Vtenskag 9. April 1929
Unterhaltung unö �Dissen
Deiloge des Vorwärts
Julius 3iuris 70. Geburtstag
Alles haben wir für die jungen Dichter getan. Beinahe wurden über dieser Sorgfalt, die wir den Zwanzigjährigen zuwendeten, die Alten vergessen. Viele begruben sich empört in chrer Greisenhastig- keit und wollten und konnten die Welt nicht mehr verstehen. Julius Hart , der ein halbes Jahrhundert lang in Feindschaft und Freundschaft mit der deutschen Literatur verbunden war, brauchte sich nicht mit Todesgedanken zu quälen. Er lebte mit allem, was lebendig war und lebendig ist— bis auf den heutigen Tag. Nun feiern wir den 70. Geburtstag des Mannes, dem wir all- wöchentlich mehrmals im Theater begegnen, wo er seines kritischen Amtes waltet. Und er steht immer noch mit hellen Augen, und er hörr mit empfindlichsten Ohren. In den letzten Jahren haben wir wohl nicht mehr«in Buch aus seiner Feder gelesen: doch wir konnten uns erinnern an alles das, was er als literarischer Streiter und al» produktiver Schöpfer von Gedanken und Gedichten hervor- gebracht hat. Es war eine merkwürdige und melancholisch« Zeit, als Julius Hart sich aus dem Westfälischen aufmachte, um an der Seite seines älteren Bruders cheinrich den Krieg gegen eine rein formalistische, grotzmäullge und sozial und politisch reaktionär« Romanliteratur und Theaterkunst aufzunehmen. Paul cheyj« und Spielhagen und auch die lyrischen Byzantiner, die von bayerischen Dynasten mit dem Maximilianorden und vom preußischen Soldatenkönig mit dem Roten Adlerorden ausstaffiert wunden, hatten sich ausgelebt und überlebt. Sie hatten ganz vergessen, daß es außer der wohlsttuierten Bürgerklast« und dem mit Traditionen vollgestopften Adelsstand noch die große Doltsmoffe gab. Sie schilderten in ihren Romanen und Novellen nur eigensinnige Individualisten, die sich in genuß- süchtigen Festtagsschwelgereien gefielen und sich schon als„proble- matische Naturen" fühlten, wenn sie die Nase in die Mufsigkeit irgend einer chandwerkerbude hineinsteckten. Der Kleinbürger galt nur als würdiges Kunstobjekt, wenn man ihn als religiösen oder patriotischen Träumer darstellte. Selbst die soziale Belletristik Spielhagens machte vor hochbetitelten Geheimräten respektvoll holt. Das, was in der Jugend Julius charts als Naturalismus entstand, wurde gejchmäht, als dreckig und unästhetisch angesehen, und wenn die Männer der Feder schon zaghaft den Arbeitsmann umkreisten, so wollten sie ihn doch nur im Sonntagsstaat oder aus seinem Kirchengang bestaunen. Julius Hart kam mit den jungen Naturalisten, mit Arno Holz , mit Hauptmann, mit Schlaf, mit Bölsche und Bruno Wille nach Berlin , und er sang sogleich den Hymnus auf die Schönheit und aus die Schrecken der Weltstadt, auch aus die Einsamkeit des Menschen, der aus den Steinen Brot beziehen muß, um sein Leben zu fristen. Julius Hart war unter den jungen Schriftstellern� die die Bußen. scheibenlyrit und die idyllische Erzählungskunst und das hochgestelzte Hoftheater bekämpften, einer der energischsten. Er versucht« dem Tag zu dienen und gleichzeitig sein Ewigkeitsbödürfnis zu sättigen. Er schrieb die temperamentvollsten Kritiken gegen die Bergangen- heit, und er dichtete die sanftesten Verse. Di« große Popularität gewann er niemals, da er stets mit tiefgründigen Problemen be- schäftigt war und als der erste aus der naturalistischen Schule aus- sprang, um hinter der banalen Wirklichkeit geheimnisvoll mystische Zusammenhänge zu erforschen. Doch er blieb