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Morgenausgabe

air. 231

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46.Jahrgang

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Vorwärts

Berliner Bolksblatt

Dienstag

21. maí 1929

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Eckener über die Sturmfahrt.

Ueberquerung des Ozeans einstweilen ausgeschlossen.

Dr. Edener, der am Sonntag nach Friedrichshafen zurüd| Bind nachgelassen habe. Etwa 30 Kilometer von Montelimar habe| verhältniffe anzutreffen. Daraus ergäben fich wahrscheinlich auch gefehrt ist, äußerte sich vor Pressevertretern ausführlich über die letzte Fahrt des Luftschiffes.

Dr. Edener erflärte zunächst, daß er nach Friedrichshafen zu­rückgekehrt sei, um mit Dr. Maybach Rücksprache zu nehmen und zu beschließen, was geschehen solle. Ein flares Bild fönne man sich im Augenblick nicht machen, da zunächst einmal die Frage geklärt werden müsse, worauf die Motorpannen zurüd­zuführen seien. Dazu jei die genaueste Untersuchung der ge­brochenen Teile notwendig. Er halte es jedoch schon jetzt nach Lage der Dinge für ausgeschlossen, daß Sabotage por liege, wie in einigen Zeitungen vermutet wird. Denn es sei unmöglich gewesen, daß jemand an die Kurbelwellen der Motoren habe herankommen fönnen. Auch jene Beränderungen, die anläßlich der Mittelmeerfahrt an den Motoren getroffen worden feien, hätten nichts mit den jetzt in Erscheinung getretenen Störungen zu tun. Ermüdung der Motoren halte er in Anbetracht der Güte des Mate­rials für ausgeschlossen, da die Motoren durchschnittlich 2000 Be triebsstunden arbeiten fönnten, sie aber in Wirklichkeit erst 600 ge­arbeitet hätten. Es handele sich vielmehr um ein ganz neues Moment, das noch der eingehenden Prüfung bedürfe.

Auf alle Fälle aber fönne an eine Ueberquerung des Ozeans nicht gedacht werden, bis die Ursache der Schäden einwandfrei feststände.

Man habe es hier ausschließlich mit einer Motorenfrage zu tun, die in keinem Zusammenhang mit dem Luftschiff selbst stände. Im Gegenteil sei es bemerkenswert, daß trotz der unerhörten Banne das Schiff glatt zur Landung gebracht worden sei. Er jei überzeugt, daß eine Banne auf hoher See einfacher und leichter für das Luft­schiff gewesen wäre, als gerade in dem Mistral des Rhonetales, das außerdem noch zu beiden Seiten von Gebirgen eingeschlossen werde. Zum Fahrtverlauf selbst erklärte Dr. Edener, daß er den Weg über Gibraltar genommen habe, weil hier nach den Better: nachrichten mit einem schnellen Vorwärtskommen gerechnet werden Ionnte. Die Strecke von Basel bis zur französischen Küste habe er in vier Stunden zurückgelegt und mit gleich gutem Wind Stun­den später Barcelona erreicht. Er habe die Gesamtstrede bis Gibraltar auf etwa 15 Stunden geschäßt, während die Fahrt über den Golf von Biscaya ungleich länger gedauert hätte, da hier mit ungünstigen Winden gerechnet werden mußte. Schon furz hinter Barcelona hätte

ein Steuerbordmotor abgestellt

werden müssen, da eine Kurbelwelle gebrochen war. Nach eingehen­der Beratung mit Graf Soden, der ein ausgezeichneter Technifer sei, sowie mit den Luftschifführern Lehmann und Flemming jei man zu der Ueberzeugung gekommen, daß der Bruch der Kurbel­melle teinerlei Schlüsse auf die übrigen Motoren zulasse, um so weniger, als alle Motoren auf der letzten Amerifafahrt ganz vor­züglich und ohne jedwede Unterbrechung gearbeitet hätten. Er habe fich daher zur Weiterfahrt entschlossen. Ein Entschluß, den er um so eher hätte faffen können, als unter mindestens gleich günstigen Bedingungen eine Rückkehr von den Azoren aus hätte stattfinden können, falls noch weitere Pannen eingetreten wären.

