Bitternde Angeklagte.
Deutschnationale Angst vor dem Untersuchungsausschuß.
Im Preußischen Bandtag hat sich bei der dritten Lesung des Haushalts am Donnerstag ein sehr merkwürdiger Vorfall abgespielt; die Sozialdemokratie hatte den Antrag gestellt, über den Banterott der Raiffeisengenoffenschaften, durch den die Preußenfasse in Mitleidenschaft gezogen ist, einen Unter. fuchungsausschuß einzusehen. Da nach der Verfassung ein solcher Ausschuß eingesetzt werden muß, menn ein Fünftel der Mitglieder des Landtags es verlangen, und da ferner die Sozialdemokratie über mehr als ein Fünftel der Size verfügt, so bedurfte der von ihr unterschriebene Antrag einer besonderen Abstimmung nicht. Der Präsident Bartels ließ also nur über die Mitgliederzahl des einzusetzenden Ausschusses abstimmen. Von der Sozialdemo fratie war vorgeschlagen ein 29töpfiger Ausschuß. Dieser Antrag wurde mit den Stimmen der Rechten, der sich merkwürdigerweise auch das Zentrum anschloß, abgelehnt. Andere Vorschläge lagen nicht vor. Der Präsident mußte fonstatieren, daß der Ausschuß zwar eingefeßt sei, seine Mitgliederzahl aber noch nicht feststehe, mas praktisch zunächst Arbeitsunmöglichkeit für den Ausschuß bedeutet.
Das Verhalten der Deutschnationalen erscheint hier in dem allerseltsamsten Lichte. In diesem Untersuchungsausschuß hätten sie die Rolle der Angeflagten gespielt. Deutsch nationale Direttoren der Raiffeisengenossenschaft, der ehemalige deutschnationale Reichstagsvizepräsident Dietrich- Prenzlau sowie der ehemalige Landtagsabgeordnete Seelmann sind es gewesen, die durch wahnsinnige Verlustgeschäfte einen Totalverlust von mehr als 60 millionen Mart herbeiführten, an dem die Preußische Staatstaffe zu mindestens zwei Dritteln beteiligt ist. Diese deutsch nationalen Führer und Direttoren waren es, die dem russischen 2 benteurer Uralzem Kredite in Höhe von mehr als 20 Millionen Mart einräumten, die restlos verloren find. Ob Uralzem ein ruffischer Offizier und Emigrant war oder, wie die Deutsche Zeitung" wohl um seine besondere Bertrauenswürdigkeit für Deutschnationale zu beweisen behauptet, ein Ostjude, steht dahin. Jedenfalls haben die deutschnationalen Raiffeisen- Direktoren ihm gegenüber mit einer Leichtfertigteit und Vertrauens= jeligteit gehandelt, die alle Barmats und Kutister- Geschäfte der Seehandlung in den Schatten stellt.
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Was hätten wohl die Deutschnationalen seinerzeit für ein Geschrei erhoben, wenn die Sozialdemokratie die Arbeiten des Seehandlungs- Untersuchungsausschusses mur um einen Tag, mur um eine Stunde sabotiert hätte! Dabei war hier die Position der Sozialdemokratie eine wesentlich andere, denn die Direktoren der See. handlung, die Kredite an Barmat und Kutister gegeben hatten, waren ja schließlich weder Sozialdemokraten noch überhaupt linksgerichtet. Es stellte sich auch in der Untersuchung heraus, daß auf diese Kreditgeber persönliche Beziehungen ohne Einfluß gewesen Im Falle Uralzem dagegen waren die Kreditgewährer deutsch nationale Führer und Politiker in höchst eigener Person. Bei dieser Sachlage wagen es die Deutschnationalen, eine parlamentarische Untersuchung der Borgänge zu sabotieren! Eine feine Gesellschaft, ein feines Benehmen, das die Begriffe dieser Herrschaften von politischer Moral ins hellste Licht rückt.
waren.
Ihre Flucht vor dem Untersuchungsausschuß in eigener Sache wird diesen Reinigern Deutschlands " noch oft vorge= halten werden; und ihr Berhalten wird ihnen weder zum Nugen noch zur Ehre gereichen!
Der Konflift in der Welt am Abend". Ein Redat eur gegen die fommunistische Gewaltpolitif.