stet» ein treuer Auf- Närer durch das kritisch« Wort, er sammelte die jungen Talente, er hielt besonders zu dem großen, vereinsamten Heiligen und Vaga- banden Peter Hill«. Für Menschen solchen Schlages-wollt« er eine Heimat gründen, und er experimentierte seltsam und tapfer, um die„Neue Gemeinschaft " der Geistigen zu begründen, al, deren Haupt er jahrelang verehrt wurde. Biel zu wenig bekannt ist das, was der„kritische Waffengänger" für den neuen Naturalismus getan hat, um die Kunst der Wahrhaftigkeit durch das Ringen um den neuen Gott zu oertiefen. In einer Zeit, da ganz Deutschland snobistisch herunterkam, da man Kultur mit technischer Gerissenheit und wilhelminischem Parodestil perwechselle, machte sich Julius Hart daran,«ine neu« Welterkennt-
nis zu begründen. Er besaß große geistige Mittel, seine Wirtschaft- lichen Kräfte waren allerdings nur sehr gering Es mußt« ge- schehen, daß sich die Jünger der„Neuen Gemeinschaft " im Hinterhaus einer Mietkaserne und bei mageren Butterbroten zusammen- fanden, um die Wege zu dem dogmenlosen, doch nicht gottlosen Paradies der reinen Seelen zu suchen Und als man für einig« Zeit ein behaglicheres Heim mitten im märtischen Kiefernwald gesunden hatte, da herrschten auch nur äußere Dürftigkeit und fröhlich« Be- scheidenheit. Di« Pächter der Religion und die amtlich bestallten Philosophen auf akademischen Lehrstühlen sollten sich heute an die mystischen Bücher Julius Harts wieder erinnern. Dann würden sie entdecken, daß dieser Mann, der sich als Tagesschriststeller sein Brot verdienen mußte, zur vornehmen Familie des Meisters Eckardt und des Sais- jüngers Novalis gehört«. Es geschah nicht zufällig, daß er zu An- fang des neuen Jahrhundert» Sommernachtsfest« veranstaltete, bei denen sich die ousgetlärtesten Freidenker Berlins mit den frömmsten Schwärmern zusammenfanden. Einmal hatte Julius Hart zu einem Mittsommernachtssest nach der Berliner Uranm eingeladen. Max Reinhardt , damals noch ein junger Schauspieler, stand aus der Bühne, um für die Getreuen der„Neuen Gemeinschaft ", ober auch für«in Zusollspublikum, das sich aus vielerlei Nachtraben, den Besuchern der Lebemannslokale und der Tanzböden in der Berliner Iägerstraße, zusammensetzte, die Hymnen an die Nacht des Novalis vorzutragen. Er tot es als der Fürsprecher Julius Horts, der sich bemühte, das Wunder der Sonnenwendeneinkehr mitten in der Amüsierstadt Berlins erblühen zu lassen. Um derartiges zu wagen, war ein reiner und gläubiger Prophet notwendig. Wer diese Nacht mit- erlebt und Peter Hill« und Julius Hart in Gemeinsamkeit am Werben und Wirken gesehen hat, der wird den Eindruck dieses seit- samen Ereignisses niemals vergessen Bor Iahren kauften wir auf Ratenzahlung ein dickleibiges Buch von fast 2<)v<) engbedruckten Seiten. Das war Julius Harts„Ge- schichte der Weltlitertur", das beste Dokument, um den Umfang seiner geistigen Mühen und Erfolge zu ermessen. Er war ein philosophischer Kopf, die Inbrunst der Religionsgründer loderte in ihm, und unermüdlich gab er sich Rechenschaft von dem, was in den Jahrtausenden gedichtet wurde. Deutsche Literaturgeschichten, die von Unioerfltätspodanten oder völkischen Agitatoren geschrieben wurden, durften in Riesenmasien das deutsche Volk vergiften und verblöden. Die Hartsche„Geschichte der Weltliteratur" verschwand vom Markte, da dem Berleger die Geldmittel ausgingen. Und Julius Hart , das ewige Kind, der uneigennützigste Helfer für andere und der ungeschickteste