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Tr. 198 46. Jahrgang

Das

1. Beilage des Vorwärts

neue Gesicht des Scheunemviertels

Das St. Pauli Berlins

Schluchtartig schneidet die Münzstraße die letzten durchgehen-| den Straßen des Schemenviertels ab. Nur die Kleine Alegan ders, die Grenadier- und die Dragonerstraße enden hier, während die älteren Gassen des wirklichen Scheunenviertels zwischen der Hirten- und der Linienstraße liegen. Die Münzstraße ist der große Boulevard des Scheunenviertels. Ihre Trottoirs find das zu schmal, um all den Verkehr zu faffen: Zentralmarkthalle und Bahnhof Alexanderplatz  , ein riesiges Warenhaus, Etagengeschäfte bis in den vierten Stock der Häuser, denn diese Lage im Herzen Berlins  ist besser als die" City" der Friedrichstadt  . Alles das würde schon hinreichen, um diese Straße vollauf mit Menschen zu füllen. Aber die Münzstraße ist nicht nur die Geschäftsstraße, nicht nur die direkte Berbindung zum äußersten Norden sie ist auch das Bergnügungs: piertel der Berliner   Unterwelt.

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Die Straße der Kneipen und Kinos.

Bis zur Kleinen Alexanderstraße reicht die ehemalige Kaserne, bis zum Rönigsgraben die Front des großen Warenhauses. Dann erst fängt die wirkliche Münzstraße an. Die Straße der Kneipen und Rinos. Defm wenn auch mal ein kino den Plaz ausfüllt, mal wirt. lich in einem Haus Berge billiger Konfitüren vorurteilslose Käufer anloden, dafür sind in einem anderen Haus dann eben zwei Knei pen. In allen ist vom frühen Morgen an Mufit, mal ein Klavier­

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Ein Tageskino

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spieler, mal ein Orchestrion, mal sogar eine Sapelle". Der Effekt ist immer derselbe: ein rhythmischer Krach, dem man es durchaus nicht anmertt, ob er von Menschen oder von einer Maschine pro­duziert wird. Dreißig Häuser hat die Straße und sieben große Kneipen! Alle diese Kneipen sind vom frühen Morgen an gut befeht und in allen verfehrt das gleiche Boll der Unterwelt, die berufs­mäßigen, ach so traurigen Freudenmädchen dieser Gegend, armes. Bolt, dem man die Herkunft aus dem Proletariat noch an den Hän­den ansieht, Händen, die von schwerer Arbeit deformiert sind. Alle haben die gleiche Karriere hinter sich: Arbeiterin, Arbeitslose dann in einer hungrigen Zeit Gelegenheitsdirne und dann der Strich". Mehr als eine von ihnen obdachlos, Stammgaft der Wartesäle. Das

große Glüd ist der Freier", der auch im billigsten Hotel ein Zimmer für die ganze Nacht bezahlt; da kann man denn ausschlafen. Dazu dann die Beschützer der Mädels; durchaus verschieden von dem Gentleman der besseren" Bereine, mit Müze und knüpftuch. Man mehr und mehr weibliche Freunde" zulegen. Auch eine Neu­begreift bei einem Blick auf die Gefichter, warum die Mädel sich erscheinung": der weibliche Zuhälter, der genau so von dem Ber­dienst der Freundin" lebt wie der männliche. Hehler und Stehler finden sich hier zusammen und, diesen Beruf der Gegend benutzend, suchen auf der Straße Ring- und andere Nepper ihre Opfer. Geheimnisvoll wird ein Ring vorgezeigt( Ge'egenheits fauf", flüstert der Nepper mit bezeichnender Handbewegung) und immer wieder findet er Dumme, die den Gelegenheitshehler spielen wollen und dabei glauben, mindstens etliche Mart Profit zu machen. Natürlich ist der geflaute" Brillantring Tombat, ehrlich ge­tauft und feine 50 Pfennig wert. All dieses Volk, dazu die so­zusagen bürgerlichen Eriſtenzen der Umgegend. die dem Geiſt" dieser Gegend nicht widerstehen können, füllen diese Lokale von früh bis spät. Billig das Bier, billig der Fusel, das Essen verhältnis­mäßig teuer. In diesen Betrieben gibt es wortwörtlich keine toten" Stunden. Aber trotzdem darf man wohl sagen. auch für diese Ge­gend sollte der Bedarf an derartigen Bergnügungsstätten" endlich gedeckt sein, und wenn der Bezirksvorsteher die Bedürfnisfrage für den Erweiterungsbau einer der übelsten Kneipen ablehnte, dann hatte er wahrhaftig recht.

Dazu kommen dann als zweites Charakteristikum der Gegend die Tageskinos. Alle gleichen sich in ihrer Aufmachung. Am Ein­gang tobt ein mechanisches Klavier, blutrünstige Bilder umrahmen den Eingang. Hier laufen die unglaublichsten, urältesten Filme. Aber darauf fommt es ja auch gar nicht an. Die Besucher find froh, daß fie mit 50 Pfennig das Recht erkaufen konnten, zwei, drei Stun­den oder auch länger von der erbarmungslosen Straße zu verschwin­den, und mancher holt hier gern den Schlaf nach, aus dem ihn bie Wartesaalkontrolle oder der Bortier, der die Bodentreppe revidierte, viel, viel zu früh weckte. Dunkle, nie gelüftete Höhlen, nach dem Schweiß nie gewaschener Körper, nach schmutzigen Kleidern riechend, im Winter von eisernen Defen beheizt. So sieht zumeist das Innere dieser Bergnügungsstätten" aus. Männer, hoffnungelos aus dem Produktionsprozeß ausgeschaltet, bilden fast ausschließlich das Publi­tum, Hoffnungslosigkeit brütet cunter den wenigen tofen Deden­lampen. Und zwischen all den Schauerbramen läuft da vorn plöz­lich ein Film vom Panamafanat; Ueber 3000 Arbeiter starben beim Bau des Kanals," sagt der Swischentitet. Stumpf brüten die Zu schauer vor sich hin, es rührt sich nichts; und wenn sie nicht sogar dazu zu schlapp und zu faul wären, so würden sie sich höchstens bei der Direktion über solche Bilder beschweren. Was soll die Wahrheit im Film ihnen, die doch Deserteure des Lichts sind... Cowboy­filme her für 50 Pfennig fann man wohl verlangen, ein schöneres Leben vorgelogen zu kriegen!