Wie wir seinerzeit mitteilten, hatten sich zwei Redakteure der Welt am Abend geweigert, die Umstellung der Haltung ihres jalonkommunistischen Blattes auf die Radau und Gewaltpolitik der verbotenen Roten Fahne" mitzumachen, wie es die Zentrale der Kommunistischen Partei perlangt hatte. Einer der beiden, Reda? teur Rabold, hat sehr bald Frieben mit den machthabenden KPD . Leuten geschlossen und arbeitet weiter. Der andere, Redakteur Caro, ist festgeblieben und aus der Redaktion ausgetreten. flagt auf 3ahlungseines Gehalts bis zum Ablauf seines Anstellungsvertrages.
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Am Donnerstag fand der erste Termin vor dem Arbeitsgericht statt. Caro führte zur Begründung seiner Forderung aus, er habe Grund zur fristlosen Aufgabe der Stellung gehabt, weil infolge des Eingreifens der Zentrale der PD. die redaktionelle Haltung des Blattes dahin geändert worden sei, daß es die verbrecherische, felbst vor Blufopfern nicht zurüdschredende Politik der KPD. vertrat. Diese Politik habe er vor seinem Gewissen nicht verantworten fönnen, deshalb sei er ausgetreten.
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Der Vertreter des beklagten Kosmos- Verlages"( des Herausgebers der B. a, 2.") entgegnete, Caro habe doch 2½ Jahre lang als Redakteur der W. a. A." die kommunistenfreundliche Haltung dieses Blattes vertreten, ja, er habe sogar manchem Artikel eine schärfere Fassung gegeben, als er ursprünglich hatte. Da sich die Haltung des Blattes nicht geändert habe, so hätte der Kläger feinen Grund gehabt, seine Stellung fristlos aufzugeben.
Caro erwiderte, gewiß habe er die Politik der W. a. A." mitgemacht. Aber in dem Augenblic, wo die 3entrale der RBD. eingriff, die eine verbrecherische Politik treibt, die ihre Anhänger zu Gewalttaten treibt, Blutvergießen ver. ursacht und 27 Todesopfer verschuldet hat, habe er nicht mehr mit machen können, sowohl aus Gewissensbedenken, wie aus ftrafrechtlichen Gründen. Man habe ihn über das Eingreifen der KPD . Zentrale und über die Aenderung der Haltung des Blattes zu täuschen gesucht Er sei von den Trabanten Münzenbergs relogen worden. Münzenberg sei der politische Hintermann des ganzen Unternehmens. Die Geschäftsführer und die Redakteure Jeinen nur Strohpuppen in Münzenbergs Händen. Es gebe ja Leute, die sich aus Angst um ihr Brot dem Willen deffen fügen, der der Beherrscher der KPD. - Unternehmungen ist.
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Der Vertreter des Beklagten bestritt, daß die KPD. - Zentrale in die redaktionelle Haltung der W. a.." eingegriffen und eine Aenderung derselben herbeigeführt habe. Der Kläger erbot sich dagegen, ben Beweis für seine Behauptung zu führen. Das foll im nächsten Termin geschehen.
Der Kläger benannte mehrere Beugen, durch die er das Ein. greifen der Zentrale in die Redaktion beweisen mill, und der Bellagte gab mehrere Gegenzeugen an. Auch über das Anft e I- lungsverhältnis des Klägers, namentlich über die ihm zu stehende Kündigung besteht Streit, morüber ebenfalls Beweis er. hoben werden soll
Man barf sich also im nächsten Termin, ber auf ben
5. Suni angefeßt ist, auf lebhafte Auseinanderlegungen zwischen Caro und den„ Trabanten und Strohpuppen Münzenbergs" gefaßt machen.
Der Landtagsabgeordnete Muschte( Dem.) ift aus dem GohlteGeschte- Ausschuß zur Untersuchung der Mainorgänge wieder aus
getreten.
Reichsanleihe und Kapital im Ausland.
HFERDING
17%
EINKOMMENSTEUERFREI
AUSLANDS
ERBSCHAFTSSTEUERFREI
KAPITA
Brüssel, 16. Mai .( Eigenbericht.)
Die zur bevorstehenden Parlamentswahl in Eupen und Mal medy aufgestellten Kandidaten Senator Eifer und Provinzialtat & rieschner haben plöhlich auf ihre kandidatur verzichtet. Sie erklären, sich aus dem politischen Leben zurüdziehen zu wollen.
