Einzelbild herunterladen
 

Morgenausgabe

Nr. 218

A 110

46.Jahrgang

Bodyentlich 85 Bt. monatlich 3,60 2. im poraus zahlbar, Boftbezug 4.32 DR. einschließlich 60 Big. Boftzeitungs- und 72 Bfg. Boftbeftellgebühren. Auslands abonnement 6,- M. pro Monat. *

Der Borwärts erscheint wochentag lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abenbausgaben für Berlin und im Handel mit dem Titel Der Abend" Illuftrierte Beilagen Bolk und Zeit" und Kinderfreund". Ferner Unterhaltung und Wissen"," Frauen ftimme". Technit". Blid in bie Bücherwelt" und Jugend- Borwärts

Vorwärts

Berliner Bolksblatt

Sonntag

12. Mai 1929

Groß Berlin 15 Pf. Auswärts 20 Pf.

Die etni palttge Ronpareillezeile 80 Pfennig. Reflamezelie 5.- Reichs mart. Kleine Anzeigen' das tettge brudte Bort 25 Pfennig( zulässig zwet fettgedruce Worte), jedes weitere Wort 12 Pfennig. Stellengesuche das erste Bort 15 Pfennig, jedes weitere Bort 10 Pfennig. Worte über 15 Buchstaben zählen für zwei Worte. Arbeitsmarkt Beile 60 Pfennig. Familienanzeigen für Abonnenten Zeile 40 Pfennig. Anzeigen annahme im Hauptgeschäft Linden ftraße 3, wochentagl, von 81%, bis 17 Uhr.

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Redaktion und Berlag: Berlin SW 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönboft 292-297 Telegramm- Adr.: Sozialdemokrat Berlin

Vorwärts Verlag G. m. b..

Umfämpfter Schlußbericht.

Konferenzfiasto noch möglich.

Paris , 11. Mai. ( Eigenbericht.)

Die Sachverständigenkonferenz hat in Besprechungen Dr. Schachts und Sir Josiah Stamps eine ruhige Phase tonzen trierter Arbeit erreicht, von deren Ergebnis das Ende dreimonatigen Ringens abhängt.

Es handelt sich dabei um die Vorbereitungen des Schlußberichts. Dafür liegt ein von den Alliierten unter Lei­tung Stamps ausgearbeiteter Entwurf vor. Er soll nach Möglich keit mit den von den Deutschen geltend gemachten Punkten in Ein­flang gebracht werden und darüber hinaus die verschiedenen Vor­behalte und Bedingungen enthalten, von denen Deutschland die An­nahme des Youngschen Kompromißvorschlags abhängig gemacht hat. Leicht wird es nicht sein, diesem Bericht die Unterschriften sämtlicher Delegationen zu sichern. Die Schwierigkeit liegt nicht allein bei den Borbehalten, obwohl auch darüber noch lebhafte Diskussionen zu erwarten sind, sondern nicht minder bei den zahlreichen Forderun­gen der Gläubiger, die, wie z. B. die Aufrechterhaltung der Kon trolle über die Eisenbahnen sowie gewisse einzelne Pfän­

der, für die deutsche Delegation ta m annehmbar sein dürften. Das Ergebnis dieser Arbeit soll am Dienstag der Bollfigung Bis dahin werden sich die Sachverständigen vorgelegt werden. offiziell nicht mit weiteren Gegenständen befassen, wenn auch natür­

lich hinter den Kulissen die Verhandlungen über den Berteilungs schlüssel fortgehen. Für den Fall, daß eine Einigung fich als un­schlüssel fortgehen. Für den Fall, daß eine Einigung sich als un­möglich erweisen sollte, scheint neuerdings der Gedanke, den Regie rungen die Entscheidung zu überlassen, wieder an Boden zu ge­

winnen.

Auftralischer Einspruch.

D

Melbourne über Condon, 11. Mai. ( Eigenbericht.) Der australische Bundesministerpräsident Bruce hat an den britischen Ministerpräsidenten Baldwin gekabelt, daß er sich gegen den Reparations 3ahlungsplan verwahre. verleiht feiner Freude über Churchills Unterhauserklärungen Aus­drud und protestiert gegen jeglichen Berjuch, den Dominien einen Anspruch auf zukünftige Forderungen gegen Deutschland zu entziehen.

Schacht und Bögler im Ruhrgebiet .

