Sonnabend
27. April 1929
Unterhaltung und Wissen
Der Weg der Dirne
Jut Berlag Kaben u. Co., Dresden , erscheint jest Goncourts Roman Die Dirne Elifa" in der Uebertragung von Bern bath Jolles.( In Ganzleinen, Preis 3,50 M.) Mit Genehmigung bes Berlages geben wir nachstehenden Abschnitt daraus wieder. Jest war es Zeit. Elisa fnüpfte sich einen meißen Schal unt den Hals, setzte einen schwarzen, mit roten Geranien garnierten Samthut auf und zwängte sich in die mit Hasenfellen gefütterte Jade, die allen Mädchen des Hauses zur Verfügung stand und ab. mechselnd von ihnen getragen wurde.
Ob es draußen regnete, schneite, stürmte oder fror, ob sie gefund oder frank war: Elisa war verpflichtet, ihre Stunde abzu
laufen, und fein Better befreite sie von dieser Pflicht.
Sie trat aus dem dunklen Hausflur, auf dessen feuchtglänzende Mauern die Treppenlampe einen rötlichen Schein warf, und ge wann das Trottoir, das das Feld ihrer Tätigkeit war. Das Trottoir zog sich an alten, notdürftig instandgefeßten Baraden hin. Hie und da sprang ein im letzten Jahrzehnt entstandenes Haus, das die neue Baufluchtlinie innezuhalten gezwungen war, ein Stüd zurüd, und dazwischen wuchsen Breulsteine auf, die die Einfahrt in einen Hof flantierten. Wenn es einmal längere Zeit regnete, trat das Wasser aus dem Rinnstein und überschwemmte die Straße.
Sie ging mit trippelnden Schritten auf dem Trottoir auf und ab, hob ihren Rock auf, drehte den Kopf nach links, nach rechts, lah sich um, sobald sie ein Paar Sohlen auf dem Pflaster flappern hörte, und flüsterte, wenn es ein männliches Wesen mar: Du, Rfeiner, hör doch mal!"
Sie ging und fam, raffte ihren Rod noch ein wenig höher und ließ bis zum Knie die provozierende Weiße ihrer gut modellierte Beine umspannenden Strümpfe sehen.
Sie ging und fam, wiegte sich in den Hüften und ließ ihren gestärkten Unterrod rauschen, so daß es tlang, als führe ein Reifig besen über welfes Laub.
Sie ging und fam, trat jebem Borübergehenden in den Weg, mit einem leisen Wippen des Körpers, das an die lüfterne Bemes gung einer Cancantänzerin erinnerte.
Sie ging und fam. Sie ging durch die Finsternis, streifte an feuchten Mauern hin, ein Schatten überhuschte oder der Lichtstreif einer Gastaterne traf fie, zeigte ihre Rundungen oder ihre Echlant heit und die Anmut ihres Ganges .
Elija ging das Trottoir hinauf und lehrte auf dem Trottoir zurüd. Und dabei war sie zugleich schamvoll und herausfordernd, führt und furchtsam, angriffstüftern und zur Berteidigung bereit. Fünfzig Schritte fünfundzwanzig von der Haustüre aufmärts und fünfundzwanzig abwärtsumfaßte Elisas porschriftsmäßiger Geschäftsgang, dessen Grenzen das Haus Nr 17 und ein leerer Bauplatz bildeten. Auf diesem Gange tam fie an der Werkstatt eines Stuhlflechters vorüber, der, als Geschäftsschild, zwei Stühle mit durchlöcherten Rohrsigen über seine Türe aufgehängt hatte, dann bei einem Fleischabfallverfäufer, dessen eines, etwas aurud liegendes Fenster tagsüber von einem Schmalzbäder gemietet war, vor einem Friseurladen, dann an dem schwarzen Haus, an dessen Fenstergilter ber bei einer Schlägerei abgerissene Uniformfrogen eines Liniensoldaten wie eine fleine Fahne im Winde flatterte... und wenn sie weiterging, fah fie den Eingang zu dem Weinschant, in deffen Hinterstube Sonntags getanzt wurde. Dann stand fie vor einem Handwagenschuppen, an dem sich eine Darmsaitenspinnerei anschloß, die mit blutrot gemalten Biolinen auf sich aufmerksam machte. Und zuletzt fam ein Zaun, hinter dem die Ruine eines eingestürzten Fauses stand. Bor diesem Baun wandte Elija fich um und begann ihren Weg von neuem, mißmutig darüber, daß fie gezwungen war, dieselben Häuser, dieselben Auslagen, diefelben Mauern sechzigmal in einer Stunde zu sehen.
