Nr. 204 46. Jahrgang
3. Beilage des Vorwärts
Freitag, 3. Mai 1929
Gegen die Arbeitslosenversicherung
Der Vorstoß der Arbeitgeberverbände.
Wih oder Verhöhnung? Ausgerechnet am 1. mai unterbreitet auf den Unterstützungsbezug für alle Arbeitslosen, die am 1. März die Bereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände der Deffent ich in Unterſtügung waren. Mit riesigem Aufwand werden die teit„ Reformvorschläge" zum Gesetz über die Arbeitslosenversiche= Angaben über 2,2 millionen Arbeitslose rung, die wie ein Beitschenhieb gegen die deutschen Arbeit
nehmer wirken müssen. Was will der schamlose Borschlag?
1. Saifonerwerbslosigkeit soll überhaupt nicht mehr als Urbeitslosigkeit unterſtügt werden, b. h. während eines noch festzulegen ben Zeitraumes der berufsüblichen Arbeitslosigkeit ruht jeder Anspruch. Dafür sollen die Arbeitnehmer dieser Berufsgruppen gnädigst auch nur den halben Beitrag zur Bersicherung zahlen. 2. Heimarbeiter sind grundsätzlich ebenso wie Hausgewerbetreibende von der Arbeitslosenversicherung ausgeschlossen. 3. Eigentümer oder Bächter land oder forstwirtschaftlichen Grundbefizes, die von beffen Ertrag leben können, sind grundsäglich von der Versicherung ausgeschlossen, einerlei, ob fie als Arbeitnehmer tätig find. Ausgeschlossen sollen auch die Angehörigen eines solchen Eigentümers oder Bächters fein. 4. Unterſtügung erhält nur der Bedürftige". Hat der Arbeits. lose Einnahmen aus Bermögen, Grundbesitz, Pension, Wartegeld oder Rente, so wird dieses auf die Unterstübung ange. rechnet. Angerechnet werden auch die Einnahmen der mit ihm im gleichen Haushalt lebenden Familienangehörigen. Der Arbeitslose erhält auch teine Unterstügung, wenn ihm familienrechtliche Unterhaltungsansprüche zustehen, die die Bestreitung des notwendigen Lebensunterhaltes zulaffen, repaulista
5. Lehnt ein Arbeitslofer ohne berechtigten Grund eine Arbeit ab, auch wenn sie außerhalb feines Wohnortes liegt, je verliert er ben Anspruch auf Arbeitslosenunterstügung folange, bis er in einer erneuten versicherungspflichtigen Beschäfti gung wieder eine neue Anwartschaft erworben hat, d. h. minde. stens 26 och en tätig gewesen ist. Der Arbeitslose darf nicht mie bisher in den ersten neun Wochen seiner Arbeitslosigkeit Arbeit ablehnen, die ihm nach seiner Borbildung oder früheren Tätigkeit nicht zurgemutet werden tann, sondern er darf nur ablehnen, wenn er infolge feines törperlichen Zustandes nicht in der Lage ist, die Arbeit auszuführen, oder weil die Arbeit eine ernste Gefährdung seines späteren beruflichen Fortkommens bedeuten würde.
6. Für ble she ber Unterstügung, d. h. für die Einreihung in die entsprechende Lohntlasse soll nicht wie bisher ber Durchschnitt des Arbeitsverdienstes der letzten brei Monate, fondern der Durchschnitt der lebten sechs Monate maßgebend sein. Für diejenigen Arbeitslosen, die nicht in ihrem bisherigen Arbeitsort verbleiben, sondern die, wie es zahlreiche Wanderarbeiter müssen, in ihre Heimat zurückkehren, soll sich die Höhe der Unterſtügung nicht nach der Lohnflaffe richten, die dem früheren Arbeitsverdienst entspricht, sondern sie wird abhängig gemacht von dem Lohn, der an dem ständigen Wohnort des Arbeitslosen gezahlt wird. Wird hier ein Tariflohn gezahlt, so soll dieser entscheibend sein, wird fein Tariflohn gezahlt, so entscheidet der ortsübliche Durchschnittslohn. Welchen Teil der Löhne bie Unterstützung betragen foll, läßt die Vereinigung noch offen.