Effen, 11. Mai.( Eigenbericht.) Reichsbankpräsident Dr. Schacht und Generaldirektor Dr. Bögler sind zu eintägigem Besuch in Essen eingetroffen. Mit den führenden Persönlichkeiten des Industriegebiets wurde die Frage der kreditpolitischen Maßnahmen der Reichsbank und ihre Wir fungen auf das rheinisch- westfälische Industriegebiet erörtert.

Neue Liquidation in Polen .

WIB. meldet:

Enteignung deutscher Kleingrundbesitzer.

Zu den schon gemeldeten 33 Fällen von Liquidation deutschen Grundbesitzes in Polen find inzwischen 10 neue Fälle gekommen, so daß seit dem 29. April dieses Jahres nach den Beröffentlichungen im Monitor Politi" bis heute 43 Liquidationsverfahren durchgeführt find. In allen diesen Fällen handelt es sich um Befih von wenigen Hetfat. Die Eigentümer sind besonders hart ge. troffen dadurch, daß der Liquidationserlös gering ift und ein an­gemeffenes Entgelt nicht darstellt für ihre jahrelange Arbeit. In einer Reihe von Fällen ist das Liquidationsverfahren nach deutscher Ansicht unzulässig, weil diese Besitzer am 10. Januar 1920 die polnische Staatsangehörigteit beseffen oder fie auch noch heute haben, so daß ihr Besitz nicht der Liquidation unterlag. Hieraus ergibt sich, daß diese Liquidationen als politisches Mittel zum Kampf gegen die deutsche Minderheit benutzt werden.

Der fehr eigenartige polnische Regierungsfurs der letzten zwei Jahre hat bei all seinen Exzessen wenigstens die Lage

Baldwins Wahlmanifest.

Für Schutzzoll.

-

Konservative Wahlpropaganda auf Staatstoften.

London , 11. Mai. ( Eigenbericht.) Der tonservative Ministerpräsident Baldwin hat am Sonnabend sein Wahlmanifest veröffentlicht.

Baldwin wiederholt in diesem Manifest sein altes Schlagwort, daß er nicht gewillt sei ,,, theatralische Versprechungen".zu machen und bekennt sich wiederum zur Politit des Empire" als eines einheitlichen Wirtschaftstörpers. Es sei ge­plant, die Politit des sogenannten Industrieschußes fortzu führen. Mit Ausnahme der Lebensmittel dürfe keine Industrie davon ausgeschlossen werden, ein unparteiisches Tribunal um Schuß zoll anzugehen. Die von ihm betriebene Politik des Industrie­schutzes habe den Handel gefördert. Die großen Ersparungen, welche die Regierung in den Ausgaben für die bewaffnete Macht durchgeführt hätte, lägen offen zutage, und es sei zu hoffen, daß internationale Abkommen und weitere Einsparungen innerhalb der Departements der bewaffneten Macht eine Fortsetzung der Ver­minderung der Rüftungsausgaben ermöglichen würden, ohne daß dabei jedoch die nationale Sicherheit Großbritanniens in Frage gestellt werde. Die Alternative für eine fonservative Re­gierung lautete eine sozialistische Regierung mit oder ohne liberaler Unterstützung, bzw. ein 3 u stand des politischen Chaos, in dem feine Partei die Mehrheit habe Jede dieser beiden Möglich feiten wäre für das Wirtschaftsleben und das Wohlergehen der Ration feiner Meinung nach fatastrophal.

Mit dem Baldwinschen Wahlmanifest ist der Deffentlichkeit ein amtliches Weißbuch zur Arbeitslosenfrage über geben worden, in dem sich fünf tonservative Minister gegen den Plan Lloyd Georges zur Ueberwindung der Erwerbslosigkeit in Großbritannien menden. Diese Beröffentlichung hat bei den Oppo­

der Deutschen in Polen nicht wesentlich verschlechtert; es hat sogar an Versicherungen gerechter Minderheitenpolitik durch ganz hohe Staatsfunktionäre nicht gefehlt. Diese neue Ent­eignungsserie scheint auch auf diesem Gebiet eine starke Ber­schlechterung anzufündigen. Auf diese Weise durchkreuzt die Warschauer Regierung alle Verständigungsbestrebungen ehr­licher Friedensfreunde auf beiden Seiten der Grenze.

Deutscher Bolfsbund für Versöhnung.

Raffowik, 11. Mai.

