Einzelbild herunterladen
 

...

Morgenausgabe

Tr. 184

A 93

46. Jahrgang

Böchentlich 85 Pt, monatlich) 3,60 2.

im voraus zahlbar, Boftbezug 4,32 m.

einschließlich 60 Bfg. Postzeitungs- und 72 Bfg. Boftbeftellgebühren. Auslands abonnement 6.- M. pro Monat.

*

Der Borwärts erscheint wochentag lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendausgaben für Berlin und im Handel mit dem Titel Der Abend", Illuftrierte Beilagen Bol und Zeit" und Kinderfreund". Ferner Unterhaltung und Wiffen"," Frauen Stimme"." Technit"," Blid in die Bücherwelt" und Jugend- Borwärts"

Vorwärts

Berliner Boltsblatt

Sonnabend

20. Apríl 1929

Groß Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

Die etnipetttge Ronpareillezetle 80 Pfennig. Reflame etie 5.- Reichs. mart. ,, Kleine Anzeigen das tettge brudte Bort 25 Pfennig( zuläffig zwet fettgebrucie Worte), jedes meitere Bort 12 Pfennig. Stellengesuche das erfie Wort 15 Pfennig, jedes weitere Wort 10 Pfennig. Borte über 15 Buchstaben zählen für zwei Borte. Arbeitsmarkt Beile 60 Pfennig. Famillenanzeigen für Abonnenten Zeile 40 Pfennig. Anzeigen. annahme im Hauptgeschäft Linden Straße 3, wochentagl, von 8 bis 17 Uhr.

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Redaktion und Verlag: Berlin SW 68, Lindenstraße 3

Fernsprecher: Dönhoft 292-297 Telegramm- Adr.: Sozialdemokrat Berlin

Vorwärts- Verlag G.m. b. H.

Bostichedklonto: Berlin 37 536. Banktonto: Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten Wallstr. 65. Diskonto- Gesellschaft. Depofitentasse Lindenstr. 3

Rettungsversuche in Paris

Wirtschaft und Politif.

Von Rudolf Breitscheid .

Kritische Gedanken in Berlin

Lord Revelstoke, der zweite englische Delegierte zur Bariser Sachverständigenkonferenz und Vorsitzender der Kommission, in der am Donnerstag nachmittag die unheil­bar scheinende Krise zum Ausbruch tam, ist am Freitag morgen tot in seinem Bett aufgefunden worden. So bedauer lich das plögliche Ableben dieses Mannes sein mag, so fann sein Tod doch vielleicht eine für die europäische Politit günstige Wirkung ausüben. Die Vollkonferenz, in der am Freitag die Schlußfolgerungen aus der Feststellung des un überbrüdbaren Gegensatzes zwischen dem deutschen Angebot und den Forderungen der Reparationsgläubiger gezogen werden sollten, ist auf den kommenden Montag verschoben worden, und dadurch ist bei den Teilen die Möglichkeit ge-| geben, ihren Standpunkt einer neuen Prüfung zu unterziehen und am Ende doch noch einen Ausgleich zu finden.

Die ungeheuer schwere Belastung der deutschen Wirtschaft und der deutschen Finanzen bliebe bestehen. Insofern hätte sich also nichts geändert. Aber inzwischen sind Hoffnungen er­meckt und zum Teil wohl auch in Rechnung gestellt worden, deren Nichterfüllung ungünstige Rückwirtungen nach sich ziehen fönnte, und außerdem ist es zum mindesten zweifel­haft, ob der deutsche Kredit nicht schwer geschädigt wäre, wenn mit Recht oder mit Unrecht die Welt außerhalb Deutsch­ lands uns für den Mißerfolg der Pariser Konferenz ver= antwortlich machte.

