Der Abend
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Nr. 197
B 98 46. Jahrgang.
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Freispruch im Jorns- Prozeß.
Was bedeutet sie für den Reichsanwalt?
Heute nachmittag um 1 Uhr 5 Minuten verkündete Landgerichtsdirektor Dr. Marckard im überfüllten Schwurgerichtssaal des Alten Kriminalgerichts Moabit das Urteil in dem Beleidigungsprozeß gegen das ,, Tagebuch". Gleich zu Beginn verkündete der Vorsitzende, daß der Angeklagte Bornstein auf Kosten der Staatskasse freigesprochen ist.
Eine lebhafte, aber sofort unterdrückte Bewegung ging durch die Zuhörer, während der Nebenkläger, Reichsgerichtsrat Jorns, seine Erregung nur mühsam berbergen konnte.
Die Urteilsbegründung.
In der Urteilsbegründung führt der Vorsitzende aus, daß in dem Artikel ein Werturteil über den Kriegsgerichtsrat Jorns gefällt worden ist, und damit ist der Tatbestand der formalen Beleidi gung erfüllt. Ein Wahrheitsbeweis märe aus diesem Grunde nicht zu führen. Die Tendenz des ganzen Artikels ist nachzuweisen, daß der Kriegsgerichtsrat Jorns nicht die juristische Befähigung habe, ein hohes Richteramt auszuführen. Der Wahrheitsbeweis, den der Angeflagte angetreten hat, ist nicht in jedem Fall geglüdt Das ist auch nicht entscheidend. In den wichtigsten Buntten muß feſtgestellt werden, daß tatsächlich die Behauptungen des Artikels erwiesen sind. Runge ist zwar nicht in jedem Punkte glaubhaft, aber doch soweit es sich um das Privatgespräch mit Jorns handelt. Wenn ihm in diesem Falle geglaubt wird, dann ist auch erwiesen, daß Herr
Jorns ein unrichtiges Protokoll geführt hat. Dem Kriegsgerichtsrat muß vorgeworfen werden, einmal, daß er mit dem Divisionsstab eng zusammengearbeitet hat, daß er trog Kenntnis der Zustände im Bellengefängnis teine Abänderung verlangte. Der Kriegsgerichtsrat hätte ben Mut haben müssen, vom Gerichtsherren zu verlangen, daß diese Zustände geändert werden oder er hätte sein Amt zur Verfügung stellen müssen. Die Inhaftierung der Offiziere war lediglich eine Umquartierung. Für die Untersuchungsführung in dieser Mordfache hätte es eines Mannes mit stärkster Willenskraft bedurft. Das war Jorns nicht. Ihm muß der Vorwurf gemacht werden, daß er durch seine Untersuchungsführung den Angeklagten Borfchub geleistet hat. Wenn das Gericht in diesen Bunklen die Führung des Wahrheitsbeweises anerkennt, dann war der Angeklagte frei zusprechen.
Etwa eine Viertelffunde vor dem Sigungsbeginn war ein Aufgebot Schutzpolizei in der Borhalle des Schwurgerichtssaales etschienen. Vermutlich hatte man geglaubt, Demonftrationen verhindern zu müssen oder Herrn Jorns schüßen zu sollen. Auf Beranlaffung des aufsichtführenden Richters wurde die Polizei jedoch alsbald zurückgezogen.
Der Todesweg des Tornado. 21 Zodesopfer des Wirbelflurms in Georgia . New Yort, 27. April.