7. Besondere Strafvorschriften follen den Arbeitgeber bedrohen, der eine zum Nachteil der Reichsanstalt unrichtige Arbeitsbescheinigung erteilt,
8. Die fogenannte wertefchaffende Arbeitslofenfürsorge, also Rotstandsarbeiten, follen grundfäßlich abgefchafft merner.
Das ist die Maibotschaft der deutschen Unternehmer an die beutsche Arbeiterklasse. Berlohnt es sich, gegenüber soviel Unverschämtheit in eine ernfte Rritit einzutreten?
Die Arbeitgebervereinigung hat die Oeffentlichkeit feit Monaten systematisch und bewußt irregeführt, indem sie diese mit beweis. losen Behauptungen über Mißbrauch in der Arbeitslosenversicherung überschüttete. Offiziell aufgefordert, diese Mißbräuche im einzelnen zu belegen, damit die Reichsanstalt Prüfungen und Untersuchungen anstellen tonnte, hat die Bereinigung Derfagt. Sie hat nie ihr Anflagematerial unter Namensnennung vorgelegt, weil fie mußte, wie wenig beweis. träftig das Material war, mit dem die Deffentlichkeit gegen die Arbeitslosenversicherung aufgeputfcht wurde.
War wirklich, wie immer wieder behauptet, durchschlagendes Material vorhanden, so mußte es mindestens bei der Reichsanstalt zufammenfließen. Nichts ist vorhanden, als vage Gerüchte und Altweiberklatsch, den irgendwer irgendwo von irgendwem einmal gehört haben will. Um Klarheit über die Auswirkung der gefetlichen Bestimmungen während der großen winterlichen Arbeits
losigkeit zu erhalten, bearbeitet die Reichsanstalt zurzeit die personalen Verhältnisse, insbesondere auch den Erwerb des Rechtes
statistisch bearbeitet. Diese Arbeit wird im Juni abgeschlossen sein.
Wer wirklich objektiv prüfen will, muß diese Arbeit abwarten. solchen Materials nicht. Sie hat die Lösung von vorn. Die Vereinigung deutscher Arbeitgeberverbände bedarf eines berein bereit. Die Arbeitslosenversicherung muß gertrümmert werden. Es darf keinen Rechtsanspruch mehr geben, die Saisonarbeiter und Heimarbeiter mögen bettein gehen. Die Höhe der Unterstügung muß gesenkt werden. Wer Arbeit ausSchlägt, wird möglichst dauernd vom Unterstützungsbezug ausgeschlossen.
Die Gewertschaften haben stets sich bereit er: lär, an der Abstellung wirklicher Mißbräuche nachdrüdlichst mitzuarbeiten. Sie haben daher den Borschlag der sozialdemokratischen Reichstags fraftion begrüßt, wonach ein interfraktioneller Ausschuß unter Buziehung von Sachverständigen in Ruhe und unbeeinflußt anstalt etwaige schädliche Wirkungen des Gesezes nachprüfen soll. Don der gegenwärtigen Heze auf Grund der Erhebungen der ReichsAber die Arbeitslosenversicherung lassen die Gewertschaften nicht zertrümmern. Das weiß die Vereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände, und es ist ein Symptom, das nicht ernst genug genommen werden kann, wenn die Vereinigung jetzt diese Borschläge macht und für die Publika. tion dieser Vorschläge ausgerechnet den 1. Mai wählt.
Der Ruhrschiedsspruch verbindlich!
Der für den Ruhrbergbau am 22. April von dem Schlichter Prof. Brahm gefällte Cohnschiedsspruch, deffen Laufzeit bis 30. September 1930 geht, war von den Bergarbeitern abgelehnt, von den Zechenherren angenommen worden.
