Beilage
Dienstag, 7. Mai 1929
Es gibt mancherlei Ursachen der Keimentartung, aber die alkoholische Blastophtorie schlägt sie alle. Nicht die Lues, ja nicht einmal die Tuberkulose( die beide großenteils auf dem Boden der erblichen Rauschvergiftung erwachsen) schädigt das menschliche Erbgut so wie der Alkohol. So sind denn auch neben den förperlichen die seelischen Leiden des Belasteten zahllos. Von der verhältnismäßig einfachen Neurasthenie und Hyperästhesie( Ueberempfindlich feit) ausgehend, sind Hysterie, Epilepsie, Hebephrenie( Jugendirre Jein), Baranica und Paralyse die Stationen des Calvarienberges selch alkoholentsprossener Menschen. Und zwar gären und schwelen diese Krankheiten von Kindesbeinen auf in ihnen. Ihr Lebensumkreis, die Mittel, die zu ihrer Erzichung und Aufzucht verwandt werden, bestimmen den mehr oder minder schmerzlichen Beg ihrer Entwidlung. Das traurigste ist, daß solche Seelen- und Geistesfrankheiten meift erft er tannt werden, wenn es schon zu spät ist. Die Alkoholepilepfie z. B. äußert sich temporär ganz sporadisch. Ihr klinisches Bild zeigt oft lange Zeit äußerlich nur einen launenhaften, nervösen, von wechselnden Stimmungen zer quälten Menschen. Man spricht da von einer Kryptoregialepfie. Evidente Anfälle, die sich in Krämpfen, Fallsucht, Besinnungalofig feit oder Ohnmachten manifestieren, treten manchmal gar nicht oder sehr selten auf; aber andere, viel furchtbarere Erscheinungen, die ich an einigen Beispielen illustrieren will, tommen zutage.
Der Fall des Schupowachtmeisters Gerth ist noch in aller Erinnerung. Dieser Beamte hatte ohne jeben wirklichen Anlaß in einer Nacht zwei Frauen auf eine bestialische Weise ge= tötet und mißbraucht. Bei ihm. ließen sich durch eine Anstaltsbeobachtung und durch Feststellungen in seinem Familienleben epileptische Anfälle recht schwerer Form im Zusammenhang mit Alkoholmißbrauch nachweisen. Es war bezeichnend, wie schon geringe Mengen des Rauschgiftes bei ihm ausreichend waren, so furchtbare Exaltationen auszulösen, wie sie dieses Verbrechen bedingte. Die Sachverständigen erflärten, daß hier die langsame Auswir fung einer chronisch fich entwidelten Geistestrantheit in Frage tomme.
Außerordentlich interffant waren die Experimente, die der Direktor der Irrenanstalt Dalldorf Dr. Brach mit Gerth angestellt hatte. Diesem Gelehrten war es gelungen, bei dem Angeklagten unter dem Einfluß von Altohol einen vollkommenen Däm merzustand zu produzieren. Gerth wurde freigesprochen und einer Irrenanstalt überwiesen.
Aber von ebenso hohem Intereffe war die hier zum erstenmal von Psychiatern getroffene Feststellung, daß die Amnefie( voll fommener Gedächtnisverlust) feineswegs notwendig fei, um einen epileptischen Dämmerzustand nachzuweisen, daß vielmehr die Annamnese( Wiederaufleben des Gedächtnisses) häufige schon bald nach der Tat einsetze und die Erinnerung an das Verbrechen, melches ohne die Kontrolle des Bewußtseins geschehen fei, wieder heraufbringt.
Der zweite Sachverständige im Gerth- Prozeß war der Drdi.
arius für Psychiatrie an der Universität Greifswald Professor Forster. Er wie sein Kollege hatten es nicht leicht, die Richter von dem noch so wenig bekannten Vorgang des Dämmerzustandes beim Angeklagten zu überzeugen. Professor Forster brachte nun zur Illustration solcher Vorgänge einen Fall zur Sprache, der nicht zur gerichtlichen Auseinandersehung gefommen war. Ein höherer Bost beamter wählte bei seinem abendlichen Spaziergang einen Weg über eine weite Feldmart, in deren Mitte sich eine große und tiefe Kiesgrube befand. Jedesmal, wenn er eine bestimmte Stelle bei dieser Grube passierte, wurde er von einer unerträglichen und unerklärlichen Traurigkeit befallen und ganz allmählich hob sich das Gedächtnis an eine furchtbare Tat aus seiner Seelentiefe. Er fand jetzt auch die Stelle, an der er das Mädchen vergraben, das er hier vor längerer Zeit überfallen und erwürgt hatte.
