(5. Fortsetzung� den blanken Herrn waren in Ordnung mir da
Ich faßt« mich schnell und nahm mir vor, ordentlich ablausen zu lassen. Meine Papiere und eine silberne Mark hatte ich auch noch—, was konnte geschehen! t „Was machen Sie hier?* brüllte mich der Blitzableiter an. „Sie haben ja selbst bestimmt, was ich machen soll. Auf Ihren Befehl bin ich ausgestanden,* erwiderte ich gelassen, indem ich mir die Strohhalme vom Ro<k ablas. „Werden Sie nicht frech! Ich will wissen, was Sie hier ge- macht haben! Kein Federlesen, zum Donnerwetter!* Die Augen des Klempnerkerls rollten und der martialische Schnurrbart sträubte sich wie bei einem Kater, der im Begriff ist, einen Bogel zu erhaschen. Na, dachte ich, hast mich selbst aus dem Schlaf geweckt und fragst jetzt noch, was ich hier gemacht habe? Wenn du aber durchaus nicht freundlicher zu mir werden willst, dann werde ich dich mal von einer anderen Seite anfassen. Ich stellte mich also in militärischer Haltung vor ihn hin und sagte, indem ich ihn über das ganze Gesicht anlachte: „Zu Befehl, Herr Oberwachtmeister, erstens kann man in einer Strohmiete keine Federn lesen und zweitens habe ich hier geschlafen.* Der Putz sah mich von oben bis unten an, musterte mich und feine Miene klärte sich zusehends auf. „Papiere?* Als er mein« Papiere geprüft hatte, ließ er sie in seiner Tasche verschwinden. Da wußte ich denn, ich bin Arrestant. „Soldat gewesen?* „Nein!* „Weshalb nicht?* „Wegen Kurzsichtigkeit, Ersatz II.* „Schade, hätten einen schmucken Ulan abgegeben,* und er zwirbelte an seinem Schnurrbart. Da dachte ich mir, du hast jedenfalls bei den Manen gedient, damals wirst du aber wohl kaum einen solchen Schmerbauch gehabt haben wie heute. Mir ging ein Lied durch den Kops:„Schöner Minko, so werd' ich genannt, und ich zieh' als ein tapf'rer Ulan in das Land.* Boll Begeisterung schmetterte ich das Lied in den göttlich schönen Morgen hinaus, ohne mich durch die Anwesenheit des Gendarmen stören zu lassen, der ein recht einfältiges Gesicht dazu macht«. Auf der Landstraße waren bereits einige Ackerwagen und Leute, die aufs Feld hinaus wollten, stehen geblieben. Verschiedene Bäuerlein und Frauen hatten sich hinzugefellt und lachten vergnügt. Solch ein lebendes Bild hotten sie wohl noch nie gesehen. „Sind Sie bald fertig?!* Der Wachtmeister trat von einem Fuß auf den anderen. „Jawohl," erwiderte ich„wo soll's denn Hingehn? Wenn Sie mir die Ehr« Ihrer Begleitung geben wollen, muß ich meine Pelle doch«in bifsel sauber machen.* Ich nahm eine Handvoll Stroh und putzt« mir in aller Gemüts- ruh« meine vom Tage vorher noch staubigen Stiefel. Dem Gendarm blieb nichts anderes übrig, als gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Er schien es zu merken, daß ich ihn ärgern wollt«. „Weshalb wollen Sie mich eigentlich mitnehmen, Herr Wacht- m«ister?" plaudert« ich harmlos, während ich die Stiefel nach allen Regeln der Kunst bearbeitete. „Weil Sie Landstreicher sind!* schnauzte der Blitzableiter und kaute an seinem Bart. „Landstreicher? Habe noch kein Land gestrichen!* plauderte ich weiter.„Sollte mir gerade einfall«»! Sehen Si« sich doch mal die schöne Natur an, und wenn einer noch so vi«l Farbe daran oe» schwendete, schöner kann sie keiner machen. Und schlafen kann ich, wo ich will. So, nun bin ich fertig.* Wir schritten über das Feld der Landstraße zu, auf der die Bäuerlein, Knecht« und Mägde noch standen und glotzten. Bei unserem Erscheinen zogen die Bauern ehrerbietig die Kopfbedeckung und grüßten wie vor einem höheren Wesen. „Guten Morgen, Herr Wachtmeefter, schon so zeitig a guten Fang gemacht?" „Heit' wird's wedder mahl sehr« heeß werden.