Nr. 19.
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Vorwärts
13. Jahrg.
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II.
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Wer trägt die Schuld alles dessen?
Donnerstag, den 23. Januar 1896. Expedition: SW. 19, Benth- Straße 3.
bei jedem Einzelgesetze die Regel ist: die verbündeten Re-| nach einer Rechtseinheit eine nothwendige Voraussetzung Die Sozialdemokratie gierungen bereiten es in der ihnen geeignet erscheinenden eines nationalen Staates ist. Eine Rechtseinheit mag nicht und das bürgerliche Gesetzbuch. fassungsgemäß die Stimme des Volkes zum Ausdruck kommt. Staates sein; die Aufgabe aber sich zu stellen, die RechtsWeise vor und es gelangt dann an den Reichstag , in welchem ver- nothwendig die Bedingung der Begründung eines solchen Ja man tönnte sogar meinen, in der Veröffentlichung des einheit zu begründen, das ist ganz unbedingt nothwendig, Wir erklärten in unserem ersten Artikel die Methode Entwurfs erster Lesung, der Vorlage desselben zur all- wenn man an die Gründung eines neuen nationalen der Rechtswissenschaft als die Umgestaltung der Rechtsfäße gemeinen Beurtheilung, der Entgegennahme der Kund- Staates geht," und bei allen folgenden Debatten in Rechtsbegriffe und die Gliederung der Rechtsbegriffe zu gebungen von Einzelnen und Interessentengruppen im Reichs- wiederholten die Freunde des Antrages die Gesichtspunkte logischen Momenten eines Begriffssystems. Wir folgten Justizamt, und den laufenden Veröffentlichungen aus der der nationalen Einheit und der nothwendigen Abschleifung darin Rudolph v. Jhering , dem vor wenigen Jahren ver- zweiten Kommissionslesung liege eine vom Bundesrath aus des Partikularismus durch gemeinsame Zivilgeseze, während storbenen größten Juristen aus Deutschlands Gegenwart. nahmsweise in diesem Vorſtadium herbeigeführte Mitarbeit die Gegner sich genöthigt sahen, gegen den Vorwurf der Reichss Derselbe sagt:" Die imperativische Form der Gebote und des Volkes vor, wenn nicht Pfizer völlig Recht hätte:" Es feindschaft und des Partikularismus Verwahrung einzulegen. Berbote, der Ausdruck so und so soll es sein", erregt muß für eine gelehrte, mit Tinte und Druckerschwärze getränkte Gelegentlich wird auch die Bersplitterung des Rechtes in fast nothwendig die Frage nach dem warum"; anders deutsche Seele eine Wonne sein, die riesigen Haufen be- einzelnen Theilen Deutschlands gestreift;„ daß in demselben aber wenn die Rechtssäße diese Form abgestreift und schriebenen und gedruckten Papiers zu sehen, die sich bei der Ort zweierlei ganz verschiedene Rechte gelten, ja daß sich in Rechtsbegriffe verwandelt haben. Hier wendet sich hohen Behörde angesammelt haben; wenn man alles zu- manchmal blos eine Mauer in demselben Hause die Grenzdie Kritik viel eher ihrer logischen Prüfung zu, als einer sammen drucken wollte, so gäbe es sicherlich noch viel mehr scheide für die verschiedenartigsten Rechtszustände, bilde" Betrachtung ihrer praktischen Brauchbarkeit." Die Täuschung als die 12 309 metallographirten Folioseiten der Kommissions( Hessen ), und Lasker klagt, der Rechtszustand in Deutschentsteht, als ob die logische Gliederung das Ent- protokolle, auf die das Vorwort zu der amtlichen Ausgabe land sei so verworren, daß der Privatmann nicht wisse, scheidende sei, nicht der Zweck des Lebens, und des( ersten) Entwurfs mit taum berechtigtem Stolze verweist. welches Recht vom Gericht werde gesprochen werden Logisch unmöglich oder Logisch nothwendig tönt es vom