hätte zeigen müssen, wenn er danach gefragt würde, daß in dem Koffer auch etwas drin fei.— Vors.: Wozu war es denn nötig, die Patrone einzukerben?— Au g e{ 1: Damit die Schnüre festsitzen. Beim Oesfnen des Koffers mußte man doch sehen, daß die Schnüre angebracht waren. Da ich wußte, daß der Präsident im Reichstag war, fragte ich nach einem verantwortlichen Herren und wurde zu Geheimrat Bach geführt. Ich ging in das Zimmer hinein. Als er mich nach einer Anmeldung fragte, präfentierte ich ihm die Rechnung, die ein Endergebnis von 112 000 Mark enthielt und sagte, daß ich heute mein Recht bekommen wollte. Da wurde er etwas unangenehm. Ich bat, doch in Ruhe und Ordnung zu verhandeln, da es gar keinen Zweck hätte, mir mein
Recht zu schmälern. Cr ließ sich die Akten kommen und prüfte meine Ansprüche nach. Aber es kamen immerzu Leute ins Zimemr und mir wurde nach einer Viertelstunde klar: Hier stimmr etwas nicht. Die Illusion der 100000 Mark. Vors.: Trugen Sie sich mit der Absicht, Ihrem Leben ein Ende zu machen?— Angekl.: Jawohl, ich wollte die 100000 Mark vor mir liegen sehen und mir noch einmal Haus und Hof vorstellen. Angerührt hätte ich nichts davon. Ich hatte das Geld auch nie ge- nommen. Aber mein Recht wollte ich haben und dann sterben. Alletfnngs wartete ich noch auf einen Herrn Holtz vom„Fridericus", damit ein Zeuge bei meinem Selbstmord dabei wäre, sonst hätte das Reichsentschädigungsamt geschrieben, was es wollte, der Wahr- heit hätte es doch nie die Ehre gegeben.— Vor}.: Aber Geld und Recht waren doch in diesem Falle bei Ihnen identisch.— A n g e k ü: Es hätte mir genügt, meine ganze Existenz noch einmal auf den Tisch aufgebaut zu sehen, dann wäre Schluß gewesen. Geheimrat Bach fragte mich einmal nach dem Koffer. Ich dedentete ihm, daß da etwas ganz Gefährliches drin fei. Als ich den Koffer auf seinen Wunsch öffnete, sagte Geheimrat Bach:„Um Gotteswillen, lassen Sie das mal!" Inzwischen waren 10 000 Mark ans der Kasse ge- kommen und ein Scheck über 90 000 Mark war ausgestellt worden. Eine ausgestellte Quittung über 100 000 Mark habe ich auch noch pro forma unterschrieben. Ich nannte dann Logfz Namen, damit er zur Bant gehen und de» Scheck einlösen könnte. Am Morgen hatte ich noch gedacht, daß ich Geld bekommen würde und daß wir dann abreisen könnten, deshalb hatte ich Loof gesagt, er solle sich bereithalten, aber inzwischen war ja alles ganz ander» gekommen. Nachdem ich die Quittung unterschrieben hatte, gab mir der Geheimrat ein Flugblatt, und während ich es las, rannte er aus dem Zimmer. Ich rannt« durch die andere Tür auf den Korridor, sah, daß Bach ausrutschte, hinfiel und um Hilfe schrie. Den Koffer hatte ich fortgeworfcn. Ich stand bei Bach mit der Pistole in der Hand und bat ihn, in da? Zimmer zurückzugehen, da nichts passieren würde. Ich kann mit Pistolen umgehen, ich war immer ein Meister im Schießen, wenn ich jenem etwas hätte tun wollen, wäre es vorbei gewesen. Ich wollte nur mit mir Schluß machen. Mir lag nichts daran, einen Menschen über den Hausen zu schießen, nur weil ich mich geärgert hatte. Bach ging dann vor mir her, die Situation war für uns beide sehr unangenehm. Mehrere Leute kamen hinter uns her und obgleich ich rief, daß nie- mand mich anrühren dürfte, warfen sie mich von rückwärts nieder. Zch lag auf dem Boden und wußte: Jetzt ist alles aus. Ich versuchte nach meinem herzen zu schießen, aber alle Schüsse gingen vorbei, weil ich die Arme nicht frei hatte. Vors.: Haben Sie die Pistole im Kofser angezogen.— Angekl.: Nein, ich weiß auch nicht, wie das geschehen sein kann. Oer Angeklagte Loof verbreitete sich dann sehr ausführlich über die Stimmung, in der sich Langkopp in den letzten Iahren befunden hatte. Von jedem Gange zum Reichsentschädigungsamt kam Langkopp jedesmal er- bittsrter.zurück und gab die erschütterndsten Schilderungen von der dort herrschenden Ungerechtigkeit. So sagte er kurz vor der Tat: „Die Beamten auf dem Reichsentschädigungsamt bereichern sich auf unsere Kosten in ganz unerhörter Weise." Loof gab dann weiter zu. daß er möglicherweis« die Pistole in dem Koffer