Der Rücktritt ist darauf zurückzuführen, daß die von dem fatholischen Heimatbund in Eupen- Malmedy gegründete Chriftliche volkspartei der alten belgisch- katholischen Partei völlig das Waffer abgegraben hat. Der einzige Programmpunkt der Christlidhen Bolfspartei ist wiederholung der Abstimmung über die Zugehörigkeit Eupen- Malmedys zu Belgien oder Deutschland.
Wahlarbeit der Arbeiterpartei. Gute Aussichten für die Entscheidung.
Der Bahlkampf wird am Pfingstmontag mit der Rennung der annähernd 1800 Kandidaten in sein letztes Stadium treten. In den letzten Tagen hat der Kampf bereits größere Intensität erreicht. Das ist besonders auf die opferwillige Arbeit von Tausen. den und Abertausenden Wahlhelfern der Arbeiterpartei gurüd zuführen. Während die fiberale und die konservative Wahimaschine halten werden, stüßt sich die Wahlkampagne der Arbeiterpartei auf im wesentlichen mit bezahlten Hilfskräften in Bewegung ges halten werden, stüßt sich die Wahlkampagne der Arbeiterpartei auf freiwillige Mitarbeit. Wie die Berichte besagen, ist
in Schoffland und Wales mit einer glaffen Mehrheit der Arbeiterpartei zu rechnen.
Auch in England ist nach allen Stimmungsbildern aus den Wahlkreisen die Lage für die Arbeiterpartei günstiger als jemals zupor. Es dürfte der Arbeiterpartei diesmal wahrscheinlich auch gelingen, die konservativen Hochburgen Birmingham und iverpool, wo die Arbeiterpartei in den letzten vier Jahren außerordentliche Fortschrite gemacht hat, einzunehmen. In 2on don, das in der Vergangenheit den größten Widerstand gegen die Arbeiterpartei geleistet hat, ist bestimmt mit der Eroberung einiger neuer Wahlkreise im äußersten Osten und Süden der Stadt zu rechnen.
Im ländlichen Süden Englands mit seiner Agrar- und Rentner bevölkerung sowie in den Badeorten an der Kanaltüfte hat die Labour Party 1924 teinen einzigen Wahlkreis zu erobern vermocht.
Verabredung zur Tötung.
Straffchen der Deutschnationalen.
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Der Strafgefeßausschuß des Reichstags beriet gestern die§§ 249 bis 251, durch welche Aufforderung zur Tötung, Berlei tung zur Tötung und Berabredung einer Tötung mit Zuchthausstrafe bis zu 5 Jahren bedroht ist. Die Deutschnationalen Dr. Hanemann und Dr. Strathmann liefen gegen diese Bestimmung Sturm. Sie behaupteten, daß die angedrohte Strafe zu schwer sei und beantragten die Streichung der drei Bara
graphen.
Abg. Dr. Rosenfeld( Soz.) mies demgegenüber barauf hin, daß doch gerade die Deutschnationalen bei der Berteidigung der Todesstrafe die besondere Strafwürdigkeit der Tötungs verbrechen hervorgehoben hätten. Es sei sehr auffallend, wenn sie jegt die Streichung der zur Beratung stehenden Baragraphen be. antragten. Offenbar sei es der ursprung dieser Bestimmungen im Republitschungeles, der sie den Deutschynationalen un. impathisch mache. Die sozialdemokratische Fraktion münsche zum Schuße der Gesellschaft Aufforderung, Berleitung und Verabredung zu einer Tötung unter schmere Strafe gestellt zu sehen.
Schließlich wurden die deutschnationalen Anträge abgelehnt und die drei Baragraphen nach der Regierungsvorlage angenommen.
Hamburg und der Kommunistensput.
Hamburg, 16. Mai .( Eigenbericht.) Die Hamburger Bolizeibehörde hat nach dem Berbot des Roten Fronttämpferbundes munmehr auch die für den zweiten Pfingsting geplanten Saalfundgebungen der Hamburger RBD. Derboten. Es ist damit zu rechnen, daß auch die in dem Ham I
Die Lage ist hier nach wie vor verhältnismäßig am ungünstigsten; jedoch hoffen die Organisatoren des Wahlkampfes, daß die Neuwahl hier die ersten Breschen schlagen wird. Die 3eit arbeitet sehr start für die Arbeiterpartei, da die Abwanderung eines wachsenden Teiles der britischen Industrie nach dem Süden und die Schaffung eines Industrieproletariats auch dort die Zahl der Wähler der Arbeiterpartei in diesen Gebieten um viele Zehntausende vermehrt hat.