* Di« Knechte und Mägde grüßten nicht, sondern kicherten, grienten und steckten die Köpfe zusammen. Der Gestrenge grüßt« militärisch und stelzt« mit seinem Arre- stauten gravitätisch dem nächsten Dorfe zu. Als wir ein Weilchen gegangen waren, hörte ich das laute Gelächter der uns nachsehenden Knecht« und Mägde. Der Herr Wachtmeister hatte nämlich, ohne es zu merken, einen seiner weißen Handschuh« verloren� Ich nahm das Gespräch wieder auf:„Wenn es Ihnen Ver- gnügen macht, mich zu arretieren, nur weil ich in der Strohmiet« genächtigt habe, bitte schön! Aber ei» Recht dazu haben Si« nicht, und jetzt möchte ich erst einmal frühstücken.* Ich sah nämlich das Schild des Dorfwirtshauses In der Fern« leuchten.» Der Gestrenge würdigte mich keiner Antwort, steuerte aber doch auf den Dorskrug zu. Hier empfing ihn in der Tür mit freund- lichem Gruß die hübsche junge Wirtin und brachte ihm, noch ehe er es verlangt hatte, ein schäumendes Glas bayerisch Bier. Ich ließ mir zur Stärkung einen Schnaps geben und bestellte, wi« das nun\ einmal bei uns Handwerksburschen üblich war, für fünf Psennig« Brot, einen Käse, der auch fünf Pfennige kostete und recht ansehnlich war, und für zehn Psennig Butter. Man konnte sich hieran wirklich ordentlich satt essen. Da ich an der Wand ein Plakat für. Größer Bier sah, lieh ich mir auch davon ein Glas geben. Es ist das«in klares tristallhelles goldgelbes Bier, das etwas nach Rauch schmeckt. aber vorttefslich mundet und den Vorzug hat, daß es nicht zu Kopf steigt, wie bayerisch Bier. Es wurde nicht im Seidel, sondern in Ztangeng.äser geschänkt. Es wäre mir gar nicht eingefallen, schon zum ersten Frühstück so zu schlemmen, wenn ich nicht dem Herrn Wachtmeister hätte zeigen wollen, daß ich mir auch etwas leisten könne. Deshalb bestellte ich mir auch noch eine Zigarre. Dann nahm ich eine Zeitung von der Wand und vertiefte mich gemächlich in die Lektüre. Was ging mich der Gendarm an! Mein blanker Schutzengel blätterte wieder in meinen Papieren ind auch bk Wirtin beteiligte sich daran. Beide' hatlen die Köpse zusammengesteckt. Die Wirtin sprach leise auf den Wachtmeister ein, -fter einen Blick zu mir hinüberwersend.
Zwei Fensterflügel standen osfen und die goldene Morgensonne leuchtete so verführerisch herein, daß ich nicht umhin konnte, meinem Herzen Luft zu machen. Laut schallend sang ich mein Lieblingslied: Ich bin ein freier Mann und finge, Ich wohn' in keiner Fürstengruft Und alles, was ich mir erringe, Ist Gottes freie Himmelsluft. Ich wohn' in keiner stolzen Feste, Von der man Länder übersieht. Ich wohn' dem Vogel gleich im Neste, Mein ganzer Reichtum ist mein Lied. Als ich ousgesungen, warf ich das einzige Marfftückl, das ich befaß, stolz auf den Tisch. „Frau Wirtin, zahlen!* Der Gendarm und die Wirtin saßen noch ruhig da. Nach einem Weilchen erhob sich die Wirtin— sie schien aus Bayern zu stammen — und kam zu mir. „Das Geld behalt'n's für Ihren schönen Gesang,* sagt« si« und drückte mir die Mark wieder in die Hand. „Und a Bier und a Schnaps krieg'n's auch noch* Sie stemmt« beide Arme in die Seiten und sah zum Wachtmeister hinüber. „Den hübschen Menschen woll'n's einsperren, schamen's sich gar nit? Ein Mensch, der so schön singen kann! Zahlens lieber a paar gute Zigaren für ihn!* Damit ging sie zur Schänke, griff in die Zigarrenkiste und drückte mir sechs Zigarren in die Hand.„So, die zahlt der Herr Wachmeester! Und nun woll'n's wir anstoßen mitsamm, auf den Herrn Wachtmeister sein Wohl, prost!* schloß sie, indem sie vor jeden von uns ein Maß hinstellte. Der Gendarm rückte seinen Schmerbauch hin und her und wußte nicht recht, was er anfangen sollte. „Geben's dem Menschen seine Papiere, damit er weiter kommt.