Morgenausgabe
Nr. 158
A 80
-46. Jahrgang
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Vorwärts
Berliner Bolesblatt
Freitag
5. Apríl 1929 Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.
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Kein ziffernmäßiges Angebot Dr. Schachts.
Paris , 4. April. ( Eigenbericht.)
Die Sachverständigenkonferenz hat am Donnerstag ihre Arbeiten wieder aufgenommen.
Zunächst wurden die Memoranden eingehend durchgesprochen, die die alliierten Delegationen und der Vorsitzende Owen Young gemeinsam in der letzten Vollsitzung vor Cstern übergeben hatten. Diese Memo randen stellen feineswegs ein Ultimatum dar, wie es die Pariser Presse glauben machen wollte. Sie find lediglich als ein Vorschlag einer Distussionsbasis für die ziffernmäßige Festsetzung der deutschen Schuld anzusehen. Von der deutschen De legation sind dazu eine Reihe von Fragen gestellt worden. Angesichts der Bedeutung dieser Gegenfragen wurde beschlossen, sie schriftlich abzufassen und schriftlich zu beantworten. Gleichzeitig sollen die mündlichen Verhandlungen weitergehen. Am Freitag vormittag findet eine Besprechung zwischen Dr. Schacht und den Führern der vier alliierten
Delegationen statt. Dieser Besprechung sollen später eine Reihe von Einzelaussprachen folgen. Entgegen den Darstellungen der Pariser Presse hat Dr. Schacht bisher darauf verzichtet, irgendein festes, ziffernmäßig bestimmtes Angebot im Namen Deutschlands zu machen. Die Diskussion über die Festsetzung der deutschen Schuld, die die Pariser Presse als einen heftigen Kuhhandel, als einen wahren Zank um Millionen und Milliarden darzustellen beliebt, läuft in Wirklichkeit in ganz anderen Bahnen ab. Die gute Verhandlungsatmosphäre ist bisher nicht einen Augenblick getrübt worden und die Konferenz hat am Donnerstag nochmals ausdrücklich festgestellt, daß die Angriffe der Pariser Presse gegen Dr. Schacht jeder sachlichen Begründung ent. behren.
Eine neue Vollsihung ist vorläufig nicht vorgesehen. Der Vorsitzende Owen young wird die Einladungen dazu vielmehr erst ergehen lassen, wenn in den nächsten Besprechungen ein Ergebnis erzielt sein sollte.
Die Jugend marschiert!
Internationale Rundgebung in der„ Neuen Welt".
Internationale Rundgebung der Arbeiterjugend in der Neuen Belt Neukölln, das bedeutet ein riesiger Saal, überfüllt mit jungem Leben, sprudelnd, lärmend und selbst die vereistesten Gemüter erwärmend, erlösend, befeuernd. Ein ungeahntes Geschwirre. Stimmen summen durcheinander, vereinigen sich zu einem grandiosen Chor. Der Saal ist lange vor Beginn der Veranstaltung überfüllt. Immer wieder strömen neue Massen in den Gnal, der plötzlich zu flein geworden ist. Man drängt sich in den Gängen, füllt die Emporen, feine Nadel tann zur Erde fallen. Ueberall strahlen junge Gefichter, zeugen für die Unverweltbarkeit, für die ewige Jugend des fozialistischen Geistes.
Innerhalb ernster Diskussionen und wichtiger Organisations arbeit soll dieser Abend der Deffentlichkeit fund tun, wie geschlossen bas junge internationale Proletariat hinter dem Gedanken der Weltverbrüderung des Sozialismus steht.
Kurz nach 28 Uhr ziehen die Fanfarenbläser und Trommler auf die Bühne, schmetterten ihren Gruß der freudig aufhorchenden Menge entgegen. Schon vorher standen draußen in den Vorräumen Standartenträger mit roten Fahnen, die jetzt unter freudigem Bei fallsjubel in den Saal schreiten. Sie gruppieren sich auf der Bühne und füllen, da die Bühne nicht für alle Platz hat, auch die Gänge. Deutschlands proletarische Jugend marschiert!
Genoffe Ludwig Diederich entbietet den Gruß. In furzer, gedrängter Rede entwirft er ein Bild von der augenblicklichen politischen und wirtschaftlichen Lage. Diese internationale Rundgebung zeigt den starken ungebrochenen Willen des jugendlichen Proletariats zur Internationalität. Die Internationale ist unsere Welt, die rote Fahne die, der mir folgen wollen. Sie bedeutet das stärkste und lebendigste Symbol für alle jungen Menschen. Wir leben in einer Beit sozialer und wirtschaftlicher Spannung. Ueberall wird der Fortschritt gehemmt. Die junge Arbeiterschaft muß sich zur sozialistischen Idee bekennen. Organisierter Kampf heißt die Parole. Kampf um wirtschaftliche und politische Macht. Aber daneben betont auch die proletarische Jugend den Willen des Proletariats zu
Apanasewitsch.
Gpu. Agent und Industriespion?- Eine Warschauer Darstellung.
einer neuen Rultur. Sie erstrebt Neugestaltung der Gefell fchaft auf der Basis einer sozialistischen Weltanschauung.
