1929
Sabi no
Der Abend
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Nr. 165
B 82 46. Jahrgang.
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Heufe vormittag um 11 Uhr erfolgte in Oppeln die Einführung des neuen Oberpräsidenten der Provinz Oberschlesien Dr. Lutaschet durch eine Ansprache des Preußischen Ministers des Innern, Grzesinsti, vor den Beamfen des Ober- und Regierungspräsidiums. Die Rede befaßte sich mit zahlreichen Fragen von grundsätzlicher Bedeutung sowie mit dem Problem Oberschlesien im besonderen. Unter anderem hob der Minister die Bedeutung der Minderheitenfragen hervor.
Ich kann und will im Rahmen meiner Ausführungen heute hinweisen auf ein Problem, das in der Proving Oberschlefien eine besondere Rolle gespielt hat und das in Oberschlesien vorbildlich geTöft und für das übrige Preußen vorbildlich geworden ist. Ich meine die Minderheitenbehandlung und
die Frage der Minderheitsschulen. Oberpräsident Proste habe das Genfer Abkommen in voller 1lebereinstimmung mit der Preußischen Staatsregierung nicht nur dem Buchstaben nach erfüllt, sondern in jeder Weise seine Arbeit darauf gerichtet, die polnische Minderheit in Deutsch - Oberschlesien vor jeder auch nur scheinbaren Unterdrückung zu bewahren. Wir tönnen nur wünschen, daß auch auf der anderen Seite der Grenze die Minderheiten ebenso behandelt werden. Es sei erreicht, daß die polnische Minderheit in Oberschlesien sich als polnischer Boltsteil sich im preußischen Oberschlesien wohl= fühlt und trotz sprachlicher und kultureller Berschiedenheit sich immer mehr und wieder als Bestandteil des preußischen und deut fchen Staates fühlt. Das haben auch gerade die Wahlen im Mai des vergangenen Jahres bewiesen.
so fuhr der Minister, indem er den neuen Oberpräsidenten Dr. Lutaschet begrüßte, fort, trotzdem schon eine Menge getan ist, noch genügend zu tun übrig. Denn gerade in dieser Provinz hat sich die Grenzziehung als Folge des Vertrages von Versailles besonders schmerzhaft ausgewirft. Witten durch ein aufblühendes, einheitliches Wirtschaftsgebiet zieht sich heute die Auslandsgrenze, die Zusammengehöriges auseinanderreißt, natürliche Verbindungen zerschneidet und vom Hinterlande loslöst. Das Absatzgebiet des früheren Schlesien ist heute Teil eines fremden Staates geworden, durch Zollschranken von dem Produktionsgebiet abge= trennt. Nicht nur die Industrie Oberschlesiens , sondern auch seine Landwirtschaft ist dadurch schwer betroffen. Es gilt nun für Ober schlesiens Wirtschaft und Landwirtschaft
neue Absatzgebiete zu schaffen.
Biel ist schon im Laufe der letzten Jahre für den Wiederaufbau Oberschlesiens von der preußischen Staatsregierung in Berbindung mit der Reichsregierung unter der selbstverständlichen Mitwirkung der Provinz- und der Kommunalverbände getan worden. Aber alle Hilfsmaßnahmen finden ihre Grenzen in der durch die allgemeine Notlage des Staates bedingten Beschränkung der Mittel. Ich habe auch hier in Oberschlesien schon wie an anderen Stellen Immer wieder betont, daß Oberschlesiens Not nur behoben werden fann, wenn man fyftematisch die Folgen des Krieges im gesamten Often planmäßig befämpft. Denn
der gesamte deutsche Offen ist ja durch die wirtschaftliche und fulturelle Zusammenhänge zerreißende neue Grenzziehung betroffen.
Man tonnte mit Fug und Recht den deutschen Osten vor dem Krieg als ein zusammenhängendes Wirtschaftsgebiet ansehen, dessen Broduktion im Often seine natürlichen Absatzgebiete hatte. Die Folgen des Krieges haben all das zerstört, haben natürliche Berbindungsftraßen unterbrochen, haben nicht nur kulturelle und politische Zufammenhänge zerrissen, sondern auch durch die wirtschaftlichen Ummälzungen in Deutschland den innerdeutschen Wirt schaftsmartt für den Osten zum Teil versperrt und nur schwer zugänglich gemacht. Erschwerend tommt hinzu, daß schon in Borfriegszeiten der deutsche Osten kulturell und wirtschaftlich zu kämpfen hatte, nicht zuletzt deshalb, weil im Vorfriegsdeutschland manches vernachlässigt wurde, was bei den vorhandenen Mitteln wohl hätte geleistet werden können.