Wenn sie es ermöglichen fonnte, wählte Elisa für ihren Gang die Zeit, in der die Nacht den Tag in ihren mütterlichen Schoß aufnimmt. Sie liebte dieses bleiche Licht, in dem die Konturen der Giebel verschwammen, das Blau des Himmels leise in ein dunftiges, filbernes Grau hinüberwechselte, und in einer unwirf lichen Ferne die zitternden Strahlen des Abendsterns über das verdämmernde Tageslicht zu triumphieren begannen.
wenn sie es fah. Denn es glidh den Starifaturen alternder Borstadt. birnen, wie sie ihr, beim Durchblättern eines Wigblattes, zuweilen ein unerffärliches Frösteln über den Rüden gejagt hatten...
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Das tostet Strafe mein Rind!"
Madame war während des Mittagessens um den Tasch gegangen und hatte Elisa, indem sie ihr mit der Hand in den Aus fchnitt der Bluse faßte, dabei überrascht, daß sie tein Korsett trug. In der nächsten Woche wurde Elisa von Madame, die in Loi tettenfragen auf peinlichste Ordnung hielt, abermals in Strafe genommen, und das gleiche wiederholte sich die Woche darauf. Nach zwei Monaten hatte Elija genug. Sie rückte aus und trat in ein anderes Haus ein. Hier veranlakte fie ein heftiger Streit mit einer Kollegin, den Laden zu verlassen. Sie wechselte abermals und trat wieder aus, weil das Haus, in das sie geraten war, von Feuch tigkeit troff und sie Gefahr lief, sich eine Krankheit zu holen. lleber. haupt blieb sie in feinem Sause mehr lange, in dem sich der Chef oder Madame erlaubte, sich in ihre Privatangelegenheiten einzumischen. Und aus einem berechtigten oder törichten Grunde, beim gerinfügigsten Anlaß, oft eines Nichts wegen, verließ sie, unter den seltsamsten Borwänden, plötzlich das Dad), unter dem sie seit Wochen lebte, und zog mit ihrem Koffer und ihrer Wanderlust zwei, drei Türen weiter. In wenigen Jahren machte Elifa so die Runde durch alle Straßen, die ein altes Buch die heißen Straßen" nannte. Bon der Rue Bourbon- Billeneuve bis zur Rue de la Lune, von der Rue des Filles- Dieu bis zur Rue Marie- Stuart war feine Straße, feine Gaffe vor ihr sicher. In den obffursten und gefürch tetsten Schlupfwinkeln der Prostitution tauchte sie heute unter, um morgen in einem der besseren Etablissements, die von der foliden Bourgeoisie frequentiert wurden, sich in den Armen eines fetten Spießers zu langweilen.
In dem ruhelosen Bedürfnis nach Abwechslung, in dem ewigen Efel vor dem Ort, den sie bewohnte, und vor den Männern, deren fie gar zu schnell überbrüffig wurde, in dieser Gier nach neuen Gefichtern, nach neuen Menschen, einer neuen Umgebung, die Elifa von Haus zu Haus, von Obdach zu Obbach , von Spelunke zu Spelunte jagten, brüdte fich das ungeschriebene Gesetz der Friedlofig feit aus, dem jebe Prostituierte unterworfen ist. Sie jagte nach Glüd, das sie nicht fand. fie dürftete nach Ruhe, die ihr nicht ver. gönnt war, und wenn sie glaubte, endlich eine Bleibe gefunden zu haben, faßen ihr plöglich die Furien im Nacken und trieben sie auf neue Wanderschaft.