* Die� Wirttn nahm dem verdutzten Wachtmeister die Papiere aus der Hand, gab sie mir und zwinkerte mir mit den Augen zu, daß ich mich verduften solle. Ich nahm die Gelegenheit wahr und verschwand. Die gestörte Leiche. Durch die Straßen eines kleinen schlesischen Städtchens zieht ein feierlicher Trauerzug. Eine Musikkapell«, die ihm voranschreitet, spielt«inen Trauermorsch. Als erster, den Schnurrbart steif gewichst, schreitet stolz der Herr Stadtwachtmeister voran. Es sieht aus, als hätte er sich einen dicken Pinsel unter die Nase geklemmt. Er pai seine beste Uniform angelegt, der rote Kragen leuchtet weichin und der frisch lackierte Helm blitzt nur so im Sonnenschein. Er ist sich seiner Würde als meist Gesürchteter im Städtchen wohl bewußt. Den Degen hat er aus der Scheide gezogen, um ihn mitunter salu- tierend zu schwenken. Besonders vor dem dicken Fleischermeister, der, die Hände über dem Schmerbauch, vor der Türe steht, und
den Zug an sich vorbeiztehen läßt. Denn hier fällt öfter«in Keiner Braten für dos hochwohllö bliche Auge des Gesetzes ab. Hinter der Musikkapelle, die sich gerade ein bischen Ruhe gönnt, um zu verschnaufen, schaukell der Sarg, von biederen Handwerts- meistern in steifen Zylinderhüten getragen. Trauergefolge macht den Abschluß. Beinahe die halbe Stadt ist beteiligt. Aber was ist das? Der Stadtwachtmeister spannt die Straße entlang, sein Blick wird starr, der Schnurrbart sträubt sich: Da geht ein Kunde Haus für Haus und fechtet! Ei. denkt der Kunde, das ist fein, Hab freie Fahrt, der Putz muß bei der Leiche bleiben. Tapfer klopft er die Häuser ab und putzt die Klinken, lacht sich«ins ins Fäustchen und freut sich wie ein Schneekönig, daß er es so gut getroffen hat. Aber der Wandersbursche denkt und der Blitzableiter lenkt. Ha, denkt er, jetzt will ich's der Stadt zeigen, daß ich ein ganzer Kerl bin, der selbst bei Festivitäten den Dienst mitnichten vergißt! Wie wir den Handwerksburschen greifen, da sollt ihr staunen! Don den gesträubten Schnurrbarthaaren richtet sich jedes noch einmal einzeln auf, man hört sie förmlich schnurren. Di« Augen werden tückisch und glotzen wie zwei feiste Doggen, die's nicht mehr an der Kette duldet. Mit einigen Sätzen ist er von der Leiche weg und stürzt in das Haus, in dem der Handwerksbursche soeben ver- schwunden ist. Die Musikanten bleiben stehen. Si« wisien nicht, was da los ist. Die Träger mll dem Sarge bleiben stehen und ihre Zylinderhiit« wippen. Der ganze Trauerzug bloibt stehen, nicht anders, als sei der Tote erwacht. Das bleiche Antlitz der Witwe färbt ein freudiges Rot, sie trocknet ihr« Tränen, ihren Wangen brennen. Vielleicht. vielleicht... O du lieber Augustin. teurer Gemahl, ich habe dir deine Schwächen ja schon längst verziehen! Komm in meine.. Da tritt der Putz mll dem Klingelfahrer aus dem Haus, hat ihn mll festem Griff beim Schlawitt und läßt nicht locker. Unwilliges Gemurmel unter der Menge. Ruck, zuck, rechts schwenkt, marsch! Frei ist der Bursch und gibt Fersengeld, daß es nur so hagelt, immer die Straße entlang. Wo ich hinkomme, weiß ich nicht, meinetwegen zu Teufels Großmama. Rupp, wupp, und holler di polter der Polizist hinter ihm her und einige wackelnde Zylinderhüte. Der Putz brüllt, die Zylinder- hüte brüllen, di« Ochsen brüllen und die Schaf« im Stall. „Hallet ihn! Hallet ihn!