Kort mit der Arbeitslosenversicherung.
»Arbeitslosigkeit muß man sich leisten können. Für Leute, die stempeln gehn müssen, ist das eben nichts!" - Ausbau der Angestellienversicherung. Wichtige Beratungen des Verwaltungsrats.
Die«ozioldemokrajische Reichstagsfraktion hatte vor einigen MoNaten durch den Antrag Nr. 103 einen Gesegentwurs eingebracht, der eingehende Vorschläge für den weiteren Ausbau der An. gestelltcnversicherung enthielt. Durch das Gesetz vom 7. März fanden zwei Vorschläge bereits ihre Verwirklichung. Es wurde die Wartezeit für den Anspruch aus Rente erheblich verkürzt und den älteren arbeitslosen Angestellten, die das 60. Lebensjahr vollendet hoben, der Anspruch auf RuhegeP gc- geben. Gleichzeitig beschloß der Reichstag, die Reichsregierung zu ersuchen, baldigst dem Reichstag einen Gesetzentwurf über die Reform der Angestolltenversicherung vorzulegen. Der Verwaltnngsrat der Reichsverstcherungsanstolt für Ange, stellt« war für Mittwoch, den 8. Mai, zusammenberufen worden, um zu diesen Fragen Stellung zu nehmen. Bei diesen Beratungen spielten die sozialdemokratischen Forderungen für den Ausbau der Angestelltonversicherung eine wichtig« Rollen Inzwischen war auch die Berichtigung der verslcherungstechnischen Bilanz fertiggestellt worden. Diese Berichtigung hatte sich als notwendig erwiesen, weil bereit, nach Fertigstellimg der letzten Versicherung»- technischen Bilanz sich herauestelll«. daß die angenommenen mothe- matischen Wahrscheinlichkeiten durch die totsächlich einge. treten« Entwicklung überholt waren. Dieses Schicksal teilt« die versicherungstechnisch« Bilanz mit ihrer Vorgängerin, die zwei Jahr« zuvor ausgestellt war. Wer da glaubt, daß dadurch di« Dersicherungsmathematiker der Reichsoersicherungsanstalt empfänglicher für die Wirklichkeit ge- worden wären, wird durch die Berichtigung der letzten VUanz gründlich vom Gegenteil überzeugt. Sic haben wirtlich nichts hinzugelernt. Ihre Prophotengabe wird genügend yekonn- zeichnet durch die Tatsache, daß sie bei einem Reichsbairtdiskont von IM Proz. für die Verzinsung des Vermögens der Reichsocrsiche- rungsanstatt einen Zinssatz von 6M Proz. für dieses Jahr ihren Verechmingen zugrunde gelegt haben, daß sie für 19S2 mit einem Zinssatz von 5 Proz. rechnen und für t«» Jahr 1052 eine Ver. zinsung von i Proz. zugrunde legt. Aber selbst bei diesen Berech. »iingcn wächst das Permögen der- Reichsversicherungeanstalt bis zum Jahre 1037 auf rund 6 Milliarden Mark. Dieses Vermögen ist. wenn e« nach den Verficherungsmachematikern geht. im Jahre 1980 aufgezehrt. Grund genug für dies« Rechenkünstler, keiner Erhöhung der Rente zuzustimmen! Die Mehrheit der Vertreter der Angestellten hat sich jedoch van diesen Rechenkünstlern nicht ins Doxhorn jagen lassen. Nach ein. gehenden Beratungen sprach sich der Verwallungsrat in folgenden Fragen einstimmig für«ine Reform der Angestellten» Versicherung ans: Die Witwenrente soll auch den schuldlos geschiedenen Ehefrauen zustehen. Es soll eine Eltern. r e n t««ingeführt werden, wenn der Versicherte den Unterhalt der Ellern wesentlich aus seinem-Arbellsverdionst bestritten hat. Die Waisenrente soll bis zum vollendeten 18. Lebensjahr gewährt Verden . Bei freiwilliger Weiterversicherung sollen zur Ausrechterhattung der Anwartschaft jährlich sechs Bei» träge notwendig sein. Zlußerdem sollen bestimmt« Personenkreis« bei vorübergehender Dienstleistung versicherungsfrei bleiben. Dagegen kam in der entscheidenden Frag«, die Rentenleistungen durch Erhöhung der Steigerun gsbeitrSge zu verbessern, kein einstimmiger Vorschlag zustande. Die Vertreter der Arbeit- gsb« lehnteu eine solche Erhöhung ab: die Vertreter der Angestellten sprachen sich mit 7 gegen 4 Stimmen für«in« Erhöhung au» Diese Abstimmung ist insofern von größter Bedeutung, weil in
dieser wichtigsten Frage die Mehrheit der Vertreter des söge» nannten Hauptausschusses, der bisher eine Einheitssront gegen die freien Angestelltenverbände bildete, mit den beiden Per» tretern des AfA- Bundes stimmte. Damit hat die Mehr- hell des ,/)auptausschusses" die Haltung ihrer Führer Thiel und Lambach und nicht zuletzt di» Haltung der beiden Rechtsparteien. Bolkspartei und Deutfchnatlonale. denen sta angehören, auf das schärfste verurteilt. Es ist nunmehr notwendig, daß der Reichs- tag bald Gelegenheit bekommt, zur Reform der Angestelltenocr- sicherung Stellung zu nehmen.