Aber all das ist nicht die Stimme des Volkes, sondern( Sten. Ber. 1871. G. 287), gleich als ob Bersplitterung und juristischen Dreifuß den Forderungen des Lebens lähmend es sind die Stimmen Einzelner, die das Reichs- Justiz Unsicherheit des Rechts ein und daffelbe, und die Mühseligentgegen: die Begriffssystematik wird zum Fetisch, dessen amt hören oder auch nicht hören mochte, es ist nicht die keit juristischer Technik gegenüber einer Rechtsmannigfaltigkeit Bildner vergißt, daß er selbst diesen Gözen gezimmert Stimme des Volkes, die Justizamt und Bundesrath hören ein Nothstand des Volkes wäre. Beifäufig eine dem Juristen hat. So ist Juristenrecht, und solches Juristenrecht be- müssen, es ist nicht die Stimme der gesez sehr nahe liegende Verwechselung! Schreibt doch selbst der herrscht den Entwurf. lichen Vertretung des deutschen Volkes." Außer- verdienstliche Gierke:„ Auch wer selbst bei seinem bisherigen dem ist ein Unterschied Unterschied zwischen der Entstehung Recht sich ganz behaglich befunden hat, empfindet Mitleid An den Regierungen gebührende Kritik zu üben, ist eines Einzelgefezes und der vorliegenden Kodi- und Beschämung(?!), wenn ein schauerliches Gerücht ihm ebenso zwecklos, wie unter den heutigen Preßverhältnissen ge- fitation. Jeder Einbringung eines Einzelgefeges gehen die Zahl der in Bayern noch geltenden Partikularrechte fährlich. Noch dazu war das Verfahren des Bundesraths äußere Ereignisse, die zu gesetzgeberischen Anstößen werden, meldet oder Anekdoten über Dörfer, in denen diesformell gefeßlich und völlig gedeckt durch die Halbheit vorher, eine parlamentarische Anregung erfolgt oder außer seits und jenseits des des Bachs Bachs verschiedenes Recht und Vertrauensseligkeit der in den siebziger Jahren parlamentarisch in der Deffentlichkeit der Versammlungen herrscht oder gar die Rechtsgrenze mitten durch ein Haus führenden nationalliberalen Partei.( Hat dieselbe doch nie und der Presse entspinnen fich Erörterungen der Uebel schneidet, an sein Dhr dringen." Immerhin ist das Aufverstanden oder gewagt, die Rechte des Volkes und der stände, Vorschläge gefeßlicher Abhilfe, Strömungen, Stim treten dieses Gesichtspunktes ganz nebensächlich. Boltsvertretung zu wahren!) Jm Sinne der Reichs- mungen, eine öffentliche Meinung oder verschiedene Partei- Neber die Kompetenzerweiterung des Reichs war die verfassung, die den Reichstag zum koordinirten Faktor der standpunkte treten hervor, und alles dies stellt bereits so Reichstags majorität nun zwar einig, nicht aber über die Frage Gesetzgebung macht und damit dem politischen Elemente viel vom politischen Element des Rechtes ins Licht, daß, der Gesammtfodifikation, gegen die sich von Freunden des des Rechts seinen gebührenden Plaz sichern will, war es wenn die Gesetzgebung herantritt, selbst in dem ersten Vor- Antrags besonders der Leipziger Professor v. Gerber 1867 allerdings nicht. bereitungsstadium der Bewegungszustand des politisch en( Ueberall, wo im Privatrechte bei einem Denselben Theil des Reichstages, der von jeher bis auf Elements die Unterlage für die technische Arbeit der zelnen Gebiete des wirthschaftlichen oder des gesellschaftheute den Patriotismus zur Phrase gemacht hat, trifft der Juristen wird. Alles dies lag bier bei Entscheidung der lichen Lebens oder sonstiger auf das Privatrecht wirkender unauslöschliche Vorwurf, das große Werk einer nationalen Kodifikationsfrage und Inangriffnahme der Vorarbeiten Interessen das Bedürfniß auftritt, etwas Gemein= Rechtserneuerung