Stümper, wenn es sich um die eigenen Jnteresien handelte, tat nichts, damit dieses prächtige und imposante Werk wieder unter die Masten kam. Heute, an seinem siebzigsten Geburtstag, sollten sich Akademien und Schulen an dieses groß- artige Buch«rinnern und seinen Neudruck fordern und fördern. Aber die Akademie der Dichtkunst, die nach unverbürgten Gerüchten in Preußen existiert, hat offenbar wichtigeres zu tun, als sich um diesen Jubilar.. zu kümmern, der es nicht oersteht, viel von sich reden zu machen, der es nur verstand, aufopfernd der Dichtung und dem Gedanken zu dienen. Es ist grotesk: Wird heute an den 23 deutschen Universitäten ein Germanist für dos Doktorat und für das höhere und niedere Schulamt geprüft, so muh er auch Auskunft geben über das, was Julius Hart für das Weiterkommen der deutschen Literatur geleistet hat. Man ernannte Hotelbesitzer und Lodenmäntelfabrikantcn und Bierbrauer und Bankiers an deutschen Universitäten zum Ehren- doktor. Dem Mann, olzne dessen Beihilfe kein Schulmeisterlein das akademisch« Hütlein aufsetzen darf, wurde bisher solche Ehre ver- sagt. Wir aber wollen ihn heute an scineni siebzigsten Geburtstag ehren und grüßen, wie er es verdient, auch wie er es sich wohl wünschen mag: ganz schlicht, kameradschaftlich und herzlich. Julius Hart , noch viele, viel« ertragreiche Jahre! Und nichts anderes. Max Hochdorf .
Jl. 3t. Q. ZBromne: Ollllllci ItöflC i'CCllI/
„Na, Emma, es ist bester, ich mache mich auf die Beine," sagt« Lattenede gähnend, stand auf und sah sich nach seinen Stieseln um. „Willst du heute nacht wieder arbeiten?" sagte Frau Schlump mißbilligend.„Du hast doch erst in der letzten Nacht gearbeitet. Allzu viel ist ungesund!" .Laß dir deswegen keine grauen Haare wachsen, alte Hexe," antwortet« Lattenede hoheitsvoll.„Ich bin nun mat ein Mann der Arbeit. Ich holte es eben nicht aus. hier still zu sitzen und die Hönde in den Schoß zu legen. Wenn ich auch gestern ein kleines Geschäft gemacht habe, so ist dos noch lange kein Grund, daß ich heute hier müßig herumlungere. Rastt ich, rost' ich. Wo sind mein« funkelnden Stiesel?" „Auf dem Hutständer," sagte Frau Schlump,„wo du sie auf- hängtest, als du gestern nacht heimkehrtest. Und wenn du deinen neuen steifen Hut suchst, so findest du ihn im Putztasten, wo deine Schuhe stehen sollten. Du bist jetzt so geistesabwesend. Mann. Jedesmal wenn du ausgehst, gibt es mir einen Stich, denn ich seh' dich schon unter einem Auto liegen oder in einem Auto ab- geführt... Wenn es nach mir ginge, dann gibst du das Handwerk auf und befaßt dich mit einer Arbeit, bei der du dein Gedächtnis weniger anzustrengen brauchst." „Mein Gedächtnis ist nicht gut," gab Herr Schlump zu.„aber dagegen kann ich nichts machen. Ich bin eben etwas träumerisch veranlagt. Wie Künstler nun einmal sind In meinem Beruf« muß man schon viel Phantasie haben, und diese wandelt in lichten Höhen, nilht auf der Erde.. Aber jetzt will ich gehen. Leb wohl, Emma." „Leb wohl, Ed«," sagte Frau Schlump,„und sei nicht zu zer- streut." Di« Tür schloß sich hinter ihrem Gatten, ober eine Minute später öffnet« sie sich von neuem, und«r erschien wieder. „Was ist denn los?" sragte Frau Schlump. „Ich Hab' mein Handwerkszeug vergesten." erwidert« er und hüstelte dabei leicht. Seine Frau stieß«inen Seufzer au«, der Bände redet«, stand von ihrem Stuhl auf und holte au» einem Schrank«inen großen Strohkorb hervor:«inen jener Körbe, in denen die Zimmerleute ihr Handwerksgerät mit sich führen.