Reichsanstalt und Mißbräuche. Ein Erlaß des Präsidenten. Di« Reichs an st alt� für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung teilt mit: „Der Vorstand der Reichsanstalt hat sich in der letzten Woche eingehend mit den Ersahrungen und Schwierigkeiten beschäitigt, die sich im verslosseiwn Winter bei der Durchführung der Arbeiislosen« Versicherung ergeben haben. Als Ergebnis dieser Beratungen ist den Arbeitsämtern ein zusammenfassender Erlaß zugegangen, der eine Verbesserung und Vereinheitlichung der Verwastimgspraxis sichert und«in« ungerechtfertigte Inanspruchnahme der Arbellslosenoersiche- rung verhüten soll." * In den, Erlaß wird u a. besonders darauf hingewiesen, daß erhöhte Aufmerksamkeit der Prüfung zuzuwenden sei, ob Schein» arbeitsoerhältnisse vorliegen. Solche können niemals die in dem Gesetz vorgesehene Anwartschaftszeit erfüllen. Ein» etwa irrtümlich bewilligte Unterstützung ist sofort zu entziehen und der ge» zahlte Betrog zurückzufordern, wenn nachträglich eine Scheinbeschästt- gung testgestellt wird. Die verschärfte Nachprüfung fotf sich auch auf di« Schwarzarbeit beziehen. Die Arbeitsämter sollen dabei mit den Krankenkassen zusaitimenwirken. Die Saisonarhsits- losen sollen nicht nur von der Fachabteilunz, sondern auch von der Allgemeinen Abteilung des Zlrbellsamts betreut werden, wobei erneut auf die gesetzliche Bestimmung verwiesen wird, wonach bei berufsüblicher Arbeüslosigkell tü« Verpflichtung zur Annahme beruf»« fremder Arbeit van vornherein besteht. C» wird in dem Erlaß noch« mals darauf hingewiesen, daß die Frage, ob eine Arbeit als zunmtban anzusehen ist.«in« Tatsrage des einzelnen Falles ist und daß jeder Arbeitslose, auch der Facharbeller. sich ein gewisses Maß von Ab»' weichung gegenüber seiner Fachorbeit gefallen lassen muß. Den Arbeitgebern gegenüber sollen die Arbeitsämter auf größer» Genauigkeit und Zuverlässigkeit In den Angaben über d>« Eni- lasiungsgründe dringen. Jeder Arbeitslose, der Unterstützung hegehrt. muß dem Arbellsmarlt tatsächlich zur Verfügung stghen. In dem Erlaß heißt es. daß ein« Frau, die durch ihre häuslich« Pflichten den überwiegenden Teil des SIrbellstages in Anspruch genommen wird, im allgemeinen«dem Arbcllsmartt nicht zur Verfügung stehe. Es müsse erreicht morde"» daß auch die Wohlfahrtspflege ihre Unterstützungen an Arbeitssähige in allen Fällen davon abhängig macht, daß diese Arbeitslason sich regelmäßig nach Anweisung des Arbeitsamt» bei diesem melden und um Arbeit bemühen. Do» Ar, beitsanü ist verpflichtet, sich dieser Arbeitslosen mit ollem Nachdruck anzunehmen und durch Arbeitsangebote ihr« Arbeitswilligkelt fort- gesetzt zu prüfen.