* Hattet aus im... Und ich renn« wie ein gehetztes Wild, ich renne, was ich nur rennen kann. Die Straße macht«inen Bogen. Ich sehe, sie führt nicht aus der Stadt hinaus, sondern wieder hinein. Ich sehe... Auf eitw steinern« Brücke komm« ich, bleib« den Augenblick«ines Augenblicks stehen: Wenn ich da hinunter spring«, da unten ist Wiesenland, unten, ich komme aus der Stadt hinaus, da unten im Wiesengrund wohnt die Freiheit. Und mit einem Satz Hab ich mich von der Brücke geschwungen, Hab« Wiesenboden unter den Füßen, Hab die Freiheit gewonnen. Aber da unten im Wiesengrund schlängelt sich ein Wassergraben, über den ich nicht rüber kann, was fängste da an, Liebling des Volks? Ich laufe an dem Graben entlang. Di« Verfolger sind mir auf den Fersen, und der Wassergraben wird nicht schmäler. Der Wiesenboden wabbelt und federt und schmurgelt nach jedem Sprung. Gemüsegärten und Bauernhäuser winken auf der anderen Seite und blinzeln mich an. Der Wassergraben aber wird immer breiter. Eh was, nicht lange gefackelt und mit kühnem Satz hinüber. Bin glücklich gelandet, da rutsche ich im letzten Augenblick ab und gleit« bis zum Bauch ins Wasser. Freuden- geheul hinter mir drein von der anderen Seite. Einen. Weiden- strunk gepackt und hoch! Und ich ras« über Gemüsebeete, Stachel- beersträucher, Misthaufen, an Wohnhäusern vorbei auf einen hohen Garten�aun zu: hinüber und di« Dorfstraß« ist erreicht! (Fortsetzung folgt.)
WAS DER TAG BRINGT.
Was kostet Hoover? Die soeben veröffentlichten offiziellen Statistiken über di« Aus» gaben, die von den beiden großen amerikanischen Parteien bei der Präsidentenwahl gemacht wurden, lauten dahin, daß die Republikaner für Hoover 6 541 748 Dollar, die Demokraten für Smith 5 444 938 Dollar ausgegeben haben. Den Republikanern kostet trotzdem auf die Stimmenzahl verteilt jede Stimme nur 33 Tent, während di« besiegte Partei 57 Cent pro Wahlstimme bezahlen mußt«. Stenotypistin mit Uebung im Melken. In dem in Malmö erscheinenden„Skanska Dagbladet* l«sen wir folgendes Inserat: „Landwirtschaftsgehilfin, rührig und arbellsfreudig, sicher in Orthographie, erhält Platz sofort oder später, um zur Maschinenschreiberin und Hilfe für Reichstagsmann ausgebildet zu werden. Zwei Jahre Tätigkeit in der Landwirt- schaft erwünschtes Minimum. Uebung und Will« zum Melken und Teilnahme an landwirtschaftlichen Arbeiten: unerläßliche moralische Qualifikation. Lohn 49— 100 Kronen monatlich, alles frei, je nachdem sich die Fähigkeiten auf der Schreibmaschine entwickeln. Antwort und Adresse der Stellungen, die die Betreffende innegehabt hat, an F. Mansson, Smedjevägen 13, Ulmsunda.* • Donnerwetter, ist man in Skandinavien anspruchsvoll! Was würden wohl unser« Neinen Tippfräuleins dazu sagen, wenn man von ihnen ausgerechnet Kenntnisse im Melken verlangen würde. Nicht auszudenken, wenn man sie gar bei ihnen voraussetzte. Geheizte Weinberge. Um die Weinberge im Rheinland gegen die nächtlichen Fröste zu schützen, benutzte man bisher Naphtalindämpf«, die die Kälte ab- halten sollten. Neuerdings versucht man es jetzt in Berncastel mit Preßkohlen, die sich bester bewähren sollen. Mit der Kohlenfeuerung gelingt es. die Temperatur sechs Stunden lang aus zwei Grad zu erhalten. Die neue Beheizung soll in diesem Jahr allgemein zur Anwendung kommen. Wußten Sie das? In Preußen gibt es fünf Gewerbemedizinalräte, die insgesamt 40 554 Betriebe beaussichtigen müssen. « 40 000 Dampf-, Motor-, Segelschiff« und Schleppkähne passieren alljährlich die Berliner Gewässer. m Es gibt in Deutschland Krankenkassen , die nicht mehr als dreißig Versichert« haben. » In der Augsburger Fuggere i. der ältesten sozialen Siedlung Deutschlands , beträgt der Mietpreis für eine Wohnung noch heut« 4.21 Mark. Auswanderung nach Grönland ? Infolge der Beschränkung der Auswanderung nach den Der- einigten Staaten haben die dänsschen Behörden beschlossen, dänischen Bauern die Auswanderung nach Grönland zu gestatten, wenn si« sich dort als Schaszüchter niederlassen wollen.