Der Wirbelffurm, der die Staaten Georgia und SüdCarolina heimgesucht, hatie doch ein größeres Ausmaß als die ersten Meldungen vermuten ließen. Jetzt zählt man 71 Tote( nach andern Meldungen sind es fogat 90 Tote), davon 65 im Staate Georgia und 6 im Staate Süd- Carolina . Die Zahl der Berlehten 1 noch nicht genau ermittelt, doch dürfte sie sich auf mehrere hundert telaufen, wahrscheinlich 500 bis 600. Der Sturm frat auf, als die Bevölkerung beim Abendessen war. Die meisten Toten zählt man in Metter im Staate Georgia , wo 25 Personen getötet und 50 verlegt wurden. In Statesboro wurden 12, in Cachram 5 Perfonen ♦ getötet und 50 verlegt. In der zuletzt genannten Stadt ist der Sachhaden am größten Die Stadt liegt fast vollständig in Trümmer, da die leichten Behaufungen der vorherrschenden Negerbevölkerung dem Sturm nicht gewachsen waren. Auf dem Lande wurde an den kulturen unermeßlicher Schaden angerichtet.
Das Register der 2000 Verträge. Was seit zehn Jahren in Genf hinterlegt wurde.
Genf , 27. April. 2000 Berträge find bis jetzt beim Bölkerbundssekretariat zur Eintragung und Veröffentlichung auf Grund von Artifel 18 des Völkerbundspattes hinterlegt worden. Die Vertragssammlung um faßt 77 Bände Als 2000. Vertrag ist ein zwischen Desterreich und der Tschechoslowakei im Jahre 1923 abgeschlossenes Abkommen über, ben Grenzverkehr eingetragen worden.
Schmidt
Kahl
v. Guérard.
Profeffor Rab1 und der preußische Justiz miniffer Schmidt erklärten sich als Gegner der Todesstrafe, während Reichsjuftizminister v. Guérard an ihr festhalten möchte.
Guerard
" Ich fann den Blick nicht von ihm wenden!"
Obstruktion im Landtag.
Die Gewerbesteuer zu Fall gebracht.
In der heutigen Sigung des Preußischen Land-| Eingaben der Städte tein einheitliches Bild. Die Veränderung des tages jabotierte die Opposition wiederum die Verabschiedung der Gewerbesteuervor. Tage in dritter Lesung durch Obstruktion. Der Antrag der Wirtschaftspartei, die freien Berufe wieder einzubeziehen, wurde in namentlicher Abstimmung mit 206 gegen 105 Stimmen abgelehnt. Dagegen stimmten die Regierungsparteien und Kommunisten, dafür Wirtschaftspartei und Deutschnationale. Die Einbeziehung der freien Berufe wäre verfaffungswidrig gewesen, nachdem der Staatsrat gegen diese Bestimmung Einspruch erhoben und das Gefeß in dieser Fassung zur Berabschiedung die verfassungsrechtlich notwendige Zweidrittelmajorität im Landtag nicht gefunden hatte.
Diese Abstimmung war nur ein Versuchsballon der Opposition. Bei der namentlichen Abstimmung über den Hauptausschußantrag, auf das Reich bei der endgültigen Gestaltung der Reichsrahmengewerbesteuer auf Einbeziehung der freien Berufe ein zumirten, gaben Rechtsparteien und Kommunisten teine Karten ab und führten so die Beschlußunfähigkeit des Hauses herbei. Durch diese Sabotage ist mun, nachdem durch wiederholte Mehrheitsbeschlüsse der Landtag seinen zweifellosen Willen zur Berabschiedung der Gewerbesteuer bekundet hatte,
für die Gemeinden ein Nofstand geschaffen. Zurzeit existiert also tatsächlich keine Gewerbesteuer; sie ist aber bereits von den Gemeinden in den Etat eingestellt. Soll durch die beispiellose Verantwortungslosigkeit der Oppofitionsparteien nicht heilloser Wirrwarr in der Kommunalwirtschaft entstehen, so muß zur Beseitigung dieses Rotstandes die Borlage durch den ständigen Ausschuß verabschiedet werden. Fällt die Gewerbe Steuer, so werden die Städte u. a. auch die Grundvermögens. ft euer erhöhen müssen, was wiederum eine unerträgliche Er. höhung der Mieten bedeutet.
