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BERLIN  Mittwoch 10. April 1929
10 Pf. Nr. 167 B 83 46. Jahrgang.
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Das �eichskabinett berät.. Parteiführerbesprechungen schließen sich an.
Zentrums augenscheinlich nicht zutreffend unter» richtet ist. Das Ziel meiner Partei bei den Kämpfen und Aus- einairderfetzungen der letzten Monate war, angesichts der außer- gewöhnlich gespannten außen, und innenpolitischen Lage dem Lande eine innerlich fe st gefügte, auf lange Sicht ge» dacht« Regierung zu geben. Diese Voraussetzung ver- möchten meine Parteifreunde naturgemäß als gegeben betrachten, wenn die sozialdemokratische Reichstagssrattion bei der Abstim­mung über die weitere Panzertreuzerrate«Ine parlamentarische Haltung einnimmt, die mit u n s e r e r Auffassung einer koalitions- mäßig gebundenen Regierung und unserer pflichtmäßigen Sorge um das Ansehen des parlamentarischen Systems vereinbar ist. Meine Partei glaubt, der Erwartung Ausdruck geben zu dürfen, daß Sie, Herr Reichskanzler, und Ihre sozial- demokratischen Ministerkollegen für die Vor- lag« stimmen. Als letzte, unveräußerliche, sachlich veräntwortbare, Konzessionslinie betrachtet meine Partei, daß die- jenigen sozialdemokratischen Fraktionsmitglieder, welche nicht glauben zustimmen zu können, sich d e.r Stimme e n t h a l-t e n oder der Abstimmung fernbleiben. Ich bitte Sie, Herr Reichskanzler, von dieser meiner Mit- teilung gütigst Kenntnis zu nehmen. Sie ist lediglich in der Ab- ficht erfolgt, rech'zeitig dafür Sorge zu tragen, daß die sozialdemo- kratische Reichstagsfraktion nicht in Verkennung der Haltung meiner Partei eine Entscheidung trifft, die zu schweren Ver- Wicklungen führen muß.' Nachdem der Wortlaut dieses Schreibens vorliegt, wird man verstehen, warum es bei der sozialdemokratischen Fraktion als«in Ultimatum' aufgefaßt wurde, dem sich zu unterwerfen sie keinerlei
Anlaß sah. Nachdrücklich hat man erklärt, es handle sich nur um die Meinung des Herrn Kaas, nicht um die des Zentrums, auch nicht um ein Ultimatum, sondern um einen freundschaftlichen Rot. Es scheint uns allerdings besser, daß solche Briefe nicht geschrieben und solcheRatschläge' nicht erteilt werden. * Zu der treuen Situation, �die durch den Kaas-Vries hervo» gerufen wurde, schreibt dieGermania  ": Am Nachmittag wird es sich in den Fraktionssitzungen ent- scheiden, ob die Frakti.onen bereit sind, auf einer solchen Grundlage mit der Regierung zusammenzuarbeiten und ob ins- besondere das Zentrum in der Lage sein wird, unter diesen oder jenen Kautelen in das Kabinett einzutreten. Ein solcher Schritt des Zentrums wäre selbstverständlich nur dann möglich und verständlich, wenn es nach der sachlichen Seite gelingen könnte, die Bindungen zu erzielen, ohne die ein Zu- sammenarbeitcn der Regierungsparteien als unmöglich erscheint. Solche Bindungen müßten zunächst die Frage des Etats be» treffen und agitatorische Anträge, die über das Pro- gramm der Sachverständigen hinausgehen, unmöglich machen. Ferner müßte jedoch eine Bindung auch für sonstige politisch br- deutsame Anträge derart geschaffen werden, daß sie n u r i m E i n- vernehmen mit allen Regierungsparteien eingebracht werde» können. Ob es möglich ist, diesen Weg zu beschreiten, wird sich bei den heutigen Besprechungen ergeben. Ein Ergebnis der Besprechungen der Parteiführer, die heute vormittag begonnen haben, liegt bisher nicht vor.
Autobusabsturz in Esten. Vier Personen schwer, vier leicht verletzt.
