Nr. 22246. Jahrgang
2. Beilage des Vorwärts
Reform der Branntweinsteuer.
Beratung im Reichstag.
Im Reichstag teilte am Dienstagnachmittag Präsident Löbe mit, daß in sieben Straffachen die Genehmigung zur Vorführung des Abg. Strasser( Nat.- Soz.) von den Gerichten verlangt worden ist.( Hört! hört!) Die Sache geht an den Geschäftsordnungsausschuß.
Es folgt die zweite Beratung einer Novelle zum Brannt weinmonopol, durch die das Reichsdefizit mit gedeckt werden soll. Die Vorlage will die Monopolabgabe an das Reich erhöhen. Branntwein soll unter den Monopolpreisen nicht verkauft werden dürfen, die Preisbegünstigung für Altohol zur Herstellung von Heilmitteln und Effenzen aufgehoben, die amtliche Aufsicht weiter ausgedehnt und eine besondere Strafdrohung für Zuwiderhandlungen geschaffen werden. Der Ausschuß schlägt dazu noch Erleichterungen für die Kleinbrenner in Süd deutschland vor.
Abg. Freiherr v. Richthofen ( Dnat.): Die Landwirte und Winzer sind durch die Vorlage start beunruhigt, denn die schon wenig lohnenden Brennereien würden dadurch noch weiter geschädigt. Dazu plant die preußische Regierung, die GemeindeGeträntefteuern wieder einzuführen. Für Gesetze, die die Interessen der Landwirtschaft so in Mitleidenschaft ziehen, müßte das Land wirtschafts- aber nicht das Finanzministerium zuständig sein.
Abg. Kerschbaum( DBP.) erklärt sich gegen die Vorlage, der seine Partei im Interesse der kleinen Brenner und der Gerechtigkeit
nicht zustimmen werde.
Abg. Dr. Föhr- Baden( 3.): Wenn durch die Vorlage wirklich der Branntweinverbrauch zurückgehen würde, so wäre das für die Volksgesundheit nicht schädlich. Der Ausschuß hat an dem Gefeß wesentliche Berbesserungen vorgenommen und im Interesse der Reichsfinanzen stimmen wir ihm zu.
Ministerialdirektor Ernst gibt die vom Borredner angeregte Erklärung ab, daß die Monopolverwaltung bereit sei, den in Abfindungsbrennereien hergestellten Kornbranntwein abzunehmen.
Abg. Julier( Chr.- nat. Bauernp.) spricht gegen die Borlage. Man sollte lieber die übergroße Einfuhr ausländischer Liköre hindern.
Abg. Dr. Horlacher( Bayer. Bp.) hebt die Berücksichtigung der Kleinbrenner durch die Vorlage hervor, um die Zustimmung feiner Partei zu begründen. Nach diesem Gesez müsse aber Schluß sein mit der Belastung der Kleinbrenner.
Abg. Höllein( Komm.) hält eine Rede gegen Dr. Hilferding, der vom Berfasser des Finanzfapitals" zum Schüßer der Großbourgeoisie geworden sei.
Abg. Puchta( Goz.):
Den Borredner erinnere ich daran, daß auch andere Staaten den Alkohol besteuern. In Deutschland beträgt die Branntwein steuer etwa 9 Broz. der gesamten Verbrauchssteuern oder 3 Broz. der gesamten Steuereingänge; in einem anderen Staat aber 37 Proz. der Verbrauchsbesteuerung oder 22 Broz. der Gesamtbesteuerung, und zwar ist das in dem Lande der Hoffnung und Liebe des Abg. Höllein, in Sowjetrußland.( Abg. Höllein: Aber nicht für das Großkapital, sondern für den sozialen Aufbau! Gegenrufe der Soz.: Und für die Armee.) Die Entrüftung Hölleins über die Branntweinbesteuerung in Deutschland kann also nicht ganz echt sein. Der Staatshaushalt muß in Ordnung gebracht werden, und
weil folche Steuern, die uns angenehmer wären, aus allgemeinwirtschaftlichen Gründen oder wegen der Konstellation im Reichstag nicht geschaffen werden können, fo müffen wir auch einmal zur Steuer greifen, die, ohne das Lebensintereffe der Maffen schwer zu gefährden, dem Reiche Geld bringen. ( Sehr richtig bei den Soz.) Vor uns stehen bedeutende außenpolitische Verpflichtungen und im Innern wachsende Ansprüche jozialer Natur. Dafür müssen die Mittel geschaffen werden.