In diesem Falle hätten die ozeanischen Westwinde ausgenügt merden können, während bei sofortiger Umkehr der Mistral Schwierigkeiten bereiten fomnte. Kurz hinter den Balearen- Inseln und Rap Nao sei dann ein

zweifer Steuerbordmofor infolge Bruches eines Schwung­gewichtes der Kurbelwelle ausgefallen.

Der Bruch der Kurbelwelle habe die 3ertrümmerung des Aurbelgehäuses zur Folge gehabt und eine Reparatur un­möglich gemacht. Jetzt habe er sofort tehrtgemacht und sei in schneller Fahrt gegen 211 Uhr abends schon wieder über Barce. Iona gewesen. Von hier ab aber sei das Vorwärtskommen immer langsamer geworden. Der starke Mistral in der Bucht von Lyon habe das Schiff, dessen Geschwindigkeit mit den drei Motoren noch etwa 95 Kilometer betrug, einfach nicht mehr vom Fleck tommen laffen. Die Böen hätten etwa 90 bis 95- Stunden- Kilometer be­tragen und die Kraft der Motoren gerade dazu ausgereicht, diese Windgeschwindigkeit auszufämpfen". Er habe es in allen Höhen versucht, aber erst nachdem er auf etwa 100 Meter herabgegangen sei, hätte das Luftschiff wieder etwas Fahrt gemacht. Bon Barce Iona bis an die Küste habe er volle 9 Stunden ge­braucht, während auf dem Hinflug die Strecke in Stunden bewältigt wurde. Nach Ueberschreitung der Küste sei er wiederum bis zur Prall- Höhe des Schiffes, also etwa 1500 Meter gestiegen, hätte aber die Feststellung machen müssen, daß der Mistral hier noch heftiger mar. Gegen 11 Uhr vormittags wurde Nimes überflogen. Hier habe er, obgleich die Motoren mit äußerster Kraft liefen, etwa ne halbe Stunde lange nicht vom Fled tommen können, bis der

er dann die Rhone erreicht, und sei dann mit 30 bis 35- Stunden­Kilometern vorwärts gekommen, während in den verflossenen fünf bis sechs Stunden nur durchschnittlich 22- Stunden- Kilometer erreicht wurden. Gegen 3 1hr nachmittags habe man sich Balence ge= nähert und gehofft, hier beffere Bedingungen vorzufinden. Während dieser ganzen Zeit sei das

Luftschiff langsam aber ruhig und stetig fortgekommen. Bon einem Stampfen und Schlingern fönne teine Rede sein, die Bassagiere hätten alle in bester Stimmung und mit gutem Appetit das Mittagessen eingenommen, an dem er selbst teilgenommen habe, um auf die zahlreichen Fragen antworten zu können. Kurz vor Balence sei er nach Nordosten abgebogen, um den Weg über Genf und die Schweiz zu nehmen. Man habe schon geglaubt, das Schlimmste hinter sich zu haben, als furz nach 3 Uhr östlich von Balence ein dritter Motor versagte. Die Eigengeschwin digkeit des Luftschiffes sei nun beträchtlich herabgegangen, da sich mit dem Ausfall jedes weiteren Motores nicht allein die verfügbare Maschinenkraft, sondern auch der Wirkungsgrad der übrigen Propellerstärke abschwächte. Die Geschwindigkeit sei von 95 auf 70 Kilometer zurückgegangen, gegen einen Wind von 55- bis 60- Stunden- Kilometern, was bedeute, daß das Luftschiff mur 10 bis 15 Kilometer vorwärts fam. Unter diesen Umständen und ange­fichts der Gefahr, daß noch ein weiterer Motor ausfallen fönnte, habe er sich zu einer baldigen Landung entschlossen. Noch in Er­wägung darüber, wo diese Landung stattfinden sollte, sei ihm die Meldung überreicht worden, wonach auch der vierte Motor eine Banne aufwies.

