Nr. 202» 46. Jahrgang 3L Mittwoch, I.Mai �929
.Aus niedriger Häuser dumpsea Gemächern, Aus Handwerks- und Gcwerbesbanden, Aus dem Druck von Giebeln und Dächern, Aus der Ströhen quetschender Enge. Aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht Sind sie alle ans Licht gebracht!" Es scheint, daß Goethe die Tragödie der großen Stadt schon vorausgeahnt hat, denn trefflicher läßt sich das Sehnen des Groß- stadtmenfchen kaum ausdrücken, als in diesen Zeilen. Die klein- bürgerliche Enge, die an der Wende des 18. Jahrhunderts der Dichter schon als unerhört und naturwidrig empsand, wie würde sie ihm 100 Jahre später aufgestoßen sein: wie ungleich schwerer wäre das Ringen dieses Schöngeistes um die Harmonie in den Sphären verlaufen. Aber es ist unnütze Sophisterei, sich darüber den Kopf zu zerbrechen, wie ein Klassiker sich unsere Welt vor- gestellt hätte: es ist viel wichtiger, daß sich die Menschen von heut« selbst über das Weltbild klar werden, in das sie vom Schicksal hineingestellt wurden. Die Nicht �aus der Straßen quetschender Enge" vollzieht sich alljährlich mit pünktlicher Regelmäßigkeit, denn es ist das Problem der großen Industriestädte überhaupt, einen Ersatz für die gesteinigte Natur zu bieten, wenn man nicht will, daß die Arbeitsmafchine Mensch vorzeitig verbraucht wird. Darum wird der großen historischen Maiforderung des Achtstundentages so starker Nochdruck verliehen, darum kämpfen die Werttätigen in Ge- werkschaften und in der Partei Schulter an Schulter, daß der Mai sie„frei" mach«. Freude an der Scholle. Nichts kann die Forderung der Tausende von Laubenpächtern in den Großstädten so unterstreichen, als dieses rein menschliche Der- langen: Gebt uns frei! Gebt uns Gelegenheit, auf unserem eigenen Stückchen Erde die Natur erkennen zu lernen, uns an ihr zu er- freuen, von ihr zu lernen, daß wir nicht nur Geschöpfe sind, die voll Sorge und Gram sich mit der Rätselfrag« des Daseins zer- quälen! Im modernen Städtewesen stoßen die Interessen der Laubenbesitzer mit den herrschenden des Bodenbesitzes aufeinander. Selbst ein sozialistisches Wollen kann in der Uebergangszeit nicht
die begründeten Forderungen der Kleingartenpächter befriedigen: bei einer Entwicklung, wie sie Berlin nimmt, sind selbst.Dauer- gärten" oft nur Provisorien. Aber die Gntndgesetze„Raum und Licht" für jeden Großstadtbewohner werden eines Tages in die Wirklichkeit übergeführt werden, wenn die Voraus- setzung für sie geschaffen worden ist, die Sozialisierung des Bodens. Der Kleingärtner als Erzieher, wer möchte es ab- streiten, daß er es ist? Schon heute greift die starke Organisation der Kleingärtner bestimmend in die moderne Städteentwicklung ein, in Berlin vielleicht weniger, in anderen Städten um so stärker. Bis zuletzt kämpft der Kleingärtner um die Erhaltung seiner Scholle, oft sieht man ihn noch auf einem Stückchen Kleinland graben und pflanzen, wenn schon hinter den Baugerüsten des Nachborgnmd- stücks der fertige Neubau hervorschaut. Verzweiflungsvoll über- denkt er die Gefahr, daß die Reih« auch an ihn kommt. Aber von neuem ist er bereit, das Opfer nochmals zu bringen und weiter draußen auf jungen Freiflächen einen neuen Garten für Frau und Kinder anzulegen. Jeder für alle. Folge» wir dem Kleingärtner einige Stunden als Gast in sein Kärtchen, so sind wir erstaunt, bei welch klugem Lej/rineister wir eingekehrt sind. Da ist äußerlich betrachtet der Garten ein Teil- ausschnitt der Kolonie, die nach bestimmten Richtlinien jedem das Seine zuweist. Die Bestimmungen für die Gemeinschaft heben zum Beispiel hervor, daß die gemeinsamen Wege sauber, die Zäune und Hecken in