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Morgenausgabe

Nr. 228

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46.Jahrgang

Böchentlich 8531, monatlich 3,60 m. tm voraus zahlbar, Boftbezug 4,32 m. einschließlich 60 Bfg. Boftzeitungs- und 72 Bfg. Boftbeftellgebühren. Auslands abonnement 6.-M. pro Monat.

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Der Borwärts" erscheint mochentag lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, bie Abendausgaben für Berlin und im Handel mit dem Titel Der Abend", Illustrierte Beilagen Boll und Zeit" und Kinderfreund". Ferner Unterhaltung und Wissen", Frauen ftimme". Technit"," Blid in bie Bücherwelt" und Jugend- Borwärts"

Vorwärts

Berliner Boltsblatt

Sonnabend

18. Mai 1929

Groß- Berlin 10 pf. Auswärts 15 Pf.

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Graf Zeppelin " bei Toulon gelandet.

Nach gefährlicher Fahrt über Frankreich.- Kampf mit dem Sturm.

Friedrichshafen , 17. Mai. Wie die Werftleitung mitteilt, ist das Luftschiff ,, Graf Zeppelin " um 8 Uhr abends in Cuers bei Toulon glatt gelandet.

Wie das französische Luftfahrtmini. sterium berichtet, ist das Luftschiff um 20 Uhr 15 Minuten auf dem Flugplak Cuers- Pierrefel bei Toulon in der Flughalle untergebracht worden. Die Landung erfolgte ohne jeden Zwischenfall.

Friedrichshafen , 17. Mai.

Fahrt start mitgenommen, manche von der Seekrankheit| zwischen benachrichtigte das französische Luftschiffahrtministerium befallen. Es wurde allen noch in später Abendstunde ein Nachtlager fämtliche Präfeften und alle anderen Stellen und gab die Anweisung, bereitet. Ein Teil der Passagiere des Luftschiffes dürfte bereits im jede nur irgend mögliche Hilfe Laufe des Sonnabends die Rückreise über Lyon und die Schweiz oder über Paris antreten.

Wer gestern abend im Rundfunk die Nachrichten über das Schicksal des Graf Zeppelin " verfolgte, erlebte Stunden schwerer Sorge. Eine Zeitlang schien es, als ob das Luft­schiff, jeder Manövrierfähigkeit beraubt, den Westalpen ent­ficht und Tatkraft seiner Führung das allerbeste Zeugnis aus. ist, das Luftschiff nach Toulon zurückzubringen, stellt der Um­Auf der anderen Seite wird man sich aber auch nicht der ernsten Lehre verschließen können, die sich aus diesem noch glücklich verlaufenen gefährlichen Zwischenfall ergibt: Die Lösung des Problems, einen geregelten und sicheren trans­ozeanischen Verkehr mittels lenkbarer Luftschiffe durchzu­führen, befindet sich nach langer opferreicher Arbeit noch immer im Erperimentierstadium. In Fragen der Technik darf es feine nationale Prestigepolitit geben. Nur mit Entseßen kann man lesen, was ein so weit verbreitetes Blatt wie der Berliner Lokal- Anzeiger" seinen Lesern vor­zusetzen wagt. Da wird von blinden Passagieren" und von einem geheimnisvollen Holländer" gemunkelt, die sich auf macht hätten, und schließlich wird sogar als intereſſant" be­dem Luftschiff vor seiner Abfahrt verdächtig zu schaffen ge­zeichnet, daß das Horoskopeines, betannten Astro­logen" den Dr. Eckener dringend vor einem Aufstieg am 15. oder 16. Mai gewarnt habe. Ist es möglich, daß eine solche geistige Kost in der sogenannten Stadt der Intelligenz" willig