Darauf spricht Genoffe Roos Borrink- Holland über Jugend und Internationale. Die arbeitende Jugend muß die Probleme der Zeit fennenlernen. In erster Linie steht das wirtschaftliche Broblem. Es gilt gegen die Wirtschaftsdiftatur Front. zu machen. Das zweite Problem liegt im Politischen, im Kampf zwischen Demokratie und Diktatur. Aufgabe der Jugend ist es, jede Dittatur zu verhindern. Der freie demokratische Staat ist das Ideal und die Jugend der Träger dieser Idee. Und zum Legten gilt es, den Frieden zu sichern. Der Anfang ist im Bölkerbund gegeben. Er sollte das Machtinstrument gegenüber der Anmaßung der einzelnen Länder sein, und um diese Idee zu verwirtlichen, muß die Jugend beitragen. Immer mehr fühlt man das Anwachsen einer starten internationalen Gesinnung und die Tagungen der Arbeiterjugend legen für die Erstartung des internationalen Gedankens Zeugnis ab.
Richard Lindström aus Schweden führte das angeschlagene Thema in seinem Referat Jugend und Frieden" weiter aus. Alle Regierungen haben bei Kriegsende versprochen, den Frieden zu schaffen, aber das Versprechen ist nicht verwirklicht worden. Nur die Macht der internationalen Sozialisten kann den definitiven Frieden sichern. Ueberall wird die bürgerliche Jugend systematisch für den Krieg vorbereitet, deshalb muß die proletarische Jugend das Gegengewicht geben und für den Frieden eintreten. Darauf zeigte ein Film Bilder aus dem Leben der Arbeiter. jugend und die Zeltstadt bei der Amsterdamer Tagung.
Am Schluß sprach Felig Kanit- Wien .
Diese Kundgebung, groß und begeisternd, lieferte ben Beweis, daß die proletarische Jugend keineswegs gewillt ist, sich durch irgendwelche schönklingenden Phrasen, gleichgültig, ob sie aus einem extrem rechten oder linken Lager kommen, beeinflussen zu laſſen. 35 000 junge Proletarier werden auf der neuen Internationalen Tagung in Wien für den Sozialismus zeugen.
Folgen falscher Unternehmerparolen.
Von Arthur Saternus.
Der erbitterte Kampf der deutschen Unternehmer gegen die Erhöhung der Löhne und gegen die staatliche Sozialpolitit hat sich in diesen Wochen wieder einmal schroff zu= gespitzt. Eine schlagwortartige Formel dient den Arbeitgebern als Rampfruf: Kapitalbildung tut not. Die deutsche Wirtschaft bedarf, so fagt man, erheblicher Mittel zur Aufrechterhaltung und Steigerung ihrer Produktion, für Anlagen, Betriebsunterhaltung und Absaßfinanzierung. Der deutsche Kapitalmarkt fann diese Mittel nicht liefern. Der Bustrom ausländischen Kapitals aber ist unerwünscht. Daher soll mehr Kapital im eigenen Lande ,, gebildet werden". Sehr schön! Nur fällt dabei von vornherein auf, daß die Unternehmer das Kapital nicht da nehmen, wo auch der letzte Arbeiter und Verbraucher dazu beitragen möchte, wenn er es nur fönnte. Das Spartapital der Kleinen, das ja leztlich der Wirtschaft auch zufließt, interessiert unsere Herren Arbeitgeber nicht. Denn sonst fönnten sie ja die Erhöhung der Löhne, die ja gleichermaßen einer Steigerung des Verbrauches wie der Spartätigkeit zugute fäme, Die Unternehmer nicht so fategorisch zurückweisen. wollen vielmehr ausschließlich diejenige Form der Kapitalbildung, die ihnen die unumschränkte Herrschaft über die aufgesammelten Mittel und damit die Macht läßt, über die Art ihrer Anlage souverän zu verfügen. Warum den- immer nach Arbeitgebermeinung unnötigen Umweg über Spartassen und Wohnungsbau, mozu überhaupt den Verbraucher als Träger der Sparkraft? Der Arbeiter wird ja so nur zur Entfaltung höchst luguriöser Bedürfnisse angereizt. Was braucht zum Beispiel der Arbeiter, der schmutzig aus der Fabrik. nach Hause tommt, Wohnungen mit Bad in einer Zeit, in der die armen Generaldirektoren und Aufsichtsräte sich mit einigen lumpigen hunderttausend Mark Einkommen durchhungern müssen? Diese Frage wird allen Ernstes aufgeworfen, und sie erhält ihre schneidendste Schärfe dort, mo die Unternehmer mit der Biedermannsmiene des sparsamen Kaufmannes gegen die sozialpolitische BerSchwendung" auftreten. Denn dies heißt nichts anderes als: laßt getroft Schwache. Kranke. Hilfsbedürftige zugrunde gehen; erst tommt die Wirtschaft", erst tommen Industrieburgen und-paläste, erst das Betriebs" tapital und der Profit!