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Beilage des Borwärts
fand, allmählich aufs schwerste erschütterte? Daß eine Ernährung, die hauptsächlich aus gebratenem Fleisch und scharf gewürzten Speisen bestand, Schäden im ganzen Drganismus hervorrief? Dazu de Alkoholmißbrauch, ohne den, wie eine Dirne vor einer Untersuchungsfommission erflärte, das Metier überhaupt nicht denkbar war; die in flöfterlicher Abgeschlossenheit, hinter verhängten Fenstern, verbrachten Tage, die Melanchclic der langen, grauer Regenwochen, der jähe Uebergang von nadjtgewordenen Tagen zur strahlenden Helle taggewordener Nächte, von den leeren Stunden gähnender Langenmeile zu den wilden Shinden des Nachtbetriebes, Die zwar Wibigkeit hervorriefen, doch keinen Schlaf duldeten! Die fleinlichen Schikanen eines Weiberregiments! Die unablässige Sarge wachsender Schuldenlasten, die sie von Haus zu Haus verfolgte, die zitternde Angst vor dem Augenblick, in dem es heißen würde u alt!" Dann die grauenvollen Lage im Weibergefängnis von SaintLazare, die wahnsinnige Angst, nie wieder hinauszukommen, meil es der Polizei Bergnügen machen tönne, gerade fie dart festzuhalten, überhaupt bas niederdrückende Gefühl völliger Rechtiofigkeit, das Bewußtsein, sich nicht verteidigen zu fönnen gegen die gewaltsamsten Berdrehungen des Rechts, den willkürlichen Mißbrauch der Juftiz! Die Erkenntnis, nicht mehr Herrin ihrer Willensfreiheit zu sein, sondern eine auf der untersten Stufe der Menschheit stehende Kreatur, die allen Launen der Behörden, Der Supplerinnen, jedes gelegentlichen Besuchers ausgeliefert war und bie, bei aller Gläubigteit, zu der sie jetzt gern ihre Zuflucht genommen hätte, nicht mehr daran glauben fonnte, daß ein Gott sich je bis zu ihrer Tiefe erniedrigen würde, die zerschmetternde Erkenntnis, ein mit Schimpf befudeltes, außerhalb der Gesellschaft umherirrendes Geschöpf zu fein: all bas, im Berein mit den törperlichen Exzessen und dem Mangel an Schlaf und Luft, hatte Elisa allmählich dahin gleiten laffen, wo es teine Rettung, tein Entrinnen mehr gab!
Ihr Geist war sprunghaft, unaufmerksam, zerstreut, flüchtig und unfähig geworden, einen Gedanten festzuhalten, eine logische Folgerung zu ziehen. Stets beherrschte ihn das Bedürfnis nach Betäubung durch Lärm und Geschwäh
In ihrer Phantasie, in der sich das Weltbild nur in den verworrensten Linien zeigte, erschien ihr, ähnlich wie in den östlichen Glaubenslehren die Gottheit des Bösen, der Polizeipräfeft als das Wesen, dem ihre untermürfigste Anbetung gebührte. Und dazu tam die Furcht vor einer schidsalgewollten, dunklen Sutunft, deren Ge heimnisse allein die Kartenlegerin enthüllen fonnte. Das Gericht und einen nahen Tod" hatte Elisa eine Wahrsagerin aus der Rue Git- le- Coeur geweissagt, und diese Prophezeiung sputte oft in ihren nächtlichen Angstträumen.
