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Oiensiag L.Mai 1929
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Beilage des Vorwärts
Vh.W.Slbertshagen: UMätlSt SlItHCF
Cm langer, weißgetünchter Flur mit melen hohen, lichtjrcchen Fenstern. Heber ihren gotischen Wölbungen läuft geradlinig ein blauer Simsftreifen ein Band ohne End«, das sich irgendwo in Fernen verliert. Der Geruch von Aether, Karbol und frischer Wäsche, der sich durch das ganze Haus webt, hat etwas Beängfti- gendes und doch zugleich Anheimelndes, süß Betäubendes. Maria Sinner blickt uiwerwandt zu dem blauen Streifen über den Fenstern hinaus, verfolgt mit den Augen den unbeirrbar sicheren Weg des himmelblauen Striches. Das beruhigt sie, zwingt chr« Gedanken zur Ordnung, schlägt Fragen, Zweifel, Bangnis nieder. Erst muß sie es wissen: klar, deutlich, unnachsichtig. Dann muß sie den Weg suchen und finden, den Weg ins Unbegreifbar«. Im weißen Kittel kommt chr der Professor entgegen. Di« Rän- der seiner goldenen Brill« blitzen im Abendlicht. Dann und wann sieht es aus, als habe er flanimenfarbene Scheiben vor den 2lugen. Nun steht er vor ihr. Seine Blicke sind ernst, aber die Güte des Alters wohnt'in ihnen. Sie wünschen, bitte?* Der Klang seiner Worte ist hart, viel- leicht auch nur spröde. Mein Name ist Maria Sinner, l�err Professor.* »Moria Sinner-- Maria Sinner-- warten Sie mal -- ach ja ja richtig. Kommen Sie.* Der Professor legt sein« charad aus des Mädchens Schulter. Nur ganz leicht. Und doch, Maria Sinner fühlt eine Zentnvlaft. Dann sitzen sie sich in dem kleinen Sprechzimmer gegenüber. Schweigend, eine ganze Weil«. Der Professor sieht dem Mädchen dabei prüfend in die Augen. Solche Minuten sind dem Gelehrten keine Seltenheiten. Sie kommen fast täglich vor in denen er Künder des Trdes fein muß. Diesmal aber wird es ihm doch schwer. Ueber sonnenhelle Jugend soll er schwarzes Tuch breiten. Fräulein Sinner.* Er kann den Satz nicht zu Ende bringen. Die Augen des Mädchens sind weit aufgerissen wie Tore: geöffnet, uni einen BacchaMenzug hindurchtanzen oder einen Katafalk vorüberweincn zu lassen. Mit einem Hieb auf die Stuhllehn« zerschlägt der Professor die androhende Gefühlswclle. Fräulein Sinner, Sie sind jung und werden darum stark unö brav fein. Berthold Werner ist nicht zu retten. Die Entzündung des Gehirns ist nicht mehr einzudämmen. Er wirb bei vollem Bewußtsein bleiben, ober-- machen Sie ihm die letzten Tag« so schön und froh, als es nur möglich ist." Abermols liegt seine Hand begütigend leicht auf des Mädchens Schütter. Aber Maria Sinner schleppt auf dem Heimweg« durch die abenddammerigen Straßen daran, wie an einem lastenden Blei- gewicht.Machen Sie ihm die letzten Tage so schön und froh, Äs es nur möglich ist.* Womit kann man Berthott» Werner die letzten Tag« seines Lebens schön und froh machen? Wirklich« und reine Freude empfindet Berthold nur in seiner Kunst. Einmal Geltung, nein, einmal nur Beachtung zu' erkängen.. Wer'feine Brider' sind immer-abseitig,-str» maller Regeln, sind immer�Tlrotz gegen hie Kunst gefetz«. Darum ist Berthold Werner auserwahtt, -Hunger, Rot. Entbehrung. Verzicht auszukosten Und er ist be- rufen, durch die dreißig Jahr« feines Lebens hindurch Tag um Tag am Boden durch den Staub zu kriechen. Nicht einmal hatte er fröhlich schreiten dürfen, nicht einmal hatte er sonnengläubig gelacht. Und doch war in seiner Seele der Funk« des Zislgloubens nie auszulöschen gewesen. Und nun, nun waren seine letzten Tage gekommen. Sein Leben endete mit einem Betrug«. Do» Schicksal betrog seinen Glauben, diesen unentwegten Glauben an sein« Kunst, diesen (Rauben, der aus Stöhnen geboren war. Maria Sinner