Oas Recht der Minderheiten. Forderungen ihres Kongresses Der Ausschuß der europäischen Nationalitätenkongresse hat im Ergebnis eines Briefwechsels mit dem Botschafter Adotci, Berichterstatter des Dölkerbundsrates für die Minderheitenfragen, auf besten Aufforderung hin in Pari» ein Memorandum an das Minderheiten- komitee des Rates gerichtet. Die Denkschrift stellt nach gründlicher und kritischer Betrachtung des jetzigen Rechtszustandes folgende Forderungen: 1. Wiedereinführung der O« f fe n t l> cht e i t des Der. fahren?, Veröffentlichung der Eingaben, Repliken usw. 2. Ergänzung der Informationen des Rates, resp. der Dreier- ausschllste, in dem die Beschwerdeführer, speziell wenn es Organl- iationen der Minoritäten in den betrefienden Staaten selbst sind. berechtigt werden, nötigensalls aus die Gegenäußerungen der Staaten zu antworten. Z. Ausbau der Dreierkomitee», indem alle Mit- gliedor des Rates in ihnen vertreten sein werden--- D e r p f l i ch. tung zur Berichterstattung an den Rat. 4. Stärkere Inanspruchnahme des Haoger Gerichtshofes, wo. durch die Entpolitisierung der Äreitsragen erreicht werden könnte. 5. Besonderer Sachverstöndigenausschuh beim Völkerbund, zur Behandlung und Regelung des Problems in seiner Gesamtheit(Prüfung der in den einzelnen Ländern erzielten Fortschritte. Erhebungen über lokale Gesetze, Ausarbeihmg von Empsehlungen, die zu einem unmittelbaren Einvernehmen zwischen den Staaten und Minderheiten führen können). 8. Erfüllung der moralischen Verpflichtung, die 1022 durch die Völkerbundversommluna auch für die durch die Verträge nicht gebundenen Staaten als Mindestmaß festgesetzt wurde. Die Denkschrift schließt mit dem Hinweis darauf, daß jeder kommende Krieg für die Minoritäten, da sie ja meist an den Grenzen der Staaten leben, von einer geradezu kotostropha- l e n W i r k u n g sein würde, denn ein Krieg würde für die Minder» heilen ein Mrger- und Bruderkrieg sein. Darum bestehe für die Minoritäten nicht nur ein Recht, sondern geradezu eine Pflicht, durch einen Appell an den Völkerbund darauf Hinzuwirten, daß es zu einer durchgreifenden Lösung der Minoritätenfrage kommt. Die Veröffentlichung der Oenkschristen. Gens, 8. Mai. Reichsoußenminister Dr. Stresemann hat telegraphisch den Generalsekreiär des Völkerbundes darauf aufmerksam gemacht, daß in der Presse einige der Denkschriften verschiedener Regierungen zur Minderheitensvag« veröffentlicht worden sind. Die deutsche Regierung habe bisher von einer Veröffentlichung chrer eigenen Denkschrift abgesehen, da sie die offizielle Peröfsentlichung aller Denkschriften in Genf abwarten wollte. Angesichts der Ver- öffenllichungcn halte sie eine baldige amtliche Veröffentlichung für angebracht. Der stellvertretende Sekretär Marquis P a i l i s s i hat dos Telegramm Stresemanns dem in London versammelten D r e i e r k o m i t« e. für besten Arbeiten die verschiedenen Denk- schviften laut Ratsbeschluß bestimmt waren, zugestellt. Das Dreier. komitee erklärt« daraus, daß all« Denkschriften in vollem Wort- laut als Anlage dem Bericht de» Komitee», den in Madrid ein besonderes Ratskomites und hierauf der Rat prüfen wird, beigegeben sein werden. Dos Komitee könne aber ein« sofortig« Deröffevt- lichung nicht vornehmen, da verschiedene Regierungen ihre Denk- schristen nur an das Dreierkomste« eingesandt hatten. Dogegen werde der deutschen Regierung wie auch jeder anderen Regierung - durchaus freigestellt, ihre eigene Denkschrift von sich aus sofort .zu veröffentlichen. Marquis Pollissi hat" Stresemann dies« SM- lungnahmo des Komitee» sogleich telegraphisch mitgeteilt.