-

Boftschedkonto: Berlin 37 536. Banffonto: Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten Wallstr. 65. Diskonto- Gesellschaft, Depofitentasse Lindenstr. 3

Die Sachsenwahl.

Mehr Macht der Sozialdemokratie!

Heute wird in Sachsen der neue Landtag gewählt. Selten ist in einem Wahlkampf so wenig von positiver Landespolitik gesprochen worden, und soviel von Personen, selten hat das Refsentiment eine so große Rolle gespielt. Das Jahr 1923 mit seinen unglückseligen Ereignissen in Sachsen ist in der Erinnerung wieder aufgestanden. Abrechnung für 1923, für die Nachwirkungen dieses Jahres in der sächsischen Politik, das war im Wahlkampf vorherrschender als die nüchterne Frage: was soll werden? Zwischen 1923 und dieser Landtagswahl hat eine andere Landtagswahl gelegen, die von 1926 aber fie hat nicht zurückgeführt zur pofitiven Politik. Die Splitter­gruppe der vier altsozialistischen Abgeordneten, die nach dieser Wahl in den Landtag einzog, hat die psychologischen Span­nungen verschärft, die der Bildung einer festen Regierungs­mehrheit zur Durchführung und geordneten Kontrolle der Ver­waltung entgegenstanden, sie hat zugleich die Tendenzen zum Bürgerblod gegen die Sozialdemokratie versteift. Die Folge war, daß unter Zuhilfenahme der ausgesprochenen Inter­effentengruppen, der Wirtschaftspartei und der Aufwertungs­gruppe, eine Regierung zusammengesetzt wurde, deren einzige positive Betätigung darin bestand, daß sie da war. Im Geiste dieser Regierung haben die bürgerlichen Bar­teien rechts von den Demofraten einschließlich der Alt­sozialisten den Wahlkampf geführt unter der Parole: nie wieder Sowjetfachsen! Es hat fein Sowjetsachsen gegeben, aber die braven Spießbürger, die mit dem Somjetgespenst ge­schreckt werden sollen, verstehen schon, was damit gemeint ist: die Sehnsucht nach dauernder politischer Iso­Tierung der Sozialdemokratie, die Aufrechterhal tung der Fiktion, daß auf der einen Seite der Staat und die Staatsbürger stehen. auf der anderen die Sozialdemokratie.

=

Das sächsische Bürgertum ist zum großen Teil nicht nur jehr realtionär, sondern auch im Sumpf des Interessenten­flüngels stedengeblieben. Die politischen Berhältnisse nach der Wahl von 1926 entsprechen seiner Geistesart. Im Froschteich der Klüngelwirtschaft plätscherten die Interessentenpolitifer, und eine selbstherrliche Bureaukratie, die sich über ihre Re­gierung luftig machte, sorgte dafür, daß die einzige große geschlossene politische Kraft im Lande außerhalb des Einflusses Verknüpfung der Umstände außerhalb der Regierung hielt. Nie wieder Sowjetsachsen das heißt, der politische und verwaltungsmäßige Einfluß der Sozialdemokratie muß auf dem Stande der Borkriegszeit gehalten werden.

-

Die Sozialdemokratie fämpft bei dieser Wahl selbstver­ständlich um die ganze Macht. Jeder Wahlkampf ist Macht­fampf. Um so ausgesprochener die bürgerlich- antifozialdemo­fratische Front aufgerichtet wird, um so stärker tritt diese Seite des Wahlkampfes hervor. Nach der Wahl beginnt die

Die außerordentlich start besuchte Generalversammlung des Deutschen Volksbundes. wählte zum 1. Vorsitzenden einstimmig den Prinzen Heinrich von Bleß. Zum 2. Vorsitzenden den Sejm abgeordneten Franz und zum stellvertretenden Geschäftsführer den Senator und Chefredakteur Dr. Pant. Die Versammlung nahm entschieden gegen die Oppelner Borgänge Stellung und gab der Hoffnung Ausdrud, daß die nationalen Gegenfäße in ab- Prüfung der Lage. Hat das Ergebnis der Wahl nicht einen Jehbarer Zeit überbrüdt werden.

fitionsparteien schärfften Widerspruch gefunden, da man hierin eine tonservative Parteipropaganda unter dem Deckmantel einer amtlichen Publitation auf Rosten der Gesamt­heit der Steuerzahler erblickt.

Stichwahltag in Frankreich . Entscheidung über die Gemeinden.