ordnungsmäßigem Zustande gehalten werden müssen. Nach de» großen Schädigungen der Bäume durch Krankheiten und Ungeziefer im vergangenen Jahr kommt die gemeinsame Bekämp- fung durch Spritze» mit chemischen Präparaten in Frage. Kost- spielige Apparate werden gemeinsam gehalten, viele solcher Ar- bellen werden gemeinsam ausgeführt. Der stark« Frost des ver- gangenen Winters hat die Wasserleitungszuführungen beschädigt: auch sie werden auf gemeinsame Kosten repariert. Im verspäteten Frühjahr trat die Frage der Veredelung von Iungbäumen auch erst spät an die Besitzer heran: nun wandert ein Mann mit geschickter Hand von Garten zu Garten, um Edelreiser auf Wildstämme auf zupfropfen. Aufmerksam schaut der Gartenbesitzer zu, um diese Kunst dann selbst im Verborgenen zu üben. Gemeinsamer Samen- und Pflanzenbezug bürgt für einwandfreie'Ware. Die Fragen des Bogelschutzes und der Schädlingsbekämpfung wenden in Vorträgen geklärt. Gemeinsame Spielplätze für die Jugend sind in den Ko. lomen vorhanden. Ueberall blüht und wächst der Gemeinschofts- gedanke. Künstler am Werk. Die Kolonie will aber auch nach außen hin sichtbar für den Garten und Freiluftgcdanken werben. Darum wird viel Arbeit auf die Anlage von Blumenbeeten, Schmuckwegen und für die Aus- gestaltung der Lauben aufgewendet. Man nimmt nicht mehr die gewöhnliche schwarze Teerpappe zum Bedecken der Holzwände und
des Daches, sondern an ihrer Stelle eine solche, die sich rn i t bunten Farben bestreichen läßt. Farbig und sreudig muß ein solches Häuschen aussehen, wenn es aus dem Grün der Bäume blickt. Wie erzieherisch, wie kulturfördernd ist diese Arbeit! Ja, viele Speziaitalente offenbaren sich hier in einer Laubenkolonie, Talente und Befähigungen, von denen der Ausübende sicher oft- mals selbst nichts gewußt hat. Jemand hat sich auf die Kultur ganz bestimmter Blumenarten geworfen, er ist S p e z i a l z ü ch t e r für Rosen oder Dahlien geworden: bei Ausstellungen holt er sich die ersten Preise. Die Kolonie ist stolz aus diese Meister in ihren Reihen. Am meisten Zuspruch haben die Fachleute für Obstbaukulrur. Ihre Gärten sind immer belagert von an- deren Kleingärtnern, die sich einen richtigen Baumschnitt zeigen lassen wollen, auch nach Angaben der geeigneten Sortenwahl, nach dem und jenem Tun bei tranken Obstbäumen und anderes fragen. Alles Wissen wird umsonst gegeben, man findet seinen besten Dank darin, daß man den anderen helfen kann. » Laubenkolonien sind immer bester Nährboden für unsere po- litische Propaganda gewesen. Wie flammen die schwarzrotgoldenen und roten Fahnen bei den Feiertagen des Proletariats auf, wie vor- bildlich ist die Solidarität der Genossen in einer Kolonie unterein- ander. Schwer nur kann sich der indisserenle Nachbar dieser freund- lichen Werbung entziehen: bald tritt auch er in den Kreis. Geniein- fam wird um den Besitz der Scholle gekämpft, gemeinsam werden Sorgen und Freuden getragen. Die Laubenkolonien sind eben nicht nur Erzieher, sie sind auch Befreier. Wenn die Organisation von den Uebergangscrscheinungen befreit sein wird, wo sie häufig den Kampf um ihre Rechte nicht mit, sondern gegen die Stadtinter- essen zu verteidigen hat, wird ihr später die wichtige Ausgabe zu- fallen, aus der Summe der gesammelten Erfahrungen, den cinderen mit Rat und Tat beizustehen, sei es in der Kenntnis des natürlichen Wohnens, von Organisation und Pflege des Gemeinsinns und anderen wichtigen öffentlichen Faktoren. Das Arbcllerproietariot in den Kleingärten hat ein gewichtiges Wort bei den Maisorderungcn der gesamten Arbeiterschaft für Arbeitszeit-, Wohn- und Kultur- fragen mitzusprechen. N. Ist der Winter— Frühling voröei? Di« vielfach angefeindete Statistik leistet zweifellos in einfachen Dingen gute Bergleichsmöglichkeiten: von den Berichtcu der das verschlossene Japan dem Weltverkehr angliedernden Männer— siebzig Jahre stnd's her!