liegt auf ihrem Bett. Die Augen bohren sich fiebernd in da» Dunkel der Nacht. Aber die Nacht ist unbarm- herziger, denn der Tag. Sie läßt nicht» erkennen, als ihre schwarzen Trauertüchcr.Machen Sie ihm die letzten Jage so schön und froh, als es nur irgend möglich ist-* Der Professor ist sicher«in guter Menschenkenner. Mit diesem Wort hatte er in ihr den aufwühlenden Schmerz gefesiett, den Schmerz der Trauer, der um dos weint, was man verliert. Der Ueberlebende beweint ja nur sich selbst und seinen Verlust. Maria Sinner denkt in dieser Nacht nicht daran, daß sie in wenigen Tagen den liebsten Menschen hergeben muß. sie denkt nur daran, wie sie Berthald Werner die letzten Tage in Gold zu tauchen vermöchte. Slber selbst für die bescheidenste Freud« fehlt-- das Geld. Seine-- letzten-- Tage---. Maria Sinner hämmert sich jedes der drei Worte mit schmie- denden Hieben ein. Nun stehen sie wie dampfhammergerammtc Eijenschienen in ihrer Seele. Seine-- letzten-- Tage--. Das heißt: zum letzton Mal. Nie wieder, nie. Das
Schaffen, Streben, Wünschen, Ersehnen des Berchold Werner wird für Zeit und Ewigkeit abgeschnitten, ausgelöscht, von einem Be- trüge zerlacht. Von einem Betrug! Daß man diesen Betrug nicht betrügen kann. Daß man diesen Betrug nicht betrügen kann! Ob ich meine Bücher verkaufe? Biel gibt's ja nicht dafür. Oder den tanzenden Faun, die kleine, schöne Brvnzesigur aus dem Erbteil meiner Mutter--- die silberne Base? Und dann? Dann kaufe ich ihm---. Was soll ich ihm taufen, für die paar Psennige! Sein« letzten Tag«! Ein ganges Leben ist dann unwkder- dringlich vorüber. Tausend Wünsche erholten nicht eine Er- süllung. Kann ich kein größeres Opfer bringen? Ein wahres Opfev? Wenn ich mein Klovier vertauf«? Mein Klavier! Dann verkaus« ich meine Seele, mein Herz, mich selbst. Nein, ich will morgen, sobald es Tag wird, noch einmal sein Bild nehmen, sein«Galathea" und damit von Kunsthändler zu Kunsthändler laufen, bis ich umsalle. Daß man diesen Betrug nicht betrügen kann--. Wie oft hat Berchold Werner schon versucht, das Bild zu ver- kaufen, wie oft! Und immer war er heimgekommen mit dem Ge- lächter, das ihm die Nichtverstehenden entgegen gelacht. Aber trotz Grinsen, Gelächter und Spott hatte Berchold Werner seineGa- lachea" immer für dos Pollkommenste geHallen, was er gematt. Einst würde das Bild ihm bestimmt das Tor der Anerkennung öffnen. Einst--- und nun? Betrug! Betrug! Machen Sie ihm die Tage so schön und froh, als es nur mög- lich ist" Maria Sinner befreit alle Gedanken aus den Fesseln des All­tages, des Gewöhnlichen. Die Größe des unerbittlichen Geschickes reißt olle Mauern ein, die eng, dumpf, ängstlich dos eigene Ich umgrenzen. Der liebst« Mensch, der ihr auf dieser Erde geworden, lebt seine letzten Tage. Seine-- letzten-- Tage--. Am Nachmittag des anderen Tages steht sie wieder im Kran» kenhaus vor dem Professor. Der freut sich, daß das Mädchen so tapfer sein Geschick trägt. Aber dann erschrickt er doch, als sie ihn fragt: »Herr Prosessor, darf ich Berthold Werner auch«ine ganz große Freude machen, eine ganz große?" Der Professor wägt als Arzt: es kann den Tod des Patienten beschleunigen, es k a n n. Darm wägt der Mensch: aber er würde durch Sanne schreiten zum dunklen Weg. Sein hartes Leben würde vielleicht in einem Lächeln verklingen. Teilen Sie ihm die Freud  «, die Sie für ihn haben, ruhig mit. tropfenweise." Maria Sinner nimmt den mächtigen Strauß Maiglöckchen und «in Paket 00m Stuhl und geht m da? Krankenzimmer. Aus dsm Weiß der Kissen glühen die dunklen Äugen bei ihrem- Emtreten groß auf und umfassen die Gestalt der Geliebten mit glücksroher Zärtlichkeit. Er ist bei vollem Bewußtfein und kennt die Schwer« seiner Krankheit nicht. Ein Gehirnschlag wird ihm ganz plötzlich das Leben entwinden, hatte der Professor gesagt. Das kann heute, morgen oder Übermargen fein. Ein unheimliches Frösteln durchscheuert da? Mädchen, ol» st« ihm nun die duftenden Blumen auf die Brust legt. Sa, al» wenn--. In seinem Gesicht aber steht«in fragendes Verwundern. Sie streicht ihm das Haar von der hohen Stirn«.Nicht bös« sein. Berthold. Ich hab's non deinem Geldc gekauft.