„Du bist und bleibst doch unverbesserlich," sagte Frau Schlump. „Sieh nur noch einmal nach, ob auch alles beisammen ist. Das Brecheisen? Der Bohrer? Das Oelfläschchen? Die Taschenlampe? Filzpantoffeln? Der Meißel? Der Glasschneider? Die Draht- schere? Da» Schlüsselbund? Di« Handschuhe? Ja wo ist denn der andere Handschuh?" „Ist er nicht da?" fragte Her? Schlump etwas überrascht.„Als ich gestern nacht heimkam, hotte ich ihn noch, das schwöre ich. Ich muß ihn in der Wohnung verloren haben." „Dos hast du nicht," sagt« seine Frau.„Das kann ich be- schwören. Wahrscheinlich hast du ihn irgendwo liegen lassen. Na, macht nichts. Er war schon ganz abgetragen und gezeichnet war er auch nicht. Du wirst dich heute eben mit einem behelfen müssen. Es ist jedenfalls eine Tatsache, daß du immer mehr verlotterst. Nimm doch dein bißchen Grips zusammen I So und jetzt schieb ab und vergiß bloß deinen eigenen Namen nicht. Wenn du nach Hause kommst, mache ich dir ein Glas Punsch." Mit diesen Ermahnungen verließ Lattenede die eheliche Be- hausung, glitt aus dem düsteren, verlassenen Torweg und befand sich, rüstig ausschreitend, bald in einem entfernten, vornehmen Stadtteil. Der steife Hut saß schief und doch fesch auf dem Borderteil seines mächtigen Schädels. Das Handwerkszeug war in den unwahrschein- lichsten Winkeln seines Anzugs verborgen. Gleich darauf war er, ohne daß man auch nur das leiseste Geräusch vernahm, in einen Fahrweg eingebogen, der zu einem abseits von der Straße gelegenen Haufe führt«. Das Haus machte den Eindruck, als wohnten dort wohlhabende Leute. Indem Lattenede sich selber als einen Künstler in seinem Fach hinstellte, hatte er sich keiner leeren Prahlerei schuldig gemacht. Im Nu war er, ein winziges Tüpfelchen in der Dunkelheit, über den Fahrweg geglitten und im nächsten Augenblick durch ein Fenster, das nur ganz schwach geknarrt hatte, in das Haus gedrungen. Dis- kreter hätte kaum jemand ein« fremd« Wohnung betreten können. Wenn man sich aber irgendwo einzuführen weiß, so ist damit noch lange nicht gesagt, daß man davon auch den richtigen Gebrauch zu machen weiß. In der darauf folgenden halben Stunde durch- forschte Herr Schlump das Erdgeschoß des Hauses mit der Sorgfalt und Gründlichkeit eines zukünftigen Mieters, der seinen Abschluß
bereut und die Anzahlung zurückhaben möchte. Im wenig auf- dringlichen Schein seiner Taschenlampe glitt er wie ein zu Fleisch und Bein gewordenes Gespenst von Raum zu Raum. Und je weiter er drang, desto mehr legte sich über sein nicht gerade schönes Gesicht zuerst ein Ausdruck des Erstaunens und zuletzt tiefster Nieder- geschlagenheit. „Bei allen gehörnten Teufeln!" sagte er, jetzt untätig in der Halle stehend.„Ist denn gar nichts da?" So unglaublich es auch scheinen mochte: sein« mit sachkundiger Hand geleiteten eingehenden Untersuchungen hatten auch nicht einen einzigen Gegenstand entdeckt, der das Interesse eines Pfandleihers hätte erregen können, kein Gold, kein Silber, kein Tafelgeschirr, nichts, was auch nur den geringsten Wert hatte. Möbel waren allerdings überreichlich da, wie Lattenedes linkes Schienbein hätte bezeugen können, aber von Pinke oder sonstiger Beute keine Spur. Es war so, als hätte erst vor kurzem ein mächtiger Sturmwind das Haus durch- braust und alles, was nicht niet- und nagelfest war, fortgetragen. „Es ist besser, ich versuche es einmal in den oberen Räumen," meint« er widerstrebend.