Nr. 228 46. Jahrgang
1. Beilage des Vorwärts
Das Morrere
IM.
Wohl selten hat die Menschheit der Auferstehung des Lichts mit folcher Sehnsucht entgegengeharrt wie in diesem Jahr. Und nun endlich ist Pfingsten da, und trotz der schlechten Wettervoraussagen hofft ein jeder auf ein paar schöne oder in alter Bescheidenheit auf ein paar erträgliche Lage, die er im Grünen verbringen kann.
Die schönsten Laubwaldgebiete der Mark liegen nördlich der Reichshauptstadt; zu ihnen gehören die ausgedehnten Wälder zwischen Biesenthal und Eberswalde . Vom Stettiner Fernbahnhof bringt uns der Fernzug der Stettiner Bahn in 45 Minuten nach Melchom ( Sonntagsfarte bis Eberswalde lösen, 3. Klasse 2,30 Mt., 2. Klasse 3.50 Mt.). Vom Bahnhof gelangen wir sogleich in das Dorf Melchom, das wir in östlicher Richtung durchwandern und auf dem Wege nach Schönholz verlassen. Bald ist der Wald erreicht, ein schöner Mischwald mit vielen Buchen und Birken. Wir kommen nach Schönholz, einem prächtigen, inmitten des weiten Waldes ge= Tegenen Dörfchen. Am Dorfausgang wenden wir uns östlich, und bald nimmt uns der Wald wieder auf. An der Schönholzer Brücke, zu der wir bald tommen, haben wir das Nonnenfließ erreicht. Ein verwittertes Brückengeländer faßt die Brücke ein, hochragende Fichten stehen am Eingang zum Nonnenfließtal.
Ueber die Brücke und dann neben dem Fließ nach Norden geht die Wanderung. Neben uns zieht leis murmelnd und plätschernd das Nonnenfließ seinen Weg. Nicht wildschäumend wie seine Brüder, die Gebirgsbäche, eilt es dahin, sondern sanft fließend; daher der Name Fließ für die Bäche unseres Tieflandes. Das Nonnenfließ nimmt seinen Lauf in einer schmalen Rinne, die die ganze Barnimhochfläche in nordfüdlicher Richtung durchzieht. Sie läßt sich von Dahlemiz über Alt- Landsberg , Werneuchen , Beiersdorf , Schönholz und Spechthaufen, also vom Berliner Tal bis zum Eberswalder Tal, verfolgen. Wie viele derartiger Rinnen entwässert auch diese jowohl nach Süden wie nach Norden. Die Wasserscheide liegt etwa bei Beiersdorf , von wo nach Süden das Stienißfließ und das Neuenhagener Fließ zur Spree führen, während das Nonnenfließ von den Teufelsgründen nach Norden zur Finom und damit zur Oder zieht. Der südliche Teil der Rinne gehört somit zum Quellgebiet der Nordsee , der nördliche zu dem der Ostsee
Meist ist der Lauf des Nonnenfließes reich gemunden. In zahlreichen Bogen schlängelt sich das Fließ zu Tal. Wir sehen hier sehr gut den Unterschied zwischen dem Prallhang und dem Gleithang eines Wasserlaufs. Stößt das Wasser in seinem Lauf auf ein Hinder
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Lockruf des Goldes
( Berechtigte Uebersetzung von Ermin Magnus). Sechstausend Menschen verbrachten den Winter 1897 in Dawson. Die Arbeit an den Creeks schritt rasch vorwärts, und von der anderen Seite der Pässe wurde gemeldet, daß dort hundertausend auf den Frühling warteten, um herüberzuPommen. Als Daylight an einem der kurzen Nachmittage auf der Senkung zwischen dem French Hill und dem Skookum Hill stand, hatte er wieder eine Vision. Zu seinen Füßen lag der reichste Teil des Eldorado Creet, und er fonnte meilen weit den Bonanza hinauf und hinab sehen. Es war ein Bild gewaltiger Zerstörung. Die Hügel waren bis zum Gipfel abgeholzt, die nackten Flanken von den zahlreichen Gruben und Bohrstellen zerrissen, die selbst der Schneemantel nicht verbecken konnte. Unter ihnen lagen überall die Blockhütten der Leute. Aber es waren nicht viel Menschen zu sehen. Eine dichte Rauchwolfe erfüllte die Täler und verwandelte selbst das graue Tageslicht in eine trübe Dämmerung. Der Rauch stieg aus tausend Löchern im Schnee, tief unten auf der Felsunterlage trochen die Menschen in der gefrorenen Erde und dem Schnee herum und entzündeten immer mehr Feuer, um die Macht des Frostes zu brechen. Hie und da, wo neue Schächte im Bau waren, flammten diese Feuer mit rotem Schein. Menschliche Gestalten frochen aus den Löchern her vor, verschwanden in ihnen oder standen auf Plattformen aus roh zugehauenen Holzstämmen und wanden den aufgetauten kies an die Oberfläche, wo er sofort wieder gefror. Ueberall sah man die traurigen Ueberreste der Frühjahrsauswaschung- Haufen von Schleusenkasten, Stücke von Wasserleitungen und mächtige Wasserräder alles Trüm mer, wie sie ein Heer golddurstiger Männer hinterläßt.