* Von meinem Geld?* In fein schmerzhast Lachen schrillt die Ironie.Soviel hätt' ich einmal beieinander haben mögen, wie diese Blumen gekostet hoben, du sonnenblonder Per- schwender.* Maria Sinner greift nach dem mitgebrachten Paket und knüpft mit feierlicher Umständlichkeit den Bindfaden auf. Aus dem knisternden, schneeweißen Papier nimmt sie ein groß. formatiges Buch, das mehr einem Album gleicht, schlägt es aus und liest daraus mit pastoralor Betonung den Satz: In deinem Reich gibt es nur für dich als König einen Thron und einen Schemel dir zu Füßen trägt deine Freundin." Mario!" So alles drängenden Glückes voll fft fein Ruf, daß die anwesende Krankenschwester ihre Hand beruhigend aus seine Stirne legt. Aber seine hageren Finger greifen verlangend noch dem Buch. das zu besitzen fein ferner, ferner Traum gewesen: R. E. Müsch. lers Legenden,Die Hellandin*. Du-- Hei- landin!" Eines Mannes sinnenfroh«, seelen. keusche Lieb« durchströmt sein Wort.(Schluß folgt.)
3Url Stoboda;
Ich wickelte die Zigarren, die ich im Nachhausegehen aus dem Tabakladen geHoll hatte, aus der Papierhüll«, um mir eine der- selben alsogleich zu Gemüte zu führen. Da» Abendblatt   ist noch nicht da. Was tun? Mechanisch spiele ich mit dem zerknitterten, vor Aller schon längst gelb gewordenen Papierbtatt. das vor mir auf dsm Tisch liegt. Es scheint das inner« Blatt ein«» allen, auf Kanzleipapier geschriebenen Briefes zu fein, denn der Aniang ichtt. und die längst verblaßt« Tinte zeigt mann- liche Schriftzüge in der Schreibart, wie sie zur Zeit unfern Bäter üblich war. Die vielen überslüffigen Schnörkel an den großen Anfang»- buchstaben unterhatten mich: bald tanzen sie wie Schlongertleiber unter unglaublichen Berrenkungen hintereinander einher, bald stehen sie mit einer lächerlichen Wichtigkeit da, die dem Borstaiw eines Rauchsrllubs anläßlich eines Rückblickes auf die Errungenschaften des verflossenen Klubjahres alle Ehre, machen würden. Ich beneide die Däter mn ihren Reichtum an Zeit, der ihnen sogar gestattete, vor jedem großen Buchstaben mit der Feder«in Rundtänzchen aufzuführen. Und ohne mir dieser TättKkest bewußt zu werden, lese ich: .... der du von gelegentlichen Ausbrüchen meines Herzleides her weißt, wie die Sache sich vechiell, kannst dir am besten aus- malen, wie fürchterlich weh mir diese unzähligen gesprochenen und geschriebenen Wort« de» Trost«, tun, die dach all« nur die banale
Zeitungsnachrichtin einem Anfalle von Geistesstörung  * variieren, und wollen, daß ich darin Linderung finde. Mein gescheites, liebes, armes Frauchen geistesgestört! Dieser sich hundertmal schon wiederholend« Unsinn verletzt mich derart, daß ich die«inlangenden Beileidsschreiben nun schon un- eröffnet siegen laste. Wo» wir drei, sie, ich und er, in den letzten Monaten gelitten haben, ist namenlos. Er kam wie früher iirtner zweimal wöchent­lich zu uns und würde wohl auch heut« mit uns in trautem Kreise um den Kamin sitzen, Pläne schmieden, Lustschlösser bauend oder von glelchgülligen Dingen plaudernd, während sie Ihre zart« Hand in die meme gelegt hat, still lächelnd seinen warmen Bariton auf sich wirken läßt und in die knisternd« Glut hineinträumt. Aber ich gönnt« ihnen dieses