Paris , 11. Mai( Eigenbericht).

politischen Bergrutsch, die Eroberung der Parlamentsmehr­heit und damit der Regierung für die Sozialdemokratie her beigeführt, so entsteht die Frage nach dem Anteil der Macht.

Sachsen ist ein ausgesprochenes Arbeiterland. Parla­mentarische Machtverteilung wie in Braunschweig , wo der Sozialdemokratie die Hälfte der Landtagsmandate gehört, müßte in Sachsen durchaus möglich sein. Wenn nicht die Kommunistische Partei eriftierte! Selbst wenn die Wahl mit einer Niederlage der bürgerlichen Front endet, die die Ar­beiterschaft fern von Regierung und Verwaltung halten will, so gestattet die Existenz der Kommunistischen Partei dennoch nicht, den Sieg über diese Tendenz auszuwerten.

Die offizielle Kommunistische Partei hat von vornherein erklärt, daß sie einer sozialdemokratischen Regierung feinerlei Unterstüßung geben werde, daß sie jede parlamentarische Re­gierung bekämpfen werde, die doch nur im Rahmen der Verfassung alle gegebenen Möglichkeiten ausnuten soll, um die radikalisierte Arbeiterschaft im Interesse des Finanzkapi­tals zu betrügen." Die fommunistische Rechtsopposition will zwar eine fozialdemokratische Minderheitsregierung unter­stüßen, aber nicht, um sie arbeiten zu lassen, sondern nur, um im trüben zu fischen. Mit den Kommunisten ist keine Politik zu machen. Ihr Ziel ist ebensogut wie das Ziel der bürger­lichen Front die Fernhaltung der Sozialdemokratie von Re­gierung und Verwaltung.

Der Sonntag wird die Entscheidung über die zukünftige Mehr heit in den Stadtparlamenten bringen. Die Vorbereitungen zu den Stichwahlen sind nicht einheitlich. Während in der Mehrzahl der Gemeinden, so in Lille , Chartres und Grenoble , Sozialisten und Radikale sich zu gemeinsamem Vorgehen entschlossen haben, stehen sie sich in anderen, z. B. Perpignan, St. Etienne und vor allem Lyon in heftigem Kampf gegenüber. Besonders überrascht hat die Kündigung des Kartells durch die Sozialisten in Lyon als einer offenen Rampfansage gegen Herriot . Die Lyoner Sozialisten fühlen sich diesmal start genug, den Wahlkampf allein zu führen. Die Radikalen geben ihrer Unzufriedenheit ziemlich ge­zu führen. Die Radikalen geben ihrer Unzufriedenheit ziemlich ge räuschvoll Ausdruc. In Lille ist es in letter Stunde noch zu einem Standal gekommen: der hier von den Radikalen unter­stüßte sozialistische Bürgermeister wird von einem städtischen Be­amien, der von der Liste abgesetzt wurde, beschuldigt, er habe ihn durch das Angebot eines wichtigen Amtes" zum Schweigen bringen wollen. Der Antläger, gleichfalls ein Sozialist, hat seine Die übermächtige Stellung der sächsischen Bureaukratie Gegenfandidatur aufgestellt. In anderen Städten gibt es sonder im Ministerial und Verwaltungsapparat ift während des bare Kombinationen. In Nancy ist unter Leitung des früheren Wahlkampfes oft hervorgehoben worden. Es gibt Ministerial­Pensionsministers Marin eine Liste zustandegekommen, die sich direktoren, die in Wahrheit ungefrönte Könige von Sachsen gegen einen auch von den Sozialisten bekämpften Kandidaten der sind. Der Ministerialdirektor Schulze im sächsischen Innen­Mittelparteien wendet. In Troyes hat sich ein Bürgerblod ministerium. ein vlelgenannter Mann, ist mächtiger als der unter Leitung der Rechten gebildet, da hier die Gefahr einer tom Ministerpräsident. Seine Macht erstreckt sich weit über den munistischen Mehrheit besteht. Die Radikalen haben sich ihm ange Bereich der unmittelbaren Staatsverwaltung hinaus in die schlossen, die Sozialisten haben ihren Kanditdaten zurüdgezogen.| Kommunalverwaltung. Er handhabt das Aufsichtsrecht und

Das sind die allgemeinen Boraussetzungen für die Prü­fung der Frage nach dem Machtanteil, die sich schon vor der Wahl überblicken laffen.