auf den Lippen, aber nicht im Herzen durch den Bundesrath anders, hat übrigens bisher vielleicht fames zu schaffen, da sollte unsere Bundesgewalt eingetragen zu haben. bei jeder umfassenden Gesetzgebung über das bürgerliche schreiten.") und der General- Staatsanwalt v. Schwarze Die Vertrauensmänner des Bundesraths waren seine Recht verschieden gelegen. Man veranschauliche sich nur,( Sten. Ber. 1871 S. 218) aussprachen. Dieser Gegensatz Vertrauensmänner, nicht solche der Nation, wie man um die Stala der Berschiedenheiten von ihren Endpolen blieb latent und wirkungslos; zu seiner Verdeckung scheint bürgerlicherseits die Kommissionsmitglieder zu bezeichnen aus zu messen, die Zuckungen des politischen Elementes, aus ein anderer gleichfalls nicht ausgetragener Gegensay in Be pflegt. Die Sozialdemokratie war, trotzdem die denen die Zwölftafel- Geseze in Rom hervorgingen, ziehung auf die Frage, inwieweit die Territorialgesetzgebung Bahl ihrer parlamentarischen Vertreter während der und das lediglich durch den unbefriedigenden Zustand des unter der Reichsgesetzgebung aufrecht zu erhalten sei, beizwanzigjährigen Vorarbeiten zum Gesetzbuch von 1 auf 47 technischen Elements angeregte Bedürfniß, welchem das all- getragen zu haben. Nach alledem setzte sich lediglich die angewachsen war, nicht nur die beiden freisinnigen Gruppen gemeine Landrecht für die preußischen Staaten seine Ent- programmatische Forderung der Rechtseinheit zusammengerechnet, sondern auch die Nationalliberalen( ohne stehung verdankt. Wie stand es nun 1873? als eines Theils der Reichseinheit gegens ihre 7 Hospitanten) überflügelt hat, niemals in det Wir müssen zum vollen Verständniß bis auf das Jahr 1867 über partifularistischem Widerspruch durch, eine Extras Rommissionen vertreten. Nun ist ja allerdings zurückgreifen. Miquel erklärte:„ Ich halte es nicht für noth- Bementirung des Reichsverbandes, gefordert von ängstlichen der Form nach bisher nichts anderes geschehen, als was wendig, Ihnen den Nachweis zu erbringen, daß das Streben Bauleuten, die im Recht der Nation nicht den Selbstzweck, ganz ängstlich zu Muthe; je näher der Mittag kam, desto zu theil geworden. D, Sie müßten sehen, was ich alles Clokilde.( Nachdruck verboten.) mehr wuchs ihre Beklemmung. Was sollte sie dem bekommen habe, nicht wahr, Papa?" Roman aus der Gegenwart von Baron sagen? Sie fürchtete, es werde eine Dummheit sein." Jawohl, mein Kind! Kommen Sie, Herr Baron."- Warum war sie dem Doktor gegenüber muthvoller? Und" auf das Nebenzimmer zeigend, bedeutete Brambach Warum war dieser heute nicht zu sehen? Da ihn seine dem Baron, Clotilden, welche voraushüpfte, zu folgen. Prayis doch immer durch diese Straße führte? Im Nebengemache war bereits die Mittagstafel gedeckt. Er hatte ihr zwar auch eine Karte geschickt mit: Der Tisch mit den Geburtstagsgeschenken stand abseits. Gratulire herzlich zum Geburtstage", aber dieselbe einem Clotilde war bemüht, dem Baron die Gaben einzeln Briefe an die Eltern beigelegt, worin er denselben auzu zeigen und anzupreisen, und Brambach ergötzte sich an zeigte, daß er auf zwei Wochen nach Italien verreise. dem Erstaunen und der Glückseligkeit, mit welcher der Warum mußte er diese Reise gerade heute antreten? Baron Clotilden die Worte vom Munde ablas. Sie war äußerst gesprächig und mittheilsam, beglückt auch, gegen einen Fremden ihrer Freude Ausdruck geben zu können. Sie ließ den Baron nicht zu Worte kommen.
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H. W. M. von Walthausen.