Bor Jahren brachte eine medizinische Fachzeitschrift folgenden Fall: In einer Schöffengerichtssigung erhob sich plötzlich der Richter, der vorher geiftesabwesend vor sich hingestarrt hatte, ging zur Beugenbank hinüber, streichelte einer jungen und bübschen Zeugin die Wange und schritt dann zur Wand, wo er seine Kleidung öffnete, um ein Bedürfnis zu befriedigen. Nun stürzte der Amtsanwalt dem Richter nach, der jetzt zitternd aus seinem Dämmer aufzuwachen schien, und führte den Kranten in das Beratungs zimmer.
Auf eine meiner Arbeiten, die sich mit demselben Gegenstand beschäftigte, bekam ich von einem höheren Beamten einen Brief, den ich als leßtes Beispiel auszugsweise wiedergeben will: „ Gegen Ende des vorigen Jahrhunderts starb in der Regie. rungshauptstadt der preußischen Provinz, zu der mein damaliger Wohnort gehörte, eine angesehene Persönlichkeit, deren Beiseßung ich beizuwohnen hatte. Ich fuhr zu diesem Zwecke mit der Eisenbahn dorthin; an einer Unterwegsstation gesellte sich zu mir ein mir nahestehender Herr, deffen Namen ich mit Busch bezeichnen möchte. Da an jenem Tage eine gewaltige Hige herrschte, ließ Busch seinen Sommerüberzieher im Trauerhaus, wo er noch vorgesprochen hatte, zurück. Nach der Rückkehr vom Friedhofe fanden wir uns mit einer größeren 3ahl der übrigen Leidtragenden in einem Restaurant zusammen. Dort mag wohl jeder von uns in Anbetracht des heißen Wetters zwei bis drei Glas von dem damals sehr träftigen Kulmbacher Bier getrunken haben. Gegen Abend begab ich mich mit Herrn Busch nach dem Bahnhof, wobei dieser unterwegs seinen Ueberzieher aus dem Trauerhause abholte. Ein uns beiden bekannter Herr, welcher Talmann heißen möge, begleitete uns auf dem ganzen Wege. Herr Talmann bemühte sich sehr um Herrn Busch, was mir auffiel. Nachdem Herr Talmann sich am Bahnabteil von uns verabschiedet hatte. wollte Herr Busch sich ausschütten vor Lachen. Er sagte mir unter anderem„ Der gute Talmann bewirbt sich um meine Schwägerin, aber die hält ihn ja nur zum Narren. Nun ließ er sich in aller Ausführlichkeit und in hämischer Art darüber aus. Wir mochten etwa eine halbe Stunde in der Eisenbahn gefahren sein, als Busch plöglich still wurde und suchend und befrembet seinen Ueberzieher, den er angezogen hatte, genau besah. Dann fragte mich Busch: Wo tommt denn mein leberzieher her?" Als ich ihm antwortete, den habe er ja doch im Trauerhause wieder abgeholt, mußte er von allen Borgängen seit dem Berlaffen des Restaurants nichts mehr. Er wollte jetzt durchaus von mir erfahren, was er mir seit der Trennung von Talmann Besonderes" erzählt habe. Er hatte sicher keine Ahnung von dem Gegenstande unferer soeben beendeten Unterhaltung. Dabet machte Busch nicht im geringsten den Eindrud eines Betrunkenen."
Der Abend
Shadausgabe des Vorwans
Apothekenreform- eine Notwendigkeit
Ein Ueberbleibsel aus dem Mittelalter
eine Reichsreform des Apothekenwesens führen soll. Er sowohl wie der zweite Referent, Rechtsanwalt Dr. Hamburger, ein be fannter Spezialist auf dem Gebiet des Apothekenrechts, tamen zu der Ansicht, daß sich eine Reform ohne besondere wirtschaftliche Er schütterung auf dem Weg eines beschränkten Niederlassungsrechtes durchführen läßt.
Unserer Ansicht nach ist es nicht wesentlich, ob die Reichsreform den Weg einer beschränkten Niederlassungsfreiheit oder den einer Reform des Konzeffionssystems geht. Die Hauptsache bleibt, daß die öffentlichen Gesundheitsintereffen überall gewahrt und die jeßigen Mißstände beseitigt werden.