Aus dem Branntwein, der zur Schnapsbereitung verwendet wird, sollen 58 bis 60 Millionen herausgeholt werden, zwei Drittel der Summe, die überhaupt durch diese Vorlage. erbracht werden foll. Bei der Verteuerung des Schnapses handelt es sich nicht um eine Verschlechterung der Lebenshaltung der breiten Massen. Gegen das Gesetz laufen die Vertreter der Kleinbrenner, aber auch der Großagrarier Sturm. Sie behaupten, daß die Verteuerung des Schnapskonsums höhere Steuereingänge nicht bringen werde. Andere führen aus, daß die Aufhebung der Verbilligung des Spiritus zur Herstellung gewisser Heilmittel die Lage der Krankenkassen verschlechtern werde. Diese Bedenken find aber im Ausschuß zum größten Teil beseitigt worden. Es bleibt nach wie vor der Spiritus zur Herstellung äußerlich anzuwendender Heilmittel verbilligt. Man behauptet weiter, daß eine Verteuerung der alkoholfreien Getränke eintreten werde. Nach der Begründung der Vorlage wird eine solche Verteuerung höchstens um Bruchteile von Pfennigen eintreten. Der Verein deutscher Essenzenfabrikanten errechnet fie
WOHNUNG UND WERKRAUM
AUSSTELLUNG
NENS
auf 1 bis 1½ Pfennig, aber auch das kann nicht stimmen, denn der Zentralverband der chemisch- technischen Industrie erklärt, daß eine Abwälzung auf die Konsumenten nicht möglich sein werde. Für die Fruchtsaftindustrie wird sich die Preiserhöhung taum oder nur minimal auswirken, also ist eine Verteuerung der Fruchtsäfte gar nicht zu befürchten.
Mittwoch, 15. Mai 1929
Dr. Horlachers, daß nun mit Aenderungen im Branntweinmonopol auf Jahre hinaus Schluß gemacht werde, kann ich nicht teilen. Der ständige Rüdgang des Schnapsverbrauchs stellt die Monopoleinnahmen in Gefahr, denn nur beim Trinkbranntwein wird ein Ueberschuß erzielt, während beim technischen und Antriebsfpiritus ein Berluft von 30, ja jogar 50 m. pro hektoliter eintritt. Dabei handelt es sich schon um 250 000 Hektoliter im Jahr. Eines Tages wird die Krise da sein, wo jede Möglichkeit verschwindet, aus dem Trinkbranntwein Nutzen zu ziehen. Man wird eine Relation zwischen diesen beiden Spiritusarten herstellen müssen, und nur so die Mittel erlangen können, die das Reich aus dem Spiritus perbrauch ziehen muß. Wenn wir unsere Zustimmung zu der Vorlage geben, wollen wir das nicht tun, ohne auf die Notwendigkeit dieser Reform hinzuweisen.( Lebhafter Beifall bei den Soz.) Damit ist die Aussprache be endet.
Die Neuregelung des Verhältnisses der Kleinbrenner zur Monopolverwaltung soll die Schlupfwinkel ausbrennen, aus denen dauernd Hinterziehung von Branntweinsteuern erfolgt. Wir haben Die Vorlage wird in der Ausschußfassung angenommen, die fein Interesse, diesem Bestreben in den Arm zu fallen, sondern im dritte Lesung erfolgt heute, Mittwoch, 3 Uhr; außerdem EtatsGegenteil das Interesse, solche unlautere Machenschaften zu verberatung und Anleihegesetz, falls der Ausschußbericht bis dahin bindern. Wir erwarten, daß die Monopolverwaltung weitherzig vorliegt. und loyal mit den Kleinbrennern verfahren wird. Den Optimismus Schluß 6 Uhr.
Gestäupte Demagogen.
Kommunisten und Deutschnationale am Pranger.
Debatte über die Borgänge des 1. Mai in Berlin fortgesetzt. leumder.( Sehr wahr!) Können Sie sich vorstellen, alte SozialIn der Dienstagfißung des Preußischen Landtages wurde die| demokraten und den Kommunisten eine Parallele zieht, ist ein Ber
Abg. Drügemüller( Soz.):
Die geordneten und planmäßig durchgeführten Kundgebungen der Arbeiterschaft in der Bogfriegszeit dulden teinen Ver= gleich mit den jetzigen Demonstrationen der Kommunisten, die Sauernd zu Ruhestörungen und Ueberfällen führen. Die wahllojen und ziellofen Straßentundgebungen der Kommunisten ohne jeden Plan und jeden Anlaß sind nachgerade zu einer Landplage geworden. Wir haben es hier nicht mehr mit politischen Attionen, sondern mit Marschübungen und musikalischen Ererzitien zu tun, die übrigens meist das Gegenteil von schön sind. Nach der dreisten Provokation
folgt jedesmal das Winfeln um Gnade.
