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BERLIN  Dienstag

16. April 1929

Der Abend

Erfcheint täglich außer Sonntags. Bugleich Abendausgabe des Vorwärts". Bezugspreis beide Ausgaben 85 Pf. pro Woche, 3,60 M. pro Monat.

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Nr. 177

B 88 46. Jahrgang.

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Achtungserfolg in Genf  .

Zweite Lesung der Abrüstungsvorschläge.

Genf  , 16. April.

Graf

Die heutige Vormittagsfitung der Abrüstungskom. mission begann mit einer Ueberraschung. Bernstorff verlangte, die Kommission sollte sich klar darüber aussprechen, ob sie eine zweite Lesung vor. nehmen wolle, wie sie es im März 1928 beschlossen hat, oder ob sie diesen Beschluß umzustoßen beabsichtige. Auf diese kategorische Frage erklärte Präsident Loudon, die Fortsehung der Beratung derjenigen Punkte, die im März vorigen Jahres noch offen geblieben seien, be­deutet ja schon eine Art zweiter Lesung. Er glaube, daß sich Graf Bernstorff mit dieser Antwort zufrieden geben könne. Die Ueberraschung über diese Erklärung des Präsidenten ist um so größer, als Loudon gestern ganz klar und eindeutig erklärt hatte, daß an eine zweite Lesung unter feinen Umständen zu denken sei.

Litwinow   forderte die Kommission auf, endlich einen anderen Weg zur Abrüstung zu suchen. Die Schwierigkeiten in der Seeabrüstung seien z. B. größer geworden; nach der englisch  - französischen Verständigung darüber hätten sich die Gegensätze zwischen ihnen, ben Vereinigten Staaten und Italien   vergrößert. Der ein zige Weg, weiterzukommen, sei, daß die Kommission sich entschließe, auf der Grundlage des zweiten russischen Entwurfes vorzugehen, der aber mit den bisherigen Methoden nicht vereinbar sei. Er befürchte, daß man den russischen Entwurf nur deshalb an erster Stelle behandeln wolle, um ihn möglichst bald beiseite zu­schieben.

Daager Gericht für Minderheitsbeschwerden. Genf  , 16. April.

Die schweizerische Denkschrift über Minderheitenfragen Schlägt vor, den ständigen internationalen Gerichtshof im Haag in weiterem Umfang als bisher für die Regelung der Minder. heitenstreitigteiten in Anspruch zu nehmen.

Die Regierung der Obersten. Zusammenschluß der polnischen Demokratie.

Warschau  , 16. April.

Der sozialistische Robotnik" sagt zur Regierungsbildung u. a. daß die geheimnisvolle Macht, die bisher hinter den Kulissen wirkte, jezt das Staatsruder und die offizielle Berant­wortung übernommen habe. Das Kabinett der Obersten sei zur Tatsache geworden. Switalsti, Matuszewski und Brystor stellten eine Gruppe von Leuten dat, die die Staatsgeschäfte im Namen Pilsudskis beforgen würden. Matuszewsti sei, nach eigenen flaren Aeußerungen zu schließen, ein entschiedener Faschift. Das polnische demokratische Lager mit der Sozialistischen Partei an der Spize blicke mit Ruhe in die Zukunft. Die Antwort werde ein engerer 3ufammenfchluß aller demokratischen

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Instruktionsstunde.

Mal herhören! Befehl vom Stahlhelm: Zum Bolfs begehren hat ganze Familie vollzählig in sauber ges waschenem Zustand und nüchtern anzutreten. Papa wird mir Meldung erstatten. Wegtreten!"

Der Tag der Frauen

Heute öffentl.Frauenkundgebungen in Berlin  

Die Berliner   Sozialdemokratie veranstaltet heute abend 19, Uhr im Rahmen der internatio­nalen Frauenwoche vier große öttentliche Frauen­versammlungen in den Pharussälen, Müllerstr.142, Prachtsälen am Märchenbrunnen( Friedrichshain  ), Kliems Festsälen, Hasenheide 13-14, Spichernsälen, Spichernstr. 3.

Die Versammlungen werden mit Chorgesängen eingeleitet. Neben deutschen   Redner innen sprechen ausländische Sozialistinnen. Nach den Ansprachen wird der Film: Der Weg einer Proletarierin" gezeigt.

Riesenfundgebung in Breslau  .

Breslau  , 16. April.  ( Eigenbericht.) In einer von weit über 3000 Frauen besuchten Bersammlung sprach anläßlich der internationalen Frauenwoche die polnische Genossin Kluszynska- Warschau über mehr Recht für Mutter und Kind". Die Rednerin schilderte in anschaulicher Weise die besondere Gefährdung der proletarischen Frau und ihres Kindes in der heutigen fapitalistischen Gesellschaft und mahnte, besondern den Krieg und seine Wirkungen nicht aus unserer Erinnerung zu streichen. Nachdem die Rednerin noch über die Bedeutung der Frau in dem heutigen Wahlkampf gesprochen, forderte sie auf, fich stets für den Gedanken des Bölkerfriedens, ein Ziel, das allein des Kampfes würdig ist, einzusehen.