schränkte sich darauf, die unannehmbaren Vorschläge der an-| Milliarden jährlich an Reparationslasten zu zahlen. deren zu kritisieren und abzulehnen. Als sie dann aber doch schließlich Ziffern nannte, hat sie ihr Programm offenbar gleich als ihr ,, legtes Wort" hingestellt und damit den Weg zu weiteren Erörterungen und zur Schaffung gewisser, viel­leicht noch zur Not erträglicher Modalitäten versperrt. Man fragt sich, warum, wenn das die Absicht war, diese Art des Borgehens nicht schon in einem früheren Stadium der Aus­einandersetzungen beliebt worden ist. Dadurch wäre viel Zeit und viel Arbeit gespart worden und wir würden schneller aus dem Zustand der Ungewißheit herausgekommen sein. Man muß diese Frage aufwerfen, weil wir leider über den Berlauf der Konferenz nur sehr unvollkommen und über die Pläne der politisch unabhängigen Sachverständigen so gut wie gar nicht unterrichtet worden sind.

Was aber soll nun weiter werden? In zwei Tagen findet die Vollkonferenz statt, und dort werden, wenn sich inzwischen nichts ändert, die unannehmbaren Ansprüche der Gläubiger staaten und die für undistutabel erklärten äußersten Ange bote der deutschen , Bertreter einander gegenüberftehen. Es Vor allem aber wird diese Frist benutzt werden müssen, ist kaum denkbar. daß das deutsche Kabinett eine Einwirtung um der Deffentlichkeit volle Klarheit über das zu ver- auf Herrn Schacht versuchen wird, da es damit aus der Zu schaffen, was nun wirklich in der Unterkommission geschehen rückhaltung heraustreten würde, die es sich mit gutem ift. Die Mitteilungen, die bisher über das Verhalten des Grunde gegenüber den Experten auferlegt hat Zudem würde Herrn Schacht perbreitet worden sind, stehen zueinander fich der Reichsbankpräsident wahrscheinlich nicht desavouieren im vollsten Widerspruch. Die Behauptung der Gegenseite, laffen. Stedt er nicht aus eigenem Antrieb einen Pflod der deutsche Delegierte habe mit flaren und unmißverständ- zurüd, bleiben auf der anderen Seite die Vertreter der lichen Worten als Voraussetzung einer Abänderung feines alliierten Mächte bei ihren Forderungen, gelingt es den Zahlungsangebots die Rückgabe gewisser deutscher RoAmerikanern nicht, irgendeine Bermittlung herbeizuführen, lonien und die Aenderung der Ost grenzen bezeichnet, so ist die Konferenz gescheitert. wird in der von den deutschen Vertretern inspirierten Presse mehr oder weniger nachdrücklich bestritten. Es sei, so heißt es, nur ganz allgemein von der Notwendigkeit einer Ermeite­rung der deutschen Rohstoffbasis und einer Erleichterung des Verkehrs zwischen den, durch den polnischen Korridor ge= trennten Teilen des Deutschen Reiches die Rede gewesen. Darf man annehmen. daß die Darstellungen, die sich nicht nur in der französischen, sondern auch in der englischen und ame ritanischen Presse finden, einfach aus der Luft gegriffen find,

Das bedeutet dann formell die Rückkehr zu dem bis­herigen Zustand, d. h. zu der Notwendigkeit, zweieinhalb