DaS RelchStablttett trat heute morgen um 3/itl Uhr in der Reichskanzlei zu einer Besprechung der politische» Lage zusammen. Die Sitzung dauerte nicht viel länger als eine Stunde. I« Anschluß daran folgte ebenfalls in der Reichs- kanzlel die Besprechung der Parteiführer. Eine Mitteilung über das Ergebnis der Besprechun- gen ist bis Mittag noch nicht ausgegeben worden. Beruhigung. Nach dem gestrigen Beschluß der sozialdemokratischen Reichs- tagsfrattion ist zunächst eine gewisi« Beruhigung«ingetreten. Aus Zentrumskreisen wird versichert, daß dort die Absicht, der Sozial- demokratie ein Ultimatum zu stellen, keineswegs vorhanden gewesen wäre. Man sei eben der Meinung gewesen, die Sozialdemokraten würden, nachdem der Bau des Panzerschiffes nun einmal beschlosien sei, ohne sich etwas zu vergeben, für sein« weiter« Ausführung stimmen können. Die Boraussicht, daß es über diese Angelegenheit zu keiner Krise kommen wird, dürfte sich b« st ä t i g e n. Was, so müssen sich die bürgerlichen Parteien heute fragen, ist wichtiger: das Be- stehen einer stabilen Regierung oder die Schaffung einer hundert- prozentigen Sicherheit für den ungestörten Weiterbau eines Panzer- schiffes? Es wird befürchtet, die Deutschnotionalen könnten Bozheits- Politik treiben und, obwohl sie doch eigentlich die einzigen wirklichen Anhänger d«Z Panzerschiffes sind, gegen die zweite Rate stimmen. Ein« solche Haltung der Deutschnationalen hätte nur dann einen Sinn, wenn die Möglichkeit bestände, durch sie eine Regierungskrise herbeizuführen. Sie verliert aber jeden Sinn in dem Augenblick, in dem die bürgerlichen Mittelparteien erklären, lie dächten gar nicht daran, von dem Schicksal der zweiten Baurate das Schicksal der ganzen Regierung und womöglich der ganzen Deutschen Republik abhängig zu machen. Daß sich die sozialdemokratischen Kabinettsmltg'ieder in einer besonderen Lag« befinden, wird von der sozialdemokratischen Reichstagssraktion anerkannt. Die Regierung muß dafür eintreten, daß die Beschlüsse des Reichstags und ihre eigenen Beschlüsse aus- geführt werden. Daraus zieht aber die Fraktion keineswegs den Schluß, daß! sie verpflichtet wäre, für die Durchführung eines Beschlusies zu stimmen, der gegen ihren entschiedenen Widerstand von einer bürgerlichen Mehrheit gefaßt worden ist. Als logischer Ausgangspunkt einer Krise kann die Entscheidung der sozialdemokratischen Fraktion nur dem erscheinen, der den Weiterbau des vielumkämpsten Panzerschiffes für wichtiger hält als alles übrige, zum Beispiel als die Herstellung eines geordneten Reichshaushalts oder den Bestand einer stabilen Regierung in einer Zeit schwerster außenpolitischer Entscheidungen. Im Volk« draußen würde eine Politik, die darauf ausging«, um eines Panzer» schiffes willen das ganze außen- und innen- politische Porzellan zu zerschlagen, kein Derständ- ni» finden! Wir glauben daher auch nicht, daß die bürgerlichen Mittelparteien ein« solch« Politik zu treiben beabsichtigen. Oer Brief des Prämien Kaas. In seinem mehrfach erwähnten Schreiben an den Reichskanzler nimmt Prälat Kaas, der Führer des Zentrums, zunächst Bezug auf «ine Meinungsäußerung desVorwärts' vom Dienstag früh, in der es in bezug auf die Parteibesprechungen hieß: Wahrscheinlich wird bei diesen Besprechungen auch wieder der Panzerkreuzer A eine Rolle spielen. Die Deutschnotionalen wenigstens hoffen, daß die bürgerlichen Mit elparteien an dieser Frage und an der bekannten Stellung der Sozial- demokratie zu ihr schließlich wieder alles scheitern lassen würden. Indes ist kaum anzunehmen, daß bei der Mitte Nci- gung besteht, gerade an dieser Angelegenheit eine neue Krise zu«rössnen, die logischerweise zu Auflösung und Neu- wählen führen muß. Diese Aeuherung gibt dem Zentrumsführer Veranlasiung zu den schriftlichen Darlegungen, die jetzt von derGermania  ' im Wort- laut veröfseMlicht werden: Aus dieser Bemerkung glaube ich entnehmen zu können, daß . man in Kreisen Ihrer Partei bezüglich d«r Haltung de«