Sie wissen, daß die preußische Staatsregierung seit Jahren bemüht ist, den Osten und dabei natürlich auch besonders Oberschlesien zu betreuen. Für all das, was direkt auf die Folgen des verforenen Krieges zurückzuführen ist, muß nach Lage der Dinge zu nächst einmal das Reich, das ist die Gesamtheit Deutsch lands , einspringen. Denn für die unmittelbaren Kriegsfolgen darf natürlich nicht allein der so schwer betroffene Osten leiden, hier heißt es felbstverständlich: Alle für einen! Aber über
diefe Maßnahmen des Reiches hinaus wird Preußen sich mit allen verfügbaren Mitteln dafür einsetzen, daß dem Osten beim Wiederaufbau ſeiner Wirtschaft geholfen wird. Und wenn sich im steigen den Maße die Politit und Wirtschaft die Erkenntnis durchgesetzt hat, daß im Intereffe Deutschlands
der Osten nicht verloren gehen darf,
so ist das nicht zuletzt dem Wirken der preußischen Staatsregierung und der preußischen Verwaltungsbehörden zu danfen. Hand in Hand mit den Maßnahmen des Reiches als Erfaz für die Schäden mit den Maßnahmen, die Preußen aus eigenem darüber hinaus
trifft, muß aber gehen die Selbsthilfe der Wirtschaft und der Kommunen, ohne die jede Unterstützung fruchtlos sein wird. Ich weiß, daß hier in Oberschlesien in allen Schichten der Bevölkerung der Wille zum Aufbau der Heimatproving stark und deutlich zum Ausdruck gekommen ist. Troß schwerster Notjahre sind überall Anfäße zu neuem Blühen, zu neuem Aufschwung auf kommende bessere Zeiten berechtigen. Aber wo der Wille ist vorhanden. Gewiß sind das nur Anzeichen, die erst zur Hoffnung zu produktiver Arbeit, wo die Bereitwilligkeit vorhanden ist, auch unter schweren Opfern sich umzustellen, da wird sich auch ein Weg finden lassen.
300 Tote.
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Ein ganzer Stadtteil niedergebrannt.
In dem gegenüber Schanghai hinter den Dockanlagen der japanischen Schiffahrtsgesellschaft Nippon Yusien Staisha liegenden Stadtteil Pootung wurden durch eine ungeheure Feuersbrunst sämtliche Häuser und Hütten im Umkreis einer englischen Quadratmeile vollkommen zerstört. Etwa 300 Menschen opfer sollen zu beklagen sein. Viele Personen kamen dabei ums Leben, als sie unter der Asche nach ihren Angehörigen und Habseligkeiten suchten. Der Feuerwehr, die durch Militär unterstützt wurde, gelang es, ein Ueber greifen des Feuers auf die Dockanlagen selbst zu verhindern.
In Berlin neuer Temperaturfturz zu erwarten. Der Osten der Vereinigten Staaten von Amerika ist von einer Hikewelle überrascht worden, die zu der für den April anormalen Temperatur bon +38 Grad Celsius führte.
New York hat seit gestern ein Wetter, das alle Frühjahrsrekorde hinter sich läßt. Coney Island ist überfüllt. Bis in die
Letztes Argument.
" Und dann heißt mein Mandant Langlopp. Schon der Name deutet auf langfchädlige Edelraffe, es war also
eine echtdeutsche, eine völlische Zat..."
späte Nacht hinein suchen Tausende in den großen Anlagen und Parks Erfrischung.
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Ganz im Gegensatz zu Amerika , wo zurzeit hochsommerliche Temperaturen herrschen, ist für den europäischen Kontinent wieder mit starker Abkühlung zu rechnen. Ueber Westeuropa lagert ein weitverbreitetes mächtiges Hochdruckgebiet, das sich von den Azoren bis nach Island erstreckt. Auf der Ostseite dieses Hochs wehen heftige nördliche Winde, die talte Luftmassen mit sich führen. Der Luftstrom hat bereits heute früh die ganze Nordseeküste erreicht. Die Folge sind ergiebige Regenfälle und Sinken der Temperaturen. Auch in Berlin hat in der vergangenen Nacht schon eine starke Nebeltrübung eingesetzt. Das Regengebiet rückt aus Norddeutschland langsam nach Süden vor. Wie der Amtliche Wetterdienst mit= teilt, ist daher heute abend bzw. in der kommenden Nacht bei sintenden Temperaturen mit Regen zu rechnen. Für die nächsten Tage wird gleichfalls unfreundliches und regnerisches Wetter vorausgesagt.
Bemerkenswert ist, daß in der letzten Nacht Pommern und Ostpreußen noch 5 Grad Kälte hatten. In Berlin wurden heute mittag 9 Grad Wärme gemessen.
Todessprung eines Bierzehnjährigen.
Aus noch unbekannten Gründen stürzte sich heute mittag der 14jährige Mar L. aus dem im 5. Stodwerk gelegenen Flurfenfter des Seitenflügels Fino w straße 29 auf den Hof hinab. Der Junge wurde in hoffnungslosem Zustande ins Lichtenberger Hubertus- Krankenhaus gebracht.
Ein revoltierender General. Er droht dem Kriegsminister mit einem Prätorianeraufffand. Paris , 9. April. ( Eigenbericht.) Der französische General Nogues hat einen drohenden Brief an den Kriegsminister Painlevé gerichtet, worin er ihm mit einem Prätorianeraufstand droht.
,, Die Armee, schreibt der General, ist in der Kammer mit Beleidigungen überschüttet worden. Man kann und darf aber nicht auf der Ehre der Armee herumtreten, ohne Widerstand hervorzurufen. Schon jetzt geht die Parole herum, daß die Armee sich selbst helfen müsse. Sollen wir es denn wirklich den Lehrern und Postbeamten nachahmen, deren Gewerkschaften zwar voll. Tommen gesetzlos sind, trotzdem aber stillschweigend ge= duldet werden. Die Armee murrt, schreibt der General weiter und schließt in drohend prophetischen Tönen: Die Armee ist entschlossen, sich selbst zu verteidigen, weil die lächerlich schwachen Gesetze nicht genügenden Schutz bieten. Kümmern Sie sich um die Armee, Herr Minister, die Armee ist unzufrieden, sonst geraten Republik und Nation in die schwerste Gefahr."