hauchzarte Glück stummen Bei­sammenseins nicht. Ich Tier griff mit meinen Arboitsfäustsn in dieses Gewebe kaum sichtbarer Fäden, die sich von Seele zu Seele gesponnen hatten. In einem Anfall tierischen Eiferns überredet« ich ihn. seine Studienreis«, von der er oft sprach, endlich anzutreten. Er hat mich damals sofort durchschaut und eingewilligt. Di« vier Wochen, die nun lolgten, ihr« letzten, während er seine Reis« vorbereitet«, haben mein Leben für immer vergiftet. Ich mußt« sahen, wie das. was bisher unter dicker Aschenschicht ge- glommen hatte und sie beide und mich erwärmte, von dem Be« wußtsein der bevorstehenden Trennung angeblasen, von Tag zu
Tag mächtiger wurde, bis es schließlich zu wilder verzehrender Leidenschaft aufloderte. Ihr« zitternde Hand, die sich, wenn er von seiner Reise sprach, krampfhaft in die meine verkrallte, als wpllrc sie sich in ihrer Haltlosigkeit und Verzweiflung an mich klammern, sagte mir, daß sie schaudernd es empfand, wie rettungslos sie immer tiefer und tiefer in den Abgrund einer Leidenschast versinke, daß chr Widerstand von Tag zu Tag an Kraft verlier«. Und sie hing in diesen Tagen mit einer Liebe an mir, so mächtig und grenzen- los, wie sie nur das Schöpsungswunder Weib zu entwickeln im- stände ist. Oh, begeh« keine Tempelschändung, indem du auch mir einen Augenblick an Heuchelei denkst! Die Peitsch« des peinigenden Bewußtsein», daß mir heimlich Unrecht zugefügt werde, zwang das avme Weib, ein Maß von Innigkeit für mich auszubringen, das nur dieser Wunderbrannen der Liebe sich selbst erschäpseich herzu- geben vermag. Sie hat uns beide mit aller Innigkeit geliebt. Das Werk der Vernichtung, das ich Unglücklicher begonnen hatte, war längst über meinen Verstand hinausgewachsen. Ich er-, fand die dümmsten Gründe, die ihn von seiner Reis« abhatten sollten. Sie kamen schon viel zu spät. Auch er sühlt« sich dem fürchterlichen Brand nicht mehr gewachsen, der sich zwüchen den beiden angesacht hatte. Nun sah er in seiner Reise schon den letzten Ausweg, sich und uns aus dem verheerenden Zyklon ausgepeitschter s Leidenschaften zu erretten. So kam endlich der schwere Tag heran. Um fünf Uhr sollte er uns seinen Abschiedsbesuch abstatten. Sie hatte den ganzen Tag daheim verbracht, unfähig etwas zu sagen, anscheinend auch un- fähig etwas zu denken. Ich hatte mich auswärts zu schaffen ge- macht, um ihr die Qual eines Gespräches zu ersparen. Es war schon gegen süns, als ich ins Zimmer trat. Ich fand sie sonder- barerwcis« noch in ihrer Haustoilette: sie hatte nicht wie sonst ein anderes Kleid angezogen. Hatte sie es nur vergesten oder.... ich weih es nicht. Sie schien mein Eintreten gar nicht bemerkt zu haben. Wie ich nun aber dastand, durchschau erte mich plötzlich das Gefühl, daß ich hier vollkommen üderslüssig sei.,., daß ich setzt nicht hierher gehöre..., daß ich hier in einem fremden Tempel stünde, wo fremde Andöchtisie in fremden Sprachen zu einer frem- den Gottheii zu beten Im Begriffe wären. Fort von hier! schrie es in mir. Und ich stammelte etwas von einem dringenden Gange, den ich noch hätte, und daß ich ihn am' Dahnhof noch treffen und Ihm gort Lebewohl sagen wollte. Und ging.> Sie kam mir ins Borzimmer nach. 1 .-Du läßt mich allein?* sagte sie, und ein« ungeheure Seelen- angst zitterte aus ihren Augen."