Welch ein Raubbau," murmelte Daylight halblaut. Er sah auf die nackten Hügel, und ihm wurde flar, welch riesige Bergeudung von Holz hier stattgefunden hatte. Aus der Vogelschau sah er die unglaubliche Verwirrung, die ihre rast lose Arbeit hier geschaffen hatte. Jeder arbeitete für sich, und das Ergebnis war ein Chaos. In dieser reichsten aller Minen fostete es einen Dollar, für zwei Dollar Gold herauszuholen, und für jeden Dollar, den sie auf diese fieberhafte,
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1.
fließ
nis, wie es meist durch die Unebenheit des Geländes bedingt wird, so prallt die Strömung mit voller Kraft dagegen und ist bestrebt, das Hindernis zu beseitigen. Wir haben hier den Prallhang des Wasserlaufs, an dem das Fließ seine größere Tiefe aufweist. Der gegenüberliegende Hang ist der Gleithang; hier gleitet die Strömung ab, die im Wasser schwebenden festen Teilchen sinken zu Boden und bilden allmählich neues Land. Liegen die Krümmungen des Fließes dicht beieinander, so fommt es vor, daß im Laufe der Zeit die schmale Landbrücke durchnagt wird und das Fließ alsdann den fürzeren geraden Weg nimmt. Der abgeschnürte Fließbogen bildet ein sogenanntes Altwasser, das allmählich zu einem Torfmoor und später zu festem Land wird. Was uns hier das Nonnenfließ im Meinen, gut übersehbaren Verhältnis bietet, zeigen auch die Flüsse und Ströme, meist jedoch weniger flar ausgeprägt. Nach dem reich gewundenen Fluß Maandros in Kleinasien werden derartige Windungen eines Wasserlaufs Mäander genannt.
Wie das Waffer arbeitet.
Zwischen prächtig bewaldeten Talhängen zieht das Nonnenfließ dahin. Laub- und Nadelbäume verschiedener Art bilden den Wald, der reich an jungem Baumbestand und Unterholz ist. Manchen ausländischen Gast unter den Bäumen treffen wir hier an, gehört doch dieser Wald zum Lehrgebiet der Forstakademie Ebers. walde. Besonders häufig unter den Laubbäumen sind die Buchen. An Waldblumen finden wir Maiglöckchen, Waldmeister, Brimel, Bienensaug, Schattenblume, Salomonssiegel. Sie alle bilden miteinander den Verein der Laubwaldbodenflora. Wo eins von ihnen vorkommt, werden auch die anderen nicht fern sein. Sie müssen ihre Hauptlebenszeit, Blüte und Bestäubung, in die ersten Frühlingstage legen, wenn die Sonne noch ungehindert zu ihnen hinabdringen fann. Sind die Waldbäume späterhin vollbelaubt, dann herrscht auf dem Waldboden Dämmerung, in der die kleinen Kinder Floras nicht mehr blühen könnten.
Ein Stück vom Nonnenfließ.
gedankenlose Arbeitsweise herausholten, wurde ein anderer Dollar hoffnungslos verschüttet. Noch ein Jahr, und die Claims waren ausgesogen, und dabei blieb ebensoviel Gold im Boden stecken, wie herausgeholt worden war. |
Organisation war es, was sie brauchten, das sah er; und feine fruchtbare Phantasie entwarf ein Bild vom Eldorado Creet, von der Mündung bis zur Quelle, von Bergesgipfel zu Bergesgipfel, unter einer einheitlichen energischen Leitung. Sogar das Auftauen mit Dampf, das zwar noch nicht er probt mar, aber sicher fommen mußte, war, wie er einsah, nur ein Notbehelf. Was hier fehlte, waren hydraulische Anlagen an den Hängen und Goldbagger, wie sie in Kalifornien verwandt wurden.