Die bestehende Verfassung des Apothekerwesens| Rechtslage auseinanderzusetzen und die Ziele flarzulegen, zu denen ist, wie man im Handwörterbuch der Staatswissenschaften nachlesen fann, noch fast unverändert die, wie sie das Mittelalter auf Grund von Privilegien, Arzneipragen und Dispensatorien festgestellt hat. Sie geht auf mittelalterliche Zunftbegriffe zurück und fußt auf Brivilegien und Konzeffionen, die zu einer Zeit erteilt wurden, als der moderne Staat und die moderne Berwaltung noch nicht bestanden. Infolge des Konzessionszwanges, der die Berufsfreiheit ausschließt, haben die Apothekerangestellten vor Erreichung des 50. Lebensjahres feine Aussicht, selbständig zu werden. Das führt neben allen anderen Ungeheuerlichkeiten zu einer Ueberalte rung im Apothekerberuf, die, abgesehen von ihrer sozialen Un gerechtigkeit, in einem Beruf zu einer Gefahr werden muß, der bei, dem steten Fortschritt der medizinischen Wissenschaft und dem steten Wechsel in der Medikamentenpraris an die Spanntraft, Anpassungs und Aufnahmefähigkeit die höchsten Ansprüche stellt. Die volls gesundheitliche Fürsorge muß bei diesen Zuständen ernstlich leiden. Apothekenbesitzer, Angestellte und Staatsbehörden sind sich dar über einig, daß eine Reform fommen muß. Seit hundert Jahren wird nun schon um diese Reform gestritten, werden Borschläge ausgearbeitet, ohne daß man dem Ziel beträchtlich näher gekommen wäre. Die verbissenen Gegner der Reform trösten sich getommen wäre. Die verbissenen Gegner der Reform trösten sich damit( wir hörten diese Worte vor einigen Tagen), daß ,,, wenn die Reform schon hundert Jahre auf sich warten ließ, fie ruhig noch weiter Jahrzehnte auf sich warten lassen fann". Mit einem Argu- ventionalstrafe bedrohen. ment von einer derartigen Oberflächlichkeit verlohnt es sich nicht auseinanderzusetzen.
Die Reichsreform des Apothekenwesens muß schon des halb tommen, weil andernfalls die Länder die Reform von sich aus durchführen würden. Das geht aus Erklärungen der Regie rungen in Preußen, Bayern und Sachsen deutlich hervor. Diese landesrechtlichen Sonderreformen würden natürlich eine 3ersplitterung auf dem Gebiete des Apothekenwesens zur Folge haben, die für die Bolksgesundheit durchaus unerträglich wäre.
In der Frage der Reichsreform stehen sich zwei Ansichten gegenüber: die eine möchte von dem bestehenden Ronzessions. system ausgehend die Konzeffionierung den modernen An iprüchen anpassen, während die andere unter Ausschaltung fprüchen anpassen, während die andere unter Ausschaltung des Konzessionswesens den Grundsatz der Niederlassungsdes Konzessionswesens den Grundsaz der Niederlassungs freiheit bzw. des beschränkten Niederlassungsrechtes verficht. Diese zweite Ansicht wurde auch auf einer Bersammlung vertreten, Diese zweite Ansicht wurde auch auf einer Bersammlung vertreten, die kürzlich von der„ Gesellschaft für öffentliche Gesundheitspflege" einberufen und von Apothefern, Aerzten, Parlamentariern und Beamten gut besucht war. Als erster Referent bemühte sich Medi3inalrat Dr. Luftig vom Berliner Polizeipräsidium, die verwickelte
Dieser Vorgang hat das Besondere, daß er in feiner Weise friminell war und damit aus dem Streit der Meinungen über die friminalistische Wertung derartiger Zustände herausgerückt ist. Er wird dem Nachdenklichen mehr als alles andere die Frage entgegen stellen, ob man danach noch die Trunkenheit und ihre Unstellen, ob man danach noch die Trunkenheit und ihre Unfachen mit einem einfachen Gefeßesparagraphen er. ledigen kann.
Moral und Homosexualität
Von Wilhelm Kauffmann.
Auch wir sind der Ansicht, daß die strafrechtliche Behandlung bes Homofeguellenproblems einer Abänderung bedarf, veröffentlichen diesen Beitrag aber, ohne uns im einzelnen mit ihm zu identifizieren.