Der Baron von Rüxdorf hatte ein prachtvolles Bouquet geschickt, dazu ein zierliches Briefchen, welches seine Karte mit Glückwunsch, sowie ein Gedicht enthielt, überschrieben: An Fräulein Clotilde Brambach.- Ein Gedicht! ihr gewidmet! wie reizend! sie mußte es nochmals lesen, es
lautete:
Blume aus der Unschuldskrone! Engel, o umschwebt die Zier!
Reicht ihr Glück vom Himmelsthrone,
Tragt das Gute hin zu ihr.
Heiter will die Anmuth prangen, Aus der reinsten Kindlichkeit, Schmückt doch Flora ihre Wangen; Ceres, der ihr Fleiß geweiht, Sält als Liebling fie umfangen. Und der Lipp' entströmen Töne Lebensfrisch mit frohem Scherz; Treuer Liebe Frieden fröne
Barte Blume einst Dein Herz! Clotilde legte das Gedicht in ihr Album, sie hätte es am liebsten eingerahmt, um es immer vor sich zu haben. Wie hatte der Baron nur ihren Geburtstag erfahren? Gewiß von ihrer Freundin
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Der Baron hatte Jean mit Blumen in das Haus einbiegen sehen und im Vorbeigehen die angenehme Botschaft erfahren, als er die Blumenhandlung besichtigt.
Aus diesen Betrachtungen wurde Clotilde durch die Dazwischenkunft ihres Vaters gestört, der den Baron v. Nür dorf mitbrachte.
Beide hatten im Romptoir zusammen gearbeitet und schienen noch in ihren Gegenstand vertieft zu sein. Sie traten im Gespräch ein
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Durch die neue Einrichtung," sagte der Baron, daß
eins
Dieser und Brambach mochten diese Redseligkeit anders
deuten.
Georgine, welche still eingetreten war und zuhörte, merkte indeß, daß ihre Tochter sich sehr flug benahm, denn
wir vier Seiten mehr Lesestoff geben, ohne Preisaufschlag, sie schnitt dem Baron alle Anreden und Fragen ab, deren legen wir die Konkurrenz lahm.
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"
Und die Kosten für Papier?" erwiderte Brambach. " Bringt der erweiterte Annoncentheil" der Baron hielt inne, denn er bemerkte erst jetzt das Geburtstagskind, vor dem er sich tief verbeugte.
Beantwortung sie vielleicht in Verlegenheit versehen konnte. Georgine kam Clotilde zu Hilfe, indem sie laut ausrief:" Bu Tische! zu Tische!" Zu
Der Baron erschrat und beeilte sich unter Entschuldi gungen die Hausfrau zu begrüßen.
Der Wirth Zum Weißen Roß" war beauftragt worden ein feines Diner zu liefern, und Jean zeigte, wie geläufig ihm das Serviren war.
Das Mittagessen erhielt dadurch einen vornehmen Charakter, war aber durch die stete Anwesenheit des Dieners tein vertrauliches.
Clotilde, nach dem Doktor ausschauend, stand in der Fensternische und war erst bemerkt worden. Sie hatte sich nicht gerührt, als die Männer redend eintraten, erstaunte dann, daß ein Dichter von so profanen Sachen wie Konkurrenz reden könne. Jetzt tam er auf sie zu und sagte, indem er ihr die Hand bot:" Geftatten Sie, Fräulein Brambach, daß ich meinen Glückwunsch mündlich Die beiden jungen Leute waren befangen, Brambach zum heutigen Tage wiederhole." war Feinschmecker und starker Esser, der nicht gern viel Clotilden wurde erst der Vormittag zu lang, sie Und ich muß Ihnen danken für das schöne Gedicht," sprach, ehe er gesättigt; er trank indeß dem Baron fleißig konnte es nicht erwarten, den Dichter zu sehen entgegnete Clotilde ihre Hand in die seine legend. Solche zu, wobei er nicht versäumte, selbst die Güte des Weines und ihm zu danken. Dann wurde ihr plötzlich Ehre, ein so außergewöhnliches Geschenk, ist mir noch nicht zu preisen.
War es Zufall oder Berechnung, daß er gerade heute zu Tisch fam?
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