Es gibt Leute, die diese Aussicht mit verhältnismäßig. großem Gleichmut ins Auge fassen, und gar die Meinung vertreten, daß die weitere Verschlechterung deutscher. Leistungsfähigkeit die Abänderung des Dawes- Blanes schnell herbeiführen werde. Für diese Katastrophenpolitik haben wir aber menig Verständnis, und deshalb sind mir der Ueber zeugung, daß, wenn die Sachverständigen ohne Erfolg nad) Hause zurüdfehren, das Thema, das sie behandelt haben, politifch in Angriff genommen werden muß. Mit an­deren Worten: die Regierungen selbst haben den Berfuch zu einer Verständigung zu machen, wobei sie ja immerhin die Arbeiten. die in Paris geleistet worden sind, als Grundlage für ihr Verfahren benußen tönnen.. Vielleicht ist es haupt verfehlt gewesen ,,, unabhängige" Wirtschaftsvertreter mit den Verhandlungen zu betrauen. Bielleicht hätte man sich von vornherein über die starke Einwirkung der Politik auf das zu behandelnde Problem im flaren sein müssen. Schließlich lag dem Ganzen die Idee zugrunde, daß die Wirtschaftler den Bolitikern nur den Weg bereiten sollten, aber man hat die Gefahr übersehen, daß sie ihnen unter Um­ständen auch den Weg verbarrita dieren fönnten.

Die Aussichten in Paris .

über­

ober muß man nicht zum mindeſten glauben, daß Herr Bemühungen um Wiederanknüpfung- Erkenntnis der Folgen eines Abbruchs.

Schacht sich einer Ausdrucksweise bedient hat. Die eine irr tümliche Auslegung durch die anderen ermöglichte? Bedenk­lich ist immerhin, daß auch die Korrespondenten deutscher Zeitungen in Paris in vorsichtiger Form von dem takti fchen Fehler sprechen, der durch die Aufwerfung poli­tischer Fragen begangen worden sei.

Lesart der Schachtschen Ausführungen nicht für richtig Wir können schlechterdings die im Ausland verbreitete halten Der deutsche Delegierte würde seine Zuständigkeit meit überschritten haben, wenn er die politischen Probleme der Ko: lonien und der Grenzrevifion in der Weise in die Diskussion geworfen hätte, daß er von ihrer für Deutschland günstigen Beantwortung weitere Zu geständnisse abhängig machte. Er fannte die Befugnisse der Konferenz, deren Teilnehmer nicht in der Lage waren, ihm auf das politische Gebiete zu folgen, und er hatte außerdem feinerlei Auftrag von amtlichen deutschen Stellen, Fragen anzuschneiden, die vor ein ganz anderes Forum gehören. Hätte er also Bedingungen gestellt, mie sie ihm nachgesagt werden, so würde er das in dem vollen Bewußtsein getan haben, auf diese Weise das Schejtern der Konferenz herbei­zuführen.

Behentlich aber wäre es auch, wenn Herr Schacht sich in seinen Worten so vergriffen hätte, daß die Vertreter der Gläubigerstaaten ihnen eine Auslegung geben konnten, die den Grund oder den Bormand zu einem Berzicht auf weitere Berhandlungen lieferte. Jedermann würde es billigen, wenn er ganz allgemein bei der Darlegung der deutschen Wirt­schaftslage auf die Schwierigkeiten hingewiesen hätte, die durch den deutschen Gebietsverluft entstanden sind. Aber in feiner Form fonnte nach Lage der Dinge in dieser Sigung die Bereitwilligkeit zu weiterem Entgegenkommen von einer Revision des Veriailler Vertrages abhängig gemacht werden. Wir werden indeffen, wie gesagt, mit dem endgültigen Urteil warten müssen. bis ein offizieller und flarer Bericht über den Berlauf der Ausschußfihung vorliegt.

sehen, da hier

Paris , 19. April. ( Eigenbericht.)| Grund vorhanden ist, hierin so außerordentlich Befremdendes zu Sachverständige haben die Hoffnung, daß in der letzten Minute noch eine, wenn auch nur provisorische Lösung gefunden wird, noch nicht aufgegeben. Die Konferenz

ab, in deren Verlauf die einzelnen Delegationen des so hielt am Freitag morgen nur eine rein formelle Situng plötzlich verstorbenen Revelstoke ehrend gedachten. Dann vertagte man sich auf Montag.

