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Beilage

Montag, 15. April 1929

Herbert Hoover  

Der neue Mann im Weißen Hause

,, Herbert Hoover   ist ein Sproß aus Siedlergeschlecht," so be. ginnt Will Irwin   seine Biographie des neuen Präsidenten der Bereinigten Staaten von Nordamerita.*) Hoover   stammt, wie man bei uns sagen würde, aus ,, kleiner Familie". Er war eines Far mers Sohn und wurde einfach erzogen. Die Frömmigkeit des amerikanischen   Puritanismus seine frühverlorenen Eltern waren feine frühverlorenen Eltern waren Quäfer tennzeichnete das Elternhous, in dem der Knabe zum Jüngling ward.

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Der junge Herbert Hoover   hatte Glüd. Er tam auf die Uni­ versität Stanford   und lebte von fargen Mitteln, die er zum Teil selbst verdiente, dem Studium und dem Sport, wie viele

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ausgehungert, im früheren Desterreich- Ungarn   lagen die Dinge voll­tommen im argen, Polen   und die Provinzen des alten Rußland  , die Deutschland   bis dahin besetzt hatte, standen vor der Katastrophe die Deutschland   bis dahin besetzt hatte, standen vor der Katastrophe In ganz Südosteuropa   herrschten Hunger und Unordnung. Hoover wurde nach Paris   geschickt, um Europa   vor dem Hunger und damit vor dem Chaos zu retten. Irwin schreibt:

In den Monaten die dem Waffenstillstand folgten, nahm Hoover die schwierigste und gefährlichste Aufgabe seines ganzen Lebens in Angriff. Er fämpfte jetzt mit dem Rüden gegen die Wand Wenn ich mir die flüchtigen Augenblicke, in denen ich Hoover damals bei der Arbeit sah, ins Gedächtnis zurückrufe, so tommt er mir vor wie ein Schachmeister, der zwanzig Spiele auf einmal und die meisten mit verbundenen Augen spielt." Hoover verlangte die Aufhebung der Blodade. Aber die Altierten bestanden darauf, daß die Blockade aufrechterhalten bleibe, um ein Druckmittel für die Friedensverhandlungen in der Hand zu behalten. Die Intransigenz der Generale und ihrer Anhänger stellte sich, wenn Hoover   bei den Politikern etwas errungen zu haben glaubte, immer wieder der Vernunft entgegen. Es waren wirt­schaftliche Momente, die endlich siegten. Im März durchbrach er die Blodade und drang nach Deutschland   vor. Irwins Saz ist bezeichnend:

,, Dadurch wurden vor allen Dingen die Frauen und Kinder in deutschen   Städten vor unger gerettet, aber als natür­liche Folge davon hatten wir ein neues Abfazgebiet für unseren Ueberfluß gefunden."

Es ist bezeichnend für das Ansehen, das Hoover genoß, daß

Der Abend

Snadausgalle des Vorwärts

ihn die Demokraten nach seiner Rückkehr in die Staaten als Präsi dentschaftskandidaten aufstellen wollten, obgleich er Republikaner  war und ist. Am 4. März 1921 berief ihn der Präsident Harding  zum Handelsminister, und wieder organisierte Hoover. | Irwin schreibt:

,, kürzlich hat der Zeichner Darling Ansichten von Washing­ton" herausgegeben. Im Bordergrund jedes dieser Bilder steht dieselbe immer wiederkehrende Figur: Hoover, der Leiter des amerikanischen   Innenhandels; Hoover, die treibende Kraft unseres Außenhandels; Hoover, der Förderer von Funken- und Flug­verkehr; Hoover, der Schußherr der Schiffahrt; Hoover, der Be­fämpfer der Arbeitslosigkeit; Hoover überall..."

Wieder war Hoovers Name in aller Munde, als er 1922 auf Gortis Rotschrei hin das Hilfswerk für Rußland   zusammen mit Nansen organisierte. Vier Jahre später, als die Mississippi­überschwemmung unzählige obdachlos gemacht hatte, rief Coolidge Hoover an die Spitze der Hilfskommission.

Heute ist Hoover Präsident der Vereinigten Staaten von Nord­amerita. Er fühlt und denkt als Amerikaner. Mag er vom Sozia­lismus noch so weit entfernt sein, das eine wird man anerkennen müffen, daß er eine praktische Sozialhilfe größten Ausmaßes mit dem Kalkül des modernen Kapitalismus überall da auf einen Nenner zu bringen wußte, wo es not tat. Deutschland   wird nicht vergessen, daß er es war, der nach dem viereinhalbjährigen Völker­morden die Hungerblockade durchbrach und den Weg zu den völker­verbindenden, völterernährenden Meeren erzwang.