„Gerne tu' ich es allerdings nicht, denn heut« habe ich wirklich Pech, und es sollte mich nicht wundern, wenn die ganze Familie schlecht verdaut hätte und noch auf wäre." Seine bösen Ahnungen waren vollkommen berechtigt, denn als er das obere Ende der Trepp« erreichte, trat er ganz plötzlich auf einen Kater, mit dem er ganz und gar nicht gerechnet hatte. Das so aus rosigen Träumen von Milch und Mäusen aufgescheucht« Tier stieß einen schrillen Schrei aus und war so rasch am Fuße der Treppe, daß er den letzten Schnelligkeitsrekord unbedingt und zwei Minuten geschlagen hätte. Nach ihm(aber etwas bedächtiger, wegen seines Gewichts) langte Lattenede an. Bei seinem Fall schlug er auf jeder Stufe so dröhnend an das Geländer, daß das Haus in seinen Grundfesten erbebte. Zluf diese Weise gelangte er wieder in die Halle, und da er mit dem Kops zuerst angekommen war, blieb er dort in einer Haltung liegen, die ihn alle irdischen Sorgen vergessen ließ. Schlaf überkam ihn... Die Zeit verstrich, und während Herr Schlump so dalag, stöhnte er, öffnete dann ein Auge, stöhnte wieder, öffnete das andere Auge und bemerkte Lichter und Gesichter: ganz helle Lichter und ausge- sprachen unfreundliche Gesichter. „Wo bin ich?" sragte er schwach. „In der Patsche, alter Knabe," antwortet« eines der Gesichter; ein junges, äußerst feindseliges Gesicht, dos zu einem übergroßen jungen Mann in feuerrotem Pyjama gehörte.„Jetzt haben wir den Galgenvogel, der auf den Leim gegangen ist." „Aber nein!" bemerkte ein zweites Gesicht weiter hinten, das zu einem älteren Herrn mit grauem Backenbart und müdem Blick ge- hörte.„Das ist doch ganz seltsam! Zwei Nächte hintereinander..." ,La," sagte der junge Mann, indem er Lattenede grimmig an- schaute,„die Sache ist nämlich die, daß Sie kein Glück haben, denn in diesem Haufe wurde erst in der vorigen Nacht eingebrochen und alles geklaut." Er hielt inne und starrte wie gebannt auf Lattenedes rechte Hand. „Hol's der und jener! Onkel Heinrich, sieh dir doch mal des Ehrenmanns feinen schwedischen Handschuh an. Die Farbe paßt ganz genau zu dem, den wir heute morgen gefunden haben. Und warum hat er bloß einen an?" Bei diesen Worten wurde Lattenede ganz grün im Gesicht. Er stieß einen langen, leisen, wimmernden Schrei aus, wie einer, der in den letzten Zügen liegt: so schreit eine gequälte Seele,«in ver- zweifelter Geldschrankknacker, ein geistesabwesender Spitzbube, dem sein« traurige Lage plötzlich zum Bewußtsein kommt. „Jetzt sitze ich in der Tinte und kann mich auf was gefaßt machen!" winselte er.„Emma hatte wirNich hundertmal recht: es wird höchste Zeit, daß ich meinen Beruf aufgebe!" lBerechtigle Ueberttazimz au« dem Englischen von Dr. Ernst Lern.)