Ein Berstand, der die Kraft besonnener Ueberlegung eingebüßt hatte und, ohne Erkenntnis der Folgen, zu den gewagtesten Ent schlüssen fähig mar, en franthaft überreiztes Gehirn, bas beim geringsten Widerspruch jede Beherrschung verfor und in trampf artigen Wutausbrüchen Blut sehen mußte: das war das pincho. Logische Bild, das Elisas Zustand spiegelte.
Aber auch förperlich trat ber Berfall zutage. Elisa wurde felt und zeigte die blaffe Gesichtsfarbe, die die Begleiterscheinung physio
Die Jahre vergingen, und unter der Einwirfung der förper lichen und geistigen Schädigungen, ohne die das Leben einer Pro ftituierten auf die Dauer nicht bentbar ist, war Elisa zum Typ der Durchschnittsbirne herabgefunten, mit all den Merkmalen der Minderwertigkeit, die die Wissenschaft nachzuweisen und zu erlogischer, durch Ueberernährung und einen Mangel an Luft und Be flären vermag.
War es nicht selbstverständlich, daß die beständige Ausschweis fung das Nervensystem eines Körpers, der dieser seguellen lleber beanspruchung weder gemachfen war, noch auch Gefallen daran
Leibeigene Schauspieler
Die soeben im russischen Staatsverlag erschienenen Erinnerungen des bekannten russischen Theaterdirektors Medwedjem geben über die Kultur des zariftischen Rußlands aus der Zeit der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts reichen Aufschluß. Das russische, heute durch Stanislawiti und Tairoff weltberühmt gewordene Theater verdankt seinen Aufstieg nicht zulegt... leibeigenen Schauspielern. Das Theater der russischen Proving hat sich seinerzeit ausschließlich aus leibeigenen Schauspielern gebildet. In den siebziger Jahren waren die größten Schauspieler der russischen Provinzbühnen che malige Sflapen, die an Privattheatern reicher Gutsbesitzer ihre Bühnentätigkeit angefangen hatten. Russische Aristokraten, deren nicht die
wegung hervorgerufener Veränderungen ist. Das Fleisch wurde schwammig, die Brüste entwickelten sich unförmig und die Blut gefäße erweiterten sich. Und die Lippen, die stets ein wenig ges öffnet waren, schienen zum Stüssen zu weit zu sein.
meister seiner Leibeigenenofer engagieren wollte. Er ließ Wagner im Jahre 1840 in Paris in sein Hotel tommen und führte mit ihm, wie Wagner in seiner Autobiographie erzählt, Verhandlungen, die fich nur deshalb zerschlugen, weil der zufünftige Bayreuther Meister dem russischen Grafen als ein für seine Pläne ungeeigneter Mann erschien. Dennoch schichte der russische Mäzen dem damals mit der bittersten Rot fämpfenden deutschen Musiker zehn Louisdors als Entgelt für den nicht zustandegekommenen Vertrag, der aus dem größten deutschen dramatischen Komponisten den Kapellmeister einer Leibeigenen- Oper gemacht hätte.
Dr. P.
