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BERLIN  Freitag 19. April

1929

Der Abend

Erfcheint täglich außer Sonntags. Bugleich Abendausgabe des Vorwärts". Bezugspreis beide Ausgaben 85 Pf. pro Woche, 3,60 M. pro Monat. Redaktion und Erpedition; Berlin   SW68, Lindenstr. 3

Spätausgabe des Vorwärts"

Revelstoke tot!

10 Pf.

Nr. 183

B 91 46. Jahrgang.

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Plötzlicher Tod des Sachverständigen.  - Montag neue Sitzung.

Paris  , 19 April.( Tul.)

Lord Revelstoke, der bekannte englische   Delegierte für die Sachverständigenberatungen in Paris  , unter dessen Vorsik noch gestern die entscheidende Sigung der Finanzsachverständigen stattfand, in der das deutsche Angebot abgelehnt wurde, ist heute morgen tot in seinem Bett aufgefunden worden. Er scheint einem Herzschlag erlegen zu sein.

Lord Revelstoke ist am 7. September 1863 geboren, stand also im 66. Lebensjahr. Er war Mitglied des Direktoriums der Bank Don England und Teilnehmer des Bankhauses Baring Brothers  . Neben Sir Josiah Stamp  , der bereits dem Dawes- Komitee angehört hatte, war er als Sachverständiger in die Kommission entsandt worden.

Bollsitzung erst Montag.

An zuständiger Berliner   Stelle ist um die Mit­tagsstunde aus Paris   die Nachricht eingetroffen, daß die Vollsihung der Sachverständigenkonferenz auf Montag verschoben worden ist. Die amtliche Bestätigung fehlt zwar noch, doch dürfte die Ver schiebung feststehen. Hiernach könnte also no ch nicht von einem Scheitern der Konferenz ges sprochen werden.

Ob die plößliche Verschiebung der Bollsigung auf Montag ledig. lich auf den überraschenden Tod Revelstokes zurückzuführen ist, oder auch politischen Gründen entsprach, wird nicht erklärt.

Aussage gegen Aussage.

Paris  , 19. April.

Die Agentur Havas verbreitet über den Verlauf der heufigen Beratungen der Reparationskonferenz folgendes: Dr. Schacht habe in seinem geffern überreichten Memorandum während 37 Jahren eine feststehende Jahreszahlung von 1650 Millionen Mart vorge­schlagen, jedoch präzisiert, daß tein Teil dieser Annuität unge­Schüht und mobilisiert sein tönne. Um hinsichtlich dieser Frage der Transferierung und der kommerzialisierung nachzugeben, habe der Führer der deutschen   Delegation von den Sachverständigen der Gläubigermächte entweder eine Herabsehung des Betrages dieser Mindestannuität oder politische Kompensationen wie Aufhebung des Danziger korridors oder Rüderftattung ge­wiffer kolonien an Deutschland   gefordert, da nach seiner Ansicht die Wirtschaft Deutschlands   durch den Verlust dieser Gebiete beein­trächtigt sei. Im Verlauf der heutigen Vormittagsfihung habe Dr. Schacht seine Borschläge formell aufrechterhalten und fich formell geweigert, die Disfuffion irgendeiner höheren Ziffer ins Auge zu faffen, wenn nicht die Sachverständigenkonferenz bereit sei, in die Diskuffion der von der deutschen   Delegation geforderten politischen Borteile einzufreten. Die Sachverständigen der Gläubigermächte feien einstimmig der Ansicht gewesen, daß sie sich nicht auf die Disfuffion politischer Art, die vollkommen außerhalb ihrer rein finanziellen Befugniffe liege, einlaffen tönnten. Unter diesen Bedingungen habe die konferenz, so heißt es in der Havas Darstellung, nur die grundlegende Meinungsverschiedenheit feft­ftellen können, die angesichts des deutschen   Ultimatums sie frenne.

Hierzu ist deutscherseits die Erklärung abzugeben, daß im Laufe der heutigen Sigung lediglich das Annuitätenschema B diskutiert wurde, das an teinerlei Voraussetzung geknüpft ift. Es entspricht also nicht den Tatsachen, daß heute über irgendwelche poli­fische Konzeffionen, die die deutsche Delegation ge­fordert haben könnte, diskutiert wurde, ja es muß sogar feft­gestellt werden, daß über derartige Konzeffionen im Laufe der Konferenz, die 11 Wochen währte, niemals gesprochen

wurde.

Immer schroffer und immer seltsamer werben die Gegensäge zwischen den französischen   und den deutschen halbamtlichen Darstel lungen über die lehte Phase der Konferenz. Es wurde in der Mor­genausgabe des Borwärts" bereits auf den traffen Widerspruch zwischen den beiden ersten Kommuniques von Havas und von WTB. hingewiesen: In diesem er sten Fall lag das Unrecht offen kundig auf französischer Seite, denn die Havas- Behauptung, wonach nur noch die Vertreter der Gläubigermächte an der heutigen Voll­tonferenz teilnehmen würden, ist bereits durch die Tatsachen ein­Fortfehung auf der 2. Gelte.)

wandfrei widerlegt.

Ausstellung

Gas und Wasser"

eröffnet.