Die Ausläufer.

Jenseits der Alten Schönhauser Straße liegen noch zwei schmale Straßen, die früher faum zum Scheunenviertel gerechnet wurden und die doch jetzt der Inbegriff dessen sind, was sich so der geruhige Bürger unter diesem Begriff denkt: die Mulad- und die Steinstraße. Hier stehen wohl die ältesten Miettafernen Berlins  . Häuser mit fchachtähnlichen Treppenhäusern, ausgetretenen Stufen, drei und vier Stod hoch, gemeinsame Klosetts auf den Treppen sind hier die Regel. Oft sieht man erst an den Höfen, wie alt diese Häuser sein müssen. Da sind in die geräumigen Höfe noch Fabrikgebäude, Ställe, Seiten­flügel eingebaut. Alles ist jetzt zu Wohnungen geworden, und wenn die Treppe zu einem früheren Heuboden an der Seite hochgeführt werden mußte. In diesen zwei furzen Straßen sind allein drei Pferdeschlächtereien. Und weil der große Arbeits nach weis Gormannstraße so nahe ist, haben alle drei sich gleich zeitig als Speisewirtschaften aufgetan. Da können die bekanntlich so glänzend gestellten Arbeitslosen dann ihr Geld verschlemmen.| 35 Pfennig foftet das teuerste Gericht, Gulasch mit Kartoffeln; doch

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Sonntag. 28. April 1929

schon für 5 Pfennig triegt man eine Pferdeboulette! Und der dauernde Zuspruch, den die wahrhaft nicht sehr einladend aussehen­den Speisewirtschaften haben, beweist, daß mancher der armen Teufel wirklich der Versuchung nicht widerstehen kann, sich hier mal ordentlich an Fleisch satt zu essen, statt nebenan in die städtische Boltsküche zu gehen und da vitaminreich und fleischfrei zu speisen.

Und vor jeder Haustür stehen die Mädel. Wer hier unange­focyten durch die Straße gehen will, muß schon mitten auf dem Damm marschieren. Bei dem Umsatz, der erzielt werden muß, ist den Mädels auch der kleinste Weg zu lang und zu beschwerlich, da stehen sie einfach vor den Türen ihrer Häuser. Hier liegen die Ver­hältnisse fast noch schlimmer als in der Dragonerstraße, jede dritte Untermieterin ist nach der Statistit eine Prostituierte. Und sie wohnen in Löchern, in Familien, auch mit Kindern und Minder­jährigen zusammen. Man verbietet, auch jetzt, den Mädels, sich in der Nähe der Schulen und Kirchen aufzuhalten.

In nächster Nähe des Arbeitsnachweises haben sich hier unglaub­liche Kneipen niedergelassen; Kellner und Klavierspieler in einem schmierigen Raum, der kaum vier mal sieben im Quadrat mißt; und beide verstehen ihr Handwerk troß einer Animiermamfell.. Dazu zwei Damen, die ohne Anstellung animieren helfen, 50 Jahre alt ist die lesse Hulda". Kamelhaarschuhe an den Füßen, dicke Wollstrümpfe, unter dem Knie mit einem Streifen Lumpen zugebunden, einen schmierigen Mantel um den schlampigen Körper so geht sie rum und schnorrt von den Gästen Strumpfgroschen, Bier und Küsse. Die andere sitt neben dem Büfett. Ein noch jüngeres Mädchen, doch mit so gedunsenem Körper, daß sie sich nicht mehr ohne Hilfe erheben kann. So fit fie, für jeden zärtlichen" Zugriff bereit.

In der ,, Frühkneipe"

Und der Kellner hat Tätowierungen, die sich nicht einmal anden­tungsweise wiedergeben lassen.... Ueber allem schweben die ge­mütlichen" Dekorationsgirlanden einer Bockbierdekoration.

*

Ein paar Schritte noch, dann steht man wieder im normalen Berlin  , am Rosentaler Tor. Die Wanderung durch das Scheunen­Ben: Gips, Auguststraße und wie sie sonst noch hetßen. Sie alle viertel ist beendet. Freilich liegen drüben noch ganz ähnliche Stra­haben gemeinsam, daß ihre überalterten Häuser, in der City für Ge­schäftszwede nicht zu brauchen, zwangsläufig zu Schlupfwinkeln werden müssen. Und wenn endlich das große Werk gelungen sein Bresche in diese Gegend zu legen, dann wird man sich wohl dar­sollte, mit der Umgestaltung des Alexanderplates die erste große über schlüssig werden müssen, wie man das Erneuerungswerk hier fortsetzen kann. Denn sonst kann man schon heute prophezeien: das Scheunenviertel wird aus dem Zentrum Berlins   nicht auszurotte: sein. Es wird nur ein wenig weiter wandern. Schon zeigen sich die Wege, auf denen sich diese Flut fortwälzen wird bringend, wie der Ausbruch eines Schlammpulfans. Verderben R. E.

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