Verkehrsfeindliche Tiere
Der moderne Berlehr hat im Tierreich einige gefährliche und
Wie mit einem Zauberschlage löschte die Finsternis die letzten Güter oft größer als manches deutsche Fürstentum maren, zeigten erbitterte Gegner. Hier sind zunächst die tanadischen Biber zu Tagesschatten aus,
cben noch nahe waren und unverhüllt ihr häßliches Geficht gezeigt hatten, schienen entrüdt und wie verklärt durch das Dunkel, das ihre Blöße einhüllte. Bor den fleinen Hotels, bie Zimmer für Tage und Stunden anboten, zündete ein schmieriger Haustnecht die runde, trübe brennende Laterne an. Die Straße wurde menschen
leer, und nur von Zeit zu Zeit stolperte ein Betrunkener, dessen Durst noch nicht gelöscht war, in die nächste Schänke, die er auf feinen unsicheren Beinen erreichen konnte. Die Läden wurden geschlossen. Aber im Schaufenster des Friseurs brannte noch eine fladernde Gaslampe und warf ihr Licht auf Pomadenbüchsen, auf Flaschen mit einer grün oder lila gefärbten Flüssigkeit und auf zwei kleine Büsten. Die eine stellte einen Regerinaben dar, mit roter Beste und himmelblauer Kramalte, der den Mund zu einem freundlichen Grinsen verzog und auf einem gelodten Kopf ein graues Hütchen trug. Die andere Büfte war ein hübscher, junger Mann mit blonder, forgfältig gefcheitelter Frisur, ciner weißen, von einer Nadel zusammengehaltenen Krawatte und einem auf gedrehten Schnurrbärtchen. Dieser nette, junge Mann, dessen Bäck. chen rosig glänzten, hatte einen schwarzen Hut auf dem Stopfe und wirtte burdjaus ftußerhaft
Da Dinge, die im Hellen stehen, in der sie umgebenden Finster. nis die Blide auf sich ziehen, hemmte Elisa, so oft sie an den beiden Büften vorüberfam, unwiütürlich den Edritt und starrte, ermüdet und abgeftumpit vom emig gleichen Trott ihres Weges, die beiden Buppen mit Iceren Augen an.
Blötzlich fuhr sie, wie erwarbenb, auf, zog den Rod fester un Die Shentel, marf den Stopf zurüd und fegte ihren Marsch fort. Aber je öfter sie tie ihr zugemessenen fünfzig Schritte auf dem glitschigen Pflaster ging, besto mehr verlor ihr Gang feine heraus. fordernde Straffheit und wurde müde und schleppend.
Dann verlosch auch das Licht im Friseurladen, und die Straße vereinsamle pollends. Mur Elisa ging weiter hin und her, hin amb her... und die einzige Begleitung, die sie fand, war ihr Schatten Benn sie an dem Bauzaun, dem 3tel ihres Beges, angelangt mar und vor einem der meißen Blafate. mit denen man don 3ann über flebt hatte, stehenblicb, um Atemt zu schöpfen, dann fiel thr Schatten bild in seltsamer Verzerrung auf das helle Papier. Sie erschauderte,
sie ihre fürstlichen Schlöffer, in denen sie ein Leben von heute fagen haft erscheinendem Glanz führten, nur selten verließen, richteten sie fich eigene Theater ein, auf deren Brettern nicht nur dramatische Stücke, sondern sogar Opern aufgeführt wurden.
Einer der reichsten Mäzene dieser Art war Fürst Schechowston, deffen Theater auf seinem Gute bel Nishnij Nowgorod durch seine musterhaften Aufführungen in ganz Rußland berühmt war. Die Truppe bestand aus leibeigenen Sklaven
Frauen und Männern-,
die unter der Leitung von erstklassigen Lehrern zu Schauspielern ausgebildet wurden. Der Spielplan des Privattheaters des Fürsten umfaßte die ganze flaffische Theaterliteratur nicht nur russische Stüde , sondern auch Werte deutscher Klassiter, wie" Emilia Galotti", Die Räuber". Clavigo", Fiesco", Rabale und Liebe" fomie Shakespeare- Dramen, wie Othello " und" Hamlet ". Die Auffüh. rungen zeichneten fich auch durch eine pruntvolle Juszenierung und gefchmadvolle, historisch trene Kostüme der Darsteller aus, deren Leistungen eine bemerkensmerte fünstlerische Höhe hatten. Nicht