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zu geben. Unweit Balence wurde an einem Sandsack eine Bot­fchaft Edeners in deutscher Sprache gefunden. Sie lautet: ,, Wollen Sie mir bitte durch die Garnison die Stelle angeben, die am besten für eine Landung des Zeppelin Luftschiffes geeignet ist." Das Luftschiff befand sich, als es die Botschaft ab­bemühte sich vergeblich, Verbindung aufzunehmen. Um 17,30 Uhr warf, in 400 Meter Höhe. Die Radiostation von Balence veröffentlichte das französische Luftfahrtministerium amtlich: Um

Flusses Drome und bewegt sich nach Osten. Es befindet sich zur= zeit in einer geschützten Zone unweit von Saillans ." Um 18,30 Uhr verlautete, daß der Graf Zeppelin " in südöstlicher Richtung a b= getrieben sei und sich gebirgiger Gegend nähere. Es würde ein Funkspruch vom Graf Zeppelin " aufgenommen, daß

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größte Gefahr

Dr. Edener sandte nach der Landung ein Dank. gegentreibe. Daß die Rettung gelungen ist, daß es gelungen 17,15 Uhr befindet sich das Luftschiff ,, Graf Zeppelin " im Tale des telegramm an den französischen Luftfahrtminister. Glückliche Landung/ Neue Motoren unterwegs Nach einer weiteren Meldung erfolgte die Landung des Graf Zeppelin " auf dem Flughafen Cuers bei Toulon um 20,45 Uhr. Dr. Dürr vom Luftschiffbau Zeppelin begibt sich in Begleitung von Professor Milarch Bonn zur Fahrt nach Toulon . Vom Luftschiffbau Zeppelin war die Lage des Luftschiffes während der ganzen Sturmfahrt am Freitag nachmittag zuversichtlich beurteilt worden. An Bord befanden sich außer Dr. Edener mehrere Luftschifführer, so Kapitän Lehmann, Flemming und von Schiller , die in der Handhabung eines beschädigten Luftschiffes große Erfahrung besiken.

Auf dem Flugplak Cuers befinden sich mehrere Luft­schiffhallen, von denen eine auch die Dirmuiden" be­

herbergte.

Schon Sonnabend früh gehen vier Reserve­Motoren von den Maybach- Werken nach Toulon ab, wo sie sofort in das Luftschiff eingebaut werden sollen.

Das Luftschiff ist inzwischen durch Militär und Hilfs­mannschaften in eine der Hallen geschleppt worden. Die Passagiere verliehen wohlbehalten das Schiff. Einer der Motoren scheint offenbar noch ganz intakt geblieben zu sein. Bei dem zuerst ausgefallenen Motor lag Kur belwellenbruch vor. Drei weitere Motoren mußten hierauf wahrscheinlich so stark in Anspruch genommen werden, daß sie ebenfalls Schaden erlitten. Ob das Luft­schiff nach gründlicher Ueberholung mit den Motoren seine Amerika - Reise fortseken oder nach Friedrichshafen zurückkehren wird, läßt sich noch nicht sagen, da von der Luftschiff- Führung noch keinerlei direkte Mitteilungen über die Landung sowie über die weiteren Absichten beim Luftschiffbau eingetroffen sind.

Ein Flugzeug der Deutschen Botschaft unterwegs. Paris , 17. Mai.

Um 18 Uhr ist ein Flugzeug mit dem Mitglied der deutschen Bot­schaft, Gesandtschaftsrat Dr. Clodius, nach der Gegend, in der ,, Graf Zeppelin " freuzt, abgeflogen.

Die Landung in Toulon .

Toulon , 17. Mai. Schon viele Stunden vor der Landung hatte sich in Toulon die Nachricht wie ein Lauffeuer verbreitet, daß das französische Luft­fahrtministerium dem Graf Zeppelin den Rat gegeben hatte, einen Abstieg bei Toulon zu versuchen. Alles, was sich irgendwie in Be­wegung setzen konnte, hatte die Stadt verlassen und sich nach dem Flughafen hinausbegeben. Bei dem klaren Abendhimmel fonnte man den Zeppelin schon von weitem sich dem Flugplatz in sehr lang­samer Fahrt nähern sehen.