Hier sah er die Chance für neue reiche Ausbeute. Er hatte sich den Kopf zerbrochen, warum wohl die Guggenhammers und die großen englischen Firmen ihre hoch befoldeten Sachverständigen ins Land geschickt hatten. Das war also ihr Plan. Darum hatten sie sich also an ihn gewandt, um bereits ausgebeutete Claims und Schutthalden zu kaufen. Ihretwegen mochten die kleinen Minenbefizer gern herausholen, soviel sie fonnten, es blieben doch noch Millionen zurüd.
Und indem er auf die rauchende Hölle zu seinen Füßen hinabsah, entwarf Daylight ein neues Spiel, das er spielen wollte, ein Spiel, in dem die Guggenhammers und alle anderen mit ihm zu rechnen haben sollten. Aber mit der Freude über diesen neuen Plan beschlich ihn ein Gefühl von Müdigfeit. Er war müde von den langen Jahren im hohen Norden, und er wollte missen, wie die Welt draußen aussah -die große Welt, von der er andere hatte reden hören, und von der er selbst nicht mehr wußte als ein Kind. Auch dort gab es Spiele zu spielen. Der Tisch war größer, und warum sollte er sich nicht mit seinen Millionen daransegen und mitspielen? Und so entschloß er sich an jenem Nach mittage auf dem Skookum Hill. seine beste Klondike- Karte auszuspielen und dann in die Welt hinauszureisen.
Aber das ging nicht so schnell. Durch zuverlässige Leute ließ er die Ingenieure der großen Firmen überall beobachten, und überall, wo die zu kaufen begannen, taufte auch er. Ueberall, wo sie einen ausgebeuteten Claim in ihre Hand zu bekommen suchten, stießen sie auf ihn, weil er ganze Kom plege oder einzelne Claims besaß, die so geschickt verstreut waren, daß ihre Pläne gefreuzt wurden.
,, Ich spiele mit offenen Karten- stimmt das nicht?" sagte er einmal in einer heißen Verhandlung.
Es folgten Kriege, Waffenstillstände, Bergleiche, Siege und Niederlagen. Im Jahre 1898 waren sechzigtausend
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Sonnabend, 18. Mai 1929
Die Geburtsstätte unserer Banknoten.
Dem Lauf des Nonnenfließes folgend, sind wir, an der Stelle des ehemaligen Cijenkreuzes vorüber. Schließlich zum„ Geschirr" gewandert, einem einsamen Gehöft inmitten des Waldes, früher eine Hadermühle, die zur Papierfrabrit Spechthausen gehörte. Noch eine furze Wanderung, und wir müssen dem Nonnenfließ Lebewohl sagen. Der Weg führt uns nach links auf die Chaussee, der wir nach Spechthausen folgen. 1708 wurde hier durch den Hammermeister Specht ein Eisenhüttenwert angelegt. 1781 wurde die Papierfabrik gegründet, die heute noch in Betrieb ist und in der das Papier für unsere Banknoten früher hier allein
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- hergestellt wird. Etwa zehn Minuten jenseits des Ortes verlassen wir die Chaussee nach links, nachdem wir eine Brücke über ein feines Fließ überschritten haben. Wir bleiben am Fließ und kommen zur Schwärze, in die bei Spechthausen das Nonnenfließ eingemündet ist und die hier in einem weiten, von Wald umgebenen Wiesental dahinfließt. Schließlich überschreiten wir die Schwärze auf einer hölzernen Brücke und wandern jenseits am Lauf eines Fließes zum Herthafall, dem alten Wasserfall bei Eberswalde . Nicht weit ent
Brücke im Tannengrund.
fernt kommen wir zum neuen Wasserfall, wo viele Erinnerungstafeln auf die Sängerfeste hinweisen, die hier abgehalten wurden. Auch ein Denkmal für den bekannten Liederkomponisten Franz. Müde befindet sich hier. Vom Wasserfall wandern wir hier nach Jainhammer, einem ehemaligen Eisenhüttenwerk, das an der Schwärze liegt. Vorher bildet die Schwärze ein wildes Erlenmoor, durch das der Weg führt.