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Rohulm emet Revolulion. Vom CerUarl HeertHAMH I�losfAt Die Herzogin stand noch immer hochaufgerichtet. Trosegk war tot. Sie begriff es. Aber nur so, als ob dieser ganze Brand da in ihr gewesen wäre, als hätte ihr Haß ihn ent- zündet, als wäre Trosegk, gejagt von diesem Haß, in ihrem Innern hin- und hergetaumelt, verzweifelt, bis er hinab- stürzte in die schwelenden Tiefen ihrer zertrümmerten Leiden- schast.. Aber in ihr war keine Befriedigung, kein Stolz. Auch keine Reue. Haß, Liebe. Ehrgeiz: alles war gestorben, ver- brannt, zerstürzt mit Trosegk. Alles war aus. Alles war leer �.. Als die letzten Waflerstrahlen abließen vom Feuer, sank sie wieder in sich zusammen, wurde wieder klein wie zuvor. Sie begriff, daß dies das Ende war, das Ende eines heißen Lebens. Daß sie nun eine alte Frau war, sonst nichts. Vom Schloßberg her kam Gesang. Zwei zittrige Greisen- stimmen. Nur ihr scharfes Ohr. abgewandt von Feuer und Waffe, hörte es. verstand die Worte, die wüten wollten und nur wimmerten: «Drewnddreißlg Jahre.., nieder mit den Hunden..." Sie verstand alles, instinktlvhaft, aus der Gleichheit des Erlebens heraus. Sie schwieg, lächelte mitleidig. Da war auch eine Rache befriedigt, da waren auch zwei verhunzte Leben erfüllt. Da blieb auch das Nichts. Ein neuer zum Lieben findet sich � vielleicht. Ein neuer zum Hassen— nie. Sie wandte sich um, zu Kügelgen. Sie hatte ihn nie leiden mögen heute war er der einzige Gefährte.„Ich reife morgen nach Dänemark , Kügelgen. Wollen Sie mit?" Der alte Höfling verneigte sich.„Wenn Durchlaucht be- fehlen... aber ich bin wohl zu alt dazu..." „Bleiben Sie lieber hier, Kügelgen. Sie sind noch nicht alt genug dazu... Adleu!" Sie hörte die Greisenstimmen verklingen, wandte sich um und ging langsam. Kügelgen schien es. als ob es eigent- lich ihr Stock war, der ging, und der sie mit sich zog.
23. Tönende Schelle. „Nee, nee, mich niche!" Gustav Kniephacke hob abweh- rend beide Hände gegen Alexander, der ihn in den Wagen zu drängen suchte.„Mich han se jo bestimmt nich jesähn. Ziejelärn oo niche. Där hat nach de Saale zu anjesteckt. Awwer Calm war in'n Howe. Dän han se bemerkt, das is sicher." Er zuckte zusammen: ein heftiger Windstoß warf die Flammen des brennenden Schlosses so hoch an den Himmel, daß sie über den Berg bis in die einsame Gasse zu fassen schienen, in der die schwitzenden Gäule mit dem Wagen hielten.„Man rasch, eh daß die Leite nach Hause komm'n." Mit Gerdas Hilfe schob er Calm auf das Trittbrett. Calm widerstrebte: er sah aus flackernd verzückten Augen in die Röte des Himmels, seine Fäuste öffneten und schlössen sich auf gereckten Armen, als wollten sie hineingreifen, sich baden in der flammenden Flut. Kniephacke trat zu Ziegler, der idiotisch grinsend die Pferde streichelte.„Was Ziejelärn be- trifft, so wär ich sa'n, daß e bei mich jewan is. Mich floowen se schonn. Wenn bloß dich nischt passiert. Junge! Man zu, man zu. daß de rechtzeitig nach Ceethen timmest.. Er drängte den schluckenden Alexander von sich weg in den Wagen neben Calm. Gerda sprang rasch auf den Kutsch- bock.„Sie wollen doch in Leipzig zu'n Musikdirekter Wagner, Freilein Dellendahl? Nähmen Se Calm man mit hin. Wie Wagner das Dresdner Theater anjesteckt han sollte, hat en Calm jeholfen, hat en jerettet. Se wiss'n jo woll. Wagner wird's Calmen verjelten un ihn oo helfen. Er hat's en ver- sprachen dunnemals." Seine breite Hand schlug das eine Pferd derb auf den Schenkel, daß es losjagte.