Nach glücklicher Landung drängten sich die Schaufustigen an das Luftschiff heran und konnten von den Absperrungsmann­schaften nur mit Mühe zurückgehalten werden. Dr. Edener zeigte sich beim Berlassen der Führergondel sehr gerührt über den Empfang, der ihm auf französischem Boden bereitet wurde und über das Entgegenkommen, das ihm von allen franzöfifchen Stellen, vom Luftfahrtministerium angefangen, bewiesen wurde.

Die Teilnehmer an der Sturmfahrt des Graf Zeppelin " machten aus ihrer Befriedigung keinen Hehl, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Viele waren infolge der Ge­mütsbewegung und durch die Strapazen der abenteuerlichen

angenommen wird?

Von der Errettung zahlreicher Deutscher aus ernster Ge­fahr kann man in diesem Falle nicht sprechen, ohne dankbar jener Franzosen zu gedenken, durch deren tatkräftige Hilfe das schwere Rettungswert erst möglich wurde. Gewiß fann man sagen, daß nur einer selbstverständlichen Pflicht der Menschlichkeit genügt worden ist. Ohne dieser Feststellung zu widersprechen, geben wir der Hoffnung Ausdruck, daß es für die gegenseitige Ausübung dieser Menschenpflicht nie wieder ein Moratorium geben wird. Wir fönnen uns ja faum mehr die Zeit vorstellen, in der man auf beiden Seiten über abstürzende, abgeschossene Flugzeuge und Luftschiffe in ein wildes Jubelgeschrei ausbrach, und wir können uns erst recht nicht vorstellen, daß eine solche Zeit jemals wiederkehren fönnte. Der Fortschritt der Technik kann der Menschheit nur dann zum Segen gereichen, wenn der Fortschritt mensch= licher Gesinnung mit ihm gleichen Schritt hält.

Der schwere Kampf des Luftschiffes.

Die Hilfeleistung der franzöfifchen Behörden. Ueber die Rotfahrt des Luftschiffes Graf Zeppelin " liegen im einzelnen folgende Meldungen vor: Etwa um 13 Uhr überflog Graf Zeppelin " Montelimar. Es bewegte sich nur schwer vorwärts und wurde durch den Wind außerordentlich behindert. Nach Havas gab es häufig Signale: Dr. Ede ner bat um die sofortige Genehmigung, landen zu dürfen und ließ mitteilen, daß

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sehr ernste Beschädigungen aufzuweisen feien, die das Schiff in Gefahr brächten.

Der Direktor des französischen Lufthafens hat sofort die nötigen Schritte eingeleitet, um Dr. Edener die Landung füdlich von Balence zu ermöglichen. Man blieb aber ohne Antwort vom Graf 3eppelin" und weiß nicht, ob die Nachricht Dr. Edener erreichte. Um 14,50 Uhr flog das Luftschiff mühsam gegen star ten Nordwind an, zeitweise schien es fa st st illzustehen. wendete es und schlug kurs nach Süden ein. Um 14,10 Uhr Nachdem das Luftschiff ungefähr 5 Kilometer zurückgetrieben war, gab das franzöfifche Luftfahrtminifterium an alle Behörden der Gegend von Lyon und Valence Anweisung, dem Luftschiff jede nur mögliche Hilfe zu leisten. Die Garnison von Balence wurde alarmiert, um bei einer Notlandung zu helfen. Der Versuch, zu landen, mißlang. Das Luftschiff wurde in südöstlicher Richtung auf Saillans abgetrieben. Diese Ortschaft liegt etwa vierzig Kilometer südöstlich von Valence . Das Luftschiff, so heißt es im Bericht Havas, manövrierte sehr schwer. Es bäumte sich auf und drehte sich, ohne dem Winde widerstehen zu können, der das Luftschiff nach Süden und Südosten mit einer Durchschnitts­gefchindigkeit von 30 Kilometern in der Stunde abtreibe. In­