weniger befannt waren die Theater auf den Herrengütern des Grafen Kamenffi bei Drel und des Fürsten Banschulidzeff, an deffen Spizze der aus Deutschland engagierte Stapellmeister Johannis stand. Panschulidzeff unterhielt auf seinem Gut eine erstklassige Oper, deren Mitglieder sich gleichfalls aus seinen Leibeigenen rekrutierten. Cine leibeigene Sängerin, Agafia Sufiana, besaß eine stimme von ganz feltener Schönheit und märe bestimmt unter anderen Ber hältnissen eine Weltberühmtheit geworden. Mis sie einmal durch eine Kleinigkeit ihren Herrn geärgert hatte, wurde sie zur Strafe aus ihram Dienst bei der Bühne entlaffen und zwangsweise mit einem Kutscher verheiratet, mit dem sie übrigens in gidlicher Che ihr ganzes Leben verbrachte
Manche Gutsbesizer entließen ihre leibeigenen Schauspieler unb Sänger und erlaubten ihnen, gegen Zahlung eines jährlichen fo genannten Freiheitsabstandes" an richtigen Theatern mitzumirten, andere dagegen verkauften, wenn sie was oft genug gefchah in Geldschwierigkeiten waren, ihre Schauspieler an Bekannte, deren finanzielle Lage es ihnen noch erlaubte, ein eigenes Theater su unterhalten. Es dürfte bekannt sein, daß der ruffische Gutsbesiger Graf Kuscheleff feinen geringeren als Richard Wagner zum Kapell
nennen, jene arbeitsamen und anscheinend so harmlofen Tiere, die dem Bahnbau in Kanada in früherer Zeit so erhebliche Schwierigfeiten bereiteten, baß es zuweilen richtiger Feldzüge bedurfte, um die gefährlichen Nager zu zwingen, ihre Nester unter den Eisenbahnbrüden zu verlassen. Hatten sie doch, um einen charakteristischen Fall zu erwähnen, im Jahre 1884 einen Eisenbahndamm so funstvoll untergraben, daß ein darüberfahrender Zug in eine glücklicherweise nicht sehr tiefe Schlucht abstürzte. Trotzdem hatte der durch Die Biber herbeigeführte Unfall schwere Verlegungen von Passagieren zur Folge. As nicht minder verkehrsfeindlich erwiesen sich die amerikanischen Büffel, die es besonders auf die Telegraphenstangen abgesehen hatten. Sie betrachteten. Diese lange Seit als Rüdentrazer", die die Menschen eigens für sie aufgestellt hatten, und die die Büffel so elfrig zum Scheuern ihrer judenden Budel benußten, daß die Stangen bald umstürzten. Roch furinfer benehmen fich den Telegraphenstangen gegenüber die Bären. Das Geräusch der Drähte, bie burch den Wind zum Erflingen gebracht werden, täitscht ihnen nämlich das Summen eines Bienensdywarmes Dor, eine Wahrnehmung, die es ihnen als Pflicht erscheinen läßt, die Telegraphenstangen zu fällen, um zu der erhofften füßen Speise zu gelangen. Ein Naturfreund, der diese Beobachtung gemacht hat, schreibt barüber: Nichts ist drolliger, als das Betragen der enttäuschten und erstaunten Bären zu beobachten. Nachdem sie mit ufe der Schultern und Tagen die Stange glüdlich umgeworfen baben, geben fie prüfend um sie herum, befchnüffeln fie, legen fid) auf den Boden, nähern die Dhren dem Holz und scheinen sich ver
undert den Stopf zu zerbrechen, was wohl aus den Bienen und dem Honig gemorben sein möchte. Erwischt man sie bei solchen Untersuchungen, so ist es ein Kinderspiel. Die perbugt nachsinnenden Honigfucher zur Strede gu bringen. Ein anderer Berfehrsfemb ft Der Bimmermannsspecht, der lange Zeit den Telegraphendienst in Brasilien empfindlich störte. Das trodene Sjols, bas man fir Telegraphenstangen nimmt, schien ihm für die Reitanlage besonders geeignet. Da ihm die Drähte bei der Anlage im Wege find, reißt er fie mit seinem fajarfen Schnabel, der an Leistungsfähigkeit jabe Drahtzange übertrifft, ab, und im Verlauf einer tnappen Stunde hat er sich in dem Pfahl eine geräumige und bequeme Wohnung erbaut, die seinem Namen alle Ehre macht.