Bei den Nachverhandlungen im Reichsarbeitsminifterium war feine Verständigung unter den Tarifparteien zu erzielen. Der Schiedsspruch wurde daher als im öffentlichen Intereffe liegend von Amts wegen für verbindlich erklärt
Zu der Lohnerhöhung von 2 Pro3. fritt eine Beitragsverminderung bei der knappschaftsversicherung, so daß sich eine Besser. ftellung der Bergarbeiter unter Tage um 5,45 Proz. und der Uebertagearbeiter um 3,02 Pro3, ergibt. Der Cohn des Reparaturhauers steigt auf die Weise von 8,36 m. auf 8,52 m. je Schicht. Indirekt zahlt das Reich den größten Teil diefer Cohnerhöhung, während die Unternehmer nur mit 0,65 Proz. durch den Schiedsspruch belaffet" werden.
Attennotizdoktor Meisinger.
Er macht wieder in Lohnpolitit.
Der Bater der Attennotiz über seine vertrauliche Bes sprechung mit den Herren Ministerialdirektor Dr. Sizler und Ministerialrat Memes im Reichsarbeitsministerium am 8. Auguft 1925, Herr Dr. Meisinger, Geschäftsführer der Vereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände, war in den letzten Jahren ziemlich in den Hintergrund getreten. Jetzt hat er wieder die Behandlung der Lohn- und Tarifpolitik der Spizenorganisation der Arbeitgeberverbände. übernommen, wie aus dem folgen den Rundschreiben hervorgeht: Arbeitgeberverband Hamburg- Altona. J. Nr. 158/29. Rundschreiben 11.
Hamburg 11, 20. April 1929. Reueburg 17 II. Tel.: Roland 8081/82 Referatsverteilung in der Geschäftsführung der BDA. Die Vereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände e. V., Berlin , teilt uns folgendes mit:
de, Durch Uebersendung des Mitgliedsverzeichnisses der Bereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände nach dem Stande vom 1. Dezember 1928 haben wir unseren Verbänden auch Mitteilung über die Geschäftsverteilung in unferem Hause gemacht( siehe G. 4 und 5 des Mitgliederverzeichnisses nach dem Stande vom 1. Degember 1929). In ber bort veröffentlichten Referat s perteiung( B) hat sich inzwischen infofern eine Aenderung vollzogen, als für die auf dem gesamten Aufgabengebiet der Vereinigung liegenden statistischen und wirtschaftlichen Forschungsarbeiten ein
neues Referat VII unter Leitung von Herrn Dr. Lemmer eingerichtet worden ist, da sich eine tiefere Fundierung unserer Arbeit nach dieser Richtung schon seit längerer Zeit als dringend notwendig erwiesen hat.
Bis auf weiteres hat Herr Rechtsanwalt Dr. Meisinger neben der Tätigkeit, die er bis herim Mandatsverhältnis, auf dem Gebiete der Rechts begutachtung für die Geschäfts: führung der Bereinigung ausgeübt hat, in der gleichen Eigenschaft auch die Behandlung der zu Referat III( Cohn- und Tarifpolitik usw.) gehörenden Fragen unter Mitarbeit von Herrn Hering und Herrn Dr. v. Rutenberg für die Geschäftsführung der Bereinigung übernommen.
Zu den Mitarbeitern im Referat II ist noch Herr Dr. Laffe renz hinzugetreten. Wir bitten die Geschäftsführung unserer Mitgliedsverbände, diese Veränderungen bei der Zusammenarbeit mit uns entsprechend berücksichtigen zu wollen." Arbeitgeberverband Hamburg- Altona E. V. ( gez) Dr. v. Scheven.