Wells und Chabrun.

Zwei interessante Gäfte in Berlin  .

Ein Zufall hat es so gefügt, daß gestern abend gleichzeitig ein repräsentativer Politiker Frankreichs   und einer der hervorragendsten Geister Englands zu einem interessierten und dankbaren Berliner  Publitum gesprochen haben. Dem internationalen Meinungsaus. tausch mit den Mitteln der Demokratie, der Presse und der Versamm lung, hat die Sozialistische Arbeiterinternationale Bahn gebrochen, und es ist lebhaft zu begrüßen, daß ihr Vorbild Nachahmung ge­funden hat.

César Chabrun, der Führer der republikanisch- sozialistischen Fraktion in der Pariser   Kammer, hat uns ein lebendiges Bild des politischen Frankreich   von heute gegeben, und er hat dieses Bild in das Licht einer Ueberzeugung gestellt, die in großen Zügen auch die unfere iſt. H. G. Wells, der phantasiereiche Romanschreiber und Berfasser einer überaus geistvollen Weltgeschichte, hat sich zum Teil in Sphären bewegt, die umstritten sind.

Wells fucht die Sicherung des Weltfriedens in der Verwirklichung eines Weltbürgertums, das keine Zollgrenzen und feine mili

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tratie und die Bemühungen demokratisch organisierter Staaten, durch ein System von Verträgen den Frieden zu sichern, höher ein, als der berühmte Engländer es tut. Die Bereinigten Staaten von Europa  , als Vorläufer der Ber­das sind Aspekte, die auch unser einigten Staaten der Welt Heidelberger   Programm eröffnet. Aber wenn man die Vereinigten Staaten   von Europa   noch nicht erreichen kann, so hat die politische Annäherung zwischen den großen Demokratien Europas  doch auch ihren Wert. Hier führt ganz von selbst der Weg von Wells zurück zu Chabrun. Anfang, Vorausseßung, Grundlage für jeg­liches Zukunftsgebilde, das mit einigem Recht die Bereinigten Staaten von Europa  " genannt werden könnte, ist der Zusammen­schluß der deutschen   und der französischen   Republik  zu einem dauernden, gegen jede Störung gerichteten Freundschafts­verhältnis. Wie schwer auch nur dieser Anfang zu gewinnen ist, wissen wir, die wir täglich mit den aktuellen Problemen der Be­fegung, der Reparationen, der Ostpolitik zu ringen haben. Ist aber unendlich viel gewonnen.

Kräfte im Lande sein. Die erſte Ausgabe des Robotni tärischen Rüstungen, ja überhaupt keine souveränen Staaten mehr erst einmal dieses Teilziel erreicht, dann ist auch für das Ganze wegen der Wiedergabe einer Entschließung des Zentralausschusses der sozialistischen   Jugendverbände beschlagnahmt worden.

Todessturz eines Ferienfindes.

Aus dem fahrenden Zuge gefallen.

Auf dem Bahnhof Wismar   in Mecklenburg   wurde am Montag festgestellt, daß von einem 160 Rinder um fassenden Transport von Hamburg   nach Arendsee   ein Kind fehlte. Ein eingehendes Verhör der Kinder ergab schließlich, daß der acht Jahre alte Knabe Henry Meins

aus Hamburg  , während die Begleiterin den Abort

aufsuchte, am Türverschluß gespielt hat und zwischen

Petersdorf und Mecklenburg   aus dem Zuge gefat

Ien war. Das Kind wurde später als Leiche an der Strede gefunden.

tennt. Sein Gedanke ist unwidersprechlich richtig: denn wenn es feine souveränen Staaten mehr gibt, fönnen sie nicht mehr mitein­ander Krieg führen, wenn es feine Grenzen mehr gibt, tönnen sie nicht mehr verlegt werden, und wenn es keine Gewehre mehr gibt, fann man nicht mehr aufeinander schießen.

Bir Sozialisten sind die letzten, die jemanden ironisieren wollten, meil er ein Endziel aufstellt. Aber in langer Erfahrung haben wir gelernt, daß es nicht nur darauf ankommt, Endziele zu protia­mieren, sondern auch darauf, die Wege zu finden, auf denen man ihnen näherrüden fann. Darum schäßen wir den Wert der Demo­

Verhaffung eines Doppelmörders. Affentat in Litauen  .

Berichte 2. Seite

So können wir Wells dafür danken, daß er uns durch das Fernglas einer dichterischen beschwingten Phantasie ins Weite blicken ließ, Cha brun aber dafür, daß er mit uns den mühsamen Weg zu gehen bereit ist, der dahin führt.

Prügel für Menschenschinder. Das füdafrikanische Urteil vom Justizminister bestätigt.

Eine ungeheure Sensation hat in Südafrika   die Ents scheidung des Justizministers hervorgerufen, das dem Farmer Nafte   die Strafe von zehn sieben zuteil werden soll. Diese Strafe war von dem Gericht auferlegt worden, weil er in grausamer Weise einen Eingeborenen namens Sixpence so geschlagen hatte, daß dieser tot unter einem Baum liegen blieb.