3)ie literarische �Kegelbahn Man schreibt uns: Als Pendant zu der im„5-Uhr-Tee bei Sascha"(Nr. 147) geschilderten„Garage" kann die„literarische Kegelbahn der neun Musen" gelten, in der der später« berühmte Germanist Wilhelm Wackernagel als Student in Berlin den Winter 1827/28 zugebracht Hot. Es war dies eine„richtiggehende" Kegelbahn, ein Bretterbau In der Lindcnstraße, der dem 21jährigen angehenden Gelehrten und Poeten von seinem Verleger Schmidt kostenfrei zur Verfügung ge- stellt war. Aber auch die vorhergehenden Jahre waren reich an Entbehrungen gewesen. Mit Stundengeben und Zlnfertigung von Abschriften alter Codices fristete Wackcrnagel sein Leben. Er mußte im ungeheizten Zimmer arbeiten, sein Essen bereitete er auf der Studierlampe und nachts stellte er die Füße in kaltes Wasser, um beim Abschreiben der Manuskripte wachzubleiben. Daß die Kegel- bahn-Idylle nur die Fortsetzung dieses Martyriums bedeutete, geht aus der Tatfache hervor, daß er den Fund eines Fünfgroschenitiickes� im Sande der Kegelbahn als einen unerhörten Glücksfall ansah. Zlber die Not drückte seinen Lebensmut nicht nieder: im Com- mer 1828 erschienen die„Gedichte eines fahrenden Schülers", nach- dem er schon zu Weihnachten 1826 Lehrer und Freunde durch die Herausgabe„zweier Bruchstücke eines unbekannten mittelhoch- deutschen Gedichtes", die von ihm gefertigt waren, in wissenschaftliche Unruhe gesetzt hatte. Etliche Zeit des Studiums brachte er in Breslau zu, wo er in dem fröhlichen Kreise der„zwecklosen Gesell- schaft" aufgenommen wurde und auch durch Kritik von Theater- auffllhrungen einiges Geld verdiente. Laube hat ihn dort getroffen und fein Porträt entworfen:„Er sah in einem alten langen Eol- datenmantel auf dem Sopha, die langen blonden Haar« hingen ihm mittelalterlich um Kopf und Gesicht... in seinen großen deutschen harmlosen Zügen, in den klaren blauen Seheraugen lagen alle die schönen Dichterworte, die er noch singen und schreiben wollte." Als er von Breslau wieder nach Berlin zurückgekehrt war, fanden feine trotz Stundengeben und Kopieren ermöglichten wissen- schafttichen Beröffentlichungen solch« Beachtung, daß er 1833 als Professor der deutschen Literatur nach Basel berufen wurde. Wacker» nagel hat später all« deutschen Slngebote abgeschlagen und der Schweiz die Treue bewahrt. Möge der glückliche Ausgang seiner Werdezeit auch beim Maler Sascha eine Widerholung jinden! Die größte Halle der Welt. Am Strande von Atlantic City wurde soeben eine Riesenhalle für Versammlungen und Darblettingen aller Art eröffnet. Sie ist 108 Meter breit und fast 200 Meter long. Die Haupthalle kann im Parkett nicht weniger als 28 800 Personen und in den Rängen 9 800 Personen aufnehmen. Daneben wurde noch eine kleinere Halle für 8000 Person«» erbaut. Zu ihrer Er- richtung mußten 302 000 Kubikmeter Sand entfernt und 12 000 Holz- pfähl« von 3 Metern Länge eingerammt werden.