Die Erfolge des Herrn pabst. Jeden Sonntag Heimwehrexzeß. Als neuen Beweis für die Mazedonisierung Deutsch . österreichs bezeichnet die Wiener „A r b« i t e r » Z e i t u n g' die Vorgänge vom vergangenen Sonntag. Um den Arbeitern den Herrn zu zeigen, hatten die Hetmwohren von Niederösterreich einen Aufmarsch in der sozialdemokrotisch verwalteten Industrie-(und Bischofs») Stadt St. Pölten veranstaltet. Die werktätig« Be< völterung hielt sich fern, monarchistische Lieder grölend und spielend zogen di« Faschisten— trotz Polizeiverbot bewaffnet— am Rathaus und den neuen Gemeindebauten vorüber: an der Spitze die Führer Dr. P f ri e m e r» Steiermark . Dr. Steidle- Tirol und Herr Pabst, steckbrleslip) verfolgter Hochverräter an der Deutschen Republik und schwer verwickelt in den Doppelmord Lieb» knecht, Luxemburg und die Schonung der Mörder. Bor dem Rat» baus hielt Steidle ein« Schimpsred« gegen die Verfastung und gegen die Arbeiterpartei. Gegen Abend fuhren die Faschisten auf Lastauw» heim. Ueberall in den Jndustriegemeinden versuchten sie Zusammenstöße zu provo- zieren. Wehrfach wurden Arbeiter überfallen. Als ihnen in Leobersdorf ein paar junge Arbeiter nicht gerate Schmeicheleien zuriefen, ließen die Faschisten halten, sprangen herab, warfen Biergläser gegen Unbewaffnete, stürmten gegen da» Arbeiter- beim, wo ein Tsnzsest war. und schlugen, bevor sie mit derben Faust- ichlägen persagt wurden, Frauen und Kinder nieder, verletzten auch Arbeiter mit S p o t« n hieben. Die Gendarmerie sah zu und schützt, lediglich die Flucht der Gewalttäter!
Kattowitzer Kinos schließen. Die Sorge vor dem polnischen Tlationalismns. SaNowIß. 8. Mai. Gestern sind in Kottowitz sämtliche Kino» geschlossen war. den, da die Kinobesitzer ähnlich« Zwischenfälle befürchteten, wie sie sich om Montag in einem Kino, wo es zu Austritten gegen di« deutschen Inschriften gekommen war. ereignet habem Die Kinobesitzer verhandelten mit dem Magistrat um die Gemähr» letstung der Sicherheit des Publikum». Di« Derhandlun» asn hatten sodoch kein befriedigend«- Ergebnis, so daß die Kinobe» sitz« sich zur Schließung der Kinos entschlossen. Sie machten bei den Verhandlungen insbesondere geltend, daß. fall» di« beut» schen Inschriften und Zwischentitel entfernt würden, die Frequenz der Kinos um 30 Proz. sinken würde. pilsudski bleibt offenherzig. Warschau , 8. Mai. Der Ehef des polnischen Grenzschutzkorps. General Minkje- wicz, ist van Marschall PilsudsN seine» Amte» enthoben worden. Unverzüglich darauf wurden auf Befehl de« Marschalls feine Kanzlei» und Amtspapter« versiegelt. In«iivm Brief an den Ministerpräsidenten erklärt« Marschey Pissudski. daß zurücktretende hohe Beamten Papier « und Korrespondenzen mit- zunehmen pflegen, wodurch«S den Nachfolger» sehr erschwert sei. sich in de» Geschäften zurechtzufinden. Dies« Unsitte führ« zu
einem nollkommenen Verfall der staatlichen Ethik, so daß Stoatedokumente bei irgsndwelchen Privatpersonen herum» liegen. Ein Staat mit dieser Art EGik mache den Eindruck eines bankrottierenden öffentlichen Hauses. Deutscher Kleinbesitz wird enteignet. Warschau . 8. Mai Durch Derösfentlichung von R Liquidationsbeschlüssen hat die Entdeutschungspolitik der polnischen Regierung eine neuo Verschärfung erfahren. Durch nachstehende Ziffern wird nur ein kleiner Ausschnitt aus der Enteignungspolitik gegenüber dem Deutsch- tum in Polen beleuchtet, die von polnischer Seite al» Vergeltungsmaßnahme gegen da» preußische Enteigmmgsgesetz von
1908 bezeichnet wird. Gegen die damoi» enteigneten 1S7Z Hektar polnischen Besitze» zu einem erheblich über dem Marktwert liegen- den Preis gingen in den letzten 11 Iohrep dem Deutschtum in de« abgetretenen Provinzen Posen und Westpreußen über eine Mil> l i o n Hektar an Grund und Boden unter dem Druck polnischer Zwangsmaßnahmen verloren. Um ihre Entdeutschungspolitik un- gestört fortsetzen zu können, hat die polnische Regierung da» Zu- standekominen einer Vereinbarung über di- Einstellung der Liquidationsmoßnohmen immer wieder hinausgeschoben.
Ei«.Sund fpr koloniale Erneuerung" ist durch Zusammenlegung zweier Koloniolvcreine m« Leben getreten. Porsitzender ist Abg. Dr. Külz(Dem.), einer seiner Stellvertreter ist Genesse Eoh»n- Rens).