Was ist Moral? Die Moral soll dem gefunden Empfinden des Boltes entsprechen, wobei unter Volksempfinden oft die Ansicht eines einzelnen oder einiger Personen zum Ausdruck kommt, die es ver. ftanden haben, ihre Meinung am lautesten zu verkünden und schließlich zur Geltung zu bringen. Dieses angebliche Empfinden des Volkes ist eigenartigerweise bei den einzelnen Bölfern staatenmäßig genommen in vielen Fällen verschieden. Ja, es ist sogar bei jedem Bolke dem Wechsel, man möchte fast sagen, der Mode unterworfen. Daran stößt sich aber fein Moralist. Heute wird wohl taum noch jemand den Bubikopf zum Beispiel als unmoralisch bezeichnen, trotzdem die Zeit nicht so fern liegt, in der man einen Bubitopf, damals oft Titustopf genannt, vielfach per vers fand.
Nur wenn ein Einzelwesen sein von dem paragraphenmäßig fanttionierten Empfinden abweichendes Empfinden herausstellt, dann tritt der moralische Entrüstungsschrei zutage, dann wird ge gebenenfalls Polizei und Staatsanwalt als Retter der verletzten Moral angerufen. Man verwehrt also dem Einzelmenschen das Leben nach seinem seelisch- förperlichen Empfinden( feiner Moral), man systematisiert und schematisiert ihn, troßdem befannt ist, daß jeder Mensch als Individuum verschieden geartet ist, wenn man viele Einzelmenschen auch einem Typus zuzählen kann.
Dieses Richtanerkennen des feelisch- törperlichen Empfindens des Einzelmenfchen wäre tragbar, wenn zwischen Menschengesetz und Naturgesez fein Widerspruch bestehen würde. Dann könnte und müßte vielleicht ein Einzelwesen mit anderer seelisch- körperlicher Einstellung als pathologisch( frankhaft) behandelt werden.
Nicht tragbar aber ist das nichtanerkennen des feelisch- körper lichen Empfindens des Einzelwesens, wenn das Menschengesetz mit dem Naturgesetz in Widerspruch steht, wenn damit dem natürlichen Empfinden des einzelnen moralischer- und staatlicherseits der Stempel der Widernatürlichkeit aufgedrückt wird.
Das ist auch in unserem neuen Deutschland zum Beispiel leider noch immer bei der moralischen und strafrechtlichen Einstellung gegenüber den Homosexuellen der Fall.
Leider werden die Errungenschaften langjährigen Forschens und erafter Wissenschaft aus Gründen der Moral oder Trottelei auch heute noch start befämpft, trotzdem die Wissenschaft gerade für die Beurteilung der Homosexualität feinen Indizienbeweis, sondern einen nackten Tatbestand geliefert hat. Dr. Magnus Hirsch feld sagt in seiner Geschlechtskunde:„ Wer beiden Geschlechtern entstammt, enthält beide Geschlechter vereint." Wenn man als Normaltyp den absoluten Mann und das absolute Weib bezeichnet,
Für die geplante Reform ist neben dem gewerblichen und sozialen Gesichtspunkt die Frage der Regelung des Verkehrs mit Arzneimitteln und arzneilichen Spezialitäten in den Vordergrund zu stellen. Der Ueberflutung und schwazhaften An preisung von Spezialitäten, von denen der allergrößte Teil volltommen entbehrlich ist und die in einer den wahren Bert übersteigenden Weise angepriesen werden, muß im Interesse der Boltsgesundheit Einhalt geboten werden. Desgleichen wird es zwed mäßig sein, im Voltsinteresse mit der Preispolitit zumeist fartellartig gebundener Arzneimittelfabrikanten zu brechen, die diejenigen, welche die sogenannten Markenartikel unter dem vom Verband festgesetten Preis in Berfehr bringen wollen, mit hoher Kon
Bei dieser Neugestaltung wird auch das Interesse der Krantentassen und ihr Eintreten für gute, billige und rasche Arzneipersorgung ihrer Versicherten Berücksichtigung finden müssen. Dabei wird zu prüfen sein, ob es zweckmäßig ist, besondere Kranten. taffemapotheken zu gestatten, oder ob und inwieweit das bisherige System der vertraglichen Bereinbarungen zwischen Krankenkassen und Apothefen sich bewährt hat, oder ob im Interesse einer für das Reichsgebiet einheitlichen Regelung die Beziehun gen zwischen Krankenkassen und Apothekerschaft, wofür vieles spricht, in dem neuen Reichsapotheken- und Reichsarzneimittelgesetz reichsgefeßlich zu regeln sind.