Von Zainhammer bringt uns ein Promenadenweg zum Gesundbrunnen Eberswalde, dessen schwefel- und eisenhaltige Königsquelle bereits 1572 von dem Arzt Leonhard Thurneysser festgestellt wurde. Wir haben nun die Stadt Eberswalde , die bis 1876„ NeustadtEberswalde" hieß. erreicht. Sie weist fast gar feine alten Baulichfeiten auf, mur die, Maria- Magdalenen- Kirche auf dem Kirchplatz in der Altstadt ist sehenswert als ein Denkmal gotischer Baufunſt aus der Mitte des 13. Jahrhunderts. Aber die Arbeit der neuen Zeit hat in Eberswalde eine gute Stätte gefunden. Ausgededehnte Fabrik- und Werkanlagen sind bei der Stadt und im Finomial, westlich von Eberswalde , angelegt worden. Auch große Werk: stätten der Reichsbahn befinden sich in Eberswalde . Bom Alsenplatz führt uns die Eisenbahnstraße zum Bahnhof, von wo wir die Rückfahrt antreten.
Weglänge etwa 21 Kilometer. Karten: Reichstarte 1: 100 000 Blatt 244 Eberswalde; Meßtischblätter 1: 25 000 Blatt 1625 Ebers walde , und Blatt 1695 Grünthal. J. Ch.
Menschen am Klondike, und ihrer aller Wohlfahrt hing ab von dem Ausfall der Schlachten, die Daylight schlug. Und immer mehr feuerte der Geschmack an diesem großen Spiel Daylight an. Hier hatte er sich schon in einen Kampf auf Leben und Tod mit den großen Guggenhammers eingelassen, und er gewann. Der schwerste Kampf vielleicht wurde am Ophir geführt, der elendesten Elchweide, deren menig goldhaltiger Boden nur durch seine ungeheure Ausdehnung Bert hatte. Der Besiz von sieben Claims im Herzen der Geländes gab Daylight einen festen Griff, und sie konnten nicht zu einer Einigung gelangen. Die Guggenhammerschen Sachverständigen waren der Ansicht, daß die Sache seine Kräfte überstieg, als sie ihm aber ein Ultimatum stellten, faufte er sie aus.
Er schickte nach den Vereinigten Staaten und ließ tüchtige Ingenieure kommen. An der achtzig Meilen entfernten Wasserscheide erbaute er ein Reservoir und führte die mächtige hölzerne Wasserleitung quer durch das Land bis zum Ophir. Reservoir und Wasserleitung waren mit drei Millionen veranschlagt, fosteten aber beinahe vier. Und hierbei blieb es nicht. Elektrische Kraftanlagen wurden errichtet, seine Werkstätten durch Elektrizität erleuchtet und betrieben. Andere, die auch mehr Gold gefunden hatten, als sie sich je hatten träumen lassen, schüttelten düster die Köpfe, prophezeiten ihm, daß er zu Fall kommen würde, und weigerten sich, Geld in seine verrückten Unternehmungen zu stecken. Aber Daylight lächelte und verkaufte den Rest seiner Grundstücke. Er tat es gerade im rechten Augenblick, als die Goldausbeute. den höchsten Grad erreicht hatte. Wenn er feinen alten Freunden im„ Elchgeweih" prophezeite, daß in fünf Jahren fein Mensch mehr ein Grundstück in Dawson ge= schenkt haben wollte, und daß die Hütten dann zu Brennholz verbraucht wären, so lachten sie ihn aus und versicherten ihm, daß die Mutterader dann längst gefunden wäre. Aber er blieb dabei. Weil er feinen Bedarf an Bauholz mehr hatte, verkaufte er auch seine Sägemühlen. Ebenso begann er, seine an den verschiedenen Flüssen verstreuten Claims abzustoßen, und beendete seine Anlagen, baute seine Bagger, importierte seine Maschinen und machte das Gold von Ophir unmittelbar zugänglich, ohne jemand Dank zu schulden. Und er, der vor fünf Jahren vom Indian- River über die Wasserscheide gekommen, mit seinen Hunden als Lafttieren die schweigende Wildnis betreten und wie ein Indianer ausschließlich von Fleisch gelebt hatte, er hörte jegt das heisere Pfeifen, das seine Hunderte von Arbeitern zur Arbeit rief, und sah sie in dem weißen Schein der Bogenlampen arbeiten.
( Fortsetzung folgt.)