Henning Duderstadt.

Tausende anderer amerikanischer Studenten es auch fun. Als er Stanford   verließ, besaß er noch weniger als gar fein Geld. Seine Neigung rief ihn zum Ingenieurberuf; doch war er einsichtig genug, zu wissen, daß Brotermerb und Lebenkönnen vor Studium und Wissenschaft geht. Für 50 Dollar monatlich arbeitete er, sei es im Bureau, sei es draußen im Praktischen. In seiner Freizeit vervoll­kommnete er das theoretische Wissen. 1897, 23 Jahre alt, begab er fich auf große Fahrt hinüber nach Australien  , China   und Rußland  .

1914 war Hoover bereits ein hochangesehener Mann, ein Self mademan mit dem ganzen Selbstbewußtsein und der ganzen Selbst­ficherheit dieser amerikanischen   Menschen, die von unten tommen. An den Türen bescheidener Bureauräume in San Franzisko, Nem Dort, London  , Melbourne  , Schanghai   und St. Petersburg   zeigte ein einfaches Firmenfchild herbert C. Hoover", wer hier zu Hause war.

Der in der Welt unbekannte, nur im engeren Kreise angesehene Mann wurde weltberühmt durch den Krieg. San Franzisko bereitete für 1915 die Panama   Pacific- Ausstellung vor. Man wählte Hoover zum Vermittler bei den europäischen   Regierungen. So war er denn auf einer Reise von Hauptstadt zu Hauptstadt, als die Tragödie des Weltkrieges begann. Er begab sich nach London  , der Hauptstation für die Kabel der ganzen Welt. Den taum An­gefommenen erwartete eine Aufgabe. 200 000 amerikanische Bergnügungsreifende hatte der Krieg in seinen Negen gefangen. In dem Wirrwarr, der entstand, schaffte Hoover Ord­nung. Er sorgte dafür, daß seine Landsleute in die Heimat zurüd tehren tonnten.

Was Hoover noch bevorstand, war schwieriger und bedeutsamer. Durch die Besetzung war Belgien  , eines der am dichtesten be völkerten Länder Europas  , das in normalen Zeiten achtzig Prozent seiner Lebensmittel importierte und in feinen Speichern nie mehr Lebensmittel als für einen Monat lagerte, in eine bedrängte Lage geraten. Hoover und mit ihm andere Amerikaner, alle teine Ge fühlsmenschen schlechtweg, aber Leute, die wußten, daß auch die Erfüllung einer fittlichen Aufgabe eine gute und ertragbringende Kapitalsanlage ist, erkannten, daß hier eingegriffen werden müsse. Als Leiter des Hilfswerkes für Belgien   übernahm Hoover eine schlimme Aufgabe. Er mußte zwischen der englischen Admiralität, den französischen   Militärs und der deutschen   Besatzungsarmee ver­mitteln, mußte daneben die Neutralen, namentlich Holland  , heran­ziehen, mußte Kapital und immer wieder Kapital beschaffen. 3ivi listen und menschlich denkende Militärs in allen Lagern sahen die Bedeutung des Werkes ein. Hoover mit seiner unerschütterlichen Ruhe, seinen rein fachlich vorgetragenen Zahlen und seinem über. legenen Schweigen, wenn der Unterhandlungspartner laut und auf geregt wurde, siegte, bezmang Lloyd George  , bezwang selbst die Franzosen  , bezwang die deutschen   Militärs.

Dam tam der verschärfte U- Bootkrieg und mit ihm die Rriegserklärung der USA  . an Deutschland  . Hoover   ging nach Washington  . Drei große Forderungen stellten die Bundes genossen in London  , Paris   und Rom  : Truppen, Munition und Lebensmittel. Der Demokrat Woodrow Wilson   berief den Republi faner Herbert Hoover   zum Administrator des amerikanischen   Lebens. mittelversorgungsamtes. Anderthalb Jahre lang organisierte Hoover die Lebensmittelversorgung fast der gesamten Welt.

Die Zentralmächte waren zusammengebrochen, Deutschland   war

*) Herbert Hoover  , Biographische Erinnerungen von Will Irwin( Berlag pon Reimar Hobbing  , Berlin  ),

Damals wie heute

Der Große friẞt den Kleinen auf...