Der sozialdemokratische Parteitag von 1890 hat entsprechend dem Rate August Bebels einstimmig abgelehnt, auch nur eine Amnestie für die noch in Haft befindlichen Opfer des Sozialistengesetzes zu fordern.( Hört, hört! bei den Goz. Zuruf bei den Kommunisten: Lakai Grzesinskis!") Herrn Scherlinsti haben wir jedenfalls zur Durchführung unserer Kämpfe niemals vorgeschickt.( Seiterfeit und Sehr gut! bei den Soz.) Die kommunistischen Demonstrationen en den mangels positiver Ziele meist mit leber= fällen auf die Polizeibeamten. Genau so wie bei den anderen reaktionären Organisationen, den Völkischen und den Nationalsozialisten. Nur wegen dieser dauernden Gewalttätigkeit ist das Verbot der Straßendemonstrationen erlassen worden. Danach hat die KPD. zu einer Kraftprobe herausgefordert: die offizielle Barole hat gelautet, es solle entschieden werden, wem die Straße gehöre, dem Zörgiebel oder der KPD . Ja, wenn Sie in dieser Weise zum Kampfe herausfordern, was winjeln Sie denn nachher über die von Ihnen verschuldeten Opfer?( Sehr gut! bei den So3.) Widerstandslos wird weder der Staat noch die Sozialdemokratie Ihnen die Macht überlassen. Sie haben ja längst für den Fall Ihres Sieges die Galgen für uns bereitgestellt; also werden Sie uns erlauben müssen, uns zu mehren. Auch die kommunistisch geleiteten Gewerkschaften haben sich am 1. Mai, um mit der Roten Fahne" zu reden, in die Säle vertrochen". Auch die Rohrleger, die Zimmerer und Schuhmacher haben nicht demonstriert und feinen Generalstreit gemacht. Aber Sie wollten ja auch nur die Gewerkschaften und Sozialdemokraten vor die Gummifnüppel und Karabiner treiben!( Sehr wahr! bei den Soz.) Uebrigens nicht vor eine Diehische Soldateska", wie Schulz- Neukölln meinte, sondern vor Beamte, die ihrer Pflicht gemäß die Freiheit der großen Mehrheit des Voltes gegen verbrecherische Terroristen verteidigen. ( Sehr gut! bei den S03.)
Feige wie fie find, haben die Kommunisten am 1. Mai sich nicht entblödet, Kinder und Frauen vorauszuschiden.
Hier ist eine Betriebszeitung, die ausdrücklich auffordert, die Kinder am 1. Mai in den Zügen vorangehen zu lassen, verantwortlich gezeichnet vom Abgeordneten Gohlte. Hier ist das Flugblatt mit der Aufforderung zum Generalstreit am 2. Mai, verantwortlich gezeichnet vom Abgeordneten Kasper. Und hier ist die ,, Rote Fahne" vom 30. April mit dem Aufruf: ,, Morgen gehen die Kinder nicht in die Schule, sondern auf die Straße!"( Bewegung.) Bergleichen Sie einmal mit diesen Verbrecherprattiken Aufruf der ersten Opfer des Sozialistengesetzes,
ben
der Berliner Ausgewiesenen vom November 1878: ,, Keine Gewalttätigkeit! Achtet die Geseze! Laßt euch nicht zu geheimen Verbindungen oder Putschen verleiten! An unserer Gesezlichkeit muß der Feind zugrunde gehen! Denkt an unsere Frauen und Kinder! Es lebe die Sozialdemokratie!"
Da haben Sie greifbar ben Unterschied por sich zwischen Männern, die Menschheitsideale vertreten und gemeinen Berbrechern. ( Lebhafter Beifall bei den Soz.) Wer zwischen den alten Sozial
demokraten hätten das gemacht, was Sie am 1. Mai getrieben haben, Frauengefängnis in der Barnimstraße, während die Führer in ent 3. B. den vollkommen idiotischen Sturm junger Burschen auf das fernten Haustoren hübsch ruhig zusahen?( Hört, hört!) Herr Deter kehrs A.-G. beschließen lassen; wozu dann der Versuch, Hunderthatte ja für den 1. Mai absolute Arbeitsruhe bei der Bers tausende auf den Potsdamer oder Alexanderplatz zu bringen. Das ist doch der Beweis, daß Sie zusammenstöße mit unabsehbaren Folgen gewollt haben.