— erfahren wir, daß das damalige Jeddo bei 280 000 Häuschen ebensoviel Gärten zählte. Dort sind 100 Proz. der Bevölkerung mit der Natur vertraut— in unserer Stein! Sst« dürfte eine solche aktiv« Beschäftigung mit Erde, Pflanzen und Gestein kaum 1 Proz. umfasien. Dafür haben wir aber den �nq einer Wochenendbewegung, die uns gestattet, i in w e i t« r e n ai- kreis von Berlin die Latifuniüen zwischen Nauen und Trebbin oder Strausberg und Bernau zu durchstreifen und uns an
9ack JCondon:
Von anderen Menschen sahen sie nicht das geringste, nur einmal kamen sie an einer rohgezimmerten Schute vorbei, die auf einer Sandbank lag. Der Eigentümer war nie zurück- gekehrt, sie zu holen, und sie fuhren verwundert weiter. Ein- mal stießen sie auf die Reste eines Jndianerdorfes, aber die Bewohner waren verschwunden, befanden sich zweifellos am oberen Lauf des Stewarts auf der Elchjagd. Zweihundert Meilen vom Dukon fanden sie die Barren, von denen Al. Mayo gesprochen hatte. Hier schlugen sie ihr Lager für längere Zeit auf, legten ihre Vorräte hoch, so daß die Hunde sie nicht erreichen konnten, und begannen mit der Arbeit, in- dem sie sich durch die Eisdecke hindurchgruben. Es war ein hartes, einfaches Leben. Sie arbeiteten beim Frühlicht, sobald sie gefrühstückt hatten, und wenn die Nacht hereinbrach, kochten sie ihr Esten, verrichteten ihre Lager- arbeit, rauchten und unterhielten sich eine Weile und wickelten sich dann in ihre Schlafsäcke und schliefen, während das Nord- licht über ihren Häuptern flammte und die Sterne in der starken Kälte funkelten und flimmerten. Ihre Kost war ein- förmig: aus Sauerteig bereitetes Brot, Speck. Bohnen und gelegentlich ein Teller Reis, mit einer Handvoll gedörrter Pflaumen zusammengekocht. Frisches Fleisch war nicht auf- zutreiben Es herrschte ein ungewöhnlicher Mangel an Wild . Ab und zu fanden sie die Fährte eine-Schneehasen oder Hermelins, aber im großen und ganzen schien das Land aus- gestorben Das war ihnen nichts Neues, denn sie hatten es schon oft erlebt, daß sie in einer Gegend, wo es das eine Jahr von Wild wimmelte, ein oder zwei Jahre später nicht ein Stück mehr antrafen. Sie fanden zwar Gold an den Barren, aber es war nicht der Mühe wert, Als Elijah sich einmal fünfzig Meilen vom Lager auf der Fuchsjagd befand, hatte er Kies vom Grund« eines großen Baches ausgewaschen und gute Farben gefunden. Sie schirrten die Hunde an und fuhren mit leichter
Ausrüstung hin. Hier— und vielleicht zum erstenmal in der Geschichte des Furons — warfen sie mit Hilfe von Feuer einen Schacht aus. Es geschah auf Daylights Veranlassung. Nachdem sie Moos und Gras entfernt hatten, entzündeten sie«in Feuer aus trockenen Tannenzweigen. Nach sechs Stunden war der Boden acht Zoll tief aufgetaut. Sie trieben ihre Hacken hinein, schaufelten ein Loch und zündeten ein neues Feuer an. Angespornt von dem Erfolg ihres Experi- mentes arbeiteten sie von früh bis spät. Nach sechs Fuß ge- frorener Erde erreichten sie eine Kiesjchicht, die ebenfalls ge- froren war. Hier ging die Arbeit langsamer vonstatten. Aber sie lernten bald, ihr Feuer besser zu handhaben und fünf bis sechs Zoll auf einmal aufzutauen. Es gab Goldstaub in dem Kies, und nach weiteren zwei Fuß stießen sie wieder auf Erde . In siebzehn Fuß Tiefe kam wieder eine dünne Schicht Kies, der groben Goldstaub enthielt, und die Probepfannen er- gaben eine Ausbeute von je