Festakt in der alten Messehalle

Mit einem Festakt, der heute vormittag im Ehren­hof der Ausstellungshalle I der Berliner   städtichen Meffehallen stattfand, wurde vor zahlreich erschienenen Ehren­gästen die deutsche Ausstellung Gas und Waffer" Berlin   1929 eröffnet. Unter den Ehrengästen sah man den preußischen Innenminiffer Grzesinski  , den Minister für Handel und Ge­werbe Dr. Schreiber, den Justizminifter Dr. Schmidt, Wohl­fahrtsminister Dr. Hirtjiefer, Staatsfetretär Dr. Abegg. Ministerialdirektor Dr. Menzel, den Reichstagspräsidenten Löbe, Polizeipräsidenten Zörgiebel u. a.

Als erster Redner sprach im Namen der Stadt Berlin   und ihres Ausstellungs-, Messe- und Fremdenverkehrsamtes Oberbürgermeister Böß. Er begrüßte die Vertreter von Reich, Staat und Stadt und fand besonders herzliche Worte für die Vertreter der Stadt Wien  und der freien Stadt Danzig  . Seine Worte galten ferner den Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen. Durch die Aus­stellung, so sagte der Oberbürgermeister, erfahre der Gedanke der Berliner   Fachausstellung, der Berliner   Sommerschau eine weitere fichtbare Stärkung, darüber hinaus sei Gas und Wasser im Jahre 1929 die größte auch im Ausland beachtete deutsche Sommeraus­ftellung. Es sei eine Ausstellung der öffentlichen und privaten Wirtschaft auf der einen Seite, und der Wissenschaft und der Technik auf der anderen Seite. Hierauf ergriff in Vertretung des am Erscheinen verhinderten Reichswirtschaftsministers Dr Curtius Staatssekretär Trendelenburg das Wort, um die Ausstellung im Namen der Reichsregierung zu begrüßen und zu eröffnen. Er umriß die Aufgaben, die Gas und Waffer heute im öffentlichen und privaten Leben haben, die Art der Durchführung des Zieles, das Bissen über ein höchst bedeutsames Gebiet der Wirtschaft zu erweitern, sei in dieser Ausstellung mustergültig erfolgt. Die Aus­stellung hebe das Ansehen der deutschen   Industrie und bedeute einen Fortschritt für die Ausstellungspläne der Stadt Berlin  , die syfte­matisch den Ausbau von Fachausstellungen im Gegensatz zu Aus­ftellungen allgemeiner Art fördere. Die Ausstellung werde zweifellos ftellungen allgemeiner Art fördere. Die Ausstellung werde zweifellos großes Aufsehen im Auslande erregen, und das sei auch notwendig, weil sie im Auslande deutsche Spizenleistungen zeigen will, wie sie bisher auf technischen Fachausstellungen noch niemals gezeigt worden find. Zum Schluß dankte der Vertreter des Ministers im Namen der Reichsregierung allen Mitarbeitern am Wert.

Oben: Durchschnitt eines Koksofens

Unten: Ein vollständiges Gasiverk

Als letzter sprach Direktor Kühne als Vorsitzender des Präsi diums der Ausstellung. Mit dem Deutschland  - Lied, von einer Musit. tapelle vorgetragen, fand die Feier ihren Abschluß, an die sich eine Besichtigung der Ausstellung schloß.

Es handelt sich bei dieser Ausstellung wirklich um ein Welt­mert der Technit. Auf 45000 Quadratmetern Bodenfläche ist, wie hier bereits ausführlich dargelegt, was im Werde- und Nugungsprozeß von Gas und Wasser von bestim mender Bedeutung ist, in der Sommerschau der Reichshauptstadt gezeigt. Die reichste Entlohnung für das Wagnis dieses Erziehungs­programms wird darin liegen, daß ebenso wie vor zwei Jahren bei der Werkstoffschau große Teile des Volkes Erkenntnis und Wissen aus der Fülle des Erschauten schöpfen werden. Dieser rein ideelle Erfolg läßt sich zwar nicht in Zahlen ausdrücken, er wird aber dort in die Erscheinung treten, wo seine Wirkung für unser Bolt von ganz besonderer Bedeutung ist im weltwirtschaftlichen Arbeits­tampfe. In diesem ewigen und gewaltigen Ringen um die Pläge in der Führung der Völker werden nur die Arbeiterbataillone fiegen, die, des inneren Wertes ihrer Arbeit bewußt, über reiches und scharfes geistiges Rüstzeug verfügen und mehr als lebende Maschinen sind.

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Süddeutschlandflug des Zeppelin.

Das Luftschiff Graf Zeppelin  " ist heute vormittag um 7,18 Uhr bei prächtigem Sonnenschein und, wolfenlojem Himmel in Friedrichshafen   zu einer Fahrt nach Süd­ deutschland   aufgeftiegen, die etwa 8 Stunden dauern soll. Es ist beabsichtigt, auf dieser Fahrt die Orte am Oberrhein bis etwa Frankfurt   zu berühren. Den Rückflug wird das Luft fchiff über Stuttgart   nehmen. Die Leitung hat Kapitän Leh­mann. In dem Navigationsraum des Luftschiffes ist zu Bersuc zweden ein reifeltompaß der Firma Anschütz   eingebaut worden. Der Zweck der Fahrt ist hauptsächlich, das Arbeiten dieses Rompasses mit dem gewöhnlichen Kompaß zu vergleichen. Das Schiff, das bei völliger Windstille flott durch das Westtor aus­gebracht werden konnte, entfernte sich in Richtung Konstanz