< Ich muß. mein Kind," antwortete ich und zag die Tür hinter mir zu. Durch das offenstehend« Guckloch sah ich sie noch einmal. Die Arme schlaff hängen lastend, lehnt« sie an dem Türstock und starrte regungslos vor sich hin. Einige Zlugenblicke später dürste er geklingelt haben. Mit den wenigen Worten, die mit ihm zu sprechen ich noch Gelegenhit hatte. berichtete er mir, daß er durch das Guckloch beobachten konnte, wie sie bis in die Nähe der Tür kam, dann ober plötzlich stehenblieb. kurz überlegt« und dann, statt zur Tür, zum Fenster trat, Jjj» in den gähnenden Abgrund des Lichthofes schaut." Sie wollt« ihm nicht als reff« Frucht in die Arme sinken. Er war nicht da, als wlr sie begruben. Gestern trug ich chr «inen Strauß irischer Blumen hinaus. Als ich an den Hügel trat. lag schon ein Strauß da. Genau an der Stell«, unter der ihr Herz sich min ausfchweigt. Ich legte meinen Strauß doneben.... * Fünf Minuten später war ich wieder im Tabakladen und durch- stöberte fünf Kilogramm vergilbte Papier« und Zeitungen, die die Eigentümerin des Ladens vor«inigen Wochen aus dem Nachlast« eines alten, in Einsamkeit gestorbenen Hagestolzes gekauft hatte. Aber ich konnte den Ansang unö das Ende nicht finden /u der kleinen Tragödie, die schon Makulatur geworden war
ffiluiende Pflansen Alljährlich im Frühling kann man an den Weinreben eine merk- würdige Erscheinung beobachten: das Weinen, wie es der Winzer nennt, weil es fast so aussieht, als ob der Weinfwck Tränen oer- gäste. Diese Tränen stich jedoch nichts anderes als die an den irischen Berfchnittstellen austretenden Säfte des Rebstocks, und wenn sie allzu stark fliehen, bedeuten sie- einen schweren Schaden für die Pflanze. Auch an zahlreichen anderen Gewächsen treten im Früh- fahr urch Frühsommer Säfte aus, weil gerade um diese Zeit die Wurzeln besonders viel Master aus dem Boden saugen und diese Wassermengen automatisch durch alle Teil« der Pflanze hindurch- treiben. Aus manchen Bäumen, wie z. B. aus Birk« urch Warn, fließen währeich dieser Zeit, namentlich dann, wenn man Löcher in den Stamm bohrt, oft ganz gewaltige Saftmengen. bi? 70 Liter, aus. Die Flüssigkeit, die man hierbei«rhäll, ist nach den jüngsten Unter­suchungen Lepeskins niemals reines Master, sondern enchält stets organische oder anorganisch« Beimischungen, wie Zucker, Mineral- salze, Eiweißkörper oder auch Säuren. Di« Druckkraft, mit der die Säst« dieser Pflanzen aus den Wurzeln nach außen getrieben wer- den. ist mitunter so ansehnlich, daß. als man einmal die Wuichstelle einer frisch verschnittenen Weinrebe mit einer festen Blase verschloß. dies« zum Platzen gebrocht wurde. Bei Warn und Birke kann der Wurzeldruck eine Kraft von 1 bis 1Z-S Atmosphären erreichen, wo? einem Druck entspricht, den 1 bis Kilogramm auf 1 Quadrat- Zentimeter ausüben. Die Dauer des Blutens fft bei den einzelnen Gewächsen ganz verschieden: Bäum« bluten oft ein bis zwei Monate lang, während bei den trautarttgen Gewächsen, wie etwa bei der lleinen Brennestel oder dem schwarzen Nachtschatten, die beide typischeBluter" sind, die Saftabsonderung in der Regel nur einig« Tage dauert. Eine Shtlliche Erscheinung, die ebenfalls dadurch hervorgerufen wird, daß von der Pflanze aufgenommene Wasterrnengen wieder abgegeben werden, stellt die sogenanntenTropfen" der Blätter dar. Dieses Tropfen, wobei die Wasterttopfen aus den Biatträndsrn oder -spitzen austreten, kommt hauptsächlich hei Pflanzen vor, die'n stark wasserdampfgesättigter Lust wachsen. So beobachtete man an einer Kolotasie(Coloeasiz antiqnonitn), der in den Tropen wegen ihrer eßbaren und alsTora  " bezeichneten Knollen sehr viel angebauten Nutzpflanze, daß die Blätter im Laufe einer Minute mehr als hundert Tropfen abgaben. Auch die Blätter der Primeln, Erb- beeren, der Kapuzinerkreste und der Fuchsien geben, wenn die Luit stark feuchtigkeitsgesöttigt ist, überschüssiges Master in Tropfenform ab, und zwar fast immer am Morgen, weshalb man die an den Blottspitzen oder den gezähnten Blattränder« sitzenden Tropfen oft für Tmttrapfen hält.