sechs bis acht Dollar. Leider war diese Schicht nur einen Zoll dick. Darunter war wieder Erde, vermischt mit alten Baumstämmen und versteinerten Knochen längst verschwundener Ungeheuer. Aber sie hatten Gold gefunden— richtiges Gold. Und was war natürlicher als anzunehmen, daß der große Fund auf der abschließenden Felsunterlage gemacht werden würde? Sie beschlossen, in zwei Schichten zu arbeiten, und waren Tag und Nacht an zwei Stellen tätig, während der Rauch ihrer Feuer zum Himmel stieg. Als zu dieser Zeit die Bohnen knapp wurden, fuhr Elijah nach dem Hauptlager zurück, um mehr Proviant zu holen. Elijah war selbst ein erprobter alter Schlittenführer. Es waren rund hundert Meilen, aber er oersprach, am dritten Tage zurückzukommen, indem er einen Tag für die Hinfahrt und zwei für den Rückweg mit dem beladenen Schlitten berechnete. Statt dessen kam er schon am Abend des zweiten Tages. Die anderen hatten sich gerade schlafen gelegt, als sie ihn kommen hörten. „Was ist los, zum Teufel?" fragt Henry Finn, als der leere Schlitten in den Lichtschein fuhr und er bemerkte, daß Elijahs langes ernstes Gesicht noch länger und ernster als gewöhnlich war. Joe Hines warf Holz auf das Feuer, und die drei in ihre Schlafsäcke gehüllten Männer krechen dicht an das Feuer heran. Elijahs' bärtiges Gesicht war bis zu den Augen- brauen mit einer Eisschicht bedeckt, so daß er der Karikatur eines Weihnachtsmannes glich.
„Ihr wißt die große Tanne, direkt am Flusse, die die eine Ecke des Brettes mit unseren Vorräten trägt?" begann er. Das Unglück war schnell erzählt. Der scheinbar stark« Baum war von irgendeiner versteckten Krankheit angegriffen gewesen, hatte die Last der Vorräte und des Schnees nicht ertragen, hatte das so lange beröahrte Gleichgewicht verloren und war zu Boden gestürzt. Die Vorräte waren fort. Die Viel- fräße hatten alles, was sie nicht gefressen hatten, verdorben. „Sie haben allen Speck, Pflaumen. Zucker und Hunde- futter gefressen," berichtete Elijah.„Und dann haben die verdammten Biester Löcher in die Säcke gefressen und Mehl, Bohnen und Reis von Dan bis Beerfeba verstreut. Ich Hab' leere Mehlsäcke gefunden, die sie eine Viertelmeile verschleppt hatten." Ein Weile sprach keiner ein Wort. Es war eine Kata- strophe, mitten in einem arktischen Winter und einem vom Wilde verlassenen Lande den Proviant zu verlieren. Das Entsetzen lähmte sie nicht, aber sie mußten der Situation ins Auge sehen und einen Ausweg finden. Joe Hines fand zuerst die Sprache wieder. „Wir können Reis und Bohnen aus dem Schnee aus- waschen, wenn es auch nicht mehr als acht bis zehn Pfund geben wird." „Und einer muß mit einem Gespann bis nach Sixty Mite hinunter," sagte Daylight. „Ich fahre," sagte Finn. Sie grübelten eine Weile. „Aber wie sollen wir das andere Gespann und drei Mann ernähren, bis er zurückkommt?" fragte Hines. „Es gibt nur«ine Möglichkeit," meinte Elijah.„Du mußt das andere Gespann nehmen. Joe, und den Stewart hinauffahren, bis du die Indianer findest. Dann kommst du mit Fleisch zurück. Du mußt lange wieder da sein, ehe Henry von Sixti Mike zurück ist, und in eurer Abwesenheit brauchen wir nur Essen für Daylight und mich. Wir müssen uns eben mit kleinen Rationen begnügen." „Und morgen früh fahren wir alle zum Depot und waschen den Schnee aus, um zu sehen, was wir haben." Mit diesen Worten legte Daylight sich hin und wickelte sich in seinen Schlafsack.„Jetzt wollen wir schlafen, dümit wir morgen zeitig wegkommen," fügte er hinzu.„Zwei von euch können die Hunde mitnehmen. Elijah und ich werden einen Abstecher machen, um zu sehen, ob wir einen Elch erwischen." (Fortsetzung folgt)