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Nr. 144.

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Vorwärts

8. Jahrg.

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Fernsprecher: Amt 6, Nr. 4106,

Berliner Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands .

Redaktion: Beuth- Straße 2.

Hilfe für den Fürsten Bismarc wider die

Hamburger Nachrichten"!

Es wird wohl noch Jedermann in der Erinnerung sein, daß Fürst Bismarck eines schönen Tages im Reichs­ tag die Erklärung abgab, ihn genirten die zwei Dutzend sozialdemokratischen Abgeordneten feineswegs, zumal die fozialdemokratische Agitation den Nutzen gehabt habe, die Bourgeoisie der von der Regierung geplanten Sozial­reform geneigt zu machen.

Bekanntlich war Fürst Bismarck damals sogar so freundlich hinzuzufügen, daß es ihm garnicht weiter un­angenehm sein würde, wenn noch ein Dutzend Sozial­demokraten mehr in den Reichstag Einzug hielten.

Daß dieser letztere Wunsch dem Fürsten Bismarck etwas gar zu früh in Erfüllung gegangen sein mag, und daß er sich vorgekommen sein wird, wie der Zauberlehr­ling, der die Geister nicht mehr bannen konnte, die er selbst gerufen hat, glauben wir gern.

Die Thatsache aber, daß er unser drittes Dutzend für den Reichstag herbeigewünscht, steht fest, wenn er es auch, als es wirklich fam, sicherlich zu allen Teufeln gewünscht hat. Und nicht minder fest steht die andere Thatsache, daß Fürst Bismarck in höchst eigener Person öffentlich be­zeugt hat, daß unsere Existenz und unser Auftreten dazu nöthig war, um die deutsche Bourgeoisie gesetzlichen Maß­regeln zu Gunsten der Arbeiter geneigt zu machen.

Daß wir Sozialdemokraten keine Ursache hatten, ihm zu widersprechen in einem Falle wie der vorliegende, in welchem er offenbar mit der reinen Wahrheit herausge poltert war, liegt auf der Hand.

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und

Anderen Leuten aber ist dieses Geständniß des ehe­maligen Reichskanzlers ebenso gewiß sehr unbequem ge= wesen und viele, besonders die berufenen und bestellten Vertreter der Bourgeoisie werden sich die redlichste Mühe gegeben haben, es in Vergessenheit zu bringen, wer weiß es am Ende selbst wirklich vergessen haben. Auf diese Weise dürfte es denn erklärlich sein, daß am 19. d. M. die Samburger Nachrichten", welche sonst bekanntermaßen das Leiborgan des Fürsten Bismarck darstellen, eine langathmige, im Grunde aber recht interessante telegraphische Depesche bringen konnten, in welcher die Behauptung, daß die Sozialdemokraten irgend welchen Einfluß auf das Zustandekommen der Arbeiterschutz- und Versicherungsgesetze ausgeübt hätten, für Lüge erklärt wird.

Die Depesche lautet:

Feuilleton.

Nachdrud verboten.]

wurde.

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von Robert Saweiche L.

( 92

Mittwoch, den 24. Juni 1891.

Expedition: Beuth- Straße 3.

Lange Zeit haben sich die Sozialdemokraten in der Presse unseres Artikels wiedergegebenen Form nicht von uns, den und im Parlament gerühmt, daß, wenn in neuerer Zeit den Sozialdemokraten, aufgestellt worden ist, sondern vom Arbeitern günstige Geseze erlassen wurden, sie die Endursachen davon wären. Sie führten aus, daß, wenn feine Sozialdemo- Fürsten Bismarck ; daß also, wenn der Vorwurf fraten vorhanden gewesen wären, es weder einen Arbeiterschutz der Lüge berechtigt wäre, er sich gegen den hohen Patron noch eine Arbeiterversicherung gegeben hätte und daß sich die der Hamburger Nachrichten" selbst richten würde. gesetzgebenden Körperschaften nur infolge des Drucks von ihrer Uns geht die Sache gar nichts an, denn für uns