Afrika ... In den westafrikanischen Kolonien wie an der Goldküste Dahomey und Nigeria haben die Neger eine Vorliebe für europäisches Weizenbrot gefaßt und sie lehnen di« bisher ihnen von den Faktoreien ausgegebenen Lebensmittel, wi« Reis, Mais, Frücht « und Marme- lade, kategorisch ob. In den Küstenstädten haben bereits einige unternehmende Leute den Import von amerikanischem Weizen begonnen, der sich überaus schnell entwickelt und wahrscheinlich, wi« in der englischen Press« zu lesen ist, einer der Haupteinfuhrartikel an der Goldküste werden wird. Es fehlt aber vorläusig noch an Bäckern, well di« Neger davon überzeugt sind, daß zum weißen Brot auch der weiße Bäcker gehört--- 1 Die Todeskarawane. Ein« Pllgerkarawan« hat gewöhnlich etwas Erhabenes an sich, aber es gibt eine, deren man nur mll Schauern gedenken kann. Sie zieht alljährlich in größeren Zwischenräumen auf unwegsamen Pfaden durch di« wilden Pässe des iranischen SKlfengebirges— in denen die räuberischen Bachtiaren stets auf die frommen Ankömm- linge lauern— nach Kerbela , dem Wallfahrtsort der lebenden und toten mohammedanischen Schiiten. Unter eintönigem, ungeheuer melancholisch wirkendem Gesang nimmt die Karawane ihren Weg durch die Gräberebene Snsistans, dem ödesten Teil Mesopotamiens . Schakale und Hyänen folgen den unheimlichen Wanderern überall hin: denn die Karawane führt auf den Rücken der Kamele zahlreiche in Filzdecken verschnürte Leichen mit sich, die einen fürchterlichen Geruch ausströmen. Die Kamel- und Maultiertreiber haben ihre Nasen verbunden, behaupten aber trotzdem, es lieg« Rosenduft in der Luft: denn di« Leichen sind ja di« Ueberreste besonders frommer. Schiiten, die in der geweihten Erde Kerbelas, die auch di« Gebein« des schiitischen Märtyrers und Prophetenkels Hossein birgt, bestattet werden wollten. Es kommt aber nur sehr selten dazu: denn meistens wird die schaurige Karawane unterwegs von sunnitischen Mohammedanern niedergemetzelt, oder die Pest vernichtet sie vorher. Erreicht sie aber doch einmal ihr Ziel, dann ist die Begeisterung in Kerbela unge- heuer. Die Menge fanatisiert sich, tanzt, rast, tobt, verwundet, zerfleischt und tötet sich, um auf di«s« Weise„heilig* zu werden. An einer Straßenkreuzung' regell der Wachmann den Berkehr: Hand hoch, Hand nach rechts. Hand nach link», kehrt euch und wieder dasselbe Spiel. Nach einigen Minuten kommt ein polnischer Staatsangehöriger israeli ischer Kon- fession auf ihn zu und sagt:..Bitte, Herr Wachmannleben, ent- schuldigen, den letzten Satz Hab' ich nix»«rstanden!* Ungenießbar. In der Straßenbahn heust und schreit ein kleiner Bub fürchter- sich. Einem allen Herrn wird dos endlich zu dumm und er sagt mit bösem Gesicht:„Wenn du nicht sofort ruhig bist, fresse ich dich aus!!* —„Tun Sie das lieber nicht," meint die Mutter des Kleinen,„Bubi hat nämlich die Hofen voll!*