Essen  . 10. April. Gegen Millernachl ereignete sich in F r i l l e n d o r s ein schwerer kraslwagenunsall. Ein von Schonnebeck   nach Esten fahren- der Omnibus fuhr infolge Versagens der Steuerung in der Zeppelinstraße gegen das Geländer einer Eisenbahnbrücke und stürzte neun Meter aus den Eisenbahndamm der Strecke Essen Hoppenberg hinab, von den Insassen wurden a ch t Personen verletzt, davon vier schwer. Die verletzten wurden in da» Elisabeth-Krantenhaus übergeführt. Größere» Unheil wurde dann durch die Geistesgegenwart des wagensührers S ch o e h r aus Essen verhütet, der«roh seiner schweren Verletzung sich aus den Trümmern des Wagens herausarbeitele und zur nächsten Eisenbahnblockstelle lies und die Strecke für den ausfahrt- bereiten Zug sperren ließ. Ein zweites schweres Autobusunglück. Heinsberg  , 10. April. Am Dienstagabend fuhr in Unterbruch ein vollbesetzter Autobus, der nach den Glanz st offwert«» Oberbruch  unterwegs war, auch noch unbekannter Ursache gegen«inen Baum. Etwa 20 Personen wurden zum Teil schwer ver» letzt. Die Schwerverletzten haben im Krankenhaus Aufnahme gesunden. Das Vorderteil des Fahrzeugs ist völlig zertrümmert worden. Auio fährt in eine Arbeitergruppe. Zwei Schwerverlehie. In der vergangenen Nacht ereignete sich in der ver- iaer Straße zu Hohenschönhausen ein schweres Slraßenunglück. bei dem zwei Arbeiter erhebliche Ver­letzungen erlitten. An der Ecke Berliner  - und Orankestraße war gestern nacht eine größere Kolonne Straßenarbeiter mtt dem Aus- wechseln der Weichen beschäftigt. Kurz nach Vit Uhr nähert« sich der Arbeitsstelle in flotter Fahrt eine Autodroschke. Aus bis- her noch ungeklärter Ursache geriet der Wagen plötzlich ins Schleu­dern und fuhr in die Arbeitergruppe Ht. ein Zwei Arbeiter. Adolf Klemm aus der Georgenkirchstraße 12 und Alfred Gielau aus der Iuliusftraße S7 erlitten schwere Kopf- Verletzungen. Ein dritter Arbeiter kam glücklicherweise mit geringfügigen Verletzungen davon. Klemm und Gielau wurden
durch die zu Hilf« gerufen« Feuerwehr ins Krankenhaus am Fried« richshain übergeführt. Die Schuldfrage konnte nicht einwandfrei geklärt werden, da durch die Kriminalpolizei noch zahlreiche Zeugenvernehmungen not- wendig sind. Ein Eisenbahnschaffner toigefahren. Auf den Rangiergleisen des Bahnhofes Schönhauser Allee   ereignete sich in der letzten Nacht ein schwerer Unfall. Gegen 2 Uhr wurde dort der Schaffner Friedrich Krüger beim Signalgeben an seinen Zugführer aus dem Nachbargleis von einer heranrollenden Rangierabteilung, die er überhört hatte, über- fahren und schwer verletzt. Der verunglückte Beamte wurde in da» Reinickendorfer Krankenliaus gebracht, wo er kurze Zeit nach de? sofort vorgenommenen Operation gestorben ist. Oer Hund in der Fahrbahn. Folgenschweres Unglück eines Berliner   Autos. Schlawe  (Pommern  ), 10. April. Vor Alt-Warschow fuhr am Dienstag abend ein aus Berlin   kommender Personenwagen bei dem Versuch, einem Wolfshund auszuweichen, mit voller Wucht gegen einen Baum, wodurch der Wagen an der linken Seite voll­kommen zertrümmert und in den Straßengraben geschleudert wurde. Die drei Insassen, der Ingenieur Fließ aus Berlin  , feine Frau und fein Kind, wurden schwer verletzt in das Stolpe? Krankenhaus eingeliefert, wo Flieh kurz darauf seinen Verletzungen erlag.- Am Dienstag abend überfuhr in Effen-Frillendorf der Autobus der Essener   Straßenbahn das Straßengeländer und stürzte eine acht Meter hohe Böschung hinab. Neun Personen wurden verletzt, darunter vier schwer.
Erdbeben in Oberitalien  ? s luklgark. 10. April. Am Mitlwochmorgen verzeichneten die Znstrumente der Erd« bebenwarte Hohenheim ein starkes Nahbeben. Der Herd liegt in einer Entfernung von rund 600 Kilometern und ist vermutlkch in vberitalien zu suchen. Die Auszeichnung begann mit einem scharsen Einsatz um 6 Uhr 44 Minuten 26 Sekunden und endete nach etwa 10 Minuten.