„Atchee, Frei- lein! Atchee, mein Junge! Mach's jut..." Der Wagen glitt lautlos die schneeweiche Straße hinauf. Alexander wandte sich um und sah im rötlichen Licht seinen Pater schwarz und hager über die Brücke gehen, mit lang- samcn Schritten und schlenkernden Händen. Ziegler tapste ihm nach. In der Mitte des Weges blieb Kniephacke stehen. warf die Arme verschränkt über das Geländer und den Kopf darauf, feine Schultern zitterten, Ziegler stand ratlos dabei. „Vater!" rief Alexander— da bog der Wagen um«ine Ecke, eine schwarze Wand schob sich über das Bild der Brücke mit dem schluchzenden Mann. Gerda trieb die Pferd« zu schnellstem Lauf: Alexander mußte mit all seinen Kräften Calm festhalten, der umge- wandt im Wagen stand und noch immer mit den Händen nach dem roten Schein griff, indes sein Mund stöhnend jauchzte:„Nu brennts— nu brennts— nu haww ich je- Halen mein Versprechen..." Als Fuhrwerke ihnen begegneten mit Dörflern besetzt, die das Feuer gesehen hatten und helfen oder zuschauen wollten, ließ Gerda den Wagen langsamer fahren, um keinen Ver- dacht zu erregen. Ihr Haar wehte in einem lauen Wind, der
nach schneller Drehung von Westen kam. Ueber das weiße Land schritt grau der Tag und löschte mit priesterlich lang» samen Händen die Sternenkerzen aus. Hinter ihnen winkt« die schwarze Stadt noch immer mit dem roten Wimpel, den ihr der Greis im Wagen als letzten Gruß in die Hand ge- drückt hatte. Calm begann zu frösteln und kauerte sich stumm in die Kissen. Er ahnte, daß er sie nicht wiedersehen würde, diese schwarze, enge, gehaßte, geliebte Stadt. Sie sank lang- sam in den Schnee, ihre Turmspitzen schwankten noch eine Weile auf und ab wie Bosen, dann sanken auch sie, und end» lich wurde auch der rote Wimpel schwer und schwarz von der Nässe des Taumorgens und schwand im Nebel. In Cöthen, vor dem Seminargebäude, das trostlos und traumlos mit trüben Fenstern in den grauen Tag hinein- schlief, hielt Gerda und schrieb rasch etwas auf einen Zettel. „Hampels Adresse", sagte sie leise zu Alexander.„Schreiben Sie mir dorthin." Sie hatte schno die Leine wieder in der Hand. Er trat an den Kutschbock:„Fräulein Gerda.. Sie beugte sich jäh herab, faßte mit der heißen Hand in seinen Nacken und zog seinen Kopf zu sich. Sie küßte ihn schnell ins nasse Haar. Dann raste der Wagen weiter, die Räder wären fast über ihn hinweggegangen, der fisberrot im schmel- zenden Schnee der Straße stand und ihr nachsah. Aber sie wandte sich nicht um. Als sie hinter Gerlebogk die anhaltische Grenze über« fuhren, war es Tag geworden. Eine dunstige, blasse Sonne machte die weiße Straße grau und klebrig. Gerda breitete Decken über den schlafenden Calm, d?ssen Mund unaufhörlich unverständliche Worte murmelte. Mit verschwitzten, über- anstrengten Pferden, im bis zu den Kissen kotbespritzten Wagen, hielten sie gegen 1 Uhr morgens vor dem grauen, langweiligen Hause, in welchem Wagner während seines Leipziger Aufenthaltes wohnte. Gerda weckte den Alten, nahm ihn unter den Arm und führte ihn die Trevpen hinauf. „Melden Sie Gerda Dellendahl," sagte sie dem Mädchen, das «inen lichtlosen Korridor öffnete, nach einem befremdeten Blick auf Calm die Tür wieder schloß und die beiden erst nach einer ganzen Weile ins Empfangszimmer führte. Das war die„Gute Stube" einer Mietwohnung, fahle Zimmer- palmen standen staubig herum, an den Fenstern aufgehängte Glasbilder machten das graue Licht noch trüber. Nach einiger Zeit trat Wagner ein. Er schien eben vom Frühstück zu kommen, sein etwas überheblich nach unten ge- zogener Mund haute noch am letzten Bissen. Sichtlich un- angenehm berührt musterte er den wirrhaarigen Alten in seinem geflickten, schmuddligen Anzug, mit seiner krankhaft zuckenden Stirn. Dann aber trat er mit seinen kurzen, eitlen Schritten auf Gerda zu. Wagner liebte hübsche Frauen. „Fräulein Dellendahl, nicht wahr? Sie hatten mir ge- schrieben?"(Fortsetzung folgt.)