Nicht Kapitalbildung überhaupt, sondern Eigentapitalbildung der Unternehmungen ist der Inhalt der Unternehmerwünsche. Hohe Preise bei billiger, weil durchrationalisierter Erzeugung, niedrige Löhne bei hoher, weil wissenschaftlich durchorganisierter Arbeitsleistung sollen den in den Händen der Unternehmer befindlichen Kapitalfonds so starf als nur möglich anreichern. Was aus diesem Kapitalfonds wird, ist Nebeniache. Der Unternehmer hat das Recht- und feiner soll ihn dabei stören, ihn in unsinniger Weise zu vergeuden. Soll man an das vermoderte Lebenswert eines Hugo Stinnes senior erinnern, dessen fünften Todestag man dieser Tage fast überall mit ach so beredtem Schweigen beging, derweil sein Sohn wegen Anleiheschiebungen auf der Anklagebank sizt? Oder soll man daran erinnern, wie selbst von der gegenwärtig so knappen Kapitaldede Millionen und aber Millionen Mart in Anlagen gepumpt werden, die niemals volkswirtschaftlichen Ertrag bringen tönnen, meil schon zu viel gleichartiger Fabriten und Werte bestehen? Wer zählt die Summen, die so in überflüffigen Kofereianlagen, in Röhrenwerken, in der Zementindustrie und in anderen dauernd unterbeschäftigten Gewerbezweigen, nicht zulekt in einem gänzlich unproduktiven 3 wischenhandel festgelegt und festgehalten werden? Unter dem Schuß einer Verbandspreispolitik und unsinnig hoher Zölle gedeiht ja hier der Profit auch dann, wenn die Leistungsfähigkeit solcher Unternehmungen nur zur Hälfte, verlangt eben selbst das Recht auf Bergeudung der Mittel, die dem verbrauchenden Bolt durch unterentlohnung oder Preisüberhöhung vorenthalten werden.
schon seit einem Jahre ein Attentat auf einen hervor menn nicht noch weniger ausgenutzt wird. Der Unternehmer ragenden Polen geplant.
3m Kofainrausch?
Aus Warschau meldef Oftexpreß, daß bei Afanasowitsch größere Mengen Kotain gefunden wurden und vermutet wird, daß er im Rotainrausch geschossen habe.
Die Warschauer Mittagsblätter behaupten u. a., Atanasovitsch sei nicht Mitglied der Sowjethandelsvertretung in Berlin , sondern im Dienst der politischen Polizei( Gup.) tätig gewesen. Einige Blätter äußern auch die Vermutung, daß der Affentäfer geistes gestört sei.
Ist es nicht einfach Unfug, für ein solches Idol der WirtSchaftsführung den Massen das Recht auf den Ertrag der Arbeit, ihrer Arbeit, zu beschneiden?
Der Unfug wird aber zum Wahnwiß, wenn als Folge folcher Politit die ja mit der nationalen Phrase geführt wird! die Uebereignung deutscher Produktionsstätten ans Ausland eine fünstliche Förde rung erfährt. Tatsachen sprechen hier deutlicher als noch so schöne Theorien der Herren Arbeitgebersyndizi.
Warschau , 4. April. ( Eigenbericht.) „ Expres Poranny" meldet aus Barano mitschi folgende Einzelheiten über das Ergebnis der Ermittlungen im Fall Apanajewitsch. Apanase witsch bekleidete in Berlin den geheimen Bosten eines Agenten der GPU . und überwachte die Mitglieder und Angestellten der Handelsdelegation. Auf diesem Posten entlarvte er sich vor einiger Zeit durch eine UnNur allzu wenig wurde der in dieser Hinsicht außergeschicklichkeit und wurde nach Moskau abberufen. Aus den vielen Plänen verschiedener Fabrikanla. ordentlich lehrreiche Fall beachtet. der sich fürzlich in Südgen und technischen Zeitungen, die bei ihm beschlagwestdeutschland ereignete. Die Opel - Werke, das bestnahmt wurden, schließen die polnischen Untersuchungs- Die Regierungsfrise ist am Donnerstag troh fieberhafter organisierte deut'che Automobilwert, wurden vom mächtig beamten, daß Apanasewitsch in Deutschland InduKonferenzen nicht beigelegt worden. Der Kampf innerhalb des Re- ften amerikanischen Autotrust als europäischer Stützpunkt striespionage betrieb. Apanasewitsch erklärte dem gierungsblocs geht weiter. Die Gruppe der Oberst en fordert das auserfehen und angekauft. Daraus, daß die Leitung der Untersuchungsrichter, daß seine Tat ein politisches Recht auf Befehung des Ministerpräsidentenpostens, sowie der wich- Opel - Werte das für sie und vielleicht auch für ihre Arbeiter: Attentat sei und er bedauere nur, daß die Opfer nur tigsten Portefeuilles. Dem widersehen sich diejenigen im Re- schaft vorteilhafte Geschäft einging. ist ihr sicherlich kein Vor zwei untergeordnete Beamten sind. Er habe gierungsblod, die mit dem Parlament zufammenarbeiten wollen. wurf zu machen. In Deutschland steht überschüssiges Kapital