Der von Dr. Schacht und Josiah Stamp ausgearbeitete Borentwurf des Schlußberichts der Sachverständigenkonferenz wurde von den Delegierten der Gläubigerländer unter dem Borsiz Omen Es aus einzelnen Aeußerungen hervor, daß
Youngs besprochen eingegs ungünstig ist. Es wird be.
der tont, daß der Entwurf mit den deutschen Borbehalten in ihrer jezigen Gestalt eine durchaus ernsthafte Diskussions basis bilde. Auch die Pariser Presse schlägt einen wesentlich freund. licheren Ton an. Troßdem werden die Sachverständigen nicht vor Pfingsten die Heimreise antreten können. Es sind immerhin noch eine ganze Reihe Einzelfragen, wenn audy sekundärer Natur, zu regeln. Wahrscheinlich wird die Konferenz in den ersten Juni. tagen ihren Bericht und zwar dann als einmütiges Gutachten- fertiggestellt haben, so daß er gerabe den in Madrid zur Böllerbundsratstagung Bersammelten porliegen würde.
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Die Hauptschwierigkeit bildet immer noch der neue Ver. teilungsschlüssel. Nunmehr protestiert auch Italien gegen die an seinem Anteil vorgenommenen Abstriche. Der italienische Delegierte Pirelli soll aus Rom den Auftrag mitbringen, diese Opfer abzulehnen. Solcher Protest wäre um so unverständlicher, als der erste Verteilungsvorschlag Youngs Italien einen um 75 mil. lionen über die in Spa festgesetzte Quote hinausgehenden Anteil zusicherte. Dieser Anteil wird jetzt zwar um 59 millionen verringert, sichert aber Italien immer noch 16 millionen mehr zu als es sonst betäme. Außer den Italienern weigern sich die Belgier nach wie vor entschieden, ihre Ansprüche herabzumindern. Sie sollten 114 Millionen empfangen, nach dem neuen Schlüssel nur 64. Francqui erklärt, daß Belgien unbedingt 102 Millionen erhalten müsse. Trotz aller dieser Schwierigkeiten herrscht auf der Konferenz jedoch tein allzu großer Beffimismus mehr; man sieht die Schwierigteiten nicht für unüberwindlich an.
burg umgrenzenden preußischen Gemeinden geplanten tommunisti schen Rundgebungen verboten werden. Außerdem ist die Ham burger Bolkszeitung" und die Norddeutsche Volkszeitung" für die Beit vom 17. bis 21. Mai verboten worden. Dieses Verbot ist auf die Inftematische eße und Propaganda der„ Boltszeitung für Pfingſtaufmärsche zurückzuführen.
Im Hamburg befinden sich bereits zahlreiche Kommunisten, die aus Anlaß des verbotenen Rotfrontkämpfertages von auswärts nach dort gekommen sind. Die Hamburger Polizei hat alle Vorkehrungen getroffen, um KPD .- Aufmärsche und Verbrechen zu verhindern.
Noch immer Oppelnhehe. Unterdrückung des deutschen Schauspiels in Kattowiz. Warschau, 16. Mai.
Der Direktor der Kattomizer Oper, Milan 3una, somie der
Regiffeur und erste Tenor Joseph Stempuio wifi, die in Oppeln angegriffen wurden, haben von der polnischen Regierung das gp1. bene Berdienstkreuz erhalten.
Der Hauptvorstand polnischer Artisten in Warschau hot unter Teilnahme von Mitgliedern des Rattomizer Theaters beschlossen, der Leitung der deutschen Theatergemeinde auch weiter. hin das Betrefen ihres Bureauraumes im Kattowizer Theater nicht zu gestatten.( In Kattopik find gut die Hälfte der Bürger Deutsche!)
Gegen den Lunapart in Warschau demonstrierten polnische Stubenten, meil es sich um ein deutsches Unternehmen handle, Das Regierungskommissariat hat diesen Bergnügungspart geschlossen, um Ausschreitungen vorzubeugen. Tatsächlich sind, wie die Direktion mitteilt, von 33 dort vorhandenen Unternehmen nur pier deutsch. Jedenfalls hat der Bart infolge der Schließung am vergangenen Sonntag allein einen Verlust von 12 000 3loty erlitten.