Sollte es nicht zweckmäßig erscheinen, vor einer endgültigen Sozialisierung fämtlicher Heilberufe den Apothekenberuf allein zu verstaatlichen, so wird man zum mindesten mit der gegenwärtigen überfapitalistischen, uneinheitlichen Form, in der das Apotheken. gewerbe betrieben wird, brechen müssen. Wenn ein besonders scharf macherisches Presseerzeugnis der Apothekenbefizer unterstellt, die Apothefenreform sei eine Parteifache der Sozialdemo tratie, so zeigt das lediglich, daß gerade die Sozialdemokratie für die Interessen der Gesamtbevölkerung eintritt. Gegen eine solche Parteipolitit" dürfte wenig einzuwenden fein.
Medicus.
Dont
die natürlich auch etwas wenn vielleicht taum merkbar anderen Geschlecht an sich haben, so gibt es im Gegensatz hierzu Mischformen, die als intersexuelle Barianten bezeichnet werden, also als zwischengeschlechtliche Abweichungen oder Abstufungen der als Normaltyp bezeichneten Form, die als solche nicht frankhaft sind.
Bei Homosexuellen ist nun unter Beobachtung und Untersuchung der Geschlechtsorgane, der sonstigen förperlichen Eigenschaften, des Geschlechtstriebes und der sonstigen seelischen Eigens schaften wissenschaftlich eine tief innerlich tonstitutio. nelle Anlage festgestellt, die bereits bei der Geburt mitgegeben ist und damit eine geschlechtliche Gebundenheit verleiht, der sich der von ihr Befallene nicht entziehen kann. Die Zuneigung eines Homosexuellen zu dem gleichen Geschlecht ist also angeboren und nicht etwa eine durch Berführung erworbene Neigung.
Damit fehlt bei Homosexuellen die wesentlichste Voraussetzung der Strafbarteit, die Schuld. Denn bei einer angeborenen Anlage fann von einer Schuld oder einem auf Widerrechtlichkeit gerichteten Willen nicht die Rede sein.
Um die Aufhebung des§ 175 des Reichsstrafgeset buches haben sich außer Dr. Magnus Hirschfeld , dem Leiter des Jn. stituts für Segualwissenschaft in Berlin , namhafte Männer mie Birchow, Laband, von Krafft- Ebing , Wildenbruch und Gerhart Hauptmann bemüht. Ein Erfolg ist bisher leider nicht erzielt. Das Schreckgespenst, das von den Moraliſten immer wieder ins Treffen geführt wird, die entsittlichenden Folgen bei Aufhebung bes§ 175, ist zu groß. Und dabei haben sich diese entfitlichenden Folgen bisher in keinem Lande, in dem unser§ 175 nicht besteht,
oder aufgehoben worden ist, gezeigt.
Wie sollte das auch geschehen? Eine angeborene Anlage wird nicht beseitigt, wenn strafdrohend ein Paragraph bei der Geburt Bate steht. Und sicherlich wird auch nicht ein einziger Homoferueller mehr in Deutschland geboren werden, wenn§ 175 fällt. Angeborene Anlagen werden durch Paragraphen weder beseitigt, noch hervor. gerufen.
Tausende Menschen und es sind nicht die schlechtesten müssen seelisch, strafrechtlich und gesellschaftlich darunter leiden, daß die sogenannte Moral sich hier in schroffstem Gegensatz zu den Ge setzen der Natur stellt und die Auswirkungen einer natürlichen angeborenen Anlage als widernatürlich bezeichnet, während gerade die Naturwissenschaft auf Grund ihrer Forschungen diese moralische Auffaffung als widernatürlich bezeichnen muß.
Hoffen wir, daß die Wissenschaft im Kampfe gegen diese Moral ( lies Muckertum) bei dem in Arbeit befindlichen neuen Reichsstraf. gesetzbuch auch in der Beurteilung der Homosexualität den Sieg gesetzbuch auch in der Beurteilung der Homosexualität den Sieg davontragen wird.
Die neue Schädeldecke.
Wie die Chikagoer Sonntagspoft aus Toronto meldete, ift es dort einigen Aerzten gelungen, einem Patienten eine neue Schädeldecke aus Batelit einzusetzen.( Bakelit ist ein Kunstharz aus Phenol mit Formaldehyd.) Der Patient hatte sich bei einem Unfall die Schädeldede zertrümmert, und der an der Unfallstelle erscheinende Arzt hielt ihn zunächst für tot. Die neue Schädeldecke wurde von den Aerzten mit Haut überzogen. Sie ist gut eingewachsen und der Tot. geglaubte fann heute seinem Berufe wieder ohne Beschwerden nach gehen.