Seite zu solchen Maßnahmen verstanden hätten. Bei dieser Taktik schlugen die sozialdemokratischen Führer zwei Fliegen stehen die Dinge in dieser Beziehung sehr einfach. Wir mit einer Klappe. Einmal stellten sie sich, trotzdem sie durch- waren und sind wenigstens in diesem einzigen Falle mit weg gegen die Gesetze im Reichstag gestimmt hätten, als die dem Fürsten Bismarck einverstanden: Die Bourgeoisie eigentlichen Urheber aller den Arbeitern zufließenden Wohlthaten konnte freilich nur durch die alberne Angst vor uns hin und empfahlen sich ihnen dadurch für die Zukunft, andererseits durch die Furcht vor dem rothen Gespenst zu einer Art stellten sie dadurch, daß sie eine übergroße Furcht der gesammten

Parteien vor der Sozialdemokratie durchblicken ließen, der letzteren von Einsicht, daß irgend welche gesetzgeberischen Maß­Macht und Einfluß als außerordentlich bedeutend hin und regeln zur Beschwichtigung der Arbeitermassen unerläßlich imponirten damit den Massen. Schlau war diese Taktik, doch wären, gebracht werden. Uns hat also zweifellos die Re­fie litt an dem einen Fehler, daß sie auf völlig falscher und gierung die Annahme ihrer sogenannten Sozialreform­unwahrer Grundlage operirte. Daß die staatserhaltenden

Parteien nicht aus Furcht vor der Sozialdemokratie mit Ge- gesetze zu verdanken. Wir aber haben nicht die mindeste setzen vorgegangen sind, welche den Arbeitern Vortheile ge- Ursache für diese Gesetze uns irgendwie zu erwärmen währen, zeigt schon der Umstand, daß in einer Zeit, als an und sie den Arbeitern etwa auch nur als einigermaßen eine Sozialdemokratie im heutigen Sinne nicht einmal zu

denken war, den Arbeitern die Freizügigkeit und das allge- ausreichende Abschlagszahlungen auf ihre sehr berechtigten meine freie Wahlrecht gegeben wurde. Auch ein gut Theil Forderungen zu empfehlen. des Arbeiterschutzes fällt in die vorsozialdemokratische Zeit. So ist das Fabrikinspektorat, dessen Einrichtung

Daß überhaupt Gesetze in Bezug auf den Arbeiter­

die Sozialdemokratie vornehmlich gern auf ihr Konto schreiben schutz und die Arbeiterversicherung zur Annahme gelangten, möchte, älter als die Sozialdemokratie und es wurde im das ist demnach uns zu danken; daß diese nunmehr an­Jahre 1870 wahrlich nicht aus Furcht vor der Sozialdemokratie genommenen Gesetze aber so überaus mangel­eingerichtet. Auch die neueren Arbeiterschutz- Bestimmungen haft ausgefallen sind, das ist Schuld der herr­und die Versicherungsgesehe verdanken ihre Entstehung zu so steht die Sache.

allerletzt diesen Ursachen. Jedoch wenn dies auch für alle flar ichenden Klassen,