Von Cunows ausgezeichneter Wirtschaftsgeschichte( All­gemeine Wirtschaftsgeschichte von Heinrich Cunom, Pro­feffor an der Universität Berlin, Berlag J. H. B. Dies Nachf. G. m. b. H., Berlin  ) ist soeben der dritte Band er­schienen. Wir entnehmen dem Band einen Abschnitt, der die Entstehung der Großbetriebe im mittelalterlichen England schildert. Er zeigt anschaulich, daß damals fchon, lange vor Beginn der eigentlichen Maschinenindustrie, die Entpersön lichung des Menschen als Arbeitnehmer begann, wie über­haupt die Arbeitskämpfe des Mittelalters mit den modernen Arbeitskämpfen viel mehr Aehnlichkeit hatten, als es die bis­her übliche Geschichtsschreibung, die die Masse Mensch mit­unter notgedrungen als Objeft, nie aber als Subjekt der Geschichte betrachtete, ahnen läßt.

Die manufatturmäßige Produktion hat zuerst in der Woll­warenfabrikation eingefeßt, damals der wichtigste Fabritationszweig Englands. Der Vorgang vollzog sich in ähnlicher Weise wie in den rheinischen Gebieten. Die Exporteure von englischem Tuch begnüg­ten fich, als sich ihre Ausfuhr mehr und mehr vergrößerte und ten sich, als sich ihre Ausfuhr mehr und mehr vergrößerte und schließlich auf ihr und der Tuchmacher Drängen im Jahre 1463 die Einfuhr wollener Tuche in England verboten wurde, nicht mehr damit, die von ihnen gewünschte Exportware den Tuchmachern zu bestellen und abzufaufen; sie tausten mun selbst die Wolle ein, ließen diese zubereiten und verspinnen und aus dem Garn dann von den Tuchmachern nach ihren Angaben die zur Ausfuhr be= stimmten Tuchstoffe anfertigen. Dabei blieben sie aber nicht stehen; fie richteten bald eigene Wollschlägereien, Spinnereien, Bebereien, Walkereien usw. ein, die nun ausschließlich für ihren Bedarf ar. beiten mußten.

Einer der erften dieser taufmännischen Großunternehmer war John Winchcombe, der in Newbury  ( Berkshire  ) zu Anfang des 16. Jahrhunderts in einem eigenen großen Hause mehrere hundert Wollarbeiter und Weber beschäftigt haben soll. In der Orforder Bodley- Bibliothek befindet sich in der Sammlung von F. Douce ein 1630 in elfter Auflage erschienenes Schriftchen, be­titelt Pleasant History of John Winchcomb, in his younger years called Jack of Newbury"(" Lustige Geschichte von John Winchcomb, in seinen jüngeren Jahren Jakob von Newbury ge­nannt"), in der das Winchcombsche Unternehmen folgendermaßen besungen wird( nach der deutschen   Uebersetzung in W. J. Ashleys Englischer Wirtschaftsgeschichte", II. Band, S. 270):

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In einem großen, langen Saal 3weihundert Webstühl an der Zahl! Dran wirkten all in einer Reih 3weihundert Männer daß Gott   verzeih! Bei jedem Mann ein Knabe saß, Der wand die Spul mit vielem Spaß. 3m nächsten Saale, dicht dabei, Einhundert Frauen, frant und frei, Krempelnd mit Fleiß in heller Luft, Sangen ein Lied aus voller Brust. In einem anderen Raum alsdann 3weihundert Mägde traf man an, In turzem Rod von rotem Tuch: Ein milchweiß Kopftuch jede trug. Nie ließ der Mägdlein Eifer nach. Sie spannen dort den ganzen Tag. Beim Spinnen ihre Stimm erflang So füß, wie Nachtigallensang. In einem andern Saale mar In dürftiger Tracht' ne Kinderschar: Die Wolle zupfend jedes saß Und feine von der groben las: Einhundertfünfzig, Gott erbarm, Kinder von Leuten schlicht und arm, Die von der Arbeit brachten heim Nachts nur ein einzig Hellerlein; Doch Trank und Speise für den Tag Bewahrte sie vor ungemach.