Hierauf verabschiedete das Haus in zweiter und dritter Beratung den Gefeßzentwurf zur Aenderung des preußischen Aus. führungsgesetzes zum Finanzausgleich. Die Vorlage sieht u. a. auch eine Besserstellung der Provinzen Ostpreußen und Grenz mart in ihrer Be'eiligung am Finanzausgleich vor. Außerdem ist ein Antrag gestellt, den Einheitssag der relativen Garantie der Städte von 22 auf 25 Pfennig zu erhöhen.
Nach dem Berichterstatter Abg. Dr. Waentig( Soz.) erklärte Abg. Szillat( Soz.), daß ihm die Beratung nach der Verabschiedung des Eats der allgemeinen Finanzverwaltung problematisch erscheine Endgültige Aenderungen zu schaffen sei erst möglich nach Berabschiedung des endgültigen Reichsfinanzausgleichs. Was den Einheitsfaß der relativen Garantie der Städte anlangt, so bieten die
Einheitssages bzw. seine Erhöhung habe zweifellos Berechtigung angesichts der Finanzlage der Stadt Berlin und einiger anderer großer Gemeinden. Ein Teil seiner Frattion sei deshalb für die Erhöhung des Einheitssages. Die Gesamtfrattion sei auch der Auffassung, daß die relative Garantie nicht den gerechten Anforderungen entspricht. Aber man müsse gleichzeitig bedenken, daß in der Denkschrift der Regierung der Beweis geführt wird, daß von einer Erhöhung des Einheitsfakes nur 55 Gemeinden einen Borteil, dagegen aber 282 finanziellen Ausfall haben. Außerdem wären die Etats in den meisten Städten bereits abgeschlossen, so daß es nicht geraten erscheine, jetzt noch Abänderungen eintreten zu lassen. Bei der Automobilsteuer sei beantragt, die Verteilung jo zu ändern, daß die Provinzen 65 Proz., die Kreise 35 Proz, des Auftommens erhalten sollten, entgegen dem ursprünglichen Verteilungsfaz von 75 Broz. zu 25 Proz. Da die beantragte Wenderung aber den Etat der Provinzen zu sehr belasten würde, haben sich die Rerungsparteien auf das Verhältnis von 70 Broz. zu 30 Pro3. geeinigt. Einig war man sich auch darüber, ben Provinzen Ostpreußen und Grenzmart eine besondere Zuwendung zu gewährleisten. Dem Antrag des Berichterstatters, gegenüber dem Beschluß des Hauptausschusses die alte Bestimmung, daß Berlin von der Kraftfahrzeugfteuer einen Sonderbetrag von 2 Millionen Mark vorwegbekommt, werde seine Frattion zustimmen.
Nach kurzer Aussprache wird die Vorlage in zweiter und dritter Lesung verabschiedet. Der Antrag, den Einheitssag der relativen Garantie von 22 auf 25 Pf. zu erhöhen, wird abgelehnt. Für die Erhöhung haben u. a. auch die in Berlin gewählten Mitglieder der sozialdemokratischen Frattion gestimmt.
Hierauf vertagt sich das Haus auf Montag, den 13. Mal.
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Wein, Bier und Liför gratis. Nette Zustände auf einem Ozeanriefen. New York , 27. April. Der Passagierdampfer Leviathan" ist gestern in in New York eingetroffen. Da vor seinem Einlaufen in die ameritanischen Territorialgewässer noch bedeutende Alkohol. mengen an Bord waren, wurden diese über Bord geworfen. Der Wert belief sich auf 82 000 Dollar. In den letzten drei Tagen, als sich zeigte, daß es nicht möglich sein werde, den Alkoholvorrat normal zu verkaufen, wurden die Preise ganz bedeutend herabgesetzt und zuletzt gewisse alkoholische Getränke überhaupt tostenlos ausgeschenkt. Unter diesen Umständen waren viele paffagiere betrunken.