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wäre, welche es mit der historischen Entwickelung und den Und zum Schluß wollen wir den Hamburger Nach Thatsachen genauer nehmen, als es die sozialdemokratischen richten" noch verrathen, daß die Sozialdemokratie keines­Führer zu thun pflegen, so zog doch immerhin die angedeutete wegs erst von heute und gestern ist, wie ihr unwissender Taktik bei den Massen. Nun veröffentlicht dieser Tage das Drahtkorrespondent annimmt. Das rothe Gespenst sozial­einer von einem Arbeiter gegen die Umstürzler gerichteten demokratischer Forderungen steht etwa schon seit dem Broschüre, worin der Wahrheit gemäß bekannt wird, zweiten Viertel dieses Jahrhunderts drohend hinter der daß die Arbeiter alle ihnen nüßlichen Gesetze den nicht- Bourgeoisie, und die Sozialdemokratie ist in unserem Jahr­fozialdemokratischen Parteien verdanken. Auf diese Bemerkung hin hundert im Wesentlichen international gewesen und hat das Partei- Organ mit der ganzen bisherigen Taktik ge brochen und erklärt, daß es die Aeußerung afzeptire und die ist umgegangen ebenso gut in den vierziger Jahren in Urheberschaft des Arbeiterschutz- Gesetzes wie der Arbeiterver- Berlin , als zur selben Zeit und auch schon lange vorher ficherung gern den anderen Parteien überlasse. Ob die Taktik in London und Paris . Die Sozialdemokratie hat gelebt, änderung einem thatsächlich vorhandenen Kraftgefühl der sozial- sie lebt und sie wird leben, nur ihre Taktik und ihre demokratischen Führer entspricht, das nunmehr die eine oder Erkenntniß hat sich geändert-- die andere lügnerische Vorspiegelung nicht mehr nöthig zu Erkenntniß hat sich geändert Lügen aber hat sie haben glaubt, oder ob sie auf eine andere Ursache zurückzu- niemals nöthig, das sind Waffen, die sie schwächeren führen ist, wollen wir hier nicht untersuchen. Die Thatsache, und ihrer Sache weniger sicheren Gegnern überläßt. daß nunmehr die Sozialdemokratie sich von der früher be­haupteten Einwirkung auf den Erlaß der Arbeiterschutz- und Versicherungsgesetze losgejagt hat, steht fest. Man wird sie, wenn

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ſpäterhin irgend ein fozialiſtiſcher Abgeordneter, welcher der straft Gedenktage des Proletariats.

der Parteiführer nicht so traut, wie das Partei Organ, die verlassene Taktik wieder aufnehmen sollte, in der richtigen Weise verwerthen können."

Die Pariser Junischlacht 23. bis 26. Juni 1848.

III.

Die meisten Gefangenen wurden nach den Steinbrüchen und

Zunächst haben wir den" Hamburger Nachrichten" zu bemerken, daß die von seinem Berliner Berichterstatter unterirdischen Gängen gebracht, welche sich unter den Forts von als Lüge bezeichnete Behauptung, in der Eingangs dieses Paris befinden, und die so weitläufig sind, daß die halbe Be­