drohe. Eine Stunde später hieß es, das Luftschiff, das gegen Often nach den Alpen zu abgetrieben wurde, solle wieder die Richtung nach Westen gegen Montelimar gewonnen haben. Drei Kilometer von Montelimar befindet sich ein Terrain, das für eine Landung geeignet ist. Gegen 19 Uhr folgte das Luftschiff dem Rhonetal. Jedoch liegt nach der Havas- Meldung der Grof 3eppelin" in einem Winkel von 45 Grad schräg. Truppen folgten dem Luftschiff auf Transportautos.

Stimmen der Pariser Presse.

Paris , 17. Mai. Abbruch des Amerita- Fluges des Graf Zeppelin " eine anerken­Die Pariser Presse zeigt in ihrer Berichterstattung über den nenswerte Zurückhaltung. Der Intransigeant" sieht in dem Unter­nehmen in der Hauptsache eine be wundernswerte sport­liche Leistung und meint, ein Materialbruch, wie er auf der jeßigen Fahrt des deutschen Luftschiffes eingetreten sei, fönne nicht immer die Zukunft des Lentlufischiffes gefährden. Die Bibert " lobt Dr. Edener, daß er nicht aus Ruhmsucht versucht habe, den Elementen zu troßen und mit drei Motoren das gesteckte Ziel zu

erreichen.

Revision oder Revanche?

Die Revisions- und Königsfrage in Ungarn .

Von Hermann Wendel .

Unlängst hat die ungarische Sozialdemokratie den poli­tischen und sittlichen Mut gehabt, etwas zu tun, was in einem freieren Lande als Selbstverständlichkeit kaum der Rede wert wäre. Mit viel honigsüßen Worten über die ,, äußerst wertvolle Schicht" der Arbeiter wurde die Partei von der Ungarischen Revisionsliga" zum Bei­tritt aufgefordert, da man vor Europa einer Einheitsfront der Nation gegen den Frieden von Trianon bedarf. Nicht im Unflaren darüber, daß sie derart allen chauvinistischen Straßenfötern auf den Schwanz treten werde, hat die So­zialdemokratie die Einladung abgelehnt, nicht etwa, weil sie die Paragraphen jenes Vertrags für ein Wert der Weis­heit und Gerechtigkeit hielte, sondern weil ihr Vorbedin gung seiner Revision die demokratische Umge­staltung Mittel- und Osteuropas , also vor allem Ungarns , und die friedliche Vereinbarung der durch Trianon gebundenen Staaten zu sein scheint.

In der Tat ist die ungarische Revisions= tampagne, wie sie mit viel Bathos und Baukenschlägen unentwegt fortgeführt wird, nicht nur vom sozialistischen Standpunkt aus höchft bedenklich. Nach der Niederwerfung der Mittelmächte zog 1919 der Friede von Trianon etwas die Madjaren, wenig mehr als die Hälfte der Bevölkerung allzu schroff die Folgerung aus der Tatsache, daß in Ungarn ausmachend, als Herrenrasse auf dem Rücken von Millionen Rumänen, Serben, Slowaten, Deutscher und Ruthenen ge= ritten waren und unter ihnen eine freche Entnationalisie­rungspolitit betrieben hatten. Da nunmehr die Gitterstäbe dieses Völkerferters zerbrochen und die Insassen, so gut es ging, in Freiheit gefeßt wurden, büßte das Land zwei Drittel seines Gebiets und weit über ein Drittel auch seiner madjarischen Einwohnerschaft ein. Von Ungarns Boden­fläche fielen 36,2 Broz. an Rumänien , 22,3 Proz. an die Tschechoslowakei , 7,4 Proz. an Südslawien, 1,4 Proz.( das Burgenland ) an Desterreich. Diese abgetretenen Ge=