Alle vier Motoren hätten diefelben Pannen gehabt, nämlich Bruch eines Schwunggewichts an der Kurbelwelle.

Jett hätte es natürlich nur noch einen Ausweg gegeben, nämlich unverzüglich zur Landung zu schreiten. Er habe sich daher sofort mit Lyon in Verbindung gesetzt und Hilfe für eine Notlandung in Valence erbeten. Ueber den Flugplay von Valence habe er jedoch so träftige Binde angetroffen, daß an eine Landung nicht gedacht werden tonnie. Er habe nunmehr das Luftschiff in ein Seitental des Gebirges gesteuert, in dem Glauben, hier günstigere Wind­

die Falschmeldungen, wonach das Luftschiff hilflos ins Gebirge getrieben worden sei. Er sei mit voller Absicht in das Gebirgsgelände gegangen und habe dabei das Schiff mit einer laufenden Maschine so vollkommen in der Hand gehabt, daß er zwischen den recht hohen Bergen hindurch bis weit ins Drome­tal bis zum Städtchen Saillans gelangt sei. Wenn auch der Wind erheblich schwächer als außerhalb des Gebirges gewesen sei, so hätten Fallböen und aufsteigende Windstöße, wie überhaupt die. Turbulenz der Atmosphäre eine einigermaßen glatte Landung von vornherein unmöglich gemacht.

Der Versuch, nach Montelimar zurüdzukehren, sei mißlungen, weil der letzte Motor möglichst schonend behandelt werden mußte, d. h. die Tourenzahl erheblich herabgesetzt wurde. Er habe also den einzig möglichen Ausweg benutzen müssen, etwa 200 Rilometer bis zur Reviera zu fliegen, mas denn auch mit einer Geschwindigkeit von 100 Stundenkilometern mit gutem Schiebe wind gelungen fei.

An den Landeplay Cuers habe er zunächst nicht gedacht, da dieser ja in dem

verbotenen Sperrgebiet von Toulon liege. Er habe vielmehr geglaubt, in den Vorbergen der Reviera Windstille und Täler für eine Landung vorzufinden. Erst später habe er an die Möglichkeit einer Landung in Cuers gedacht und sei gerade im Begriff gewesen, eine Anfrage an das französische Luft­fahrtministerium wegen einer Landung zu richten, als dieses von sich aus eine Landung in Orly bei Paris oder aber in Cuers anbot

Bon jetzt ab jei er ständig mit Toulon und Cuers in Funkver­bindung gewesen und habe den Flugplatz gegen acht Uhr nach ruhiger und verhältnismäßig schneller Fahrt erreicht. Obgleich von

Toulon aus Anweisung ergangen war, nicht vor 19 Uhr zu landen, da die unterwegs befindlichen Landetruppen nicht früher zur Stelle länger aussehen wollen und sei unverzüglich zur Landung geschritten. sein konnten, habe man sich der Laune des einzigen Motors nicht nur etwa 30 bis 40 Leute der Playmannschaft von Cuers hätten auf dem Landungsfeld gestanden und in diesen hinein habe er bei völliger Windstille das Luftschiff fallen lassen und noch genug Brems­

Ryfow faltgestellt.

Ein neues Opfer der Parteiguillotine Stalins .

Wie aus Moskan gemeldet wird, hat das Polit bureau der Kommunistischen Partei beschlossen, den Vorsitzenden des Rates der Volkskommissare der sowjet russischen Republiken, Alexander Rykow, von seiner Stellung zu entheben.