lich und geistig erschöpft hingestreckt hatte. Er mußte sich der verfallenen Gebäude verschiedener Arten und Style erst besinnen, wie er hierher gekommen und was geschehen ab, welche den Hof umschlossen. Der Ausgang befand sich war. Dann aber griff er rasch nach dem neben ihm in dem östlichen Flügel durch einen runden Thorthurm von liegenden Stutzen und sprang auf. Seine blutige That ungeheurer Dicke mit frenelirter Zinne. Das Thor war stand ihm wieder grell vor Augen, und sein erster Antrieb schmal und niedrig, denn Peutelstein war eben keine fürst­Die Falkner von St. Vigil . war, zu fliehen. Noch befand er sich auf bayrischem Boden. liche Residenz, sondern eine Veste gewesen und diese Bestim­Er näherte sich der Fensterwölbung, durch die er in der mung verlich noch den Ruinen einen finster trotzigen Cha­Roman aus der Zeit der bayerischen Herrschaft in Tyrol Frühe eingestiegen war, und ein Blick nach dem Himmel rakter, den der blaue warme Himmel über ihnen eher ver­sagte ihm, daß er lange geschlafen hatte, denn die schärfte als milderte. Hör' ihn nicht, Bater," bat Lisei angftvoll und schlang Sonne hatte die Mittagshöhe wohl schon seit einigen abermals ihren Arm um den Nacken des Klosterbauers, der Stunden überschritten. Unter ihm breitete sich ein un durchschritt das Thor, dessen Gewölbe von seinen Tritten Ambros, der sich vor allen Dingen orientiren wollte, mit einem Röcheln athmete und abwechselnd roth und blaß absehbares Wipfelmeer, aus dem nackte Klippen auf durchschritt das Thor, dessen Gewölbe von seinen Tritten ragten. Der Monte Cristallo und seine Gesellen, der dumpf widerhallte. Vor ihm lag, etwas tiefer, die äußere Er soll aber hören!" schrie Jerg und schlug mit der schlanke Campanile von Cortina zu deren Füßen schimmerte umfassungsmauer, die von sogenannten Pfefferbüchsen flankirt Fauft auf den Tisch. Er soll hören und auch Du- und leuchteten wie Marmor. Hinter Cortina lag die italie- wurde. Auch an diesen Vertheidigungswerken hatte der Zahn Du Du-" Er konnte das häßliche Wort nicht finden, nische Grenze, das wußte Ambros. Ob er dorthin oder der Zeit bereits start genagt und überall Breschen ge­brochen. Sie gestatteten Ambros einen Blick in die mit dem er Lisei bezeichnen wollte. Statt dessen lachte er nach Desterreich flüchten sollte, darüber hatte er noch keinen und rief: Ja, das war ein fein Stücklein von dem Jerg. Entschluß gefaßt. Sein Herz zog ihn nach dem Kaiserstaate. Schlucht, durch die sich der von Cortina nach Schluderbach Das ganze Dorf hat er auf den Schmied gehezt und hat Nachdem er eine Weile aufmerksam gelauscht hatte, ohne und bei Toblach in das Pusterthal führende Weg herauf­den Wolf zum Thal hinausgehetzt und Reiner hat's ge- irgend ein Geräusch zu vernehmen, setzte er den Hahn seines frümmte. Heute nimmt deffen Stelle eine schöne, breite Serpentine ein, welche aus den Steinen des Schlosses Beutel­merkt und die Hunde haben obendrein noch die Prügel ge- Gewehres in Ruhe, hing dasselbe über die Achsel und schritt stein erbaut ist. Die Beste, die einst den Aufgang zu dem triegt." auf eine Thür zu, die den Fenstern gegenüber aus der Halle Thal der Rienz wehrte, hat ihr Material zu länder­Lisei stieß einen wilden Schrei aus und wäre zu Boden führte. verknüpfenden Straße hergeben müssen, auf der ein reger gefunten, wenn jetzt der Klosterbauer sie nicht gehalten Er betrat einen gewölbten Korridor von mäßiger Breite, Verkehr herrscht, seitdem man begonnen hat, den Holzreich­in welchem er sich rechts wendete und nach kurzer Strecke an thum des Ampezzothales auszunützen. Zu Anfang dieses " Juch!" rief Jerg mit voller Lunge in den Schrei. eine Stelle gelangte, wo auf der linken Seite eine breite, steinerne Jahrhunderts herrschte dort noch Dede und Wildniß, und " Das ist ein Gaudium. Aber Geld giebt's nicht. Juch!" Treppe von etwa einem Dußend Stufen abwärts zu einem Ambros, der außen am Thore geblieben war, erblickte auch wiederholte er und suchte im Zickzack die Thür. Portal führte, das sich auf den inneren Schloßhof öffnete. gegen Osten nur aufschwellenden Wald, über dem die Úeppig sproßte das Gras zwischen den Steinen auf, mit Pfeiler, Platten und Zinnen der Kalfgebirge des oberen denen der Hof gepflastert war, und überkleidete mit Neffeln Rienzthales in der Sonne dämmerten. In dieser Richtung und anderem Unkraut die Haufen herabgestürzter Trümmer. Lag Desterreich. Doch wie sollte er den Weg dorthin durch Das Grün hob sich lebhaft von den schwärzlichen Mauern Wald und Gebirge finden? Und jetzt begann sich auch der

hätte.

Fünftes Rapitel.

Ein Sonnenstrahl, der ihm auf das Geficht fiel, weckte Ambros aus seinem tiefen, traumlofen Schlaf in dem Winkel der zertrümmerten Halle des Peutelsteins, wo er sich körper­