Und wenn sodann man weiter geht,

Man fünfzig wmadre Mann eripäht: Tuchscherer waren's allesamt, lebten mit Kunst und Fleiß ihr Amt. Und nebenan da plagten sich Wohl achtzig Rauher männiglich. Ein Färberhaus gab es sodann,

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Drin schafften volle vierzig Mann; Die Wallemühl zu guter Lezt Mit zwanzig Leuten war befeßt. Das Geschäft rentierte sich. John Winchcomb wurde ein reicher Mann, der in seinem Testament er starb 1519 der Stadt Newburn eine beträchtliche Geldsumme zum Bau einer Pfarrkirche vermachte und seinem Sohn, der wegen seines Vaters Verdienste ( vielleicht als Belohnung für die Ausbeutung fleiner Kinder und alter Frauen?) 1549 geadelt wurde, ein großes Bermögen hinterließ. Ein anderer Großunternehmer war ein gewisser William Stump oder Stumpe, der, wie 3. Leland in seiner von T. Hearne herausgebenen Reisebeschreibung( Itinerary", 2. Band, S. 53), be= richtet, in den Jahren 1540 bis 1545 in der von ihm angekauften und erweiterten Abtei zu Malmesbury   eine große Tuchmanufaktur betrieb und dort an 2000 Tertilarbeiter wahrscheinlich eine über­triebene Zahl für sich arbeiten ließ.

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Winchcomb und Stump sind die beiden größten der Manu­facturers" des 16. Jahrhunderts. Neben ihnen tauchten bald eine Anzahl kleinerer, meist aus reichgewordenen Tuchmachern hervor. gegangener Unternehmer auf. Spinner und Weber, Walker und Färber sahen sich in die Enge getrieben und wandten sich weh­fagend an das Parlament, das 1555 eine Verordnung erließ, in der es heißt:

Die Weber dieses Königreiches haben sich beflagt, daß die reichen und wohlhabenden Tucher sie in mannigfacher Weise unterbrüden: 1. Etliche, indem sie in ihren Behausungen ver­schiedene Webstühle aufstellen und in Betrieb seßen und Gefellen und ungeübte Leute annehmen und halten, zum Nachteil einer großen Anzahl von Handwerkern, die das Webergewerbe erlernt haben, und zum Schaden ihrer Familie und ihres Hausstandes; 2. etliche Tucher aber taufen eine große Anzahl Webstühle auf, bringen sie in ihre Hand und leihen sie alsdann zu so unver­nünftig hohen 3iafen aus, daß die armen Handwerker nicht im­ftande find, sich zu erhalten, um wieviel weniger ihre Frauen, ihre Familie und ihre Kinder; 3. und etliche Tucher endlich ge= währen für das Weben und das Verarbeiten der Wolle zu Tuch weit weniger Lohn und Verdienst, als sie früher taten." Deshalb wurde in der betreffenden Weber Atte" an­geordnet:

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1. Kein Tucher, der außerhalb einer Stadt wohnt, d. h. außerhalb einer torporierten Stadt oder eines Marktfleckens, joll in seinem Haus oder Besize mehr als einen Webstuhl auf einmal haben; auch soll er in feiner Weise aus dem Vermieten von Web­stühlen oder von Räumen, in denen solche aufgestellt sind, Nuzen ziehen. 2. Kein Wollweber auf dem Lande soll mehr als zwei Webstühle halten oder mehr als zwei zu seinem Vorteil ausnüzen 3. Kein Weber soll eine Waltmühle befißen oder das Gewerbe eines Walkers oder Färbers betreiben. 4. Kein Walker soll in seinem Haus oder Besize einen Webstuhl haben. 5. Niemand, der nicht schon ein derartiges Gewerbe betreibt, soll außerhalb torporierter Städte und Marktpläge oder solcher Orte, wo in den legten zehn Jahren allgemein Tuchmacherei betrieben wurde, irgendwelche Art breiter wollener Tuche herstellen oder weben oder herstellen und weben lassen. 6. Ländliche Weber   sollen nicht mehr als zwei Lehrlinge halten. 7. Niemand soll in Zukunft die Bebekunst oder das Bebergewerbe betreiben, der nicht eine fiebenjährige Lehrzeit durchgemacht hat."

Die Verordnung sollte mit Ausnahme von Northumberland  und Westmoreland sowie der Grafschaften Vort und Cumberland für ganz England gelten, hatte aber fehr geringe Wirtung auf die Zustände im Tertilgewerbe. Schon im ersten Regierungs­jahr der Königin Elisabeth, 1558/59, und darauf nochmals 1575 wurde die Geltung der Weberafte wesentlich eingeschränkt und unter Jakobs I. Regierung 1624 völlig aufgehoben. Die Entwicklung ging rüdfightstos über sie hinweg.