Das nächste Blutbad wollen Sie am 1. Auguft veranstalten, wie es in Ihrem Aufruf heißt, mit vergrößerter Manövrierfähig feit". Aufgabe von Rotfront sei es, die gigantischen Kämpfe zum bewaffneten Aufstand zu steigern. Was Hört, hört!)
muzt angesichts solcher Dokumente ein Bestreiten der Tatsache, daß die Kommunistische Partei zur Gewaltattion entschlossen ist. Viel leicht verspricht sie sich mit Mar Hölz, daß vom Gummifnüppel ihr Gehirn etwas flüssiger wird.( Große Heiterfeit. Schulz- Neukölln: Sie sind nur noch ein anständiger Bürger!) Ich habe auch nicht den Ehrgeiz, mich mit Salonkommunisten zu messen. Die alte Sozialdemokratie hat den größten Wert darauf gelegt, blutige Zusammenstöße zu vermeiden. Lesen Sie die Geschichte der Wahlrechtskämpfe oder den Bericht über die imposanten Kundgebungen am 18. März 1898. Selbst unter dem Sozialistengesetz auf dem Parteitag in St. Gallen hat Wilhelm Liebknecht die Gewalttaktik ausdrücklich als gegen das Gefühl der Masse verstoßend abgelehnt; nur Narren gingen mit dem Kopf durch die Wand.( Zuruf bei der KPD. : Sie Revolutionär!) Wir sind heute wie stets revolutionär, weil wir die kapitalistische Produktionsweise grundfäßlich ändern
wollen. Aber
Sie
toie haben nicht Cuft, durch brutale Gewalttätigkeiten den Klaffengegnern des Proletariats in die Hände zu arbeiten. ( Lebhafter Beifall bei den Soz.) die Kommunistische Partei ist weit davon entfernt, durch diese Methoden den Befreiungskampf des Proletariats irgendwie zu fördern. Ihr Kinderfeldzug hatten ja schon am vorigen 1. Mai die Kinder dressiert, in den Umzügen der Gewerkschaften auf die Sozialdemokratie zu schimpfen! ermect in uns nur ein Gefühl tiefer Berachtung. Niemals wieder werden wir Kundgebungen der Gewerkschaften in angebliche Riesendemonstrationen der Kommunistischen Partei umfälschen lassen. Sie haben es fertig gebracht, auch die Lammes= geduld der sozialdemokratischen Funktionäre zu erschöpfen.( Unruhe bei den Komm.) Seien Sie doch hübsch still, Sie mögen sich durch Ihre Feigheit dem deutschen Richter entzogen haben, aber Moskau wird urteilen. Vielleicht find Sie nach vier Wochen schon so tot, wie andere kommunistische Führer vor Ihnen, die ebenfalls das Proletariat in die Irre geleitet haben.( Stürmischer Beifall bei den Soz.)
Abg. Dr. Meyer( Komm.): Die Sozialdemokratie hat in der Tat schon vor dem Krieg wenig revolutionären Elan gezeigt. Aber was heute der sozialdemokratische Redner behauptet hat, ist eine glatte Fälschung der Parteigeschichte. Wir lassen uns nicht die Straße verbieten, so wenig wie die Sozialdemokratie durch Putttamer oder Jagow. Getroffen werden ja doch nicht Kommunisten, sondern Unbeteiligte.( Hört, hört! bei den Soz.) Das Urteil der demokratischen Presse ist die beste Erledigung der zynischen Angriffe und demagogischen Erkurse der Sozialdemokraten.
Damit schließt die Debatte. Das Schlußwort hat Abg. Kasper( Komm.). Er behauptet, die Sozialdemokratie habe einen Kampf provozieren wollen, um die KPD. wie 1923 zu poreiligem Losschlagen zu zwingen. Darauf sei die KPD . nicht hereingefallen. Trotzdem billige sie den Barrikadenbau als Abwehrmaßnahme gegen die Polizei und politisches Opfer der Arbeiterklasse. Die PD. werde in der planmäßigen Durchbrechung der bürgerlichen Gesetzlichkeit fortfahren.
Die Abstimmungen über das Mißtrauensvotum finden am Donnerstag statt. Es folgt die dritte Beratung des Etats.
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