Die schlimme Wendung der Verhandlungen hat sicher auch unter den allierten Delegierten peinliche lleberraschung hervorgerufen, und es fehlt nicht an Versuchen, die verfahrene Situation wieder einzurenten. Die alliierten Delegierten besprachen fich am Freitagmorgen untereinander. Es tam auch zu Unter haltungen mit den Deutschen über die Frage, ob es nicht möglich wäre, die durch den Tod Revelstokes gewonnenen" 48 Stunden zur Aufstellung einer neuen Diskussionsbasis zu nüßen. Zu Vor­schlägen haben sich diese Hoffnungen jedoch noch nicht verdichtet. In­zwischen nimmt die

|

polifische und wirtschaftliche Dinge eng miteinander verknüpft unerläßliche Voraussetzung der Erfüllung der Dawes- Verpflichtungen auf der Dawes Ronferenz 1924 die Ruhrräumung als erscheinen fönnen. Man braucht sich ja nur zu erinnern, daß auch gefordert worden ist.

Es müßte nicht ausgeschlossen sein, ein gemeinsames Terrain zu finden. Gewöhnlich versucht in der Borsigende, bie erregten Wogen einer an Gegensägen reichen Konferenz zu glätten. Aber Owen Young , ein so ausgezeichneter Bankfachmann er sein mag, scheint es etwas an den hierzu nötigen diplomatischen Qualitäten zu fehlen. Es ist nicht das erstemal, daß dies auch die hiesige Bresse feststellt. Freilich ist

Owen Youngs Stellung angesichts der unnachgiebigen Haltung feiner Regierung in der inferalliierten Schuldenfrage nicht gerade leicht.

Er muß von den Alliierten ständig Opfer verlangen, ihnen aber zugleich erklären, daß sein Land, das den Löwenanteil der deutschen Bahlungen erhalten soll, na chlässe nicht gewähre.

Die Pariser Blätter laffen erkennen, daß die Aussicht auf einen Bruch hier keineswegs angenehm empfunden

Polemik um die Frage der Schuld an dem Fiasto ihren Fortgang. Die Alliiertenpresse versucht, die deutsche Dele gation mit der alleinigen Verantwortung zu belasten. Die Be­hauptung, daß Dr. Schacht auch am Donnerstagabend wieder jedes Entgegenkommen habe vermissen lassen und jedes Zugeständnis sowohl hinsichtlich der Jahresraten wie hinsichtlich eines Ber= 3ichts auf die Transfertlaufel auf das fategorijchste ab­gelehnt habe, wird von Dr. Schacht nachdrücklich bestritten. Auf der anderen Seite läßt sich nicht leugnen, daß die deutsche Delegation sich mit ihrer Anspielung auf die fehlende de utfche Rohstoffbasis und die Abtrennung Ost preußens, die von der Gegenseite als politische Forderung ge. deutet wurde, zum mindesten formal ins U nr echt gesetzt hat. Einige Zweifel find ferner darüber angebracht, ob es Immerhin wird man sich drüben sagen müssen, daß, so unertreten und damit die deutschen Reparationsleistungen eine empfind­richtig war, das deutsche Angebot ultimativ zu gestalten. Die deutsche Delegation hatte es die ganze Zeit hindurch ver- wartet auch das Abspringen der deutschen Delegation auf das polis liche Senkung erfahren würden. mieden, einen eigenen Zahlungsplan vorzulegen. Sie bestische Grenzgebiet erscheinen mochte, jedenfalls in der Sache kein

wird, und viele mögen denten, was am Freitagmorgen die ,, BD­1onte" offen erklärt: daß die Altierten ein nicht gerin geres Interesse an einer vernünftigen Revision des Dawes Plans haben als Deutschland . Das Blatt hat als einziges den Mut, seinen Lesern zu sagen, daß man bei einem Scheitern der Konferenz darauf gefaßt sein müsse, daß die Sicher. heitsventile des Dawes- Plans schon in Kürze in Wirksamkeit

Dbwahl auch unter den alliierter Delegierten diese Einsicht