Zum Nachfolger Rykows ist Syrzoff ernannt worden. Shrzoff ist ein Anhänger der Stalin Poli. tik und spielte im Bürgerkrieg bei der Bekämpfung der weißrussischen Bewegung eine große Rolle. Er ist ein Anhänger des linken Flügels der Komintern . Besonders hervorgetan hat er sich beim Wiederaufbau der russi schen Wirtschaft. Er soll schon im Laufe dieser Woche sein Amt antreten.

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Rytom war der anerkannte Führer des rechten Flügels der bolichemistischen Partei. Als solcher hatte er die Kaltstellung Trogtis und seiner Anhänger am energischsten betrieben und mit Hilfe Stalins durchgesetzt. Er war der Wortführer jener Richtung, die durch Entgegenkommen an die mittleren und reichen Bauern deren Mitarbeit am Auf­bau des Sowjetstaates erreichen wollten. Diese Kulaten politik, gegen die sich der erbitterte Widerstand politik, gegen die sich der erbitterte Widerstand der Troßfisten richtete, war zwei Jahre lang Trumpf in der Sowjetunion .

Inzwischen hat sich aber Stalin wieder von diesem Kurs losgesagt. Nach der Vernichtung der Trogliften hat er selber den Trogfi- Kurs, wenigstens in dieser Kardinalfrage der Sowjetpolitit, eingeschlagen: Kampf dem Kulakentum, verstärkte Industrialisierung um jeden Preis. Mit Aus­nahme des alten Kalinins, der sich rechtzeitig der neuen Stalin - Parole anpaßte und der zu populär ist, als daß man fich ohne weiteres an ihn herantrauen würde, sind nach und nach alle prominenten Anhänger des rechten Flügels, soweit sie Widerstand leisteten, taltgestellt worden. Bucharin

als Vorsitzender des Präsidiums der Kommunistischen Inter nationale und als Chefredakteur der Prawda", Tomsti als Vorsitzender des Allrussischen Gewerkschaftsbundes, Scheinmann als Leiter der russischen Staatsbant, und nun auch Rytow als Leiter des Rates der Volfs= kommissare.

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lleber die politischen Leichen seiner Partei­Freunde" von links und rechts schreitet triumphierend Stalin, der Generalsekretär der bolichemistischen Partei, hinweg aber nicht geradeaus. Denn das ist das Charat­teristische und Beschämende an dieser innerparteilichen Hen­ferarbeit Stalins: unter dem Vorwand politischer ,, Ab­weichungen" werden persönliche Rivalitäten ausgefochten, die mit der Kaltstellung des unbequemen Konfurrenten enden. Der Kurs ist aber ein 3 id3adfurs schlimmster Art. Man verbannt Trogli nach Sibirien im Namen der notwendigen Kulatenpolitit, aber zwei Jahre später stiehlt man die Argu­mente des erledigten Trokki und rückt von der Kulakenpolitik ab. Heute muß nun Rykow daran glauben, der einst gegen Trogti nicht genug scharfmachen fonnte. Aber wenn der neue Kurs der Industrialisierung Schiffbruch erlitten haben wird, dann wird derselbe Stalin die Argumente Rytows stehlen und wieder Kulafenpolitik treiben.

Das kann sich Stalin um so gefahrloser leisten, als in elf Jahren bolschemistischer Herrschaft das Gros der Partei­mitglieder zu charakterlofen Lafaien erzogen worden ist. Jeder zittert um fein Pöstchen und ist bereit, den besten Freund über Nacht zu verraten, wenn es der große Stalin so befiehlt. und vom Ausland ist erst recht keine Kritik und feine Re­bellion zu befürchten. In der Kommunistischen Internationale kennt man nur eine Parole, die unter je dem Moskauer Kurs hundertprozentige Geltung hat. Und diese Parole, deren idealer Verfünder in Deutschland der begabte Teddy. Thälmann ist, heißt: Kusch!