Bor etwa drei Jahren erklärte der Borsigende der Vereinigung, Geheimrat v. Borsig, dem Ausschuß der Bereinigung im Anschluß an den Abschied des ersten Geschäftsführers Dr. Tänzler, daß dieser an den schweren Berfehlungen, die bei einzelnen Refforts vorgekommen feten, nicht beteiligt gewesen sei. Vorher Bropagandaressort der Vereinigung ausgeschieden. Der durch seine war Herr v. 3 engen in beiderseitigem Einvernehmen" aus dem famose Aftennotiz belastete Dr. Meisinger, dem die Propagandamethoden des Herrn v. 3engen befannt waren, wie auch dessen Beziehungen zu Karl Erdmann , der auch über das Darlehen der Bilde war, Dr. Meisinger blieb, so daß selbst„ Der Deutsche"„ die Vereinigung an den Zentralverband christlicher Landarbeiter im unvollständige Reinigung" bemängelte.
Für die Gewerkschaften ist es nicht ganz gleichgültig au wissen, wer die Lohn- und Tarifpolitik der Arbeitgeberverbände deichselt. Sie kennen Dr. Meisinger, der jetzt das Referat III in der Burggrafenstraße, die Behandlung der zur Lohn- und Tarifpolitik gehörenden Fragen wieder übernommen hat, sie fennen seine Politik und feine Methoden und werden sie gebührend einzuschäzen wiffen.
Lohn- und Manteltarif der Straßenbahner. Die Zustimmung beschlossen.
Zum Dienstag abend war von den freien Gewerkschaften nach dem Gewerkschaftshaus eine Mitgliederversammlung des Per fonals der Straßenbahn einberufen worden, die zu dem Ergebnis der Lohn- und Manteltarifperhandlung Stellung nahm. Zu dieser Versammlung hatten sich auch die aus dem Verbande ausgeschlossenen Arbeiterratsmitglieder Kaiser und Krüger Eintritt verschafft, wahrscheinlich mit der Absicht, hier genau so wie in den von den„ revolutionären" Betriebsräten arrangierten Belegschaftsversammlungen gegen die Gewerkschaften vom Leber zu ziehen. Dieser Bersuch ist ihnen aber gründlich por= beigelungen
wurde gegen 20 Stimmen beschlossen, daß Krüger und Kaiser den Noch vor der Eröffnung der start besuchten Bersammlung
Saal jpfort au perlasjen haben. Wohl oder übel mußten die beiden Unentwegten" sich dem Beschluß fügen. Die Versammlung billigte dann nach einem Bericht des Genoffen Knobel pom Berkehrsbund über die Tarifverhandlungen ein mütig die Steli lungnahme der Funktionäre, die bekanntlich dem Berhandlungsergebnis ihre Zustimmung gegeben haben.
Maßregelung Maifeiernder!
Bei Glogowski& Co., Berlin , Friedrichstraße 65. Ein größerer Teil der Belegschaft der Firma ließ am 1. Mai die Arbeit ruhen. Die Arbeiter hatten durch ihre gefehmäßige Ar beitervertretung der Firma einige Tage vorher davon Kenntnis ge-! geben, daß fie den 1. Mai feiern wollen.
Beim Arbeitsbeginn am 2. Mai wurde den Arbeitern unter Hinweis auf den Hausfriedensbruchsparagraphen das Betreten der Fabriträume verboten. Die Firma, die ihre Rechenmaschinen und Buchungsmaschinen doch auch in Arbeiterbetrieben umsehen will, sollte sich durch eine derart überholte Scharfmacherei nicht bloßstellen.
Achtstundentag für Handelsarbeiter.
Für die Handelsarbeiter des Berliner Einzelhandels ist jetzt
endlich eine Forderung in Erfüllung gegangen, die sie schon seit Jahren erhoben haben. Durch einen Schiedsspruch des Schlich tungsausschusses ist die wöchentliche Arbeitszeit auf 48 Stunden festgelegt worden. Eine Berlängerung der Arbeitszeit darf
1250
14.50
1650
taupe, mit Stepperelverzierung, rahmengenäht
SCHON
taupe, Kreuzspange, echt XV.- Absatz
GUT
belge echt Chevreaux
PREISWERT